Degenerationen & Stolperfallen - extended version

  • Genießen wenn es passiert ist nicht unbedingt das Hindernis (aus Sicht echter Freiheit). Aber das Erlebnis verlängern oder verbessern oder wiederholen zu wollen stellt uns ja ganz konkret vor immer wieder neue Herausforderungen.


    Der Frieden der nichts mehr braucht hat solche Bedürfnisse nicht mehr. Alle anderen jedoch versuchen im Normalfall zu bekommen wonach sie hungrig sind. Und genau da liegt ja die Gefahr des Selbstbetruges. Man empfindet das alles als ein tolles freies Spiel, solange man die Dinge bekommt die man sich wünscht. Man glaubt unabhängig von ihnen zu sein, so wie ein Drogensüchtiger seine Sucht auch lange als kreative, bewusste und kontrollierte Aktivität sieht.


    Aber wenn der Zuckerjunkie dann auf einmal keinen Schokoriegel über's Wochenende zu kaufen bekommt, dann kommen die Entzugserscheinungen schneller als man gucken kann...

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Genießen wenn es passiert ist nicht unbedingt das Hindernis (aus Sicht echter Freiheit).


    Nein das stimmt so nicht aber für einen normalerweise mag das OK sein.
    Wenn aber einer denkt, das sei ausreichend um Nibbana zu erlangen,
    hat er sich gründlich getäuscht. Genießen heißt ja sich daran befriedigen
    und an dem Gefühl das ausgelöst wird. Das aber ist Anhangen. Passivität
    alleine ist nicht ausreichend. Wer nicht das Leiden/Elend daran erkennt,
    kann sich auch nicht davon lösen oder hat es sogar nicht einmal vor.
    «Befriedigung ist des Leidens Wurzel» , das hat er entdeckt,
    «Durch Daseinsstrom (bhava) entsteht Geburt, Gewordenes altert und stirbt.»
    Darum also, ihr Mönche, sage ich, daß der Vollendete, durch zurücktreten,
    durch völliges Loslassen, durch Entreizung, Versiegung, Entwöhnung,
    Ausrodung, aller Arten des Durstes, entgangen, entbunden in der unvergleichlichen vollkommenen Erwachung aufgewacht ist." (M 1)

  • Onda:

    Der Mittlere Weg ist traditionell der zwischen Askese und Sinnesschwelgerei und außerdem philosophisch der zwischen Nihilismus & Eternalismus. Im weiteren Sinne beschreibt er die Kunst, nicht in Extreme zu verfallen.


    Achtsamkeitspraxis wird ausführlich im satipatthana-sutra beschrieben. Es ist eine Mischung aus meditativen und kontemplativen Techniken. Es würde den Rahmen dieses Threads sprengen, diese im einzelnen aufzuzählen.


    Nein, Onda, es würde nicht den Rahmen dieses Threads sprengen, es würde ganz einfach offensichtlich werden, wie Du Dich ständig in Widersprüche verwickelst. Im Palikanon steht konkret, was unter "Mittlerem Weg" zu verstehen ist:


    Zitat

    "... Und was ist jener Mittlere Weg? Es ist eben dieser Edle Achtfache Pfad; nämlich Richtige Ansicht, Richtige Absicht, Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise, Richtige Anstrengung, Richtige Achtsamkeit, Richtige Konzentration. Dies ist der Mittlere Weg, der Schauung vermittelt, der Wissen vermittelt, der zum Frieden führt, zur höheren Geisteskraft, zur Erleuchtung, zu Nibbāna." (MN 3)


    Und jetzt, Onda, gibt es keine "Sowohl-als-auch-Denkfigur", sondern Du hast genau zwei Möglichkeiten: a) Dem zuzustimmen oder b) eine andere Definition von Mittlerem Weg vorzulegen und zu begründen, was Deine Definition mit "Buddhismus" zu tun hat. Falls Du Dich für a) entscheidest, dann steht im Palikanon wiederum konkret, was unter "Richtige Achtsamkeit" zu verstehen ist:


    Zitat

    "Und was, Freunde, ist Richtige Achtsamkeit? Da verweilt ein Bhikkhu, indem er den Körper als einen Körper betrachtet, eifrig, völlig achtsam und wissensklar, nachdem er Habgier und Trauer gegenüber der Welt beseitigt hat. Er verweilt, indem er Gefühle als Gefühle betrachtet, eifrig, völlig achtsam und wissensklar, nachdem er Habgier und Trauer gegenüber der Welt beseitigt hat. Er verweilt, indem er Geist als Geist betrachtet, eifrig, völlig achtsam und wissensklar, nachdem er Habgier und Trauer gegenüber der Welt beseitigt hat. Er verweilt, indem er Geistesobjekte als Geistesobjekte betrachtet, eifrig, völlig achtsam und wissensklar, nachdem er Habgier und Trauer gegenüber der Welt beseitigt hat. Dies wird Richtige Achtsamkeit genannt." (MN 141)


    Und jetzt, Onda, gibt es auch keine "Sowohl-als-auch-Denkfigur", sondern Du hast genau zwei Möglichkeiten: a) Dem zuzustimmen oder b) eine andere Definition von Richtiger Achtsamkeit vorzulegen und zu begründen, was Deine Definition mit "Buddhismus" zu tun hat. Falls Du Dich für a) entscheidest, dann steht im Palikanon wiederum konkret, was unter "Geistesobjekte als Geistesobjekte betrachten" zu verstehen ist:



    Und jetzt, Onda, gibt es wiederum keine "Sowohl-als-auch-Denkfigur", sondern Du hast genau zwei Möglichkeiten: a) Dem zuzustimmen oder b) eine andere Definition von "Geistesobjekte als Geistesobjekte betrachten" vorzulegen und zu begründen, was Deine Definition mit "Buddhismus" zu tun hat.


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Elliot, es zeigt sich, dass dein Verständnis des PK und des Buddha-Dharma doch auf geradezu erschreckende Weise oberflächlich und unzutreffend ist. Da hast du eine Stelle im PK gefunden, bei der Mittlerer Weg und Achtfacher Pfad synonym verwendet werden und das hältst du nun für eine "Definition". Du klebst mit der Nase an den Buchstaben, Elliot. So wirst du nie zu tieferem Verständnis gelangen. Noch nicht einmal ausschließlich auf intellektueller Ebene. Du hast einen gigantischen Zettelkasten voller PK-Zitate, kannst die Schnipsel aber im Geist nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Es ist doch wirklich hilfreich, auch mal ein modernes Buch zu diesem Themenkomplex in die Hand zu nehmen und mal zu schauen, was Wissenschaftler und zeitgenössische Dharma-Lehrer zu diesem Thema zu sagen zu haben. Stattdessen spielst du hier den Großinquisitor und demonstrierst bei dieser Gelegenheit nur deine eigene wirklich erschreckende Unkenntnis, Unbildung und Borniertheit. "Im Palikanon steht" - Elliot, diese geistige Monokultur führt zu nichts! Nimm die Nase aus dem Kanon und schau dir mal die Welt an!!


    Mit Immanuel Kant möchte ich dir abschließend zurufen:

    Zitat

    AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Als Mod @ Onda & Elliot:
    Ich schätze die ausführliche Darlegung Eurer Standpunkte.
    Lasst es jetzt bitte nicht auf ein Ich-Du-Falsch-Richtig-Finale herauslaufen.
    Damit würdet Ihr Eure Standpunkte gleich mit umreißen.


    Bitte!


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen


  • Ich habe das als Haushälter für Haushälter geschrieben. Wenn man direkt alles loslassen könnte, dann wäre es ja einfach.


    Außerdem steht die Rechte Ansicht ganz grundsätzlich am Anfang des 8fachen Pfads. Ohne sie führt der gesamte Weg nicht zur Befreiung.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Ich habe das als Haushälter für Haushälter geschrieben. Wenn man direkt alles loslassen könnte, dann wäre es ja einfach.


    Genau. Erstens kann man es nicht und zweitens kommt Anhangen
    nicht alle daher. Durch Anhangen bedingt ist nämlich Verblendung
    bzw. die entsprechenden Sichtwiesen.
    .

  • accinca:
    Geronimo:

    Ich habe das als Haushälter für Haushälter geschrieben. Wenn man direkt alles loslassen könnte, dann wäre es ja einfach.


    Genau. Erstens kann man es nicht und zweitens kommt Anhangen
    nicht alle daher. Durch Anhangen bedingt ist nämlich Verblendung
    bzw. die entsprechenden Sichtwiesen.
    .


    Ja, die guten alten Sichtwiesen.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • malsehen:


    Bitte!


    Ich habe fertig.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Aus den Sutren-Erklärungen hört man immer wieder von Entsagungen des Begehrens nach Sinneneindrücken.
    Diese Ausdrucksweise führt dann bei manchem Samsarianer zu der Ansicht, dass der Buddhismus eine "lebens-verachtende" Lehre sei.


    Deshalb würde ich gerne das Begehren bzw. die Auflösung des Begehrens nach Sinneneindrücken in zwei Aspekte aufteilen.
    Zum einen gibt es die Auflösung des Begehrens durch Unterdrückung (ähnlich der Askese). Diese Art das Begehren loszuwerden, hat aber wiederum Begehren als Triebfeder und kann zwar kurzfristig von Erfolg gekrönt sein, das Begehren kommt jedoch bei den entsprechenden Bedingungen immer und immer wieder u.z. in jeweils noch stärkeren Maße zum Vorschein.
    Der Buddha hat dies ja auch am Anfang so praktiziert.


    Zum anderen wird von der Entsagung des Begehrens nach Sinneneindrücken gesprochen und darunter verstehe ich das Ergebnis der Praxis eines zwar entsprechend motivierten aber dennoch zielunorientierten 8fachen Pfades/Meditation.
    Das auf diese Weise aufgelöste Verlangen/Greifen nach gewissen Sinneneindrücken im Alltagsleben ist von Dauer, geschieht nach entsprechender Praxis des 8fachen Pfades "wie von selbst" und führt bei dem Erfahrenden zu mehr Gelassenheit und Gleichmut, was in allgemeiner Zufriedenheit zum Ausdruck kommt.


    Das ist genau das Gegenteil von "lebens-verachtend" und diejenigen, die durch Verblendung noch fast ausschließlich am "Ich" hängen und das Ergreifen der Sinneneindrücke umgekehrt als "lebens-bejahend" ansehen, könnten den Fortschritt der „Entsagung“ als Indikator für den Fortschritt auf dem Weg des 8fachen Pfades betrachten.


    PS: Vielleicht gibt es zu diesen Überlegungen entsprechende Sutren-Erklärungen.


    hedin

  • hedin:

    Das ist genau das Gegenteil von "lebens-verachtend" und diejenigen, die durch Verblendung noch fast ausschließlich am "Ich" hängen und das Ergreifen der Sinneneindrücke umgekehrt als "lebens-bejahend" ansehen, könnten den Fortschritt der „Entsagung“ als Indikator für den Fortschritt auf dem Weg des 8fachen Pfades betrachten.


    Im Zusammenhang mit der gelegentlich zu beobachtenden buddhistischen Genussfeindlichkeit habe ich eingangs nicht von lebensverachtend gesprochen.


    Das war Punkt 1:


    Zitat

    1) Eine lebensfeindliche Lehre
    Grundsätzliche Aversion gegen das Leben. Versuch der Überwindung des Lebens durch Nicht-Mehr-Geboren-Werden. Ideal des Rückzugs von der "Welt" (Eskapismus). Die Lehre vom Bedingten Entstehen wird missverstanden und als Lehre der Lebensüberwindung gedeutet. Diese Ideologie ist in ihrer Lebensverachtung eine verkappte und spirituell veredelte Suizid-Phantasie.


    Das ist definitiv lebensfeindlich. Da gibt's absolut nix zu deuteln.


    Onda

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  • Onda:

    1) Eine lebensfeindliche Lehre
    Grundsätzliche Aversion gegen das Leben. Versuch der Überwindung des Lebens durch Nicht-Mehr-Geboren-Werden. Ideal des Rückzugs von der "Welt" (Eskapismus). Die Lehre vom Bedingten Entstehen wird missverstanden und als Lehre der Lebensüberwindung gedeutet. Diese Ideologie ist in ihrer Lebensverachtung eine verkappte und spirituell veredelte Suizid-Phantasie. Onda


    Kommt natürlich immer darauf an was man unter "Leben und Sterben" so versteht.
    Leute die dem Daseinsprozeß verhaftet sind und die damit weiter machen wollen
    wie bisher, rollen im Samsaro eben weiter umher. Das ist jedem selbst belassen.
    Die welche sich aber vom Leben nicht mehr blenden und an der Nase herumführen
    lassen wollen suchen dem Treiben ein Ende zu machen. Das ist auch jedem selber
    überlassen.
    Sterben tun sie aber alle und die meisten immer wieder und denken
    vielleicht noch wie schön das sei. Sie kennen ja nichts besseres und können
    sich nicht einmal was anderes vorstellen. Und bei Erlösung des Lebens denken
    sie an die Vernichtung ihres eigenen lebendigen ICHs. An dessen Zerstörung.
    Das sie damit die Lehre des Buddha von anatta nicht verstehen ist offensichtlich.


  • Diese Theorie des realen Nicht-mehr-Geboren-Werdens setzt ein zu einem bestimmten Zeitpunkt verlöschendes atta voraus. Ein atta, das durch die Existenzen wandert und irgendwann - nach seiner buddhistischen Erlösung - nicht mehr neu reinkarniert. Die Lehre von anatta wirklich zu verstehen heißt, den Wiedergeburtsgedanken komplett abzulehnen. (Die Wonne des Nicht-Mehr-wieder-geboren-Werdens ist übrigens ein sehr persönliches, egoistisches Vergnügen).


    "suchen dem Treiben ein Ende zu machen" - besser kann man den Suizid-Gedanken nicht formulieren. So würde das auch ein ganz irdischer Selbstmörder formulieren.
    Der spiritueller Selbstmörder nimmt für sich die Edel-Variante in Anspruch. Die Essenz ist das gleiche. Da will sich jemand auslöschen.


    Wer dieses Modell als lebensfeindlich erachtet, muss nicht zwangsläufig an der Idee eines autonomen und dauerhaften Ich anhangen.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
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  • Onda:

    Diese Theorie des realen Nicht-mehr-Geboren-Werdens setzt ein zu einem bestimmten Zeitpunkt verlöschendes atta voraus. Ein atta, das durch die Existenzen wandert und irgendwann - nach seiner buddhistischen Erlösung - nicht mehr neu reinkarniert.


    Das möchtest du wohl, das andere so einen Unsinn glauben.
    An dieser falschen Ansicht wird wieder offensichtlich, daß dir überhaupt nicht klar ist
    was ein Atta von dem der Buddha lehrte das es ein solches weder später noch jetzt oder
    in Vergangenheit je gegeben habe, sein sollte. Aus der Tatsache der Nichtexistenz eines
    atta ergibt sich eindeutig, das ein Atta weder für die Geburt noch für das Leben eines
    Menschen erforderlich ist, noch für weitere Geburten. Das einzige was für weitere
    Geburten unbedingt erforderlich ist, das ist nach der Lehre des Buddhas, das Anhangen
    an etwas das irrtümlich für ein Selbst gehalten wird. Und davon gibt es ja auch genug so
    daß es immer wieder zu weiteren Geburten und Leben und Tode kommt.

  • Ich schließe jetzt diesen Thread.
    Die Standpunkte sind erschöpfend dargestellt. Weiteren Dialog darüber, wer wen wovon richtig oder falsch glauben machen will, könnt ihr anderweitig führen.


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • Auf Wunsch öffen ich den Thread wieder.


    Erneutes Boxen auf der "Ich-Du-richtig-falsch"-Ebene … dann gehts halt wieder zu.
    Ihr habt es selbst in der Hand, hier Kindergarten zu spielen oder eben nicht.


    Hochachtungsvoll
    Mal Sehen

  • accinca:
    Onda:

    Diese Theorie des realen Nicht-mehr-Geboren-Werdens setzt ein zu einem bestimmten Zeitpunkt verlöschendes atta voraus. Ein atta, das durch die Existenzen wandert und irgendwann - nach seiner buddhistischen Erlösung - nicht mehr neu reinkarniert.


    An dieser falschen Ansicht wird wieder offensichtlich, daß dir überhaupt nicht klar ist,
    was ein Atta, von dem der Buddha lehrte, das es ein solches weder später noch jetzt oder
    in Vergangenheit je gegeben habe, sein sollte.


    Nach eingehender Reflektion gelange ich zu folgender verknappter Erkenntnis:


    ein atta gibt es nicht - und das wird wiedergeboren.


    Du sagst, Begehren wird wiedergeboren - aber wie Begehren als Bedingtes Phänomen außerhalb eines Bedingungszusammenhangs (also unabhängig von Geist & Körper) durch die Existenzen wandeln soll, erschließt sich mir nicht.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Onda:

    Die Lehre von anatta wirklich zu verstehen heißt, den Wiedergeburtsgedanken komplett abzulehnen.


    Hallo,


    heißt es für mich zum Beispiel nicht.


    Wenn es nichts gibt was ich bin, was mir gehört, dann macht gleichzeitig die Einteilung in atta und anatta keinen Sinn mehr. Der Begriff, die Konvention, die Vorstellung anatta löst sich sozusagen in sich selbst auf, wenn anatta gesehen wird. Sie löst sich gemeinsam mit atta auf.


    Wenn anatta keine Vorstellung und Theorie ist, sondern in jedem Moment selbst erfahren wird, ohne darüber nachdenken zu müssen, dass es kein atta gibt, dann ist es einfach klar.


    Und dann macht die Einteilung in atta und anatta keinen Sinn mehr, weil es nie ein atta gab. Also kann es den Gegenspieler anatta auch nie gegeben haben. Die beiden sind voneinander abhängig. Sie sind bedingt voneinander entstanden. Wenn sich das eine auflöst, löst sich auch das andere auf.
    Es gab sie nur in meiner Vorstellung.


    Und dann löst sich auch die Vorstellung von Wiedergeburt auf, aber auch die Vorstellung von Nicht-Wiedergeburt löst sich auf. Im Grunde löst sich jede Vorstellung auf, in dem Sinne, dass sie nichtmehr für die Wahrheit gehalten werden, aber trotzdem auftauchen können.
    Es macht keinen Sinn von Wiedergeburt oder Nichtwiedergeburt zu sprechen. Genau wie es keinen Sinn mehr macht von atta und anatta zu sprechen.


    Dann ist einfach was ist.


    Ich kann das was ist Wiedergeburt nennen, zum Beispiel in dem Sinne, dass Geburt immer wieder und wieder, ständig, in jedem Moment stattfindet.
    Oder auch nur Geburt sagen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass da etwas Festes, Unveränderliches wiedergeboren wird.
    Oder man benutzt ganz andere Worte. Was einem hilfreich erscheint.


    Es macht auch überhaupt keinen Sinn mehr viel zu sprechen. Aber nicht weil sprechen an sich etwas Schlechtes ist, sondern weil einfach alles klar ist. Es gibt keinen Grund unbedingt über etwas sprechen zu müssen. Das Ziel wurde erkannt, es wird noch getan was getan werden muß, aber darüber hinaus gibt es nichts mehr zu tun.
    Alles was dannach passiert, sei es sprechen über anatta oder sprechen über Wiedergeburt oder was auch immer, passiert einfach. Aber es wird nicht an die Worte als dogmatische, unveränderliche, aus sich heraus unabhängige, feste Wahrheit geglaubt.


    Es geht nie in erster Linie um die Worte oder Lehrmeinungen, sondern darum dass man selbst sieht und erkennt was jetzt hier geschieht, im Innen oder Außen. Worte und Lehren können dabei helfen, müssen sie aber nicht zwangsläufig oder immer bei jedem.


    Es sind einfach Worte. Im besten Falle Worte die auf Freiheit und Frieden hinweisen. Aber auch nicht mehr.


    Anatta ist für mich sozusagen eher ein Hinweis auf die Wahrheit, welche aber nicht direkt in Worte gefasst werden kann. Nur indirekt als Hinweis.
    Ich denke mit anatta ist nicht die Polarität von atta und anatta gemeint oder das Festlegen auf die Polarität anatta. Sondern weil wir allgemein an ein atta glauben, wird das Wort anatta benutzt um uns von dieser Ansicht atta zu lösen. Aber nicht um stattdessen eine anatta Ansicht aufzubauen, sondern um die Freiheit und den Frieden zu erkennen der jenseits der Ansicht atta liegt. Aber auch jenseits der Ansicht anatta. Es geht darum sich von jeglicher festen, dogmatischen Ansicht zu lösen. Und den Frieden direkt sehen zu können. Der unabhängig von Ansichten, unabhängig von allem ist.


    Es geht für mich nicht darum für die atta Ansicht jetzt eine anatta Ansicht einzutauschen. Nicht die eine Fessel für die andere Fessel einzutauschen.
    Es geht für mich darum jede Ansicht loszulassen. Loslassen in dem Sinne, dass man den Glauben an die feste, dogmatische, aus sich heraus unabhängige Wahrheit von Worten, Meinungen und Vorstellungen loslässt. Dass man sieht dass Vorstellungen und Meinungen geistgemacht und vergänglich sind. Nicht mir gehören und nicht der Frieden sind.
    Deswegen ist im Grunde jede Vorstellung loszulassen, damit sich der von nichts bedingte, unabhängige Frieden zeigen kann, der sogar unabhängig ist von den Worten "bedingt" und "unabhängig". Der unabhängig von jedem Wort und jeder Vorstellung ist. Auch unabhängig von der Vorstellung etwas loslassen zu müssen.


    Das sprechen über anatta ist sozusagen ein Mittel um die Vorstellung von atta einmal loszulassen. Und dadurch jegliche feste, dogmatische Vorstellung loszulassen. Und auch die Vorstellung von anatta loszulassen. Und den Frieden zu sehen der darin liegt.


    Trotzdem können Gedanken, Worte und Vorstellungen auftauchen. Sogar sehr leicht und trotzdem tiefgründig. Aber man glaubt ihnen nicht. Man glaubt nicht an ihre Wahrheit. Und man ist nicht von ihnen abhängig, man braucht sie nicht, man identifiziert sich nicht mit ihnen.
    Man ist einfach freier.


    Man geht ihnen nichtmehr ständig nach. Man geht eher dem Frieden nach. Im Vergleich zu dem Frieden sind Gedanken, Worte und Vorstellungen einfach weniger interessant.
    Manchmal hilfreich, manchmal verwickelt man sich vielleicht auch noch darin, aber im Grunde sind sie uninteressant.



    Aber nur meine Meinung.


    Liebe Grüße

    8 Mal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • Onda:


    ein atta gibt es nicht - und das wird wiedergeboren.


    Nein, es wird kein atta wiedergeboren. Wiedergeboren wird etwas, das sich dann in eine Richtung entwickelt und sich aus dieser Entwicklung heraus für atta hält.


    Zitat


    Du sagst, Begehren wird wiedergeboren - aber wie Begehren als Bedingtes Phänomen außerhalb eines Bedingungszusammenhangs (also unabhängig von Geist & Körper) durch die Existenzen wandeln soll, erschließt sich mir nicht.


    Onda, es scheint mir, als ob du versuchst das Trägerobjekt für die Wiedergeburt zu finden. Irgend etwas muss ja dafür sorgen, dass das Begehren ( tanha ) sich einen neuen Körper sucht. So eine Art Speichermedium, dass von einem Körper zum anderen mitgenommen wird.

  • Syia:


    Onda, es scheint mir, als ob du versuchst das Trägerobjekt für die Wiedergeburt zu finden. Irgend etwas muss ja dafür sorgen, dass das Begehren (tanha) sich einen neuen Körper sucht. So eine Art Speichermedium, dass von einem Körper zum anderen mitgenommen wird.


    Genau, so etwas wie ein Karmaträger. Ohne einen Karmaträger kann ich mir Wiedergeburt nicht vorstellen. Wobei ich mir - ausgehend von einem strengen anatta-Konzept - Wiedergeburt sowieso nicht vorstellen kann, wie du weißt. Schließlich heißt es ja "Wieder-Geburt". Irgendetwas wird da wiedergeboren. Bloß was? Alle Antworten, die ich bislang hierzu gehört habe (Bewusstseinskontinuum, Karma, Feinstoffliches) gehen für mich in die Richtung "atta". Aber dieser Thread ist vielleicht nicht der richtige Ort für eine xte Wiedergeburtsdiskussion.


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
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    Einmal editiert, zuletzt von Onda ()

  • Irgendetwas kann es da schon geben. Man kann es zumindest nicht definitiv ausschließen. Vor allem nicht wenn es erst einmal nur auf einer Wissenslücke basieren könnte. Und aus dieser, möglicherweise unvollständigen, Sichtweise lassen sich nun mal keine vollständigen Schlüsse ziehen.


    Vom Buddha ist uns folgendes überliefert:


    Zitat

    »Durch das Zusammentreffen von drei Umständen kommt es zum Eintritt der Leibesfrucht. Sind Vater und Mutter zusammengetroffen . . . und die Mutter hat ihre Zeit, und der Genius (bildl. für Karma-Energie) ist bereit, so kommt es unter diesen drei Umständen zum Eintritt der Leibesfrucht.« (M. 38).


    Was spricht denn dagegen das als Möglichkeit stehen zu lassen?


    Die Menschen in Europa konnten sich vor noch nicht allzu langer Zeit auch nicht vorstellen das die Sonne nicht um die Erde kreist, oder das die Erde rund ist. Das wussten andere dagegen schon viel früher. Alles eine Frage der Wahrnehmung.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Ich fände es schön, wenn diese Liste
    http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=11314#p209773
    im Zentrum des Threads bleiben könnte.


    Mir geht es um Degenerationen und Extremismen, die die Lebenstauglichkeit der Lehre schmälern können.
    Mir geht es nicht um eine Pauschalkritik am Buddha-Dharma!


    Danke!


    Onda

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Einfach leben und dann sterben …
    Einigen genügt das offensichtlich nicht. Da ist Gier nach mehr.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Onda:
    accinca:

    An dieser falschen Ansicht wird wieder offensichtlich, daß dir überhaupt nicht klar ist, was ein Atta, von dem der Buddha lehrte, das es ein solches weder später noch jetzt oder in Vergangenheit je gegeben habe, sein sollte.


    Nach eingehender Reflektion gelange ich zu folgender verknappter Erkenntnis:
    ein atta gibt es nicht - und das wird wiedergeboren.


    Richtig ist, das es kein unveränderliches ata gibt welches immer gleich bliebe.
    Daher kann ein solches auch niemals geboren sein. Weder einmal jetzt
    in diesem Moment und Leben noch in früheren Leben noch in späteren Leben.
    Trotzdem gibt es für jeden sichtlich zumindest dieses Leben von Tag zu Tag.
    Und nirgends ist in diesem Körper und Geist irgend ein immer gleich bleibender
    Träger oder Trägersubstanz von der einer zu Recht sagen könnte das war Ich
    gestern und das bin Ich heute das ist an mir unveränderlich das ganze Leben
    immer dasselbe meine Trägersubstanz bis zum Tode. Solche eine Trägersubstanz
    die immer gleich bleibt gibt es schon jetzt nicht und trotzdem haben wir den
    Eindruck jeden Tag der gleiche zu sein. An diesem Eindruck ändert sich quasi
    nichts auch wenn sich alle Dinge dauernd verändern.
    Der Buddha lehrt nun, das dieser Eindruck durch Anhangen und Verblendung,
    als eine Art vorstellungsmäßige und empfindungsmäßige Fixierung erzeugt würde
    welche man aufheben könnte. Das ist aber nicht einfach. Jedenfalls lehrte er
    dazu die vier Heilswahrheiten.
    Jedenfalls lehrte er, daß durch das Anhangen bzw. Begehren und Verblendung
    der gesamte Daseinsprozess in Gang gehalten wird und sogar über die jeweilige
    körperliche Form hinaus, setzen sich diese geistigen Kräfte immer weiter fort und
    bauten dabei immer wieder ihr "Haus" (einen Körper) neu auf.
    Und das ohne Trägersubstanz rein von den geistigen Kräften her und
    je nach Qualität dieser Kräfte. Und das kannst du nun dem Buddha glauben
    oder auch nicht, das ist deine Sache. Jedenfalls braucht es dazu kein unveränderliches
    Atta genau - wie im jetzigen Leben kein unveraänderliches atta gebraucht wird.

    2 Mal editiert, zuletzt von accinca ()

  • Doris Rasevic-Benz:

    Einfach leben und dann sterben …
    Einigen genügt das offensichtlich nicht. Da ist Gier nach mehr.


    Haha. Das hat nun aber mit Buddhismus wirklich nichts mehr zu tun.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)