Der Begriff "Lamaismus"

    • Offizieller Beitrag
    Sherab Yönten:


    Das hatte ich im Laufe der Diskussion aber auch relativiert.
    Wenn jemand ehrlich erklärt, dass der Begriff, wenn er unbedingt verwendet werden muss, nicht abwertend gemeint ist, ist das auch für mich o.k.


    Ich nehme nicht an, dass jemand den Begriff böswillig verwendet.


    Aber auch schon wem jemand, das was man selber als wichtig und gut wertschätzt, als unwichtig oder sogar schädlich ansieht, kann man das als Abwertung wahrnehmen.


    Schon wenn jemand sagt "David Bowie war als Sänger eher mau" kann eine echten Bowie-Fan das als Abwertung seines Idols auffassen. Aber ist es nicht einfach eine Meinung?


    Wo ist da die Grenze?

  • Für mich ist der Knackpunkt die historische Verwendung des Begriffs. Das macht es auf der einen Seite nicht rein persönlich, das als Affront zu empfinden, und auf der anderen Seite nicht blos zu einer "Meinung". "David Bowie ist als Sänger eher mau" ist eine Frage des persönlichen Musikgeschmacks, mehr nicht. Da hängt kein historischer Kontext mit dran.

    • Offizieller Beitrag
    kilaya:

    Für mich ist der Knackpunkt die historische Verwendung des Begriffs. Das macht es auf der einen Seite nicht rein persönlich, das als Affront zu empfinden, und auf der anderen Seite nicht blos zu einer "Meinung". "David Bowie ist als Sänger eher mau" ist eine Frage des persönlichen Musikgeschmacks, mehr nicht. Da hängt kein historischer Kontext mit dran.


    das war ja dieser Kontext:


    Zitat

    http://info-buddhismus.de/Tibe…sten_Dagyab_Rinpoche.html


    "Im Lauf des 19. Jahrhunderts wird das Tibet-Bild jedoch wieder negativer. Vor allem die Erforschung des Buddhismus führt ab 1850 zu einer Abwertung des tibetischen Buddhismus. Die Frage, welcher Buddhismus der echte ist, beantworten die westlichen Forscher historisch: natürlich der älteste. Der ›reine‹ Buddhismus wird folglich mit dem Pali-Kanon und dem Theravada identifiziert. Alle späteren Entwicklungen gelten hingegen als fortschreitende ›Entartung‹, wobei der tantrische Buddhismus als ärgste Dekadenz gilt. Der tibetische Buddhismus wird als ›Lamaismus‹ bezeichnet, was eindeutig abwertend gemeint ist. Bis heute hat sich ja diese Wortschöpfung leider in vereinzelten Veröffentlichungen gehalten. Diese Sicht des Buddhismus orientiert sich offenbar an der protestantischen Theologie des 19. Jahrhunderts und ihrer historisch-kritischem Methode. Der Mahayana und der tibetische Buddhismus erscheinen den Autoren als eine Art Katholizismus: Die Hierarchie der Lamas benutzt den Aberglauben, um das Volk in Abhängigkeit zu halten."


    Im tibetischen Buddhismus einen degenerierten,dekadenten,katholischen Aberglauben zu sehen ist sicher ein übel herabsetztender Kontext.


    Aber was ist mit einer Sicht, die Buddhismus in erster Linie mit dem Palikanon identifiziert? Das ist ja jetzt keine so ungewöhnliche Position, oder? Nimmt man den Palikanon als Messlatte, dann wird man ja auch viele Elemente des tibetischen Buddhismus für sich selber als "nicht dem Dharma entsprechen, wie es Shakyamuni gelehrt hat" sehen. Auch wenn man natürlich respektieren kann, das jemand eine andere Sicht hat und andere Wertungen vornimmt.


    Wenn man den tibtischen Buddhismus als eine Mischung von buddhistichen und nicht-buddhitischen Elementen sieht dann ist der Begriff "Lamaismus" vielleicht gut, weil er (genau wie "Zennist") diese Unterscheidung offen hält. Wie ein Ethnologe spricht man in einer Aussenansicht "von dem was Lamas lehren." ohne bei jedem Satz urteilen zu müssen ob das jetzt Dharma ist oder nicht.


    Gerade für Leute, die Gelübte auf sich genommen, haben, und deswegen streng versuchen nicht zu lügen kann so etwas wichtig sein, um gleichzeitig nichts Unwahres zu sagen und höflich zu bleiben.

  • Losang Lamo:

    Weil ich hier sonst niemanden sehe, der sich so um den Begriff kappelt, dass schon verhaltene Drohungen ausgesprochen werden. Oder?


    Weder "kappel" ich um Begriffe noch spreche ich Drohungen aus.


    Losang Lamo:

    Warum zitierst Du mich, um Deine Forderung nach Schließung des Threads zu bekräftigen?


    Das war wohl ein Missverständnis, denn ich hatte Dich hier so verstanden, dass Du hier


    Losang Lamo:

    Die Menschen sind halt verschieden und meist nicht einer Meinung. Punkt.Weitere Grabenkämpfe führen zu nichts, sondern werden eher immer irrationaler, je länger sie geführt werden.


    ebenfalls für eine Schließung des Threads plädieren würdest. Ich habe es immer so verstanden, dass entweder der Threaderöffner darum bittet (es war eine Bitte, keine Forderung!) einen Thread zu schließen oder ein Moderator bestimmt es, weil die Diskussion ausufert.


    Losang Lamo:

    Was Pamokka will oder denkt, weiß keiner


    Eben!


    Losang Lamo:

    Genau. Und warum soll jetzt niemand mehr was dazu sagen dürfen, (wenn der Thread geschlossen wäre)? Das ist doch ein besprechenswertes Thema, find ich


    Ist ja auch o.k. wenn andere dazu noch was sagen möchten. Mir fallen keine zusätzlichen Aspekte mehr ein, als die die bereits in diesem Thread mindestens einmal durchgekaut worden sind.

  • Pamokkha bezieht sich nicht auf den PK, so ne bezeichnet er als "Frühbuddisten";
    von daher weiß er vielleicht nicht, dass Buddha selbst der Verwirklichung als Arhat
    ( Nichtwiederkehrer) "ausgewichen" ist und die Bodhisattva"laufbahn" eingeschlagen hatte.
    Es ist nicht ein 'Selbst' was übergeht, es sind sg. Qualitäten ( Paramitas ) und da ist es müßig den sg. Lamaismus zu bekritteln.

  • Ich habe heute das Buch


    Zitat

    Mein Weg zum Dalai Lama


    von Georg Kirner geschenkt bekommen. Aus dem Jahre 1975.


    Ich musste schmunzeln, als ich im Vorwort folgende Zeile las:


    Zitat

    Der jetzige Dalai Lama, das Oberhaupt der tibetischen Buddhisten, die man in Europa fälschlicherweise Lamaisten nennt...


    Soviel zum historischen Kontext.

  • Void:

    Zitat

    Gerade für Leute, die Gelübte auf sich genommen, haben, und deswegen streng versuchen nicht zu lügen kann so etwas wichtig sein, um gleichzeitig nichts Unwahres zu sagen und höflich zu bleiben.


    Ich glaube das Bemühen um Wahrhaftig-sein hat mit der Wahl von "korrekten" und "unkorrekten" Ausdrücken wenig zu tun.
    Schauen wir mal Wiki zu Bhutan an:

    Zitat

    Die Staatsreligion, der etwa 72 % der Bevölkerung anhängen, ist die tantrische Form des Mahayana-Buddhismus, verteilt auf die Drugpa-Kagyü und die Nyingma. Es handelt sich um eine Form, die auch dem tibetischen (Vajrayana) nahesteht.


    Offensichtlich gibt es keinen einzelnen Begriff, der hier "korrekt" wäre.
    Lamaismus ist es auch nicht. Es ist aber leicht rauszufinden, dass dieser Begriff für alles was da Außertibetisch ist also hinken muss. Aufrichtig, meiner Meinung nach, wäre es, zu sagen: ich schreibe und veröffentliche Aufsätze und suche passende Begrifflichkeiten für eine Strukturierung - oder so, Könnt ihr mir helfen ?
    Ich meine, Veröffentlichen ist noch mal was anderes, als wenn ich nur mir selber über etwas im klaren sein möchte, denn da stünde für mich erstmal ernsthaft die Frage im Raum, ob mein Dialogpartner bzw. der ( potentielle ) Auskunftgeber da überhaupt dran beteiligt werden will.


    Hingegen Motiv, Intention oder Absicht, ja da kann man sich schon mal fragen, wie das bei jemandem gartet ist, aber meine Erfahrung ist, das das ganz dolle auf Spekulation rausgeht, sogar manchmal auf Imagination in Bezug auf die ganze Person. Und ich sag mal, wo ich dann anfangen würde negativ zu denken, das schadet mir ja und wenn es mir schadet, schadet es auch anderen. Mit Naivität hat das nichts zu tun. Motiv, Intention, Absicht ist mehr eine Neigung des Geistes, gleichzeitig Stückwerk von Situation zu Situation und intellektuell auch gar nicht fassbar und auch die Intuition ist oft durch individuelle Gefühle und Befindlichkeiten gefärbt.


    Der Dhammapadda Vers:
    Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
    Kommt aus getrübtem Geist dein Wort und dein Betragen.
    So folgt dir Unheil, wie dem Zugtier folgt der Wagen.
     
    2
    Den Dingen geht der Geist voran; der Geist entscheidet:
    Entspringen reinem Geist dein Wort und deine Taten,
    folgt das Glück dir nach, unfehlbar wie dein Schatten.


    macht sichtbar, dass eine Klärung von Intention und Absicht nur eine "ureigene und praktische Angelegenheit" sein kann.


  • Ja und? Das ist doch komplett Quatsch. Der Dalai Lama ist definitiv nicht das "Oberhaupt" der Kagyü, der Nyingma oder Sakya. Streng genommen nicht einmal der Gelug, das ist der Ganden Tripa. Politisches "Oberhaupt" Tibets ist er nun auch schon eine ganze Weile nicht mehr - 1975 war er allenfalls Oberhaupt einer von keinem Staat weltweit anerkannten Exilregierung.


    Soviel zur Seriosität und Fachkompetenz von Herrn Kirner.


    ()

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  • 1975 war das so eine allgemein gebräuchliche Formulierung, auch wenn diese natürlich genau betrachtet unscharf ist. Es handelt sich bei dem Buch ausserdem wohl nicht um eine wissenschaftliche Fachpublikation.


    Trotzdem kann man das als weiteren Beleg gelten lassen, dass der Begriff "Lamaismus" aus einer Innenperspektive heraus als unangemessen betrachtet wird und es sich dabei nicht blos um eine "persönliche Einzelbefindlichkeit" handelt.


    Wikipedia:Buthan:

    Die Staatsreligion, der etwa 72 % der Bevölkerung anhängen, ist die tantrische Form des Mahayana-Buddhismus, verteilt auf die Drugpa-Kagyü und die Nyingma. Es handelt sich um eine Form, die auch dem tibetischen (Vajrayana) nahesteht.


    Hier haben wir eine präzise Formulierung, die durch genauere Benennung allzu unscharfe Einzelbegriffe vermeidet - das wäre genau im Sinne meines Vorschlags weiter oben. "Tantrische Form des Mahayana-Buddhismus" finde ich sehr gut - besser als einen Begriff wie "Tantrayana" zu konstruieren, der suggeriert, es würde sich dabei um eine eigenständige Richtung handeln, obwohl Tantra extrem breit ausdifferenziert ist und sich bei weitem nicht auf Tibet beschränkt. Damit wird also benannt, was praktiziert wird. Durch "Drukpa-Kagyü und Nyingma" wird für den Kenner noch genauer eingeordnet. Dann wird wieder für die Allgemeinheit erklärt, dass es eine Nähe zum bekannten sog. "tibetischen Buddhismus" gibt, genauer: tibetischen Vajrayana.


    Was aber würde es suggerieren, wenn man statt dessen schriebe: "In Bhutan ist der Lamaismus Staatsreligion"? Schlauer wird man so bestimmt nicht darüber, was nun wirklich in Bhutan religiös betrachtet los ist. Und die Anwendung eine Begriffs aus der "Mongolistik" - welche Bedeutung hätte das aus einer größeren theologischen Perspektive in Bezug auf den Buddhismus in Bhutan?


    Ich versuche mich gerade von dem historischen Kontext zu lösen und zu schauen, welchen Wert der Begriff hätte, wenn man ihn ganz nüchtern und losgelöst nimmt. Ich finde: im Vergleich zu den Alternativen so gut wie keinen.

  • Ich liebe ja immer die Vergleiche (sorry).


    Wenn also der Ausdruck "Lamaismus" in Ordnung wäre, dann müsste "Ajahnismus" genauso in Ordung sein. Nicht?


    Wer dem Vajrayana abspricht, sich (auch) auf den historischen Buddha zu beziehen, muss zugeben, dass der Palikanon nicht vom historischen Buddha verfasst worden ist, sondern von mehreren anonymen Autoren hunderte Jahre später zusammengesammelt wurde - was ich in Ordnung finde, denn die Worte Buddhas waren sicherlich so kraftvoll, dass sie zweihundert Jahre überdauern konnten.


    Aber dass immer so naiv davon ausgegangen wird, Buddha hätte quasi in ein Diktiergerät gesprochen und das wäre dan 1:1 abgeschrieben worden, finde ich ziemlich irrig. Daraus nährt sich dann dieses Selbstvertrauen, das behauptet: "Das hat der Buddha NIE GESAGT". Wow. :-/


    Mein Fazit: etwas abzuwerten, das man nicht kennt, ist eine merkwürdige Diskussionsform, die ich unter Buddhisten nicht nachvollziehen kann.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Wann kehrt ihr eigentlich zum Kernholz zurück? Seht ihr nicht das ihr euch um das Efeu streitet? Warum beendet ihr das nicht damit das ihr keine Begriffe verwendet von denen ihr wisst oder erfahren habt das sie nicht gebraucht werden sollten, mit Begründung. Ich könnte hier auch in der Sprache des Deutschland antworten aus den Jahren 1930 bis 1946, tu ich nicht weil ich weiss das das nicht hilfreich ist.

  • Ellviral:

    Wann kehrt ihr eigentlich zum Kernholz zurück? Seht ihr nicht das ihr euch um das Efeu streitet? Warum beendet ihr das nicht damit das ihr keine Begriffe verwendet von denen ihr wisst oder erfahren habt das sie nicht gebraucht werden sollten, mit Begründung. Ich könnte hier auch in der Sprache des Deutschland antworten aus den Jahren 1930 bis 1946, tu ich nicht weil ich weiss das das nicht hilfreich ist.



    manchmal "streiten Leute" halt "gerne" mal um des Kaisers Bart... vllt. ein Zeichen, dass es ihnen gut geht???...who knows..:))

  • Samten:
    Ellviral:

    Wann kehrt ihr eigentlich zum Kernholz zurück? Seht ihr nicht das ihr euch um das Efeu streitet? Warum beendet ihr das nicht damit das ihr keine Begriffe verwendet von denen ihr wisst oder erfahren habt das sie nicht gebraucht werden sollten, mit Begründung. Ich könnte hier auch in der Sprache des Deutschland antworten aus den Jahren 1930 bis 1946, tu ich nicht weil ich weiss das das nicht hilfreich ist.



    manchmal "streiten Leute" halt "gerne" mal um des Kaisers Bart... vllt. ein Zeichen, dass es ihnen gut geht???...who knows..:))

    Es ist ein Zeichen das es ihnen gut geht, zu gut, das ist Luxus.

  • Losang:

    Zitat

    Mein Fazit: etwas abzuwerten, das man nicht kennt, ist eine merkwürdige Diskussionsform, die ich unter Buddhisten nicht nachvollziehen kann.


    Naja, sowas kommt doch von Draufsicht, nicht Innensicht. Viele Leute überschätzen auch den Intellekt in Fragen von Unterscheidung und Bewertung- oder unterschätzen ihn, je nach dem wie mans sieht - der diskriminiert nun mal, das liegt in seinem Wesen. " Man sieht nur mit dem Herzen gut", :earth: ist kein leerer Spruch.
    Ich kann so einige Neigungen in Bezug auf Lehre und Praktik auch überhaupt nicht nachvollziehen, aber dann hast du einen Menschen vor dir und du siehst er ist ein vertrauenswürdiger, liebenswerter Mensch ... :rose: oder einer erscheint dir unsensibel, grob urteilend, ziemlich unbeleckt usw. :| - ein Verurteilen ist jedoch generell ein Übel.
    Aber die Leute "verstehen" nicht, das dies ( Abneigung und Bevorzugung ) in ihrem eigenen Herzen stattfindet. "Getrübter Geist". Erst wenn das transparenter, offener, weiter, undogmatischer und standfester wird, was ja eigentlich seine Natur ist, dann nimmt auch ein so grobes Beurteilen ab, er "guckt dann über den Tellerrand", wagt sich vielleicht sogar mal in die Innenansicht. :om:
    Der stete Bezug ( Relevanzrahmen ) auf den Kanon oder auch "meine Richtung" ist eine ziemlich profane Angelegenheit - kein besonderes Kunststück und mit einigem Verständnis auch recht mühelos. Das sagt daher nichts weiter aus. "Mit fremden Federn schmücken"- vielleicht,
    denn es wird ja so getan, als habe man hinreichende Erkenntnisse gewonnen, so dass man sich ein vergleichendes Urteil alleweil erlauben kann, folgt aber doch erst mal nur "dem Diktat" der eigenen Überzeugungen und lehnt sich "bequem" auf den "Hinterlassenschaften" anderer Nachfolger ab. Die Innenperspektive zeigt mir, das vieles von den "Praktiken" der Tibeter im Kanon vor kommt, aber man muss ein Interesse haben, genauer hinzuschauen. Nicht ?!
    Es brauchte auch erst einen, der alles zu Metta-Bhavana ( Brahmavihara) mal aus dem Kanon zusammengetragen hat, so dass jene "rational-logisch- kühle" Perspektive, die mitunter unter den ( vermutlich eher westlichen ) Theravadin vorherrscht, welche doch aber auch nur übertragen wird, wieder relativiert werden kann/ muss.

  • Muss es über den Intellekt laufen ? Der denkt sich ( je nach Intention ) aus was statthaft ist, was nicht, was zu rechtfertigen ist, was nicht, gebraucht wird, nicht geraucht wird.
    Es ist doch ganz klar, das dieser Begriff nicht zuträglich ist- etwas Sensibilität "reicht" doch.

  • void:

    Werter pamokkha,


    wie versteht du denn den Begriff Lamaismus und wie wendet du ihn an ?


    Gibt es Lamaismus der nicht "tibetischer Buddhismus" ist?


    Nicht meine Ecke, aber gibt es Lamaismus nicht auch in Gebieten wie der Mongolei?
    Damit wäre Lamaismus der Oberbegriff.


    Darf ich die Frage erweitern?
    Gibt es andere tibetische Religionen, die ein Lama-System kennen?

  • Zitat

    Nicht meine Ecke, aber gibt es Lamaismus nicht auch in Gebieten

    Ja. Kopf und Bauch und Zunge. :)

  • fotost:

    Nicht meine Ecke, aber gibt es Lamaismus nicht auch in Gebieten wie der Mongolei?
    Damit wäre Lamaismus der Oberbegriff.


    Hast Du den ganzen Thread gelesen? Ich glaube nicht, denn sonst würdest Du das nicht so schreiben. Warum Lamaismus nicht als Oberbegriff geeignet ist (historischer Kontext) wurde schon mehrfach erklärt. Es gibt den Begriff auch in der Mongolistik, das erhebt ihn aber nicht zu einem geeigneten Oberbegriff. So wie das katholische Christentum auch kein "Priesterismus" ist.


    fotost:

    Gibt es andere tibetische Religionen, die ein Lama-System kennen?


    Es gibt in Tibet eigentlich nur Buddhismus und Bön. Bön kennt ein Lamasystem in fast identischer Weise.


    "Lama" heisst ja einfach nur "Meister", "Guru" oder "Lehrer". Wenn man sich von der tibetischen Sprache löst, wäre analog ALLES "Lamaismus" wo es Meister, Gurus oder Lehrer gibt. Der Begriff ist somit weder präzise noch universell geeignet. Dazu kommt eben die historische negative Konnotation und die Absage an den Begriff von innerhalb aller Teile des Buddhismus, die damit bezeichnet werden könnten.

  • kilaya:

    Warum Lamaismus nicht als Oberbegriff geeignet ist (historischer Kontext) wurde schon mehrfach erklärt.


    "Erklärt" wurde überhaupt nichts. Jedenfalls nicht mir - nach meiner Wahrnehmung wurden lediglich irgendwelche diffusen Befindlichkeiten artikuliert. So hatte ich Dich vor mittlerweile einer Woche z.B. um eine Erklärung für diese Behauptung gebeten:

    Sudhana:
    kilaya:

    Der Begriff wurde und wird überwiegend abwertend oder aus Unverständnis verwendet


    Das hätte ich jetzt doch einmal gerne konkret belegt - alleine durch Insistieren und häufiges Wiederholen wird eine solche Behauptung ja nicht notwendig plausibel oder gar richtig.


    - jedoch ohne Erfolg. Was mich, nebenbei bemerkt, nicht überrascht hat.

    kilaya:

    Es gibt den Begriff auch in der Mongolistik, das erhebt ihn aber nicht zu einem geeigneten Oberbegriff. So wie das katholische Christentum auch kein "Priesterismus" ist.


    Wenn wir hier schon mit schiefen Vergleichen arbeiten, dann schon mit einem nicht ganz so schiefen: Katholizismus ist kein 'italienisches Christentum' und deutsche, polnische oder französische Katholiken sind keine 'italienischen Christen'. Nur mal so als Hinweis ...


    Kommen wir jetzt doch noch mal zum "historischen Kontext". Dass 'Lamaismus' lediglich die Übertragung des chinesischen lamajiao 喇嘛教 (wörtl. 'Lehre der Lamas') ist, hatte ich ja schon angemerkt. Der Begriff bezeichnete in China die Form des Buddhismus, der die neue Herrschaftselite nach dem Untergang der Ming-Dynastie anhing und die sich von der sonst in China üblichen unterschied. Dass das dieselbe Form ist, die auch in Tibet vorherrschend ist, wusste man natürlich. Aber man wusste auch, dass Mandschu (und Mongolen) nun einmal keine Tibeter sind. Genau diesem Umstand - den Gemeinsamkeiten von tibetischem, mandschurischem und mongolischem Buddhismus und deren Unterschied zum Buddhismus der Han-Chinesen - trug man mit dem Begriff lamajiao Rechnung.


    Das - dass diese Form des Buddhismus nicht auf Tibet beschränkt ist, sondern im gesamten Zentralasien und vom kaspischen Meer bis zur Pazifikküste des nordöstlichen China verbreitet ist - war auch Sándor Kőrösi Csoma bewusst, der den englischen Begriff 'lamaism' als Übersetzung von lamajiao in die westlichen Geisteswissenschaften einführte. Wem der Name nichts sagen sollte - Csoma ist der Begründer der Tibetologie, er verfasste als erster eine tibetische Grammatik und ein tibetisch-englisches Wörterbuch (1834). Und er war kein Schreibtischtäter - zwar gelangte er nicht nach Tibet selbst (die Einreise wurde ihm verweigert), aber nach Ladakh und nach Zanskar, wo er in ein buddhistisches Kloster eintrat. Er war auch der erste, der eine umfassende Darstellung des Kangyur, den er dort studierte, veröffentlichte und damit die spezifischen Lehren des Lamaismus im Westen bekannt machte. Das war 1835, nach einem über zehnjährigen Studium vor Ort. Das ist, wie gesagt, der Mann, dem wir den Begriff 'Lamaismus' verdanken.


    Csomas 'Analysis of the Kandjur' war das Standardwerk über den Lamaismus bis zum Erscheinen von Laurence Austin Waddells 'The Buddhism of Tibet or Lamaism' 1895. Waddell war eigentlich Arzt im englischen Indian Medical Service, er bereiste insbesondere im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts Sikkim und die nepalesisch-tibetische Grenzregion, 1903-1904 war er Teilnehmer der sog. Younghusband-Expedition nach Tibet, 1906-1908 Professor für Tibetisch am University College of London, danach widmete er sich der sumerischen Kultur. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich Giuseppe Tucci, einer der bedeutendsten Orientalisten überhaupt, ohne dessen Editionen und Übersetzungen (aus dem Sanskrit, dem Tibetischen und dem Chinesischen) der heutige Wissensstand über den Mahayana-Buddhismus ein deutlich niedrigerer wäre. Insbesondere zwischen 1932 und 1950 arbeitete er über Tibet; mit Feldarbeit 1933 und 1935 in Westtibet, 1937 und 1939 sowie 1948 in Zentraltibet einschließlich Lhasa. Hauptwerke dieser Schaffensperiode seine sieben Bände Indo-Tibetica (1932 - 1941 erschienen) und sein 'Tibetan Painted Scrolls' in zwei Bänden (1949). 1970 veröffentlichte er zusammen mit dem Mongolisten Walther Heissig auf Deutsch 'Die Religionen Tibets und der Mongolei' - seither und bis heute Standardwerk über den Lamaismus.


    Das ist der historische Kontext des Begriffs 'Lamaismus' - die drei genannten außergewöhnlichen Wissenschafter stehen nur für die wichtigsten Stationen seiner Begriffsgeschichte. Dazu mal grundsätzlich: entwickelte Begriffe sind das Werkzeug des Geisteswissenschaftlers und wie andere Werkzeuge auch entsorgt man Begriffe erst dann, wenn einem ein geeigneteres Werkzeug zur Verfügung steht. Und vor allem nicht nur aus dem Grund, weil irgendwelche Schwachmaten es sich herausnehmen, ebenfalls damit herumzuhantieren. Und nein - 'tibetischer Buddhismus' ist kein geeigneterer Begriff. Es ist ein ethnozentrischer Begriff, der seine Berechtigung für den tibetischen Kulturkreis hat - aber nicht für den mongolischen oder den Nordosten Chinas. Es mag ja hier im Westen Menschen geben, die sich als "tibetische Buddhisten" fühlen - quasi als Tibeter ehrenhalber. Es sei ihnen gegönnt, so lange sie nicht auch Angehörige anderer nichttibetischer Kulturen ungefragt dazu erklären. Aber es sei ihnen auch geraten, sich bewusst zu machen, dass der Überblick, den sie zu haben glauben, daher rührt, dass sie auf den Schultern von Riesen sitzen. Diesen wiederum pauschal "Abwertung" oder gar "Unverständnis" zu bescheinigen, zeugt mE eher davon, dass es mit dem Überblick nicht ganz so weit her ist.


    ()

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  • Sudhana:
    kilaya:

    Es gibt den Begriff auch in der Mongolistik, das erhebt ihn aber nicht zu einem geeigneten Oberbegriff. So wie das katholische Christentum auch kein "Priesterismus" ist.


    Wenn wir hier schon mit schiefen Vergleichen arbeiten, dann schon mit einem nicht ganz so schiefen: Katholizismus ist kein 'italienisches Christentum' und deutsche, polnische oder französische Katholiken sind keine 'italienischen Christen'. Nur mal so als Hinweis ...


    Wenn überhaupt... Katholizismus ist eher zu verstehen aus einem zentralistischen, im Päpstlichen gipfelnden Ansatz.


    Es gibt da eine Hierarchieebene, die nötig ist für die Vermittlung des Göttlichen (wieso erinnert mich das jetzt wieder an Lamaismus?).


    Um den Vergleich voll zu machen - es gibt natürlich nicht nur den katholischen Papst (oder im Moment zwei), sondern auch noch den koptischen, einige orthodoxe.... Es hängt von der Zählweise ab. Es sind irgendwie 6-8.

  • Ja, Sudhana, Deine sachlichen Hinweise habe ich durchaus zur Kenntnis genommen. Ich kann nur mit der neueren westlichen und negativ konnotierten aktuelleren chinesischen Verwendung kontern, für die ich ein paar kleine Beispiele gebracht habe.


    Wenn der Begriff in der chinesischen Wissenschaft einen neutralen Hintergrund hatte, so ist er in der Verwendung gegen den Dalai Lama "verbrannt" worden.


    Natürlich gibt es - um zu den Vergleichen überzugehen - kein "italienisches Christentum". Wohl aber eine griechisch-orthodoxe und eine russisch-orthodoxe Kirche. Eine Benennung der regionalen Zugehörigkeit ist da also durchaus nicht unüblich; auch die "römisch-katholische Kirche" hat eine Herkunftsbezeichnung. Die Anglikanische Kirche ist regional eine Entwicklung, die den Protestantismus der Königin oder dem König von England als Oberhaupt unterstellt hat.


    Trotzdem finde ich wie schon gesagt "tibetischer Buddhismus" als Oberbegriff auch nicht glücklich, auch da wo er wie bei der "römisch-katholischen Kirche" nicht bezeichnet, wo es ausschliesslich praktiziert wird, sondern wo die Spielart ihren Ursprung hatte.


    Wogegen "Vajrayana" und "Mahayana" klar innerhalb des Buddhismus verortbar sind und regional nicht eingeschränkt.

  • kilaya:

    Ich kann nur mit der neueren westlichen und negativ konnotierten aktuelleren chinesischen Verwendung kontern, für die ich ein paar kleine Beispiele gebracht habe.


    Es gibt da ein kluges Wort von einem gewissen Herrn Schiller: Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen. Ich fühle mich, was die Verwendung des Begriffs 'Lamaismus' angeht, mit Giuseppe Tucci - oder, um "neuere westliche" (und sogar deutschsprachige) renommierte Religionswissenschafter zu nennen, z.B. Karl-Heinz Golzio und Heinz Bechert - in guter Gesellschaft. Die, deren Gesellschaft man nicht so ohne weiteres 'gut' nennen möchte, wiegen dagegen leicht. Zu leicht, um mir von Ihnen den Sprachgebrauch vorschreiben zu lassen.


    ()


    Übrigens: selbst im Sprachgebrauch des religiöser Diffamierung gewiss unverdächtigen Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland heisst die in der Mongolei verbreitete Religion "lamaistischer Buddhismus". Vielleicht organisiert ihr ja mal eine Petition an Siggi Pop, dass das endlich geändert wird ... 8)

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