Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana

  • Ich halte es schon für grundlegend falsch, Samsara und Nirvana als "Phänomene" zu bezeichnen.


    Der Theravāda bezeichnet nibbāna als āyatana, dhamma und dhātu.


    Ich finde, dieser Faden zeigt wieder einmal sehr deutlich, wie sehr die buddhistischen Konfessionen im Kern ungleich sind.

    Ich finde, dieses Erkennen der Ungleichheit ist wichtig für Anfänger.

  • Ich finde, dieser Faden zeigt wieder einmal sehr deutlich, wie sehr die buddhistischen Konfessionen im Kern ungleich sind.

    Ich finde, dieses Erkennen der Ungleichheit ist wichtig für Anfänger.

    Die interessante Frage ist, ob die Lehren unterschiedlich sind, oder ob die Begriffe nur anders verwendet werden und letztlich das gleiche Ziel - auf verschiedenen Wegen - erreicht werden kann. Um es (nochmals) mit Longchenpa zu sagen: "Bezeichnungen erfolgen aus Verwirrung, denn was nicht existiert, wird für existent gehalten. Da das Wesen der Dinge dem von Traumbildern gleicht, welche ohne Grundlage sind, wie ausgesprochen seltsam ist es doch, sich auf Samsara und Nirvana zu fixieren, so als besäßen sie eine eigenständige Existenz!"


    Insofern gehe ich davon aus, dass die verschiedenen buddhistischen Schulen gleichwertig dahingehend sind, dass am Ende die Buddhaschaft bzw. volle Erleuchtung steht. (Wobei auch diese Begriffe dem Problem unterliegen, dass wir dazu neigen, die ihnen von uns jeweils zugemessene Bedeutung als existent anzusehen, wobei unterschiedliche Interpretationen zu unterschiedlichen vermeintlich real existierenden Objekten werden, über die man sich dann streiten kann.)

  • Da hast du recht, die buddhistischen Konfessionen sind im Kern ungleich, zum Glück gibt es die Lehre von dem einen Fahrzeug des Buddha. Der brauchte nur eine Konfession und die ist noch nicht mal eine.

  • Gibt es eine Untrennbarkeit von Nirvana und Samsara?

    Nirvana ist eine Daseinssphäre, die eintritt, wenn die Ursachen für Dukkha überwunden sind.

    Genau deshalb gibt es keine Untrennbarkeit von Nirvana und Samsara.


    Der Ausdruck "zwei Seiten einer Medaille" kommt somit nach meinem Verständnis der Wahrheit als Analogie sehr nahe.

    Die Analogie mit den zwei Seiten einer Medaille halte ich in diesem Zusammenhang nicht für angemessen. Die Vorder- und die Rückseite einer Medaille treten immer gemeinsam auf. Dies ist bei der zweiten und dritten edlen Wahrheit aber nicht der Fall.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Die Analogie mit den zwei Seiten einer Medaille halte ich in diesem Zusammenhang nicht für angemessen. Die Vorder- und die Rückseite einer Medaille treten immer gemeinsam auf. Dies ist bei der zweiten und dritten edlen Wahrheit aber nicht der Fall.

    Ich sag ja, das kommt darauf an, ob man die Begriffe auf die Wahrnehmung oder auf das Objekt bezieht. Bezieht man sie auf die Wahrnehmung, lassen sie sich eben nicht gleichzeitig wahrnehmen, also tritt auch die Wahrnehmung nicht gleichzeitig auf. Man sieht zwar die Medaille, aber immer nur entweder die Vorderseite oder die Rückseite. Man nimmt die Welt entweder als Nirvana oder als Samsara wahr. Aber: man kann sich beim Blick von jeder Seite erschliessen, dass es eine andere Seite geben muss. Wobei jemand der erleuchtet ist, weiss, dass es die anderen Seite gibt, weil er die Zusammenhänge durchschaut hat, und jemand der verblendet ist, weiss es nicht oder bekommt nur eine vage Ahnung davon, die ausreichend Neugier weckt, um die andere Seite auch sehen zu wollen, oder irgendwas dazwischen. Totale Verblendung (= Samsara) bedeutet dann, der Illusion zu unterliegen, dass es nur die Seite gibt, die man kennt.

    Anders herum bedeutet Verblendung auch, dass selbst, wenn man die andere Seite sieht, man nicht erkennt, dass es sich um eine andere Seite handelt. Deswegen sieht jemand der nicht erleuchtet ist, einen Buddha auch nicht als Buddha, sondern als Mensch wie Du und ich. Sieht seine Handlungen von Verblendung motiviert und nicht aus Erleuchtung heraus ausgedrückt.

    Was immer klar ist, ist, dass die "Medaille" natürlich nur eine Sinnbild ist für Phänomene, die traumartiger Natur sind und letzten Endes keine feste Substanz haben.

  • Ein Begriff wie "Untrennbarkeit" führt automatisch in philosophische / religiöse Gefilde, wo es drauf ankommt, aus welcher Perspektive ich etwas betrachte. Wie gut ich das Beispiel mit der Medaille finde (ich persönlich finde es gut), ist nicht so wichtig.

    Ein ähnlicher Begriff ist "alternativlos", und noch viele andere. Begriffe eben, die mir suggerieren wollen, ich müsse mich hier jetzt entscheiden und aufpassen, dass ich nicht die falsche Entscheidung treffe. :shock:


  • Sie sind doch untrennbar, trennen kann man nur was das zusammen ist, da sie nicht zusammen Eines sind, sind sie untrennbar, nicht zu trennen, weil sie nicht Eins sind.


    Kein Wortspiel! Letzter Versuch.

  • Mir ist das eigentlich echt egal, ob sie untrennbar oder eine Medaille oder sonstwas sind. Nur wer in Samsara lebt und dieses auch entsprechend wahrnimmt, kann sich überhaupt wünschen, das Nirvana zu erreichen. Ohne Samsara macht das Ganze keinen Sinn. Deshalb ist es für mich untrennbar.


    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ob der Buddha sagen würde, er sei getrennt von Samsara, weiß ich nicht. Ich vermute mal nein, wegen seines Mitgefühls.


    Aber in dir sind Samsara und Nirvana gerade jetzt gleichzeitig vorhanden: Samsara, weil du noch Leidenschaften hast, Nirvana weil diese bloß ein Irrtum in deinem Geist sind. In Wahrheit ist dein Geist schon jetzt von Natur aus im Nirvana. Deine Leidenschaften sind nur Befleckungen in deinem Geist, die nicht inhärent zu deinem Geist gehören und deswegen ja auch entfernt werden können.


    Und ich denke, um nur im reinen Nirvana verweilen zu können (wie auch immer das funktionieren mag - oder vielleicht auch nicht?) muss man mal in Samsara gewesen sein. Das zeigt auch eine Untrennbarkeit an: denn wenn du die Ursachen (die frühere Zeit in Samsara, der Achtfache Pfad) wegnimmst (im Gedankenexperiment), dann fällt auch das Ergebnis Nirvana weg.

    Wenn ich die Leidenschaften und deren Ursachen in meinem Geist erkannt habe, bin ich noch lange nicht im Nirvana. Nirvana bedeutet ja nicht, dass man diese Leidensursachen erkannt hat, sondern dass man die Leidensursachen vollständig überwunden hat so dass Leiden nicht mehr im eigenen Geist entstehen kann. Dafür reicht die Erkenntnis der ersten beiden Wahrheiten allein nicht aus, sondern man muss den achtfachen Pfad üben, was auch seine Zeit dauert, weil die Geistesgifte tief in unserem Bewusstsein verankert sind.


    Wir befinden uns seit anfangsloser Zeit im Samsara, haben diesen Zustand bis auf den heutigen Tag nicht überwunden. Also können wir uns noch nicht im Nirvana befinden. Erst durch die Praxis des achtfachen Pfades können wir Samsara überwinden und erst dann befinden wir uns im Nirvana. Samsara und Nirvana bestehen im Geist einer Person also nicht gleichzeitig, genauso wie zum Beispiel Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig bestehen.


    Wenn wir Samsara, also die Ursachen unserer Leiden, überwunden haben, dann fällt Nirvana, der Zustand der Beendigungen der Leidensursachen, nicht weg, sondern Nirvana ist dann erst gegeben. Es gibt meines Erachtens keine überzeugenden Begründungen für eine Untrennbarkeit, also eine Gleichzeitigkeit von Samsara und Nirvana. Die zweite und dritte edle Wahrheit sind nicht gleichzeitig im Geist einer Person gegeben und deshalb sind sie nicht untrennbar in ihm gegeben.


    Eine andere Frage ist, in welchem Abhängigkeitsverhältnis Samara und Nirvana, also die zweite und dritte edle Wahrheit zueinander stehen. Eine weitere wichtige Frage ist, wie bestehen Samsara und Nirvana.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • genauso wie zum Beispiel Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig bestehen.

    Nun, auch das ist eine Frage wie man das betrachtet. Der Punkt, an dem die Ursache zur Wirkung wird, ist gleichzeitig Bestandteil von Ursache wie von Wirkung, oder aber weder das Eine noch das Andere. Die Frage ist auch, wie weit man "Ursache" fast, wie weit man "Wirkung" fasst. Alles jenseits dieses gleichzeitigen Punktes ist nämlich vielleicht bereits eine Wirkung einer anderen Ursache. Ursache und Wirkung sind eine Abfolge bzw. Verkettung von Gleichzeitigkeiten. Nochmals anders ausgedrückt: Jede Wirkung ist bereits wieder Ursache für die nächste Wirkung. Ursache und Wirkung sind also weder in die Vergangenheit noch in die Zukunft hinein getrennt voneinander. (Mal ganz abgesehen davon, dass genau genommen nichts außer "Jetzt" existiert. Denn alles Andere ist Erinnerung oder Erwartung.)

  • Egal wie man definitorisch Ursache und Wirkung voneinander abgrenzt, um sagen zu können, dies ist eine Ursache und jenes ist eine Wirkung. Der Punkt ist, können Ursache und Wirkung gleichzeitig existieren?


    Beispiel: Apfelsamen und Apfelbäume: Zur Zeit wo ein Obstbauer über Apfelsamen verfügt, sind die Apfelbäume, die er aus ihnen ziehen will, noch nicht vorhanden. Er setzt die Apfelsamen in die Erde und in einem komplexen Prozess verschiedener Bedingungen und Umstände entstehen dann die gewünschten Apfelbäume. Zu dem Zeitpunkt wo die Apfelbäume gegeben sind, gibt es aber die Apfelsamen nicht mehr. Also existieren die Ursache, die Apfelsamen, nicht zur gleichen Zeit wie die Apfelbäume, die aus ihnen entstanden sind in einem komplexen Prozess.


    Die zweite und die dritte edle Wahrheit bestehen im Geist einer Person auch nicht gleichzeitig, so wie Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig bestehen, wenn auch das Abhängigkeitsverhältnis ein anderes ist als bei der kausalen Abhängigkeit von Ursache und Wirkung.


    Dass die aus Ursachen entstandenen Wirkungen natürlich wiederum Ursachen für andere Wirkungen werden und das Verhältnis zwischen den drei Zeiten sind ja zwei andere Themen.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Der Punkt ist, können Ursache und Wirkung gleichzeitig existieren?

    Wie ich dargelegt habe: ja, je nachdem wie man die Begriffe verwendet. Und darum ging es ja: genauso ist es bei Samsara und Nirvana. Womit mein Punkt ist: beide Aussagen sind wahr, aber was nicht wahr ist, ist die Ansicht, nur die eine Ansicht sei wahr.

    Vielleicht hilft mal wieder diese schöne Grafik:


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

  • Der Punkt ist, können Ursache und Wirkung gleichzeitig existieren?

    Wie ich dargelegt habe: ja, je nachdem wie man die Begriffe verwendet. Und darum ging es ja: genauso ist es bei Samsara und Nirvana. Womit mein Punkt ist: beide Aussagen sind wahr, aber was nicht wahr ist, ist die Ansicht, nur die eine Ansicht sei wahr.

    Die Verwendung der Begriffe ist ja nicht beliebig! Man muss sich schon klar äußern, ob Ursache und Wirkung gleichzeitig existieren. Selbst das westliche Verständnis von Kausalität verneint die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung. Man muss die konventionellen Begriffe schon korrekt entsprechend ihrer Definition verwenden. Daraus ergibt sich, dass Kausalität einen zeitlichen Prozess abbildet.


    Wenn man sagt, das Phänomen A und das Phänomen B stehen in einer kausalen Abhängigkeit zueinander, dann muss man akzeptieren, wenn Phänomen A die Ursache von Phänomen B ist, dann können sie nicht gleichzeitig bestehen. Das habe ich ja mit meinem Beispiel verdeutlicht.


    Das Phänomen A kann natürlich nur dann eine Ursache für Phänomen B sein, wenn es selbst verursacht ist. Weil das Phänomen B verursacht ist, kann es wiederum die Ursache für eine weitere Wirkung sein. Wir haben es also mit einem kontinuierlichen zeitlich ablaufenden kausalen Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu tun in dem aber jeweils das was Ursache und Wirkung isst niemals gleichzeitig auftreten.


    Auch wenn zwischen der zweiten und dritten edlen Wahrheit kein kausaler Ursache-Wirkungs-Zusammenhang besteht, können sie genauso wie Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig im Geist einer Person gegeben sein, weil sie sich im Gegensatz zu Ursache und Wirkung gegenseitig ausschließen. Und was sich gegenseitig ausschließt kann nicht untrennbar miteinander verbunden sein. Deshalb sind Nirvana und Samsara nicht untrennbar miteinander verbunden, sondern zwei voneinander verschiedene Phänomene.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Ok, dann gibt es sie eben nicht.


    :)_()_

    Eine sehr geschickte Reaktion an diesem Punkt. Das gelingt mir viel zu selten. Zum Beispiel im Moment. :grinsen:


    Die eigentliche Ausgangsfrage war ja:

    Gibt es was in den Schriften über den Zusammenhang von Nirwana und Samsara. Was ist eure Meinung dazu ?

    Meinungen wurden ja hier in unterschiedlicher Stärke kundgetan. Und auch, wenn es wahrscheinlich fruchtlos ist, will ich diese Frage beantworten.


    Ja, es gibt etwas in den Schriften. Und ich möchte hier auch darauf hinweisen, dass es, wie es schon häufiger versucht wurde, wieder mal mehrere Perspektiven gibt, auf die man schauen kann. Aus der Perspektive von allen Traditionen, aber auch innerhalb der tibetischen Tradition. Das ist mir hier ein bißchen kurz gekommen.


    Samsara und Nirvana sind eins/untrennbar. Als Basis haben sie die Leerheit, und letztendlich sind es Wahrnehmungen. @kilaya , Thorsten Hallscheidt und Noreply haben das ja ausreichend dargelegt, dass es eine Sache der Wahrnehmung ist.


    Ich will einfach mal ein paar Stellen aus Büchern zitieren, wo man das auch sehen kann:


    Zitat

    Noch ist die natürliche Klarheit Ihres Geistes durch Verblendung getrübt. Doch wenn diese Trübungen sich klären, wird allmählich die leuchtende Klarheit des Gewahrseins freigelegt, bis Sie schließlich das Stadium erreichen, in dem Ihre Gedanken sich bereits in dem Moment auflösen, in dem sie aufsteigen, so wie Striche, die man auf Wasser zeichnet, sofort wieder verschwinden. Den Geist so zu erfahren, heißt zur tatsächlichen Quelle der Buddhaschaft vorzudringen, zur Praxis der vierten Ermächtigung. Wird die wahre Natur des Geistes erkannt, nennt man dies Nirvāna; wenn Verblendung sie trübt, ist dies Samsāra. Doch weder Samsāra noch Nirvāna haben jemals das Kontinuum des Absoluten verlassen. Wenn die Verwirklichung des Gewahrseins ihr volles Ausmaß erreicht hat, ist der Wall der Verblendung durchbrochen und die Zitadelle des Dharmakāya, jenseits von Meditation, kann auf immer erobert werden. Fortan gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Meditation und Nach-Meditation.

    Khyentse, Dilgo. Das Herzjuwel der Erleuchteten, Theseus Verlag.


    Zitat

    Es ist der Geist, der Samsāra und Nirvāna erschafft. Und doch ist nichts daran – es sind nur einfach Gedanken. Wenn Sie einmal Gedanken als leer erkannt haben, verliert der Geist die Macht, Sie irrezuführen. Solange Sie aber Ihre trügerischen Gedanken für wahr halten, werden Sie weiterhin erbarmungslos von ihnen gequält, wie es zahllose frühere Leben hindurch geschehen ist.

    Ebenda


    Zitat

    Bodhisattvas, die auf der achten Stufe angelangt sind, haben erkannt, daß Samsāra und Nirvāna ein und dasselbe sind. Dies ist die höchste Sicht.

    Ebenda.


    Aber auch Nagarjuna sagt etwas über die Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana, Mulamadhyamakakarikah, Kapitel 25:


    Zitat

    9. The state of moving restlessly to and fro (in samsara) is dependent and conditioned; independent and unconditioned, it is said to be nirvana.


    Deutsch:

    9. Der Zustand des rastlosen Hin- und Herbewegens (in Samsara) ist abhängig und bedingt; unabhängig und bedingungslos wird er als Nirvana bezeichnet.

    (Deepl)


    Zitat

    19. There is no distinction whatsoever between samsara and nirvana; and there is no distinction whatsoever between nirvana and samsara.


    Deutsch:

    19. Es gibt keinen Unterschied zwischen Samsara und Nirvana, und es gibt keinen Unterschied zwischen Nirvana und Samsara.

    (Deepl)


    Zitat

    20. The limit of nirvana and the limit of samsara: one cannot even find the slightest difference between them.


    Deutsch:

    20. Die Grenze des Nirvana und die Grenze des Samsara: Man kann nicht einmal den geringsten Unterschied zwischen ihnen finden.

    (Deepl)

    Quelle: Nagarjuna on Nirvana


    Mathieu Ricar titiert in seinem Buch "Weisheit" verschiedene Meister. Der 14. Dalai Lama:


    Zitat

    Samsara bzw. der Kreislauf der Existenzen und Nirvana, seine Überwindung, sind nicht wie Orte, die geografisch weit voneinander entfernt liegen. Es sind zwei Geisteszustände. Samsara ist ein Abweichen von der Erkenntnis, eine

    verzerrte Sichtweise der Wirklichkeit, die den Geist negativen Gefühlen unterwirft, während das Nirvana ein Zustand innerer Freiheit ist, befreit von jeglichem konzeptuellen und emotionalen Hindernis. Alles, einschließlich des Nirvana, geht aus Ursachen und Bedingungen hervor.


    Ricard, Matthieu. Weisheit: Die schönsten Texte tibetischer Meister S.54). Nymphenburger


    Ebenda, Ratna Linpa zitierend:

    Zitat

    Die Dualität von Samsara und Nirvana Läuft nur auf die Vorstellung von Gut und Schlecht hinaus.

    Es ist in Wirklichkeit eine Nicht-Dualität jenseits jeglichen Bezugs. Ich, der Vagabund ohne Ziel, bin heiter und gelassen.

    Ricard, Matthieu. Weisheit: Die schönsten Texte tibetischer Meister S.170 Nymphenburger


    Das waren jetzt die Dinge aus meinem Bücherschrank. Im Netz gibt es auch noch was:


    Robert Thurman, ja auch kein ganz dummer Mensch, hat zu dieser Thematik in einem Interview gesagt:


    Zitat

    On the surface level—or on the level of the great teachings that are there—it’s quite clear, actually. But, what’s amazing to me is how resistant people—even Tibetan lamas—are to this idea that nirvana—you know, Nagarjuna’s great statement that the there’s not the slightest iota of difference between nirvana and samsara They are right here. Nirvana is right here in what seems to the unenlightened to be samsara.

    Nirvana and Samsara Are the Same Thing - Sounds True


    Zitat

    Auf der oberflächlichen Ebene - oder auf der Ebene der großen Lehren, die es gibt - ist es eigentlich ziemlich klar. Aber was mich erstaunt, ist, wie sehr sich die Menschen - sogar tibetische Lamas - gegen die Idee sträuben, dass Nirvana - Sie wissen schon, Nagarjunas großartige Aussage, dass es nicht den geringsten Unterschied zwischen Nirvana und Samsara gibt - genau hier ist. Nirvana ist genau hier, in dem, was für den Unerleuchteten als Samsara erscheint.


    Übersetzt mit DeepL Translate – Der präziseste Übersetzer der Welt (kostenlose Version)


    Diese Sicht scheint es auch im Zen zu geben, hier ein (wie ich finde) interessanter Artikel dazu:

    There and Back Again: The Unity of Samsara and Nirvana in Tantric and Zen Buddhism | by Sasha Manu | Medium



    genauso wie zum Beispiel Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig bestehen.

    Auf einen einzigen Gegenstand bezogen ist das richtig. Grundsätzlich gilt, dass Ursache, Wirkung und Ding Synonyme sind. Jedes Ding ist eine Ursache und eine Wirkung. Jede Wirkung ist sowohl eine Ursache als auch ein Ding. Das ist die Regel. Die Ausnahme steht im ersten Satz.


    Genauer nachlesen kannst du das in den Studienunterlagen TZ, VaibashikaLehrmeinung, S. 249 unten. Ich weiß ja, dass du die hast.


    S.320 mittig über dem Zitat von Tsongkapha liest du, dass man die Wirkungen vergangener Ursachen erlebt und gleichzeitig neue Ursachen für neue Wirkungen schafft. .


    Sorry, ist ein langes Post geworden und wahrscheinlich hat niemand alles gelesen, aber es musste echt raus. :grinsen:

  • Hallo,


    hab verständnis Probleme damit das Samsara und Nirvana untrennbar miteinander verknüpft sind.


    Vg Kaimann

    Nicht nur Du...

    Ich habe Samsara sehr lange als einen Ort gesehen, in dem ich gefangen bin und Nirvana als einen Platz in dem ich in absoluter Freiheit verweile.


    Aber als ich das erste Mal in der Meditation sah, was ich war und nicht war, hat sich meine Sicht der Dinge, mein Erleben komplett verändert. Nirvana ist für mich eine Freiheit von der Idee, dass ich in Samsara lebe, bzw eine Manifestation davon bin, dass ich geboren wurde und sterben werde, dass ich himmlische und höllische Bereiche erleben werde, dass ich gefangen bin und Freiheit erlangen könnte.

    Ich habe keinen Zweifel daran, dass Nirwana innerhalb unserer 70 bis 100 Jahre (Lebenszeit) erfahren werden kann.


    Sich in der Welt wahrnehmend, ist eine Bedingung (Ursache) für die oben genannten Ansichten und Ideen.


    Wenn ich jetzt zu meinem jüngeren Ich sprechen könnte, müsste ich ihm sagen, dass es keinen Weg in die Freiheit, in der Zukunft gibt.

    Von meiner Warte aus gibt es keinen Martin, der in der Vergangenheit in Samsara gefangen war, und der in einer Zukunft Freiheit erlangen könnte.

    Aber für diesen Jungen gibt es diese Möglichkeit, weil er sich sehr lange, als Ich in der Welt wahrgenommen hatte.

    Der Buddha hat sein Lächeln nicht verloren, trotz Dukkha.


    Einige meiner Lehrer haben selbst in den schlimmsten Situationen ein Lächeln auf den Lippen gehabt.

    Warum, weil für sie das ganze nicht mehr als eine Täuschung war.

    Sie waren nicht mehr die unwissenden Schauspieler, sondern die Regisseure.


    Als Kind habe ich den Film (Der weiße Hai) gesehen.

    Danach hatte ich Angst vor Seen, dem Meer usw.

    Ich wusste es nicht besser, und die angst war real für mich.


    Freiheit von der Unwissenheit, der Angst, der Zweifel, dass ist für mich der erste Geschmack von Nirvana.


    Und was nach dem Zerfall dieses Elementehaufen noch passiert, ist nicht mehr mein Problem.


    LG Martin

  • Wenn man sagt, das Phänomen A und das Phänomen B stehen in einer kausalen Abhängigkeit zueinander, dann muss man akzeptieren, wenn Phänomen A die Ursache von Phänomen B ist, dann können sie nicht gleichzeitig bestehen. Das habe ich ja mit meinem Beispiel verdeutlicht.

    Und ich habe mit meinem Beispiel verdeutlicht, wie man die Begriffe korrekt verwenden kann und trotzdem eine weitere Wahrheit finden kann. Vielleicht wird es deutlicher, wenn ich für das "Jetzt" eine "Grenze" zwischen zwei Flächen nehme. Jetzt kann man sagen: eine Grenze ist etwas, das zwei Dinge trennt, und diese zwei Dinge sind deswegen nicht am gleichen Ort. Tatsächlich ist eine Grenze aber eine gedachte Linie, die letztlich keine Substanz hat. Eine Grenze ist der Ort, wo zwei verschiedene Dinge sich berühren. Und dieser Berührungspunkt ist der Ort, an dem diese zwei verschiedenen Dinge eins sind bzw. am gleichen Ort sind.


    Ich denke der Punkt ist, dass Du versuchst, alles auf die "konventionelle Ebene" zu beziehen, während ich sage: es gibt noch andere Ebenen als diese konventionelle Realität, wo die Begriffe ebenfalls korrekt verwendet werden, z.B. eine philosophische Ebene, oder die Ebene der Quanten. Und deswegen muss man bei einer Aussage überprüfen, um welche Ebene es gerade geht, bevor man sagt: "die Aussage ist falsch". Und das ist nur die Ebene des Begriffs "Wahrheit" in unserem westlichen Denken. Nehmen wir eine erweiterte oder andere Sicht des Begriffs "Wahrheit" an, wie sie in Teilen der buddhistischen Philosophie existiert, dann kommt noch die Ebene hinzu, dass etwas wahr ist, wenn es zum richtigen Ziel führt, auch wenn es konventionell gesehen nicht wahr sein muss. Damit wird diese kleine philosophische Betrachtung rekursiv, denn hier ist es der Begriff "Wahrheit" der für sich genommen in den korrekten Kontext gestellt werden muss und nicht als absolute Größe gesehen werden kann.


    "Bezeichnungen erfolgen aus Verwirrung, denn was nicht existiert, wird für existent gehalten.

    Da das Wesen der Dinge dem von Traumbildern gleicht, welche ohne Grundlage sind, wie ausgesprochen seltsam ist es doch, sich auf [Bezeichnungen] zu fixieren, so als besäßen sie eine eigenständige Existenz!"


    ;)


    dass man die Wirkungen vergangener Ursachen erlebt und gleichzeitig neue Ursachen für neue Wirkungen schafft. .

    Danke; was ja ein weiterer Aspekt der Gleichzeitigkeit von "Ursache" und "Wirkung" war, den ich in Bezug auf die Verkettung von Ursache und Wirkung beschrieben habe: Jede Wirkung ist auch gleichzeitig wieder eine Ursache, denn beides sind nur Begriffe, die keine eigenständige Existenz haben. Da hilft nicht mal der Kontext "konventionell", um diese weitere Wahrheit aufzulösen, denn das stimmt auch innerhalb der konventionellen Realität.

  • Tut mir Leid, mkha, ich scheine da ein Brett vor dem Kopf zu haben. Ich sehe zwar, dass Nirvana erklärt wird, aber wie die Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana oder das Gegenteil dort erklärt wird, habe ich nciht gefunden. :nosee:


    Kannst du mir bitte helfen?

  • Hallo @svea ,


    wenn ich den Text, den @mkha' verlinkt hat richtig verstehe, dann wird dort die Frage dieses Threads: Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana dort nicht verhandelt.


    Dass es eine Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana nicht gibt wird ja bereits in der ersten Lehrrede Buddha Sakyamunis verdeutlicht.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Aufgrund seiner Erleuchtung sieht er: Samsara = Nirvana - es ist (im Prinzip) nur eine Sache des Blickwinkels - der eigenen Sichṭ der Dinge.

    Äh, ja. Genau das schrieb ich ja. :?:


    Es scheint ja nun unterschiedliche Standpunkte zu geben. Und ich wollte mit meinen Zitaten zum einen die Frage des Threaderstellers beantworten, was und obe es was in den buddhistischen Schriften gibt.

    Gibt es.


    Allerdings finde ich nur Sachen, die sich mit der Untrennbarkeit beider beschäftigen. Das wird ja z.B. von Helmut kategorisch abgelehnt, was mich dazu gebracht hat, mal bei Nagarjuna, Dilgo Khyentse und dem Dalai Lama nachzuschauen.


    Da du dann schriebst, dass es verschiedene Standpunkte gibt und diesen Artikel verlinktest, dachte ich, da würde dann erklärt, warum Samsara und Nirvana 2 nicht eins/untrennbar sind.

    Aber in beiden Artikeln finde ich nichts, was diese These untermauert und der letzte Artikel bestätigt ja den Standpunkt, dass es 2 Perspektiven gibt. :shrug:


    Oder stehe ich komplett auf dem Schlauch?


    Aber letztendlich scheint es auch egal zu sein, denn diese Zitate haben ja nichts bewirkt. :shrug: So ist das hier im Buddhaland, don´t confuse me with facts Imade up my mind. :grinsen: Lassen wir es gut sein, ist Zeitverschwendung.


    @mkha' , da das missverständlich sein könnte: Der letzte Absatz bezog sich nicht auf dich!

    Einmal editiert, zuletzt von user9999 ()

  • Aufgrund seiner Erleuchtung sieht er: Samsara = Nirvana - es ist (im Prinzip) nur eine Sache des Blickwinkels - der eigenen Sichṭ der Dinge.

    Entschuldigung.


    Das Herzsutra sagt etwas anderes aus. Er sieht nicht Samsara = Nirvana und auch nicht das sie ungleich sind. Er sieht sie beide nicht mehr.

    Er ist eins und von allem getrennt und doch mit allem Vereint.

  • Es sind letztendlich die gleichen unterschiedlichen Sichtweisen, wie sie immer deutlich werden, wenn es um Nirvana geht, oder? Was Samsara ist, da sind sich alle einig. Was aber Nirvana ist, da gibt es Differenzen. Und damit natürlich auch, wie die beiden zusammenhängen.


    Meiner Meinung nach liegt das hauptsächlich daran, dass Samsara das ist, was wir jeden Tag erleben und womit wir uns auskennen. Wohingegen mit Nirvana etwas bezeichnet wird, wo wir unsicherer sind, weil das nicht unser Geisteszustand ist. Wir können das nachlesen, wir können im Palikanon und bei großen buddhistischen Lehrer/innen schauen, aber das ändert nichts daran, dass unser Geist da eben nicht ist an dem Punkt. Da ist es kein Wunder, dass Teile von dem was wir uns vielleicht manchmal vorstellen, nicht immer ganz den Kern treffen mag.


    Ich bin sowieso kein Freund davon, zu häufig über Dinge zu sprechen, wo ich noch gar nicht bin. Man kann das mal machen, aber darüber streiten macht wirklich keinen Sinn.

    Da sind schöne Texte von @svea und von @mkha' gepostet worden. Ich bin der Meinung, wenn ich etwas über Nirvana lesen möchte, was die, die wissen, wovon sie sprechen, darüber geschrieben haben, dann sollte ich das in ruhigen, besonnenen Momenten lesen und einfach nur auf mich wirken lassen. Nicht darüber grübeln oder es mit meinem dualistischen Verstand bearbeiten.


  • In Mahayana-Unterweisungen höre ich oft, dass sich alle Dinge und Lebewesen im "natürlichen Nirvana" befänden.

    D.h. so wie der leere Raum ist Nirvana selbst kein Produkt.

    Nirvana ist jetzt schon da.

    Ursache und Wirkung beziehen sich nur auf das Eliminieren der Leidenschaften und falschen Vorstellungen (Illusionen)

    Die ganz Zeit ist Nirvana aber schon da.

    So wie der leere Raum schon da ist, obwohl er noch mit Unrat und anderen Gegenständen voll gestellt ist.


    Wie auch könnte Nirvana jetzt nicht vorhanden sein und später erst entstehen?

    Es entsteht doch essenziell gar nichts. Entstehen und Vergehen sind nur Illusionen (dies ist insbesondere Von Nagarjuna betont worden).

    :rainbow:

  • OT Es ist eigentlich noch viel schlimmer: Bedingungen, Ursachen und Wirkungen machen Nirvana erst erkennbar für diejenigen, die nicht in Nirvana sind. Es ist ein ungeheurer Tanz von Nirvana mit allem anderen allein durch die Bedingungen, Ursachen, Wirkungen ohne diese gäbe es kein Erkennen und kein Sein. Nirvana kann nur durch die Wirkungen erkannt werden und die Wirkungen nur durch Nirvana. Aber Nirvana erkennt sich nie selber. OT