Lieber Igor07 ,
wenn ich dein folgendes Zitat lese, spüre ich den Impuls, dich - und alle unter "dukkha-dukkha" leidenden Wesen - (virtuell) in den Arm zu nehmen und meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass irgendwann die Wissenschaft DAS ultimative Schmerzmittel entwickelt, was uns wenigstens von dieser Art, dem körperlichen, "Dukkha" schnell und nachhaltig befreit.
Danach verfügte man auch über viel mehr innere Stärke/Kraft, sich vom geistigen Schmerz loszulösen, den die "drei Götterboten" Alter, Krankheit und Tod, ja ebenfalls mit sich bringen...
Alles anzeigenIch kann Alter, Krankheit und Tod niemals „besiegen“.
Der Körper folgt dem Lauf der Natur.
Was bedeutet das überhaupt – „besiegen“? Oder:"Befreien"?
Dieser Begriffswirrwarr ist wirklich ermüdend.
Ich kann den Schmerz nicht besiegen – nie.
Also: Leide ich darunter?
Der Tod kommt.
Tod-sicher.
Aber wer leidet eigentlich?
"Ich" leide(t)....wenn ich an mir/mein/mich anhafte.
(Der Körper verfällt bei Krankheit, Alter und Sterbeprozess, verursacht dabei körperlichen Schmerz, der wahrgenommen wird - wiederum von Teilen des Körpers - wobei dies auch im Geist (zusätzlichen) Schmerz erzeugen kann.
Es gilt m.E. also zum einen, Distanz zum Körper zu entwickeln und auf körperliche Schmerzen nicht mehr geistig mit Identifikation sowie Ablehnung/Widerstand zu reagieren, zum anderen aber, mit gesundem Menschenverstand, die aktuellen Möglichkeiten moderner Schmerztherapie/Palliativmedizin auszuschöpfen.
Letzteres war dem Buddha in seiner Zeit leider verwehrt, er konnte sich nur durch den Aufenthalt in Vertiefungszuständen (Jhanas) zeitweilige Linderung der Körperschmerzen verschaffen, aber sein Geist blieb - den alten Texten zufolge - unbeeindruckt gleichmütig, was ein "Leiden" verhinderte. )
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Allgemein zum Thema "andere Sichtweise" möchte ich hier noch einen Aufsatz des buddhistischen Autors Franz Johannes Litsch* anhängen
(hoffe, es ist dir recht, lieber Igor? ), der damit einer anderen Sichtweise auf das Daseinsmerkmal "Dukkha", des Dharmalehrers Manfred Folkers, widerspricht:
*https://buddhismus-aktuell.de/autor/franz-johannes-litsch/
Neue Interpretationen können bestenfalls zu mehr Klarheit, neuen Einsichten, besserem Verständnis führen, bergen jedoch immer auch das Risiko, Dinge zu verzerren/verfälschen, Zweifel und Verunsicherung bei denen zu erzeugen, die der alten Sichtweise vertrau(t)en und damit schlimmstenfalls Spaltungen zu bewirken.
ich beziehe mich auf Autoren, die Theravāda-Tradition vertreten. Sie alle sind ausgewiesene Fachleute auf diesem Gebiet. Wie bereits betont, geht es nicht um meine eigene Sichtweise, sondern um eine alternative, andere Perspektive.
Die Sichtweise "anerkannter" Fachleute in Ehren, aber diese muss nicht unbedingt näher an der Wahrheit liegen (und könnte sich ohnehin auch wieder wandeln) - vor allem, da sich die sogenannten Experten oftmals auch nicht einig sind, was mehr Verwirrung als Erhellung bei den "Laien" nach sich ziehen kann.
Dieses Forum dient ja u.a. gerade auch dazu, sich über "eigene" Sichtweisen auszutauschen - jeder hier kann Lehrer und/oder Schüler sein...
Woher willst du wissen, lieber Igor, dass deine Sichtweise für den Einen oder Anderen nicht u.U. (alltags)lebensnaher und daher hilfreicher ist, als die von gelehrten Mönchen?
(Man kann selbstverständlich von beiden lernen, wenn man will und damit eigene Erfahrungen ergänzen, bzw.. besser verstehen..)
Mögen alle Wesen glücklich und zufrieden sein!
Liebe Grüße, Anna