Säkularer Buddhismus

  • Zitat

    Perfekt! Praktische Erwägungen, die abhingen von? Bedingungen einer Zeit, einer konkreten Umwelt. Rein säkulare Überlegungen. Heute absolut überholt.


    Nein , überhaupt nicht. Das kommt dir nur so vor, weil wir nicht in einem buddhistischen Land leben. Aber auch hier dürfte es im Umfeld Geraune geben, wenn der christliche Mönch mit der christlichen Nonne...in einem Raum, unter einem Dach,...öfter mal spazieren geht, im Wald... oder so :D Sollte wohl "urspr." nicht der leiseste Ruch "profaner" Unkoscherheit bei der Bevölkerung entstehen; der Bestand der Sangha, mithin des Dharma, is ja nun nicht unwesentlich abhängig von der Bevölkerung. Ja gut, wir sind "Laien", andere Geschichte, aber auch da muss man nicht den Dharma den Zeit,-und Gesellschaftsumständen anpassen. Der ist wie er ist und war auch schon immer so. Ne, wir müssen uns ihm "einpassen", nicht umgekehrt. "Langhangeln", Dana, Sila, Sati; das begünstigende Umstände schaffen und nicht abschaffen :doubt:

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Morpho:

    Dieses "mit anderen allein", scheint's, mögen die Säkularen auch nicht, obwohl das für Dharma Praktizierende eine natürliche, keine gemachte, Angelegenheit ist.
    Säkulare versuchen Gemeinschaft über humanistische Denkweise, soziales, politisches Engagement zu stiften, bis hin jetzo zur Organisierung.
    Das ist aber auch keine so natürliche Gemeinschaftlichkeit. Im Dharma ist das eine "jenseits" Freund-Unfreund und jenseits "gefällt mir-gefällt mir nicht"- Gemeinschaft,praktischer Natur, kein Zugesellen, kein Absondern.


    Das Problem dabei ist: das ist eine Idealvorstellung, die mit der Wirklichkeit realer Sanghas nichts zu tun hat.
    Nicht von ungefähr spricht Uchiyama von "kneten" und "scheuern", wenn ich mich richtig erinnere gebrauchte Shinyū Miyaura das Bild von den sich aneinander reibenden Flußsteinen.

  • Hat denn das jetzt mit Kneten und Scheuern zu tun ? Oder Kartoffeln im Kochtopf ? Klar, muss das.
    Darum sind "wir" ja ""Laien"", auch weil wir den Vinaya hier und dort nicht so für gut halten, eher hinderlich, umständehalber, aber in Korea da ist er dann nicht hinderlich, eher wie seit jeher förderlich anscheinend; sind also "andere Umstände". Kann man ja aber nicht so verallgemeinern mit "andere Umstände, andere Zeiten, andere Gesellschaftsnormen" - braucht man "anderen Dharma". Also nee. :)

  • Du bist mir wohl grad lieb, weil ich mal Antaiji zitiert habe, wat ? Da hör ich direkt wieder damit auf ! "die Männer", voll der stress :|:)

  • Morpho:

    Hat denn das jetzt mit Kneten und Scheuern zu tun ? Oder Kartoffeln im Kochtopf ? Klar, muss das.
    Darum sind "wir" ja ""Laien"", auch weil wir den Vinaya hier und dort nicht so für gut halten, eher hinderlich, umständehalber, aber in Korea da ist er dann nicht hinderlich, eher wie seit jeher förderlich anscheinend; sind also "andere Umstände". Kann man ja aber nicht so verallgemeinern mit "andere Umstände, andere Zeiten, andere Gesellschaftsnormen" - braucht man "anderen Dharma". Also nee. :)


    Versteh nicht was das mit Dharma und Vinaya zu tun hat.
    Ich sprach das an, was du als "natürliche Gemeinschaftlichkeit", eine Gemeinschaft "jenseits" Freund-Unfreund und jenseits "gefällt mir - gefällt mir nicht" beschrien hast, die so habe ich dich verstanden, Kennzeichen der Sanghas außerhalb des "säkularen Buddhismus" sein soll.
    Das, so habe ich dann geschrieben, ist ein Idealbild, das man so nirgens findet.

  • Morpho:

    Du bist mir wohl grad lieb, weil ich mal Antaiji zitiert habe


    Wüßte nicht wo du was zitiert hättest, muß ich übersehen haben.

  • Um das Ganze mal in einen größeren Zusammenhang zu stellen:


    Es gibt drei Religionen/Philosophien, mit denen ich mich (auch sozusagen von 'innen heraus') ganz gut auskenne: Buddhismus, Christentum und die neuen naturreligiösen/'neuheidnischen' Bewegungen. Das Phänomen des 'säkularen' Ansatzes gibt es in allen dreien, teilweise schon recht lange. Beim Christentum fallen mir da die Namen Don Cupitt, das von ihm inspirierte 'Sea of Faith'-Netzwerk und John Shelby Spong ein (Batchelor und Cupitt haben übrigens einen längeren Dialog geführt). Gerade die der Diskussion über den 'säkularen Buddhismus' entsprechenden Diskussionen auf christlicher Seite (die seit mehr als fünfzig Jahren geführt werden) dürfte man jetzt schwerlich so leicht abbügeln können, wie man das hier mit Batchelor versucht: Sowohl Cupitt als auch Spong sind theologische 'Schwergewichte' (ehemaliger anglikanischer Priester und Professor bzw. emeritierter Bischof), die für ihre Religion zu den gleichen Ergebnissen kommen, wie Batchelor für den Buddhismus.


    Natürlich wird das nichts an der allgemeinen Einschätzung von Batchelor hier ändern, von der ich nicht glaube, dass sie sonderlich viel mit sachlichen Erwägungen zu tun hat. Die Zeit wird zeigen, wie tragfähig das Konzept des 'säkularen Buddhismus' ist. 'Sea of Faith' veranstaltet dieses Jahr jedenfalls seine dreißigste jährliche Konferenz.
    Vor diesem Hintergrung finde ich die Diskussion hier langsam teilweise bizarr - ähnlich einer Diskussion, ob das schlechte Wetter aus buddhistischer Sicht abgelehnt werden sollte... :grinsen:

  • Warum nicht einen Blick über den buddhistisch säkularen Tellerrand wagen :) ?


    Ein säkulares Christentum ist für mich nur sehr schwer vorstellbar. Der Kern als Offenbarungsreligion um einen Schöpfergott im Zentrum verbietet für mich eine säkulare Interpretation, was aber den Versuch eines säkularen Herangehens nicht verbietet.


    Daß bei dem von Dir beschriebenen Versuch Anglikaner treibende Kräfte sind ist wohl kein Zufall. Nach meinem Wissen ist diese Kirche die mit Abstand am wenigsten 'religiöse' der christlichen Gruppen.

  • fotost:

    Warum nicht einen Blick über den buddhistisch säkularen Tellerrand wagen :) ?


    Oh, tu' ich das nicht dauernd?


    fotost:

    Daß bei dem von Dir beschriebenen Versuch Anglikaner treibende Kräfte sind ist wohl kein Zufall. Nach meinem Wissen ist diese Kirche die mit Abstand am wenigsten 'religiöse' der christlichen Gruppen.


    Na ja, es gibt bei den Anglikanern ja auch die 'High Church' und die Episkopalen sind bei dem Versuch, einen schwulen Bischof und einen weiblichen Bischof zu weihen, fast zerrissen.

  • Zitat

    „Unser Verhältnis zu Gott ist nicht bloss spirituell, nicht nur innerlich […], sondern es ist total, leibhaft, wesensmässig, seinsmässig-real, es ist ein neuer Lebenszustand, in dieser Welt, für diese Welt, aber nicht von dieser Welt“111.


    A - religiös ist das jedenfalls nicht.

  • Morpho:

    A - religiös ist das jedenfalls nicht.


    Innerhalb 25 Minuten 28 Seiten Text gelesen und Schlussfolgerungen gezogen - Chapeau!

  • Axel:
    Morpho:

    A - religiös ist das jedenfalls nicht.


    Innerhalb 25 Minuten 28 Seiten Text gelesen und Schlussfolgerungen gezogen - Chapeau!


    Das braucht man nicht lesen, wenn man Bonhoeffer kennt. Der ist natürlich nicht a-religiös. Und säkular meint auch nicht a-religiös, sondern beinhaltet eine säkulare Religion. Da muss man jetzt wirklich auf die Frage kommen, was man mit Religion meint. Theismus ist ja da nur eine Form. M.E. ist es eine institutionalisierte Form von Glauben und hat sich aus dem Kult herausgebildet. Kult war die gemeinschaftliche Praxis von Riten - was die Chinesen ja schon immer säkular gepflegt haben, als Ahnenkult. Und damit begann ja auch das, was als Transzendens verstanden werden kann: der Glaube an einen Ort, an dem die Ahnen sich aufhalten.
    Säkular meint dann lediglich die Auflösung bestimmter institutioneller Rahmenbedingungen. Nur kann eine Gesellschaft nicht ohne ihre Institutionen sein.
    Und ergänzend: das Christentum ist, wie der Buddhismus keine Religion, sondern ein Weg - Nachfolge heißt das beim Christen und auch beim Buddhisten.

  • Zitat

    sondern beinhaltet eine säkulare Religion.


    so Vorzeichen sehe ich tatsächlich bei den "Buddhisten jenseits der Buddhisten". :D


    Zitat

    Säkular meint dann lediglich die Auflösung bestimmter institutioneller Rahmenbedingungen

    Die verstehen das nicht, diese Jenseits-Buddhologen - die äußeren Formate haben sich reflektiv rausgebildet; die sind 'Ausdruck' mit Rückwirkung. Das ist so wie bei ner Stupa. Je nach Perspektive - ein überflüssiges Monument ( religiöser Verehrung ) oder eine der Reflektion der Buddha-Dharma-"Qualitäten" ( hier Bodhipakkhiyadhamma ) dienende Versinnbildlichung.


    Das ist gut geschrieben, Tychiades. :like:

  • Eine kurze Zwischenfrage:


    Ist Dharmapraxis ohne sich ständig zu fragen, ob man "morgen" noch lebt überhaupt Dharmapraxis?
    Damit verbindet man ja auch Wiedergeburt und Karma?!
    Religion ist das auch Buddha Dharma und Sangha als Zuflucht haben?
    Aber der Buddha sagte ja seid euch selbst eine Insel, also doch keine Religion???


    Nur so IN ALLER KÜRZE.


    Alles Gute

  • Axel:

    Beim Christentum fallen mir da die Namen Don Cupitt, das von ihm inspirierte 'Sea of Faith'-Netzwerk und John Shelby Spong ein (Batchelor und Cupitt haben übrigens einen längeren Dialog geführt).


    Nicht nur das. Batchelor bezieht sich bei seiner Entwicklung des Begriffs 'secular' explizit auf Cupitts 'Turns of Phrase: Radical Theology from A-Z' - jedenfalls in seinem ebenfalls 2012 (im Jahr des oben verlinkten Dialogs) im Journal of Global Buddhism veröffentlichten Essay 'A Secular Buddhism', der eine schön kompakte (20 Seiten) Zusammenfassung von Batchelors Ideen gibt. Mehr braucht es mE da auch nicht.


    Da wir gerade beim JBG sind - Jørn Borups (der dem einen oder anderen hier vielleicht durch sein 'Japanese Rinzai Zen Buddhism' bekannt ist) letztes Jahr dort veröffentlichter Aufsatz 'Branding Buddha' scheint mir persönlich auf eine nüchternere (und tiefer greifende) Antwort auf die Fragen, die Batchelor in seinem Essay stellt:

    Stephen Batchelor:

    I intend show[sic!] what might happen when “Buddhism” or “dharma” is rigorously qualified by [...] the term “secular.” What, in other words, would a non-religious, this-worldly, secularised Buddhism look like? To what extent can we see this process of secularisation as being already underway? Can Buddhism — as it is traditionally understood — survive the process intact? Or are we witnessing the end of Buddhism, at least as we know it, and the beginning of something else?


    - zu verweisen, als Batchelor dies selbst tut. Auch, wenn Borup statt von 'secularisation' (mE treffender) von 'mediatization, entertainmentization, commodification and popularization' schreibt:

    Jørn Borup:

    Buddhism has been transformed from an intellectual capital and practice path for the elite to an easily approachable mindset for the masses in which consumerism, commodification and mediatization are part of the neo-liberal market where spirituality is for sale. [...]
    The aim of this article is to analyze such popularization, entertainmentization and mediatization of Buddhism not as deviant misunderstandings in a neo-liberal consumer market, but as cultural phenomena with their own rationale in a broader perspective. Rather than seeing ‘content’ (teaching, practice, institution) as the only prime mover, such developments are understood here as framing conditions and technologies in the overall transformation and adaptation processes of the religion.


    Sonst könnte man auch gleich über mappō lamentieren und als letzten Ausweg auf Amidas tariki hoffen ... 8)


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Lieber Waldler,


    ich nutze diese Gelegenheit, um mich mal wieder hier einzubringen.


    Du willst was über den säkularen Buddhismus wissen?
    Dann gehe auf deren Webseite und lies erst mal die Einführung. Da wird es ganz gut beschrieben.


    http://www.saekularerbuddhismus.org/?page_id=30


    Dem möchte ich ein paar eigene Gedanken hinzufügen.


    Selbst betrachte mich als "säkulare Buddhistin", auch wenn ich mich eigentlich nicht "Buddhistin" nenne, denn ich sehe mich nicht als Anhängerin einer Religion, sondern als eine Suchende und Forschende, die sich hauptsächlich an den Methoden orientiert, die im Buddhismus gelehrt werden (wobei ich "Buddhismus" für mich nicht als Religion verstehe, sondern als eine Anhäufung von Methoden, die der Selbsterkenntnis dienen und nach einem bestimmten Mann benannt wurden). Ich bin also keine "Buddhistin" so wie es einige verstehen würden.


    Ich habe Zuflucht genommen. In einer tibetischen Schule. Das stellt für mich keinen Widerspruch dar, eben weil ich säkular bin. Es ist für mich nur deshalb möglich gewesen, weil ich säkular bin. Sonst hätte ich nirgendwo Zuflucht nehmen können. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass es eine Göttlichkeit gibt, das erscheint mir logischer – und bin trotzdem säkular.

    Ich wollte immer nur mich erforschen und – ja! unbedingt! – mich "optimieren". Darunter verstehe ich, ein guter, freundlicher, zufriedener Mensch zu werden, der der Welt so nützlich wie nur möglich ist, also all mein Potential zu erkennen und freizulegen. Ich wollte nie eine Religion finden, mich irgendwo "heimisch" fühlen. Da ich mit mehreren Religionen aufgewachsen bin, in mehreren Kulturen, habe ich mich immer heimisch gefühlt – auf der Welt und unter den Menschen. Ich habe weder eine Religion abgelehnt, noch mich mit einer identifizieren können, obwohl ich natürlicherweise mehr christlich sozialisiert bin.


    Da ich kulturwissenschaftliche Fächer und Geschichte studiert habe, weiß ich um die Subjektivität und die Einbindung aller Texte in die Kultur und die Geschichte. Deshalb kann ich z.B. nicht behaupten oder gar glauben, dass der Palikanon eine 1:1 Wiedergabe der Worte des Gautama sein soll, das ist schlicht nicht haltbar. Ich würde gegen die wissenschaftliche Redlichkeit verstossen. Und von den Wissenschaften bin ich überzeugt. Wer sich damit auseinandersetzt kann das auch nachvollziehen.
    Die Ergebnisse der Natur- und Geisteswissenschaften kann ich nicht ignorieren. Das ist ein wesentlicher Punkt.


    Als ich mit dem Buddhadharma in Kontakt kam, war ich sehr erschrocken über die Streitereien und Kämpfe. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich erkannt habe, dass es sich dabei um regelrechte Religionskämpfe handelt. Ausschlaggebend für eine Bewertung, ob eine Richtung was taugt oder nicht, sind jedoch nur die Ergebnisse der Praxis, nicht das jeweilige Narrativ einer Gemeinschaft. Da ich bei allen Richtungen Menschen mit guten Ergebnissen gefunden habe, vermute ich in allen Richtungen Wahrhaftigkeit, und mir erscheinen diese Religionskämpfe umso mehr absurd. Wovon ich 100%-ig überzeugt bin: Diese Grabenkämpfe stehen im völligen Widerspruch zu dem, was der Buddha gelehrt hat, bzw. sind Beweis für die Richtigkeit der Annahmen des Buddha, nämlich dass wir alles daran setzen und nichts davon ausnehmen uns Identifikationsmöglichkeiten zu suchen, an unseren Vorstellungen festhalten und dadurch unnötige Leiden verursachen.


    Für mich ist es egal, ob irgendwas „ursprünglicher Buddhismus“ ist oder nicht („Buddhismus“ kann übrigens meiner Meinung nach per se niemals ursprünglich sein), für mich ist es egal, ob einer an Götter glaubt, an die wahre Existenz der Höllenbereiche, ob er Robe trägt, Rituale durchführt usw. Für mich zählt das Ergebnis. Davon kann ich einen Teil im persönlichen Kontakt erfahren, also daran erkennen wie ein Mensch sich verhält, der andere Teil bleibt mir natürlich verborgen. „An ihren Werken sollt ihr sie erkennen“ – gilt auch für Buddhisten.


    Wie kann es sein, dass ich Vajrayani bin und dennoch säkular?
    
Weil ich mit der Bildwelt gut zurecht komme, auch weil ich mit mehreren Religionen aufgewachsen bin und ein Mensch bin, der Übung mit Bildhaftigkeit hat. Weil ich in ihr Bedeutung erkennen kann, die was mit mir zu tun hat. Weil ich das als kulturelle Ausformung sehen und akzeptieren kann, ohne mich gleich damit identifizieren zu müssen. Es ist wie in der Kunst: Ich kann mit einem Gemälde von Kandinsky was anfangen, die Wahrhaftigkeit darin erkennen, den persönlichen Bezug zu mir herstellen, kann sogar mit den Symbolen spielen, muss diese aber nicht zu meinen eigenen Symbolen machen, sondern kann in Transferleistung meine eigenen kulturellen Analogien dazu finden. Es entsteht eine Mischkultur. Wie bei jeden Individuum, jeder Kultur, in jeder Zeit. Das ist ein universelles Phänomen, dessen man sich bewusst werden sollte, und das ich für eine der Grundaussagen des Buddha halte. Letztendlich ist auch der tibetische Buddhismus ein Floß, das losgelassen werden muss. Das gilt für jede Tradition. Weshalb es redundant ist, sich mit einer Tradition zu identifizieren oder sie als einzig richtige zu betrachten, weil eben viele Wege nach Rom führen. Natürlich kann aber jeder auch den Umweg über die Identifikation nehmen, sich also Eigner eines Floßes wähnen …


    Warum ich den Ansatz von Batchelor gut finde?
    Weil er die Lehre des Buddha von Anfang an nicht als Religion vermittelt, sondern als Ergebnis gründlicher Selbsterforschung: Buddha hat sich erforscht und was er gefunden hat tut er kund – nichts weiter. Batchelor möchte das konsequent beibehalten. Weil er die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften mit einbezieht, und damit die Welt von heute.
    Damit ist der Dharma an sich natürlich grundsätzlich hinterfragbar: Gerade für Menschen, die sich von Religionen verabschiedet haben, ist das wichtig. Für Menschen, die erst mal einen Handlauf benötigen, ist das abschreckend. Beides ist menschlich und legitim.


    Der Nachteil: Es gibt von Beginn an keinen Handlauf zur Orientierung, religiöse Hilfsmittel fehlen. Das benötigen Menschen aber bisweilen. Ich vertraue aber meiner Erfahrung mit meinen Mitmenschen, dass sie sich diese religiösen Elemente schon suchen werden, wenn sie diese benötigen, auch wenn sie sich für säkular halten. Offensichtlich funktionieren wir Menschen so, wir suchen immer nach Sinn und Halt. Den Sprung ins Leere wagen ist nicht einfach und erfordert Mut, den jeder nur gemäß seiner Anlagen und Vorbedingungen aufbringen kann. Grundsätzlich ist das jedoch für jeden machbar, sagt auch der Buddha. Und die große Zahl an Methoden der verschiedenen Schulen dienen der Vorbereitung dazu, sind quasi die Trainingseinheiten für diesen Sprung, der in Wirklichkeit aus unzähligen kleinen Sprüngen besteht.


    Andererseits bietet die säkulare Sicht auch die Möglichkeit weitere Methoden hinzuzufügen, die aus anderen Bereichen kommen. Was wohl in jeder Tradition seit jeher so gehandhabt wird. Jedoch wird das gerne vergessen und viele halten die jeweiligen Methoden und Facetten irgendwie schon für geradezu gottgegeben und nicht weiter veränderbar oder gar ersetzbar. Wenn neue Ansätze kommen, wird seitens mancher religiös orientierten Buddhisten dann gerne von „Wellness“ und „Dharma-light“ geredet. Dabei modifizieren und vereinfachen auch heutige Meister oftmals die überlieferten Rituale, Methoden und erklären die Texte für die Menschen von heute. Sollte eine effektivere Methode gefunden werden, mehr über sich zu erfahren, was spräche dagegen, sie anzuwenden? Alles steht auf dem Prüfstand, immer wieder, das Überlieferte ebenso wie das Neue.


    Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass der säkulare Ansatz alles Überlieferte per se verwerfen möchte. Ganz und gar nicht. Es wird sicher nicht bezweifelt, dass so manches, das als „Wahrheit“ verkauft wird, aber nicht der Realität entspricht, nicht dennoch wahrhaftig sein kann. Das würde auch einer Grundprämisse des Buddhadharma widersprechen, demzufolge ja alle Wesen sich ihre eigenen Bilder von der Welt schaffen. Die Frage, die dabei gestellt wird: Funktioniert das Bild,funktioniert die Methode, kann damit die Wahrhaftigkeit transportiert und vermittelt werden, ist es verständlich, ist es notwendig usw.


    Mich erinnert der säkulare Weg stark an den Chan, mit dem ich recht vertraut bin: Man muss von Beginn an dazu bereit sein, auf den Boden unter den Füßen zu verzichten: "Die ihr eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!"
    Es ist keineswegs ein bequemer Weg. Die Praxis ist niemals einfach, egal was einer macht, wo er es macht und mit wem.


    Ich denke im Übrigen, dass jede Praxis säkular ist. Aber vielleicht ist diese Erkenntnis, ein Ergebnis religiöser Praxis? Das darf gerne hinterfragt werden, wenn sich jemand dazu bemüßigt fühlt.


    Jeder soll machen, was er möchte, oder wie es Jesus ausdrückte: "Meines Vaters Haus hat viele Zimmer."


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris:

    Zitat

    Weil er die Lehre des Buddha von Anfang an nicht als Religion vermittelt, sondern als Ergebnis gründlicher Selbsterforschung:


    :rofl:

  • Sudhana
    Danke für den Hinweis auf Borup (den ich noch nicht kannte) und seinen Aufsatz. Inwieweit 'secularisation' jetzt unbedingt das Gleiche ist wie'mediatization, entertainmentization, commodification and popularization' (oder zwangsläufig darauf hinausläuft), sei mal dahingestellt. Ich muss Borup erstmal lesen.


    @Tychiades

    Tychiades:

    Das braucht man nicht lesen, wenn man Bonhoeffer kennt.


    Richtig: Wenn man Bonhoeffer kennt... Meine Anmerkung bezog sich ja nicht auf Dich.

    2 Mal editiert, zuletzt von Useless ()

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Doris,


    Beim Lesen deines Beitrages ist mir aber aufgegangen, das ein wichtiger Punkt wohl darin, liegt, inweiweit man eine Sache um ihrer selbst tun, oder ob man irgendwelche sekundären Motivation braucht. ( die sich - um ihr Gewicht zu verleihen - sich leicht ins Kosmische/Ewige/Übermenschliche/Abgedrehte aufbläht )


    Villeicht könnte ein tiefgläubiger Christ , der das mit der Nächstenliebe verinnerlicht hat könnte sogar mit dir sagen Religion bedeutet für "ihn ein guter, freundlicher, zufriedener Mensch zu werden, der der Welt so nützlich wie nur möglich ist"?


    Derjenige der - bleiben wir mal im christlichen Bezugrahmen - "aus Gott heraus handelt", braucht ja gar nicht Zuckerbrot und Peitsche im Jenseitigen/Zukünftigen/Vorgestellten. In der Bibel wird ja gerade der "barmherzige Samariter" genannt, der spontan hilft, einfach weil es jemanden schlecht geht. Der Kern von Religion scheint also mit deinem Begriff von säkular sehr vereinbar zu sein.


    Während es ionischerweise derjenige, der so einem Handeln ferner steht ( also jemand der - im christlichen Bezugrahmens - weniger nahe an Gott ist) irgendwelche Sekundärmotivation braucht. Sei es aus Autorität ("weil es so geschrieben steht" ), Hölle oder Himmel.


    Je weiter man von der Sache selbst entfernt ist, desto mehr transzendentale und pompöse Vorsstellungen scheinen nötig. Je "volkstümlicher" desto mehr special effects treten auf.


    Und im Buddhismus ist es ja ähnlich: Während motivierte Mönche sich mit Meditation und edlem achtfachen Pfad beschäftigten, haben sich ja eher die mit Höllen beschäftige, die keine intrinsische Motivation zum Guten haben, sondern sich mit Horror-Bilder in die richtige Richtung pushen mussten


    Wie hätten also auf der einen Seite, etwas was an der Sache ist, und auf der anderen Seite einen Bereich der Abirrung, wo es erhabene Symbole und dicke Warntafel mit Mahnungen an Autorität und Zukunft braucht. (vielleicht so wie es in München keine Schilder nach München gibt, weil man sich noch nicht verfahren hat?) Ich denke, die Aufklärung hat sich ja gerade deswegen so gegen manche dieser Hilfsmittel gewendet, weil diese auch immer Machtmittel waren.


    Unter Umständen hat das auch nichts direkt mit "säkular" zu tun. Auch in der Soejtuninion, gab es ja die überzeugte Kommunisten, die idealistisch (bzw vernagelt) genug waren, um den Kommunismus um seiner selbst wollte, und die Halbherzigen,die man mittels Druck und Popaganda verführen und zwingen wollte: Und da findet man ja die gleiche Welt des "bigger than real" mit ihren Ritualen, Andachtsobjekten, Aufmärschen, pathetischen Reden wie an der christlichen Poppganda-Front. Und das alles ganz materialistisch und säkular auch wenn da manchmal so der der Weltgeist vorbeischwebt - wobei ja das nicht-hinterrage Element sehr ähnlich ist.


    Ich fürchte wir verwenden die falschen Wörter. "Säkular" ist ein schwammiger Begriff, und um z.B bei meinem Sojwet-Beispiel das "übermeschlich Überhöhte" von der "eigentlichen Praxis" abzugrenzen scheinen die Wörter 'mediatization, entertainmentization, commodification and popularization' wie geschaffen.


    Aber - und das ist das interessant - genauso um sich auf die Götzen traditionller Gesellschaften zu beziehen, wie auch für das was bei uns so übermenschlich glänzt.

  • void:

    ...
    Und im Buddhismus ist es ja ähnlich: Während motivierte Mönche sich mit Meditation und edlem achtfachen Pfad beschäftigten, haben sich ja eher die mit Höllen beschäftige, die keine intrinsische Motivation zum Guten haben, sondern sich mit Horror-Bilder in die richtige Richtung pushen mussten


    NaJa, ist so eine nicht ganz säkulare Sache :grinsen:


    Höllenvorstellungen gehören schon recht intensiv dazu. Wenn man das als Beschreibung einer Realität außerhalb des Geistes betrachtet, sind einige der Texte des PK schon erheblich grausiger und rachevoller als bei den Katholiken mit ihrer heiligen Inquisition. Einiges davon fällt eindeutig eher unter den Bereich Psychopathologie als Weisheit.


    Wenigstens gibt es im PK keine ewige Höllenqual. Alles was bedingt entsteht usw.


    Daß Mönche motiviert beim Meditieren sitzen sehe ich auch nicht immer so ganz. Einige bauen munter Höllen Theme Parks und sitzen am Eingangshäuschen und verkaufen Tickets und Talismane..


    http://korat.info/viewtopic.php?t=9
    Keine Ahnung, wieviele es davon inzwischen gibt.

  • Zitat

    Und im Buddhismus ist es ja ähnlich: Während motivierte Mönche sich mit Meditation und edlem achtfachen Pfad beschäftigten, haben sich ja eher die mit Höllen beschäftige, die keine intrinsische Motivation zum Guten haben, sondern sich mit Horror-Bilder in die richtige Richtung pushen mussten


    Also das eine muss doch das andere nicht ausschließen ?!

    • Offizieller Beitrag
    fotost:

    NaJa, ist so eine nicht ganz säkulare Sache :grinsen:


    Nein, natürlich nicht. Aber ich finde den Gedanken interessant, dass es um primäre und sekundäre Motivation geht.


    Bei einem Lehrer ist es ja auch so: Da gibt es die Schüler, die gerne lernen, weil es ihnen Freude macht, und diejenigen die man motivieren kann. Und dann ( besonders wenn man ein total schlechter Lehrer ist) gibt es nocht die die "nicht so wollen". Und an der Stelle werden dann so die sekundären Mittel zur Motivation aufgefahren: Strafen werden angedroht, Konsequenzen werden ausgemahlt, es wird an jähzornige Direktoren und Eltern gemahnt, und an manchen Orten auch mit Gewalt und Lächerlichkeit gedroht. Zusätzlich wird mit Belohnungen und Chancen geködert.


    Vielleicht ist ja dieser Unterschied der wichtigere, und dass das ins Übernatürliche geht, hat eher damit zu tun, dass man sich dadruch noch viel mächtiger Druckmittel herbeiphantasieren kann.


    Vielleicht geht es um einen Buddhismus der im Bereich der "Mündigkeit" bleibt und sich der "schwarzen Pädagogik" enhält.


    So eine Diskussion würde doch ganz anders geführt werden, als wenn man das Wort "säkular" in anderen Bedeutungen verwendet, oder?


    Morpho:
    Zitat

    Und im Buddhismus ist es ja ähnlich: Während motivierte Mönche sich mit Meditation und edlem achtfachen Pfad beschäftigten, haben sich ja eher die mit Höllen beschäftige, die keine intrinsische Motivation zum Guten haben, sondern sich mit Horror-Bilder in die richtige Richtung pushen mussten


    Also das eine muss doch das andere nicht ausschließen ?!


    Das Argument für all die Machtmittel ist ja, dass wir


    erstens viel verbelndeter sind, als wir denken
    sie zweitens funktioniere und man deswegen
    drittens die Risiken und Nebenwirkungen tolerieren kann.

  • Ich meine nur, eine Motivation "zum Guten" reichte eh nicht aus - ein guter Anfang, ja,
    aber das ist noch ein bisschen "ungeklärt", denn im Dharma ist "recht" der Knackpunkt, deswegen vielleicht auch die krassen Bilder... Auch Eckhart sagt: Denke nicht dein Heil zu setzen auf ein Tun, man muss es setzen auf ein Sein...


    Und außerdem kann ein Mensch, der wo sich auch im Gedenken an die niederen Existenzbereiche anspornt, ja dennoch eine grund-heilsame Intention besitzen. Oder meinst du generell, so "Machtmittel" können nur unheilsames bewirken und es geht eher Richtung Unterwerfung ( blind, taub stumm in Bezug auf die Religion und deren Institutionen, "Guru s" usw. ) - oder sowas ?

  • void:

    ...
    Vielleicht geht es um einen Buddhismus der im Bereich der "Mündigkeit" bleibt und sich der "schwarzen Pädagogik" enhält.


    So eine Diskussion würde doch ganz anders geführt werden, als wenn man das Wort "säkular" in anderen Bedeutungen verwendet, oder?


    Grundsätzlich ist da viel Richtiges (aus meiner Sicht) dabei.
    Auf der anderen Seite würde ich es für ungenügend halten sich nur bestimmter Momente zu enthalten (oder anders zu definieren).


    Das machen im Prinzip sowieso alle. Jeder sucht sich die Rosinen raus und möchte den Rest gern vergessen.
    Wenn da nichts dazu kommt von dem was wir in den letzten 2.600 Jahren erarbeitet und erkämpft haben bleibt das Ergebnis eines sB wirklich bei dem stecken, was einige hier kritisieren, einem für Westler leicht konsumierbar gemachtem Wohlfühlbuddhismus.