Ich bin da manchmal zwiegespalten, wenn es darum geht diese Gefühle "beiseite zu schieben" oder einfach durch positive Gefühle wie Mitgefühl und liebende Güte zu ersetzen, weil ich mich frage, ob das überhaupt funktionieren kann. Gerade wenn man keinen guten Zugang zu seinen Gefühlen hat und gefühlsmäßig eher eine "Leere" oder Abwehr vorherrscht, kommt mir dieser Schritt zur Überwindung der starken Gefühle vor wie der zweite Schritt vor dem ersten. Und die Leere und das nicht mit sich selbst in Kontakt sein wird mit einem Idealzustand von Gleichmut verwechselt.
Danke für diese so wichtige Fragestellung.
Die negativen, unheilsamen Gefühle ablehnen und nur die guten (heilsamen) Gefühle zulassen - eine solche Haltung gehört wohl zu den verhängnisvollsten Missverständnissen buddhistischer Praxis. Deine negativen Gefühle sind ja nicht verschieden von dir. Schiebst du sie weg, dann schiebst du dich selber weg.
Deswegen ist es auch keinesfalls ein Weg der Befreiung, unerwünschte Gefühle nicht zuzulassen und durch "heilsame" Gefühle ersetzen zu wollen. Im Gegenteil wiederholt eine solche Einstellung (wenn auch unter scheinbar buddhistischer Begrifflichkeit) genau das, was um uns herum überall so weithin sichtbar bei den Menschen so viel Leid auslöst. Ob wir nun in Kathegorien von" gut und böse" oder von "heilsam und unheilsam" denken, macht bezogen auf die schädliche Wirkung letztlich keinen großen Unterschied. Beides ist geprägt von dualistischem Verstehen, von Vorlieben und Abneigungen und dem ganzen Rattenschwanz des bedingten Entstehens, der daraus zwangsläufig hervorgeht. Und schlimmer noch: Je konsequenter es uns gelingt, die unheilsamen Gefühle wegzudrängen, desto nachhaltiger trocknet letztlich die ganze Pflanze aus.
Das gegenstandslose Gewahrsein, welches immer genau jetzt Herzstück der buddhistischen Praxis ist, würde ich keinesfalls als ein Wegschieben unerwünschter Gefühle verstehen. Im Gegenteil. Es ist ein völliges Loslassen, ein Zulassen, In diesem Losslassen sind schließlich sogar alle Gedanken und dualistischen Verstehensweisen losgelassen. Und ohne dualistische Verstehensweisen können eben nun mal auch die Gefühle der Verblendung nicht mehr funktionieren. Ein solcher Zustand des totalen Gefühls wird dann gerne auch mal "liebende Güte" genannt. Aber nur, weil man es eigentlich gar nicht beschreiben kann und das der Sache vielleicht noch am nächsten kommt.