Leben und Wiedergeburt

  • Ich möchte hier mal die Kontoverse zwischen dem Glauben an Wiedergeburt und deer atheistischen/nihilistischen Sichtweise der Einmaligkeit des Lebens mit folgendem ewigem Tod eröffnen.


    Wie die säkuären Buddhisten annehmen, dass es nur ein einziges Leben gibt und generell Wiedergeburt bezweifeln, so möchte ich eine These hier in den Raum stellen, dass diese Betrachtungsweise wohl nicht falsch ist - aber gleichzeitig auch unvollständig. Letztendlch löst sich meiner Meinung nach der Widerspruch zwischen beiden Sichtweisen auf. Das heisst, sowohl die eine Annahme ist richtig, sowohl auch die Andere.


    Es ist in etwa so ähnlich wie mit der Frage, ob es ein "Ich" - oder "Selbst" - gibt. Wie jeder von euch weiß, es "fühlen" kann, existiert bei jedem von uns zweifellos das "Ich"-Gefühl. Aber vielleicht ist dieses Gefühl nur auf subjektiver Ebene vorhanden. Es kann aber auch gleichzeitig gesagt werden, dass dieses "Ich" nur eine Illosion ist - aus einer andeeren Perspekive heraus betrachtet. Das ist ja, glaube ich, auch eine der Kernlehre des Dharma. Also kann somit angenommen werden, dass beides, je nach Betrachtungsperspektive, wahr ist.


    Etwo so ähnlch betriachte ich die Sache mit ewigem Tode nach dem Ableben und der ewigen Wiedergeburt - so lange wie am Lebenswunsch festhgehalten wird. Gehe ich von atheistischer/nihilistischer Perspektive aus, ist wohl folgendes anzunehmen:


    "Schließe deine Augen und zähle biss Eins - So lange dauert die Ewigkeit"


    Jetzt die andere Persspektive:

    Jemand könnte sich fragen: "Und dann?" Kann man davon ausgehen, dass das Bewusstsein anschließend nonexistent ist? Oder wird der Keim zu einem ein anderen, neuen Leben gelegt?


    Hier meine These:

    Beides ist, je nach Betrachtungsweise nicht falsch. Es kommt nur auf die Betrachtungsperspektive an. Es kann sein, dass sowohl das Eine, als auch das Andere wahr ist. Oder auch nicht.


    Ich hoffe, ich kann mit diesem Thread die Lücke zwischen der Verzweiflung über die Endlichkeit des kurzen Daseins ein wenitg schließen. Und ich hoffe, dass säkuläre Buddhisten ein wenig "Futter" bekommen, ein wenig über die eigene "Meinung" zu springen und sich anderen Betrachtungsweisen von buddhistischen Schulen zu öffnen. Wie auch umgekehrt "Gläubige" ein wenig Angst vor der absoluten Endlcihkeit zu nehmen.


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  • Wie die säkuären Buddhisten annehmen, dass es nur ein einziges Leben gibt und generell Wiedergeburt bezweifeln, so möchte ich eine These hier in den Raum stellen, dass diese Betrachtungsweise wohl nicht falsch ist - aber gleichzeitig auch unvollständig. Letztendlch löst sich meiner Meinung nach der Widerspruch zwischen beiden Sichtweisen auf. Das heisst, sowohl die eine Annahme ist richtig, sowohl auch die Andere.

    Guter Gedanke, nur hast du leider nicht viel zur Auflösung dieses Widerspruchs beigetragen, wenngleich deine Analogie zum "Ich/Selbst" hilfreich sind - bitte versteh das nicht als Vorwurf :).

    Ich werf mal mein 10 ct rein:

    Die ganze Wiedergeburtsdebatte - aber auch gerade die zu "Atta/Anatta" krankt an ihrer Theorielastigkeit und ist abstrakt, weil oft falsche Definitionen im Umlauf sind. Man könnte auch fragen, warum zum Heck, hat der Buddha so einen schwer verständlichen Kram, wie "Nicht-Ich/Nicht-Selbst", überhaupt aufgebracht?


    In der (nicht vermeidbaren) Debatte mit anderen Glaubensrichtungen seiner Zeit musste der begründen, wieso eine tätige Praxis überhaupt zu einem Ausstieg aus dem "Daseinskreislauf", aka "Erwachen", führen kann - genau das wurde nämlich von seinen Opponenten geleugnet (siehe auch MN76)

    Das ist ja nur möglich, wenn das "Ich/Selbst" zusammengesetzt und damit vollständig wandelbar ist, also keinen abgegrenzten, andauernden Kern hat.Anatta bedeutet also "zusammengesetzt", "angeeignet", "nicht aus sich selbst heraus". Das

    "Ich -Gefühl" selbst ist keine Illusion, eine Illusion bestände allerdings in der Annahme, dass dieses Gefühl auf einem unantastbaren Persönlichkeitskern beruht. Wenn man aber sagt, mein "Ich-Gefühl" beruht darauf, dass ich ganz spezifisch (durch Aneignung, also durch Bewertung meiner Erfahrungen) zusammengesetzt bin, dann ist das eine zutreffende Erkenntnis. Dann täuscht auch das "subjektive Gefühl" nicht.


    Was folgt daraus - als eine ergänzende Sichtweise, quasi als "andere Betrachtungsweise".

    Ungeachtet der Tatsache, dass alle Wesen einzigartig spezifisch zusammengesetzt sind und damit jeweils ein spezifisches "Ich-Gefühl" erleben, teilen alle Wesen die gemeinsame Daseinsmerkmale "Zusammengesetzt sein", "Vergänglichkeit", "Leiden". Auf dieser Ebene unterscheiden sie sich eben nicht, nicht im Geringsten.
    Das ist in der Praxis nach meiner Erfahrung offenbar schwer einzusehen, weil es selbst unter Buddhisten ein ziemlich weitverbreitetes Schema ist, sich in Hinblick auf die angenommenen eigenen Fortschritte auf dem Pfad, als weniger leidend anzusehen. Damit schränkt man aber schon die universelle Gültigkeit dieser Daseinsmerkmale ein, nämlich in Bezug auf sich selbst. Atta hat sich unbemerkt durch die Hintertür eingeschlichen.
    Es ist nun (per Dfinition) klar, dass man dem Buddha (und den Pfadeingetretenen) einen solchen Vorwurf nicht machen kann.

    Wenn die Daseinsmerkmale vollständig durchdrungen sind - dann gibt es bezüglich dieser auch keinen Unterschied in der Betrachtung der Wesen. "Ich" ist dann haargenau dasselbe wie "Du", völlig abgesehen von individuell unterschiedlichen Zusammensetzungen. Und es ist ein Merkmal des Stromeintritts, dass man hinter diese Erkenntnis nicht zurückkann.


    Wenn der Buddha (schon als Ergebnis der 4.Vertiefung) berichtet,

    Zitat

    'Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein': so erinnert er sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. (MN 76)



    stellt er eben gerade nicht die "eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen" in den Vordergrund - sondern das Gegenteil - das alles war "Ich" in vollständiger Anerkennung der universellen Daseinsmerkmale.
    Mein "Ich" in der Qualität "leidendes Subjekt" wird ausnahmslos in jedem anderen leidenden Wesen "verschieden ins Dasein getreten" wiedergeboren.

    Man muss sich nicht wundern, wenn die allermeisten seine Zuhörer das damals nicht in die Reihe bekommen konnten und heute ist es halt nicht anders.





  • Guter Gedanke, nur hast du leider nicht viel zur Auflösung dieses Widerspruchs beigetragen, wenngleich deine Analogie zum "Ich/Selbst" hilfreich sind - bitte versteh das nicht als Vorwurf :).

    Danke Dir deiner Nachfrage. Es ist leider nicht so ganz einfach zu erläutern. Deshalb möchte ich hier noch mal meine Sichtweise dar legen, wie die Auflösung des Widerspruchs zwischen endgültigem Tod und Wiedergeburt etwas anschaulicher verstanden werden könnte.


    Dazu folgendes Gedankenexperiment:

    Stell dir vor, du würdest eines Morgens aufwachen und hättest dein komplettes Gedächtis verloren. Würdest du dann wohl sagen, dass dann dein altes Leben bzw. deine Erinnerung daran für dich gestorben ist? Ich für meinen Teil würde dies bejahen. Und, im Gegenzug, könntest du dann annehmen, dass du - also dein Ich/Selbst - neu geboren wurde? Ich denke das auch dies der Fall ist. Also in diesem Sinne wäre das quasi gleichzusetzen mit einer "echten" Wiedergeburt. Aber aus einer anderen Perspektiver heraus betrachtet könnte auch gesagt werden, da ist in der Nacht jemand endgültig gestorben, und am nächsten Morgen wurde jemand komplett neu geboren.

    Da würden jetzt besitmmt Viele sagen: "Nein, das ist doch gar nicht wahr. Sie/Er ist doch immer noch ein und die selbe Person wie gestern!"


    Hier wurde gesehen, dass es jeweils auf die eine Sache der Betrachtungsperspektive ist, wie die Sache gesehen werden kann. Sowohl das Erstere im Beispiel ist nicht falsch, das Zweitere aber gleichzeitig auch nicht.


    Das obige Gedankenexperiment basiert auf zwei unterschiedlichen Zeitabschnitten (also mit Trennung in der Nacht).

    Aber meines Erachtens gilt die Schlussfolgerung aus diesem Experiment auch für räumliche Unterschiede.


    Ich möchte dazu noch sagen:

    Tot ist tot. Das gilt sowohl für Jenen, der in diesem Experiment sein Gedächtis verlor, wie auch für Jene, die "wirklich" gestorben sind. Aber eine andere Betrachtung ist auch möglich - nützen tut ein Glaube an Widergeburt aber nicht wirklich, außer um ein wenig die Angst vor dem Ende zu lindern.

  • Und noch eine Ergänzung zu obigem Post:

    Da wohl Jemand, die/der in seinem Zustand des Ableben gerade "erleuchtet" ist wahrscheinlich keine Trennung zwischen sich "allem" spürt - sie/er sich als "dasselbe mit allem" fühlt und auch Zeit bedeutungslos geworden ist, würde sie wahrscheinlich im bis zum letzten Atemzug "denken", "für immer und ewig" bzw "ohne Zeitdauer" "alles und nichts" zu sein. Das heisst glaube ich, "erlöschen". Ist meiner Meinung nach auch subjektiv.

  • Ich verstehe, was du meinst. Dieses Gedankenexperiment ist aber auch schon hier viele Male im Forum angestellt worden. Nur finde ich, dass es völlig in die Irre führt: Man kommt von "Ich" einfach wieder auf "Ich", nämlich auf etwas Vereinzeltes, von den Anderen Abgetrenntes - es spielt dabei keine Rolle, ob man sich daran "erinnert" oder nicht.


    Bei dieser Gelegenheit: ich hatte schon vor fast genau 11 Jahren hier (wahrscheinlich auch da nicht zum ersten Mal) angemerkt:

    Zitat

    "Erinnern" kann auch im Deutschen für völlig unterschiedliche Vorgänge verwendet werden:

    a) (die häufigste Verwendung) als "wieder-ins-Gedächtnis-rufen" von Konkreta (vergangenen Ereignissen)
    b) (oft ersetzt durch Umschreibung) für Vergegenwärtigung (sich also einer Sache bewusst, gewahr sein, dieses beachtend; berücksichtigend) von Abstrakta (Konzepten, Prinzipien, Erkenntnissen, Zielen, Aufgaben usw)

    Im Pali gibt es dafür auch zwei Worte: für a) abhijanati, für b) anussarati.


    Jeder kann das selbst schön in MN85 nachlesen:

    a)

    'Ich erinnere mich (abhinjanati, an Kokretes), einst, während der Feldarbeiten bei meinem Vater Sakko, im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaumes sitzend, den Wünschen erstorben, dem Unheil entronnen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Verzückung die Weihe der ersten Vertiefung errungen zu haben .....'
    b)

    Ich erinnerte (anussarati, im Sinne von Vergegenwärtigung, einer Einsicht) mich an manche verschiedene frühere Daseinsform (nicht etwa "meine"), als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an viertig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen .....Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, .....

    Beides gemeinsam in einem Sutta.


    Aber eine andere Betrachtung ist auch möglich - nützen tut ein Glaube an Widergeburt aber nicht wirklich

    In der Tat, aber wer sich einmal auf die von mir skizzierte Sichtweise eingelassen hat, dem wird es ziemlich schwerfallen, im Gegenüber noch als etwas "Abgetrenntes", quasi "fremdes Karma" zu sehen, das nix mit einem selbst zu tun hat. Das ist, wie man bei uns sagt, auf der Spitze der Fahnenstange noch einen Schritt zu tun.


  • Was folgt daraus - als eine ergänzende Sichtweise, quasi als "andere Betrachtungsweise".


    Ungeachtet der Tatsache, dass alle Wesen einzigartig spezifisch zusammengesetzt sind und damit jeweils ein spezifisches "Ich-Gefühl" erleben, teilen alle Wesen die gemeinsame Daseinsmerkmale "Zusammengesetzt sein", "Vergänglichkeit", "Leiden". Auf dieser Ebene unterscheiden sie sich eben nicht, nicht im Geringsten.
    Das ist in der Praxis nach meiner Erfahrung offenbar schwer einzusehen, weil es selbst unter Buddhisten ein ziemlich weitverbreitetes Schema ist, sich in Hinblick auf die angenommenen eigenen Fortschritte auf dem Pfad, als weniger leidend anzusehen. Damit schränkt man aber schon die universelle Gültigkeit dieser Daseinsmerkmale ein, nämlich in Bezug auf sich selbst. Atta hat sich unbemerkt durch die Hintertür eingeschlichen.
    Es ist nun (per Dfinition) klar, dass man dem Buddha (und den Pfadeingetretenen) einen solchen Vorwurf nicht machen kann.


    Wenn die Daseinsmerkmale vollständig durchdrungen sind - dann gibt es bezüglich dieser auch keinen Unterschied in der Betrachtung der Wesen. "Ich" ist dann haargenau dasselbe wie "Du", völlig abgesehen von individuell unterschiedlichen Zusammensetzungen. Und es ist ein Merkmal des Stromeintritts, dass man hinter diese Erkenntnis nicht zurückkann.

    Magst du noch ein wenig über das Obige schreiben, vielleicht diesen Abschnitt noch mal etwas anschaulicher "zerpflücken"?


    Speziell der letzte Abschintt vom eingebetteten Zitat habe ich nicht richtig verstanden. Also die Sache, dass "Ich" haargenau "dasselbe wie "Du" sei. Ich kann mir darunter nur vorstellen, dass du damit meintest, dass "Ich", "Du" "Ihr" usw. Eigentlch als "Wir" gesehen werden kann -- oder genauer gesagt als "alles".


    Danke Dir.

  • Da wir hier im sakulärem Thread zum Thema Wiedergeburt sind und du bereits das Erste der Drei te-vijjā (die Erinnerung an frühe Daseinsformen) schön beschrieben hast, würde ich meine Vermerke zum 2. te-vijjā dazu packen (und zur Diskussion teilen).


    Es handelt sich um das Wissen vom Schwinden und Erscheinen der Wesen (satta cutūpapāta-ñāṇa) das auch in deinem Bezugssutta MN76 zu finden ist und als Wissen vom Sterben und der Wiedergeburt der Wesen gedeutet wird.


    Zitat

    Wenn sein konzentriertes Herz auf solche Weise geläutert, klar, makellos, der Unvollkommenheit ledig, gefügig, nutzbar, stetig und unerschütterlich ist, richtet er es auf das Wissen vom Sterben und Wiedererscheinen der Wesen (satte). Er sieht mit dem geläutertem Himmlischen Auge die Wesen verschwinden (hāyati) und erscheinen (upapajjati), niedrige und hohe, schöne und häßliche, in Glück und Elend. Er versteht, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern.

    Ich fande hier besonders interessant, dass hier wieder vom Wesen (Satta) gesprochen wird.


    Zitat

    Wenn du an Sehnen, Begehren (chando - rago) und Verlangen (Taṇhā,) in Bezug auf Form/.../Bewusstsein festhältst,dann spricht man von einem Wesen

    ...heißt es in S23.2. Das ist nichts theoretisches, es lässt sich praktisch auf dem Kissen und im Alltag überpüfen. Und genauso lässt sich das "Erscheinen und Verschwinden eines Wesens" überprüfen. Denn wenn ich auf dem Kissen aufgrund eines zwickenden Knies nicht mehr sitzen will, mich über die Dunkelheit und Nässe oder über meine plappernden Nachbarn ärgere, dann ist da Begehren (taṇhā) und mit ihm auch ein Wesen erschienen. Ein Wesen gibt es immer nur in Verbindung mit einem Brennstoff (upādāna = Ergreifen/Brennstoff). Und ohne den Brennstoff (upādāna) oder ohne das Begehren (Taṇhā) verschwindet die Erscheinung "Wesen"(, nicht aber Form/.../Bewusstsein). Das wäre auch der Grund warum in MN72 Erscheinen (upapajjati) nicht mehr auf einen tathāgatā zutrifft, denn dieser hat das Begehren und Ergreifen abgeschnitten.


    Der nächste Punkt ist, dass man upapajjati gerne als Geburt übersetzt und hāyati als Sterben. Und so kommt man dann auf "vom Sterben und Wiedergeboren werden der Wesen aufgrund ihrer Taten..."

    Mettiko hat hier richtigerweise Erscheinen und Verschwinden der Wesen übersetzt. Unter diesem Link wird die Deklaration gut anhand der Sutten M148 und MN72 beschrieben, dass upapajjati keinesfalls einfach mit Geburt übersetzt werden kann und im Kontext anderer Sutten nicht richtig sein kann.


    Sicherlich gibt es hier viele Arten der Interpretation und entsprechend des Kalamer-Sutta geht man nicht einfach nach dem Geplapper anderer. Aber nur wer eine Auswahl an Interpretationen kennt, kann auch eine Entscheidung darüber treffen, welche davon zum Ende von Dukkha führt und zum Segen und Wohl meinerseits, als auch zum Segen und Wohl des anderen beiträgt.

  • Ich fande hier besonders interessant, dass hier wieder vom Wesen (Satta) gesprochen wird.

    Jup. Zu beachten ist, das "Wesen" ist eine Klassenbezeichnung von Erscheinungen ist, nämlich Erscheinungen in meinem/deinen Geist.
    Nicht etwas, was dir real gegenübersteht, nicht "zu Dir" gehört.
    Jetzt wird vielleicht auch klar, was im Mahayana mit "Ich gelobe alle Wesen zu befreien" gemeint ist :)) und dass das überhaupt nicht abwegig ist.
    .

    Der nächste Punkt ist, dass man upapajjati gerne als Geburt übersetzt und hāyati als Sterben. Und so kommt man dann auf "vom Sterben und Wiedergeboren werden der Wesen aufgrund ihrer Taten..."

    Mettiko hat hier richtigerweise Erscheinen und Verschwinden der Wesen übersetzt. Unter diesem Link wird die Deklaration gut anhand der Sutten M148 und MN72 beschrieben, dass upapajjati keinesfalls einfach mit Geburt übersetzt werden kann und im Kontext anderer Sutten nicht richtig sein kann.

    Ja, die Übersetzung kann man so gelten lassen, ich würde auch noch "Auf- und Untergang" sagen, wegen "upp-" resp. "ud-" - aber nirgendwo ist da was von "wieder-" zu lesen.

    Aber nur wer eine Auswahl an Interpretationen kennt, kann auch eine Entscheidung darüber treffen, welche davon zum Ende von Dukkha führt

    Könnte von mir stammen, hahahaha. Es ergibt sich dabei aber nun die Frage, wie man zwischen den unterschiedlichen Interpretationen navigiert, man muss ja entscheiden, welcher man folgt.

  • Zu beachten ist, das "Wesen" ist eine Klassenbezeichnung von Erscheinungen ist, nämlich Erscheinungen in meinem/deinen Geist.
    Nicht etwas, was dir real gegenübersteht, nicht "zu Dir" gehört.
    Jetzt wird vielleicht auch klar, was im Mahayana mit "Ich gelobe alle Wesen zu befreien" gemeint ist :)) und dass das überhaupt nicht abwegig ist.

    Hi, Metta, das ist sehr interessanter Gedanke. Ich lese gerade Dogen und wollte es verstehen.

    Aber es wäre, wenn ich dich lese, eher Cittamātra (sprich „chittamaatra“) bedeutet „Nur Geist“ -Schule,--- denn alles sei schon in mir, deswegen genau, ich schlussfolgere nur, ich gelobe alle Wesen zu befreien, obwohl sie alle schon befreit im Grunde sind, denn die Buddha-Natur identisch ist, wie in dem Letzen Abschaum, so wie im Buddha selbst, was darin gemeint, also im Sinne von Herz-Sutra, dass es keinen winzigen Unterschied zwischen Samsara und Nirvana gibt.

    Wenn aber , ich versuche es anders auszudrücken , alles sei nur die „Erscheinungen“ im meinen eigenen / „verblendeten „ / Geist sei, dann es geht nur darum, die ganze mentale Karten ( unsere Vorstellungen über die Realität) --- ( Körper und Geist) wegzulassen. Was dann zurück bleibt, man kann aber nicht vermitteln, eher wie das Ding in sich selbst, also der Noumenon , aber die Verblendung besteht ausgerechnet damit, dass wir die Erscheinungen der Dinge für die bare Münze nehmen. Also, kannst es ausführlicher erklären, wenn es geht? Danke im voraus. Wenn es zum Thema nicht passt, man kann das ganze in den neuen Faden verschieben.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Speziell der letzte Abschintt vom eingebetteten Zitat habe ich nicht richtig verstanden. Also die Sache, dass "Ich" haargenau "dasselbe wie "Du" sei. Ich kann mir darunter nur vorstellen, dass du damit meintest, dass "Ich", "Du" "Ihr" usw. Eigentlch als "Wir" gesehen werden kann -- oder genauer gesagt als "alles".

    Ich meine das völlig wörtlich. Ich unterscheide mich hinsichtlich der Daseinsmerkmale überhaupt nicht von Dir. Du bist nicht anders als ich, obgleich unser beiden unterschiedliche Zusammensetzung (unsere unterschiedlichen Persönlichkeiten) uns das nahelegen - nur ist dies nicht das Wesentliche, es führt eher mehr in die Irre.
    "Alles" ist mir dagegen zu unspezifisch.
    Man merkt das übrigens ganz praktisch, wenn man längere Zeit (am Stück und regelmäßig) mit anderen zusammen auf dem Kissen sitzt.
    Es gibt dazu noch eine sehr explizierende Stelle im PK, die ich hier auch deshalb gern wiederholt teile, weil mir dabei "ein Licht aufgegangen ist".

    Zitat

    Da strahlt, ihr Brüder, ein Mönch liebevollen Gemütes weilend nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem (Leidenden) sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.

    Erbarmenden Gemütes, freudevollen Gemütes, unbewegten Gemütes weilend strahlt er nach einer Richtung, dann nach einer zweiten, dann nach der dritten, dann nach der vierten, ebenso nach oben und nach unten: überall in allem (Leidenden) sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte, mit unbewegtem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem.


    Du wirst im PK auch andere Übersetzungen finden, die das von mir hervorgehobene nicht enthalten. Hier hat aber K.E.Neumann wieder sein hervorragendes Sprachgefühl bewiesen, wenngleich er auch manchen Bock geschossen hat. Andere Übersetzer sind da weniger sensibel oder haben einfach ihre eigenen Vorstellungen.
    Die fragliche Passage lautet im Pali "sabbattatāya sabbāvantaṃ lokaṃ". Schon der linguistisch interessierte Buddhagosa (1) weist auf die obige Variante hin (sabbattatāya = sabbesu + attatāya) und kürzlich hat sich erst Alanayo (2) dem angeschlossen.
    Ich würde noch 1ct drauflegen, und statt "allem" lieber "jedem" sagen :)

    (1) http://www.palikanon.de/visuddhi/vis09_1.htm#sabbattatayam

    (2) https://www.buddhismuskunde.un…measurablemindfulness.pdf

  • Aber es wäre, wenn ich dich lese, eher Cittamātra (sprich „chittamaatra“

    Sehe ich nicht so. Das ist pure Grundlage: alles was im Geist erscheint, ist "Erscheinung". Die "Geister" scheiden sich bei der Frage, ob es etwas außerhalb dieses Geistes gibt - ja natürlich - nämlich Signale die über die Sinnesfunktionen "berührt" werden - und dann gehts weiter in der "Reihe": Bewerten, Ergreifen usw.
    Zum Cittamatra empfehle ich seine "Gründungsschrift", das Lankavatara-Sutra, von dem es auch eine sehr gute deutsche Übersetzung gibt (Golzio), englisch frei erhältlich von D.T Suzuki.

    ich gelobe alle Wesen zu befreien, obwohl sie alle schon befreit im Grunde sind, denn die Buddha-Natur identisch ist,

    Und wie soll das nach deiner Vorstellung nun real gehen "alle Wesen zu befreien", oder ist das jetzt nur so ne Attitüde, weil sie eh befreit sind?
    "Buddhanatur" hat ja auch mehrere Bedeutungen, z.B "grundsätzlich zum Erwachen befähigt", also ein positiv formuliertes "anatta". Die Buddhas sind nun aber die "Kerle, die noch aus dem Erwachen heraus erwachen" (Dōgen, Genjokoan)

    Was dann zurück bleibt, man kann aber nicht vermitteln,

    Sehe ich auch anders: Die "Dinge" sind dann eben von meinen Vorstellungen und Projektionen befreit. Da ist nix Mystisches
    - bin ein unverbesserlicher Uchiyama-Anhänger.

    Weiß nicht, ob das jetzt hilft :)

    Einmal editiert, zuletzt von Metta ()

  • Sehe ich nicht so. Das ist pure Grundlage: alles was im Geist erscheint, ist "Erscheinung". Die "Geister" scheiden sich bei der Frage, ob es etwas außerhalb dieses Geistes gibt - ja natürlich - nämlich Signale die über die Sinnesfunktionen "berührt" werden - und dann gehts weiter in der "Reihe": Bewerten, Ergreifen usw.

    Das ist mir auch klar. Hier war ein Neurowissenschaftler, also Spartiat , ich hatte ihn mit den Fragen maltretiert, dann er hatte mir geantwortet, die Welt sei nur die mentale Karte im Kopf, du kannst es finden. Dann ich hatte schon am Forum Prof. Gerhard Roth zitiert, das kann du auch finden. Wenn man unterscheidet , also trennt, Geist/ Materie, Gehirn/ Bewusstsein, usw.. Dann Thomas Metzinger sagt auch, dass es Schnee von Gestern ist.

    Na, ich wollte hier nicht meinen Thread weiter vermüllen.



    Sehe ich auch anders: Die "Dinge" sind dann eben von meinen Vorstellungen und Projektionen befreit. Da ist nix Mystisches.

    Ach, lieber Metta , es geht mir nicht um die Mystik. Ich bin keiner. So lese ich bei H.W. Schumann: " Wohl wissend, daß das Absolute sprachlich nicht zu erfassen und nicht mitteilbar ist, mussten die ( Mahayana) dennoch versuchen, dieses nicht Nichtgreifbare begreiflich zu machen. " Also in den Widersprüchen. Und dann man erschaffte aus der "Leer" die "Leer-heit". Folglich, Nirvana und Samsara sind wie zwei Seiten von derselben Medaille geworden. So alles steht im Buch. "Mahayana" (Diderichs-Verlag).

    Und wie soll das nach deiner Vorstellung nun real gehen "alle Wesen zu befreien", oder ist das jetzt nur so ne Attitüde, weil sie eh befreit sind?

    Ganz genau! Die Sind schon befreit, aber die ahnen nur nicht davon. So steht auch im Buch.

    OK, ich bedanke mich. LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Ganz genau! Die Sind schon befreit, aber die ahnen nur nicht davon. So steht auch im Buch.

    Also wie, nur ne Attitüde? Hm, das wäre mir zu billig. Ich nehm meine Gelöbnisse schon ernst :)

    mussten die ( Mahayana) dennoch versuchen, dieses nicht Nichtgreifbare begreiflich zu machen.

    Bin kein Freund von Schumann. Was nicht vermittelt werden kann, ist lediglich die Qualität des Erlebens (die Qualia) - das geht aber eh niemanden was an, deshalb redet man auch besser nicht drüber. Aber über das, was Erkenntnis davon ist, kann man schon reden und durch Tat bezeugen.


    Na, ich wollte hier nicht meinen Thread weiter vermüllen.

    Machst nach meinem Empfinden nicht.

  • Was nicht vermittelt werden kann, ist lediglich die Qualität des Erlebens (die Qualia) - das geht aber eh niemanden was an, deshalb redet man auch besser nicht drüber. Aber über das, was Erkenntnis davon ist, kann man schon reden und durch Tat bezeugen.

    Das ist ganz einfach nicht richtig. Alle hochverehrten Menschen, die von Qualia berichten, stehen unantastbar fest auf dem Boden des Menschenlebens. Die Felsen des scheinbar Überweltliches, scheinbar nicht erreichbares berichten.


    Da es aufgezeichnet ist, kann es auch erreicht werden. Alle die Lehrer, die irgendwann zu irgendeinem Glauben geführt haben, sind die Felsen auf denen die Kirche/Tempel/Altar gebaut ist. Ich bin einer, der diese Gotteshäuser für mich abräumt. Was soll ich mit dem Kram, der über die Lehrer geschrieben wurde? Mich interessiert der Fels, auf dem das vergängliche, unvollkommene Haus gebaut ist.

    Denn auch ich kann Qualia vermitteln. Nur mit dem Verstand nicht zu erfassen und nicht nur mit Gefühl. Ist der mittlere Weg gefunden, in dem Gefühl und Verstand in Waage gehalten werden, erscheint Qualia in der Nabe, dem wichtigsten Punkt, der leer ist, der des Waagebalkens, an dem die Waagschalen hängen.

    Weltmenschen sehen nur immer eine Schale, Gefühl oder Verstand, die sie ja nach Gusto wechseln. Fängt man an den Weg zu üben, kommt man zum Waagebalken, dem „Strom“ und wenn man durchhält mitten in die Nabe. Dort spürt man und erkennt man jede Bewegung des Balkens und damit der Schalen. Es kann aber nie wieder ganz diese Nabe verlassen werden, verloren gehen.

  • Dukkha, ergreifen, begehren, anhaften ist die Wahl einer Schale der Ansicht, Gefühl oder Verstand, Liebe oder Logik, Leiden wird diese Wahl, wenn entweder aus Prinzipien oder Zwang von Außen an der Schale festgehalten wird. Die Schale wird so schwer, dass eine Bewegung in der Nabe unmöglich wird. Das Leiden wird zu einer Nabe in der Schale, die Hoffnung und des Glaubens an Besserung. Alles dreht sich um mein Hängen an Gefühl oder Verstand.


    Gebete, Opfer, sich hingeben usw. all das Zeug, das Gute, das nur mir zu verdanken ist, weil ich auf Götter hoffe, an ihre Hilfe glaube. Noch schlimmer wird es, wenn da noch dazukommt, dass ich den Willen Gottes nicht erkennen kann und somit ein absoluter Knecht einer selbsterzeugten Hoheit werde, die ich weiterhin nicht einmal dingfest machen kann.


    Ein Vorgesetzter, der mich zu seinem Knecht machen möchte, dem kann ich widerstehen oder vorgeben, das er sein Ziel erreicht hat.

    Ein Gläubiger Mensch wird sich nie gegen seinen Herren auflehne, denn der Herr hat ihm klargemacht, dass der Untergebene nie genau weiß, warum der Herr so entschieden hat und die Guten Folgen nicht erkennen kann oder eben zu ungeduldig ist.

  • Das ist ganz einfach nicht richtig. Alle hochverehrten Menschen, die von Qualia berichten, stehen unantastbar fest auf dem Boden des Menschenlebens. Die Felsen des scheinbar Überweltliches, scheinbar nicht erreichbares berichten.

    Ich weiß zwar jetzt nicht, von welcher "Qualia" du jetzt redest, aber ich finde an Qualia nix Überweltliches.

    Ansonsten dir noch einen schönen Tag.

  • Das ist ganz einfach nicht richtig. Alle hochverehrten Menschen, die von Qualia berichten, stehen unantastbar fest auf dem Boden des Menschenlebens. Die Felsen des scheinbar Überweltliches, scheinbar nicht erreichbares berichten.

    Ich weiß zwar jetzt nicht, von welcher "Qualia" du jetzt redest, aber ich finde an Qualia nix Überweltliches.

    Ansonsten dir noch einen schönen Tag.

    Von Verstehen was von dir gelesen wurde wohl auch nicht. :clown:

  • Zitat

    Sehe ich auch anders: Die "Dinge" sind dann eben von meinen Vorstellungen und Projektionen befreit.

    Das ist den Dingen scheißegal. Wenn du dir hingegen keine Vorstellung mehr davon machen kannst, was eine Wand ist, holst du dir Kopfschmerzen.


    Zitat


    Ich unterscheide mich hinsichtlich der Daseinsmerkmale überhaupt nicht von Dir. Du bist nicht anders als ich

    Aber natürlich unterscheidest du dich. Sawaki, der Meister deines verehrten Uchiyama, der vielleicht besser hätte aufpassen müssen: Wenn du stirbst, stirbt die Welt mit dir. - Damit ist (auch) gemeint, dass du und der andere die Welt unterschiedlich sehen, und dass die Daseinsmerkmale nicht entscheiden, sondern der individuelle Blick, weshalb "du anders bist als ich".


    Zitat

    Man merkt das übrigens ganz praktisch, wenn man längere Zeit (am Stück und regelmäßig) mit anderen zusammen auf dem Kissen sitzt.

    Dazu lese man über gruppendynamische Prozesse. Es ist besser, wenn man das - Ich bin du, du bist ich - erfahren kann, ohne dass andere dabei sind. Dann sieht man womöglich auch (s.o.) "Ich bin nicht andere." Ohne letztere Erkenntnis wird es nichts.


    Zitat


    überall in allem (Leidenden) sich wiedererkennend durchstrahlt er die ganze Welt mit erbarmendem Gemüte, mit freudevollem Gemüte, mit unbewegtem Gemüte,

    Es kann nicht genug vor dem Palikanon gewarnt werden. Was wird hier gesagt (ganz im Gegensatz zum Zen)?


    1) Er (wer? "Ein Mönch liebevollen Gemütes") durchstrahlt die Welt mit liebevollem Gemüt (wow, eine literarische Glanzleistung, eine Tautologie).


    2) Er erkennt sich in allem Leidenden wieder.


    Das heißt, der "Mönch liebevollen Gemütes" erkennt sich in dem wieder, was er aufheben soll, i.e. er erkennt in anderen zuvorderst ihr Leiden und sich selbst als ebenfalls Leidenden.


    Nun zum Zen. Was für ein Gemüt der Mönch auch haben mag, wenn er nicht kapiert, dass das Leiden der anderen eine Illusion ist (und so auch seines), dann bewegt er sich auf dem Pfad der Täuschung. Warum sollte man sich an einem sich täuschenden Mönch orientieren?


    Aber bleiben wir mal auf dieser weniger tiefsinnigen Ebene: Es geht hier nicht darum, dem Mönch Empathie abzusprechen, doch diese braucht einen Anstoß, also das Gegenteil vom im Folgenden Gesagten "mit unbewegtem Gemüte", vielmehr muss das Gemüt des Mönches vom Leiden bewegt werden - dann wird er auch etwas dagegen tun können/wollen. Ansonsten verharrt er wahrscheinlich im Nur-Sitzen.


    Diese Pali-Ethik ist KEINE Zen-Ethik. D.h. aus der Erkenntnis, dass wir alle leiden, folgt im Zen Bewegung, nicht Unbewegtheit, also der Impuls zu einem ethischen Eingreifen, das meinen die Bodhisattva-Gelübde.


    Auf der tieferen Ebene wird das Leiden als leer erkannt, genau wie die Personen, aber dann ist da auch keiner mehr, der "sich" wiedererkennt.


    Doch nun zu der eigentlichen Ausgangsfrage von nuk. Außerhalb des Buddhismus, nämlich in der Hirnforschung, kann nicht beides gleichermaßen sein. Es ist aufgrund der Erfahrungen, die wir allein mit Bewusstlosigkeit haben und aufgrund unserer Erkenntnisse der Hirnfunktion davon auszugehen, dass es keinerlei davon unabhängiges Bewusstsein gibt und keine Art von Wiedergeburt. Das ist die sachliche Sicht, der eine religiöse zuweilen entgegensteht.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)


  • Auf der tieferen Ebene schadet diese Praxis (dazu gehört wohl auch ein solch verirrtes Rumgepolter und Getue) anscheinend dem Intellekt. Da bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher. Man kann es ja hier und da mit eigenen Augen erkennen. Wie 'leer' da die Personen geworden sind. Wie einfach (und deswegen wohl unbestreitbar wirkenden) die 'Wahrheiten' sind, an denen man klammert und an ihnen klammert während man sie weiterreicht.

  • Das ist den Dingen scheißegal. Wenn du dir hingegen keine Vorstellung mehr davon machen kannst, was eine Wand ist, holst du dir Kopfschmerzen.

    Da die Feststellung "Ich hol mir u.U. ne Beule, wenn ich meinen Kopf gegen eine Wand ramme" keine bloße Vorstellung ist, kann ich das mit "Vorstellung" nicht gemeint haben, sondern eher das, was man mit "den Dingen" in Ablehnung und Vorliebnehmen verbindet. Ich muss nicht mehr mit dem Kopf "duch ne Wand wollen". Und oft ist es den "den Dinge" auch überhaupt nicht egal, nämlich wenn es sich um dabei um "Wesen" handelt, die wir entsprechend unserer Vorstellungen (Ablehnung und Vorliebnehmen bestimmt) behandeln.

    Aber natürlich unterscheidest du dich. Sawaki, der Meister deines verehrten Uchiyama, der vielleicht besser hätte aufpassen müssen: Wenn du stirbst, stirbt die Welt mit dir. - Damit ist (auch) gemeint, dass du und der andere die Welt unterschiedlich sehen, und dass die Daseinsmerkmale nicht entscheiden, sondern der individuelle Blick, weshalb "du anders bist als ich".

    Die Feststellung "dass wir die Welt unterschiedlich sehen" ist keine Kunst. Damit trägt man nur Eulen nach Athen. Ich habe ja auch nicht die Individualität des Einzelnen bestritten.

    Dazu lese man über gruppendynamische Prozesse. Es ist besser, wenn man das - Ich bin du, du bist ich - erfahren kann, ohne dass andere dabei sind. Dann sieht man womöglich auch (s.o.) "Ich bin nicht andere." Ohne letztere Erkenntnis wird es nichts.


    Selbe Baustelle: Keine Kunst, das zu sehen. Und doch gibt da einen Aspekt, der sich mir (das mag für andere anders sein) erst in der Dynamik des gemeinsamen (langandauernden) Zazens eröffnet hat: Alle leiden wie die Hunde. Man kann gern sagen, dass ich in vieler Beziehung ein Spätmerker bin denn selbstverständlich kann man das auch bei anderer Gelegenheit erfahren - und auch die Konsequenzen, die der einzelne daraus zieht, mögen völlig unterschiedlich sein.

    Das heißt, der "Mönch liebevollen Gemütes" erkennt sich in dem wieder, was er aufheben soll, i.e. er erkennt in anderen zuvorderst ihr Leiden und sich selbst als ebenfalls Leidenden.

    Exakt. Woher sonst könnte er wissen, was aufzuheben sei.

    Nun zum Zen. Was für ein Gemüt der Mönch auch haben mag, wenn er nicht kapiert, dass das Leiden der anderen eine Illusion ist (und so auch seines), dann bewegt er sich auf dem Pfad der Täuschung. Warum sollte man sich an einem sich täuschenden Mönch orientieren?

    Die Ursache des Leides ist eine Illusion. Leiden ist für den Leidenden eine völlig reale Sache. Wenn man das nicht ernst nehmen will, tja, wozu dann das ganze Geraffel.

    Aber bleiben wir mal auf dieser weniger tiefsinnigen Ebene: Es geht hier nicht darum, dem Mönch Empathie abzusprechen, doch diese braucht einen Anstoß, also das Gegenteil vom im Folgenden Gesagten "mit unbewegtem Gemüte", vielmehr muss das Gemüt des Mönches vom Leiden bewegt werden - dann wird er auch etwas dagegen tun können/wollen. Ansonsten verharrt er wahrscheinlich im Nur-Sitzen.

    Ah ok, jetzt kommst du selbst auf den Trichter, störst dich aber an "Gleichmut" - was aber nix anderes ist, als sich von seinen eigenen Vorlieben und Abneigungen treiben zu lassen, anders ist auch "ethisches Eingreifen" nicht denkbar, das würde sich eben dann auch nur an den eigenen Interessen orientieren.

  • Diese Pali-Ethik ist KEINE Zen-Ethik.

    Was mir sowas von egal ist. Ich habe die Bodhisattva-Gelöbnisse im Soto abgelegt und bemühe mich wirklich, mein Handeln daran zu orientieren. Ich habe dabei auch festgestellt, dass sich dabei ihr Inhalt selbst ändert.
    Was dann im "Pali" oder "Zen" dazu gesagt wird, ist für mich bestenfalls Inspiration oder offenbar für andere Leute mit anderen Problemen bestimmt, an Lehrmeinungen fühle ich mich nicht gebunden. Es ist völlig sinnlos, mit mir darüber diskutieren zu wollen.

  • Zitat

    erst in der Dynamik des gemeinsamen (langandauernden) Zazens eröffnet hat:: Alle leiden wie die Hunde.

    Das mag bei den Gruppenzazen notgedrungen so sein (da man natürlicherweise nicht dreißig Minuten und länger in der gleichen Sitzhaltung verharrt), ansonsten entspricht das nicht meiner Beobachtung.


    Wenn das andere "Eulen nach Athen tragen" ist, dann frage ich mich, warum du den Aspekt "ich bin du" in den Vordergrund stellst und noch dazu auf eine Gleichartigkeit des Leidens abstellst.


    Zitat

    Die Ursache des Leides ist eine Illusion. Leiden ist für den Leidenden eine völlig reale Sache. Wenn man das nicht ernst nehmen will, tja, wozu dann das ganze Geraffel.

    Welche Ursache des Leidens soll denn eine Illusion sein? Wenn der Zahnarzt sagt, deine Wurzel ist entzündet, ist die Ursache deines Leidens eine Illusion?


    Das Leiden der anderen ist eben nicht deines. Wenn einer neben dir Schmerzen hat, hast du deshalb noch lange keine. Und selbst wenn du mit einer trauernden Freundin mitfühlst, die ihre Mutter gerade verloren hat, empfindest du nicht ihren Schmerz.


    Zitat


    Exakt. Woher sonst könnte er wissen, was aufzuheben sei.

    Genau hier täuscht sich folglich der Mönch. Da der andere eben auf seine eigene Art leidet, kann der Mönch mit seinem Intsrumentarium lediglich durch Assoziation etc. Schlüsse ziehen. Aber die zieht er in seinem Hirn. Auch wenn er sich stattdessen auf im Palikanon oder sonstwo überlieferte Methoden der Leidaufhebung verlässt, ist das nicht viel anders, als "eigene Vorlieben" anzuwenden (das könnten ja ggf. sogar intelligentere Schlüsse als in der buddh. Tradition sein), nämlich in diesem Fall die von irgendeinem anderen (Shakyamuni etc.).


    Zitat


    Ich habe die Bodhisattva-Gelöbnisse im Soto abgelegt und bemühe mich wirklich, mein Handeln daran zu orientieren.

    Sind damit die 4 Gelöbnisse gemeint oder etwas anderes?

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Das mag bei den Gruppenzazen notgedrungen so sein (da man natürlicherweise nicht dreißig Minuten und länger in der gleichen Sitzhaltung verharrt), ansonsten entspricht das nicht meiner Beobachtung.

    Ich weiß nicht, was du jetzt mit "natürlich" meinst und ob das eine geeignete Kategorie für Zazen ist. Darüber möchte ich auch nicht diskutieren, nur anmerken, wenn das in Klöstern anders gehandhabt wird, bestimmt nicht aus Jux und Tollere geschieht. Ansonsten kann es ja jeder tun, wie er mag.

    Wenn das andere "Eulen nach Athen tragen" ist, dann frage ich mich, warum du den Aspekt "ich bin du" in den Vordergrund stellst und noch dazu auf eine Gleichartigkeit des Leidens abstellst.

    Weil das offenbar nicht der gewöhnlichen Erfahrungswelt entspricht.

    Und eh sich das noch festsetzt, ich habe nirgend wo geschrieben "ich bin Du", sondern:

    Zitat

    Wenn die Daseinsmerkmale vollständig durchdrungen sind - dann gibt es bezüglich dieser auch keinen Unterschied in der Betrachtung der Wesen. "Ich" ist dann haargenau dasselbe wie "Du", völlig abgesehen von individuell unterschiedlichen Zusammensetzungen.

    Die Aussage ist hier mit Bedingungen verknüpft und ist nur unter diesen gültig.

    Welche Ursache des Leidens soll denn eine Illusion sein? Wenn der Zahnarzt sagt, deine Wurzel ist entzündet, ist die Ursache deines Leidens eine Illusion?

    Leiden i.e.S (nämlich zu Lebzeiten aufhebbar) ist ja der "zweite Pfeil", ich kürze das jetzt mal ab: das Lamentieren ( s. ansonsten SN36.6), ist ja die Illusion es könnte ein Leben ohne Zahnschmerzen geben, oder allgemein, ein Leben ohne Schmerz, Verlust, Schwinden und Tod und dass es weder hilft, dagegen anzukämpfen noch mit Lustgefühlen zu übertünchen.

    Das Leiden der anderen ist eben nicht deines. Wenn einer neben dir Schmerzen hat, hast du deshalb noch lange keine. Und selbst wenn du mit einer trauernden Freundin mitfühlst, die ihre Mutter gerade verloren hat, empfindest du nicht ihren Schmerz.

    Natürlich nicht, aber vielleicht habe ich ja auch Mutter, Vater oder Kind verloren.
    Warum bietest du mir eigentlich ständig solche Trivialitäten an? Denkst du, ich weiß das nicht?

    Da der andere eben auf seine eigene Art leidet, kann der Mönch mit seinem Intsrumentarium lediglich durch Assoziation etc. Schlüsse ziehen

    Stimmt, das ist eben die von mir völlig unbestrittene Seite der Individualität. Nur kommt es offenbar darauf an, aus all den Assoziationen die "richtigen" Schlüsse zu ziehen, um dann angemessenen handeln zu können. Ich bezweifle, dass man dies wirklich tun kann, wenn man im Gegenüber ein Wesen sieht, dass nix mit einem selbst zu tun hat, sich also in seiner Individualität und damit Getrenntheit von mir erschöpft.


    Sind damit die 4 Gelöbnisse gemeint oder etwas anderes?

    Die 15, hier im engeren Sinn die letzte 10.

    Einmal editiert, zuletzt von Metta ()

  • Zitat

    ich habe nirgend wo geschrieben "ich bin Du", sondern:

    Zitat
    Zitat Wenn die Daseinsmerkmale vollständig durchdrungen sind - dann gibt es bezüglich dieser auch keinen Unterschied in der Betrachtung der Wesen. "Ich" ist dann haargenau dasselbe wie "Du", völlig abgesehen von individuell unterschiedlichen Zusammensetzungen.

    Die Aussage ist hier mit Bedingungen verknüpft und ist nur unter diesen gültig.

    Die Daseinsmerkmale (Vergänglichkeit, Leiden, Nicht-Selbst) sollen also "durchdrungen" sein. Was du nicht schreibst, ist, was damit gemeint ist. Das wäre deine Aufgabe. So liegt nahe zu interpretieren, dass man diese Glaubenssätze erst mal als wahr annehmen muss oder dass man sie erfährt und als wahr für sich bestätigt. Aber ich kenne diese Methode ja, nebulös zu schreiben und sich dann immer wieder Festlegungen zu entziehen.


    Nun ist es natürlich leicht zu widerlegen, dass auch unter diesen "Bedingungen" nicht ""Ich ... haargenau dasselbe wie "Du"" ist, denn entweder existiert auf einer tieferen Erkenntnisebene das Ich nicht mehr und "dasselbe" hat sich erübrigt, oder aber man erkennt, dass a) nicht alle gleich leiden, b) nicht alle Vergänglichkeit als Faktum akzeptieren, c) nicht alle das Selbst leugnen - und demzufolge nicht wie "ich" sind. Worum es mir geht, ist, dass beides geschieht. Das Eine ist ohne das andere nicht zu haben, denn auch Teil 2 ist "Soheit".


    Zitat


    das Lamentieren ( s. ansonsten SN36.6), ist ja die Illusion es könnte ein Leben ohne Zahnschmerzen geben

    Nein, das Lamentieren ist ein Ausdruck des Unwohlseins aufgrund des Schmerzes, es entspricht dem Jaulen eines Hundes, dem man auf den Fuß tritt und der sich keinerlei Illusionen über ein schmerzloses Leben machen dürfte. Es hat doch keinen Sinn, sich alles von alten Schriften definieren zu lassen. Es braucht gar keinen "zweiten Pfeil", auch wenn der Buddha wie in dem genannten Text nur körperlichen Schmerz empfände, müsste er ggf. schreien oder sogar ins Koma fallen, wodurch dann sein Geist auch beeinträchtigt wäre. Das hat man damals einfach noch nicht genug verstanden. Ich kenne zwar keine Studien, aber man könnte Ricard und die anderen, die sich gern testen lassen, ja mal solchen Schmerzen aussetzen und sehen, ob ihr mentales Training den Schockzustand verhindert. Ich würde dagegen wetten. Und damit hat der Buddha sich da einer Illusion hingegeben, er hätte eine bessere Lösung gefunden als ein "angenehmes Gefühl", worunter man ja dann wohl z.B. die Behandlung mit Morphium verstehen müsste. Wie wir alle wissen, kannte der Buddha bloß lästige Rückenschmerzen, und dann womöglich die Krämpfe nach seiner Vergiftung kurz vorm Tod. Ein Schmerzexperte war er also nicht gerade.


    Fazit: Die Nicht-Identifizierung mit körperlichem Schmerz genügt nicht für die Aufhebung dieses Leidens. Der Buddha hat da quasi nur eine weitere Illusion geschaffen, nämlich den Glauben, sein Geist könne sich vom Körper abspalten. Aufgrund der indischen Traditionen verständlich, die um ihn herum herrschten.


    Zitat

    aber vielleicht habe ich ja auch Mutter, Vater oder Kind verloren.
    Warum bietest du mir eigentlich ständig solche Trivialitäten an? Denkst du, ich weiß das nicht?

    Ein Beispiel: Ich traf einen 74-jährigen Engländer, der das Gespräch mit mir suchte und gern mit mir längere Spaziergänge machte. Er hatte eine grauenhafte Ehe (zu früh gebunden), nachdem er selbst als Adoptivkind groß geworden war und seine Schwester (als sie 9 war) an den Krebs verlor. Später starb sein Sohn bei einem Autounfall. Nach dieser Biographie murmelte ich erschüttert vor mich hin, er habe sich wohl oft die Sinnfrage gestellt. Und dieser Mann, der 40 Jahre einen eintönigen Dienst als Notierer von Morsecodes versah, sah mich erstaunt an und schüttelte den Kopf.


    Die Art, wie wir als (irgendwie) Buddhisten auf das Leben sehen, kann sich fundamental von der anderer unterscheiden. Natürlich ist auch das eine Binsenweisheit, aber in diesem Beispiel heißt es, dass selbst jemand, der schlimme Verluste nachempfinden könnte, keinerlei Interesse an irgendeinem spirituellen oder religiösen Überbau hat.


    Das Fazit ist hier: Leid ist nicht teilbar. Das Leid der anderen bleibt uns letztlich unergründlich. Wir können nur abstrahieren, assoziieren, Empathie zeigen. Das individuelle Spektrum ist zu groß, denn (siehe oben), "ich bin nicht andere".


    Zitat

    Ich habe die Bodhisattva-Gelöbnisse im Soto abgelegt und bemühe mich wirklich, mein Handeln daran zu orientieren. Es ist völlig sinnlos, mit mir darüber diskutieren zu wollen.


    (...) Die 15, hier im engeren Sinn die letzte 10.

    Darum meine Nachfrage. Dabei ist genau dieses Thema immer wieder gefragt: Wie soll man eigentlich praktizieren (wenn man mal nicht "Sitzen" darunter versteht).


    Ich kenne keine "15" Bodhisattva-Gelübde, nehme aber an, es sollte 16 heißen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)