Kultur des Unperfekten

  • Ich denke, die Aussenansicht ist heutzutage gar nicht mal so verkehrt.

    Einmal editiert, zuletzt von Aka Onyx 9 ()

  • Es ist ernsthaft bedauerlich,

    dass es so selten asiatische Lehrer

    (autorisiert) im europäischen Zen hat. M. E. können diese Korrekturen vornehmen.

    Sie sind einfach gut ausgebildet und umfassend versiert. Dh. dass eine "anständige" Sangha einen Draht zu den "Muttertempeln" unterhält.

  • Ich verstehe noch nicht, wie Du darauf kommst, dass der Weg zur perfektem Situation einen perfekten Weg voraussetzt.


    Von einem "perfektem Weg" hab ich nicht gesprochen. Ich schrieb:


    Zitat

    Was ist denn das "Streben nach Erleuchtung"? Doch wohl ein Weg, zur perfekten Situation, nämlich zur Vollkommenen Auslöschung des Leidens. Das ist die klassische Sicht.


    Also ein, natürlich fehlbarer Weg, der aber irgendwo ankommen möchte.


    Mein Lehrer würde sagen: "So what? Relax a little bit"und lächeln. Wo ist das Problem?


    Nun, das Problem ist, dass dies nur ein temporärer Vorschlag ist, der situationsbedingt vielleicht nützlich ist...auf lange Sicht gesehen jedoch nicht.



    Ist es so, dass Du den Weg als sehr anstrengend empfindest? Deine Wortwahl deutet für mich in diese Richtung ("perfektes Ideal", "hinterherjagen", "Fokus nie verlieren").


    Ja das ist in der Tat so - der Weg ist für mich sehr anstrengend, da ich viel Energie hineingebe und auch ehrlich gesagt nicht weiß, wie es anders funktionieren sollte. Vielleicht hast du ja da Vorschläge?




    Dann verstehe ich Deinen Konflikt, da hätte ich schon mal gar keine Lust zu.


    Nun, es ist weniger ein Konflikt - mehr eine Einsicht.


    Falls ich dich richtig verstehe, übst du Vipassana, was ja gar nicht mal weit weg ist vom Zen. Das wäre mehr dann so die Richtung "im Unperfektem heimisch fühlen". Das kann ich auch bewerkstelligen, nur nicht eben als Lebenseinstellung - dafür macht mir auch die Praxis und das Studieren einfach noch zu viel Spass.


    Ich denke auch, ist meine persönliche Meinung, dass es alleine mit Gleichmut und Achtsamkeit nicht getan ist. Auch im Daoismus strebt man immer zu einem "perfektem Menschen", auch wenn das offensichtlich nicht der Fall ist, wenn man rein nur Laotse usw. liest. Man merkt halt mit der Zeit, dass sich das Handeln und das Verstehen verbessern, wenn man an der Praxis dran bleibt. Das ist für mich wichtig, damit auch andere profitieren können.

    Was nicht heißt, dass irgendwas an meinem Leben "perfekt" ist.


    Das hätte im Kontext ja nur auf Nirvana bezogen einen Sinn - Nirvana ist perfekt, die Lebensumstände können es nie sein.

    Die Praxis soll angenehm sein, am Anfang, in der Mitte, und am Schluss. Für angenehm gibt es in dem Zusammenhang sicher viele Synonyme.


    Nur was machst du, wenn du auf einmal merkst, dass die dir so angenehme Praxis, auf einmal unangenehm wird?


    Ich denke nicht, dass der Buddha das gesagt hat, denn eigtl. zeigt die Praxis, dass es sich eher umgekehrt verhält - die Praxis ist sehr unangenehm, ich denke nur mal zurück an meine ersten Meditationssitzungen, wo mir danach alles weh getan hat. Das gehört dazu, oder auch mal ein paar schlaflose Nächte, weil dir ein Koan einfach nicht mehr aus dem Kopft geht und du dich wie ein Pit Bull darin verbeißt. Gibt sicherlich angenehmeres - doch zu welchem Preis?

  • Angenehm im Sinne von Annehmbar finde ich Okay.

    Wenn Praxisaspekte unannehmbar werden, ist es richtig, sie zu verwerfen.

    'Unbequem' mein ich nicht. Unabhängig von Lehrer/Meister.

  • ein fokus im.mahayana ist einerseits das bodhisattvading,

    andererseits entsagung.

    ("und unabhängig lebt er und an nichts in der welt ist er angehangen".../siehe auch: die "drei reinen gebote")

    insofern ist das pendeln 'gemeinsame praxis' und ""waldeinsamkeit"" drin. und das war auch so im urspr. buddhismus.

  • Ich habe ja selbst gelernt und lerne immer noch von verschiedenen Lehrern und Meistern nur eben nicht persönlich. Dadurch beahlte ich jedoch die Freiheit, auch einige Dinge zu verwerfen.

    die Freiheit hat man ja auch bei einem Lehrer aus Fleisch und Blut. Da ist es höchstens schwieriger zu vermeiden, dass man mit Aspekten konfrontiert wird, die einem nicht in den Kram passen. Selektiv lesen ist einfacher als Gesprochenes oder Vorgelebtes auszublenden. Das Lernen aus Büchern hat man "unter Kontrolle" und das ist m.E. nicht immer gut.

    • Offizieller Beitrag

    Wenn man den Ausgangspost anschaut:

    Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?

    Dann geht es ja um das "Zwanghaft Streben nach Perfektion", Also um eine Kukltur von Perfektionismus und Kontrolle. Ich finde es sinnvoll über diese "Kontrollsucht" und diesen "Perfektionismus" zu reden statt über das "Perfekte" und "Unperfekte". Weil diese Begriff nicht weiterführen, und man ja alles mögliche "Perfekt" nenen kann, wenn es einem gut gefällt oder Unperfekt wenn man einen Makel entdeckt.


    Von Alan Watts gibt es das Buch "Weisheit des ungesicherten Lebens" in dem Watts betont, wie sehr unsere Kultur eine Kultur der Ängstlichkeit geordfen ist, die nach totaler Kontrolle alle Lbensbereiche strebt. Und wie sehr dem gegenüber Religionen wie Taoismus und Buddhismus eine Weisheit des ungesicherten Lebens lehren, die nicht versucht alles zwanghaft zu kontrolieren.

  • Wenn man selber Lehrer werden will muss man die Lehrer achten und durch die eigene Arbeit diese zu Wesen machen die sich in nichts von dem unterscheiden das diese Lehrer jetzt durch eigenes Tun überprüft. Bei der Tat gibt es keine Verehrung, Achtung oder Folgsamkeiten, da ist nur Tat mit allen fühlenden Wesen. Da gibt es kein höher oder tiefer als ich auch kein wie ich, nur ich alle fühlenden Wesen.

    Da ist nur tun kein perfekt, kein unperfekt.

  • Von Alan Watts gibt es das Buch "Weisheit des ungesicherten Lebens" in dem Watts betont, wie sehr unsere Kultur eine Kultur der Ängstlichkeit geordfen ist, die nach totaler Kontrolle alle Lbensbereiche strebt. Und wie sehr dem gegenüber Religionen wie Taoismus und Buddhismus eine Weisheit des ungesicherten Lebens lehren, die nicht versucht alles zwanghaft zu kontrolieren.

    Tu das nicht auch das Christentum?
    Perfekt ist nur das Göttliche.

    Der Mensch ist Sünder, also per se unperfekt. Die Welt ist sündig.

    Aus diesem Unperfekten kann man nicht alleine raus.

    Wenn einem die Verzweiflung über diese unperfekte Welt überkommt, kann man sich Gott überlassen und ein Vertrauen in den Sinn der mangelnden Perfektion alles Irdischen gewinnen.

    Ich denke, der Zwang zur Kontrolle ist eine relativ neue Erscheinung. Vielleicht sogar ein Nebenprodukt des Humanismus und der Aufklärung. Mit Sicherheit der Industrialisierung und des Kapitalismus.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Wenn man den Ausgangspost anschaut:

    Streben wir zwanghaft nach Perfektion oder können wir uns auch mit einer Kultur des Unperfekten anfreunden?

    Dann geht es ja um das "Zwanghaft Streben nach Perfektion", Also um eine Kukltur von Perfektionismus und Kontrolle. Ich finde es sinnvoll über diese "Kontrollsucht" und diesen "Perfektionismus" zu reden statt über das "Perfekte" und "Unperfekte". Weil diese Begriff nicht weiterführen, und man ja alles mögliche "Perfekt" nenen kann, wenn es einem gut gefällt oder Unperfekt wenn man einen Makel entdeckt.


    Von Alan Watts gibt es das Buch "Weisheit des ungesicherten Lebens" in dem Watts betont, wie sehr unsere Kultur eine Kultur der Ängstlichkeit geordfen ist, die nach totaler Kontrolle alle Lbensbereiche strebt. Und wie sehr dem gegenüber Religionen wie Taoismus und Buddhismus eine Weisheit des ungesicherten Lebens lehren, die nicht versucht alles zwanghaft zu kontrolieren.


    Ja genau, das finde ich auch immer wieder wichtig mich selbst daran zu erinnern. Es geht eben nicht darum, Perfektion zu erreichen, sondern die Zukunft, die unvorhersehbar ist, so zu akzeptieren, wie sie kommt. Auch in der Praxis geht es eben nicht darum, irgendetwas perfektes zu erreichen. Die Perfekte Meditation oder was auch immer.

    Wer das verinnerlicht kommt mit unter schon mal einen großen Schritt näher in Richtung Gleichmut.


    Das Kontrollieren entsteht mit der Technologisierung. Je mehr Technik, um so mehr Daten möchte man erfassen, um dann unkontrollierbares kontrollierbar zu machen, oder vorhersehbar. Nur, je mehr Technik, um so höher wird die Komplexität.


    Grüße

    :buddha: Es geht immer darum, sich in die Unannehmlichkeiten des Lebens hineinzulehnen und sich diese ganz genau anzuschauen. :buddha:

  • Ich denke, der Zwang zur Kontrolle ist eine relativ neue Erscheinung. Vielleicht sogar ein Nebenprodukt des Humanismus und der Aufklärung. Mit Sicherheit der Industrialisierung und des Kapitalismus.

    Die Technisierung hat das bestimmt sehr vorangetrieben, z.B. ein Roboterarm in einer Fertigungshalle macht tausende Male exakt den gleichen Arbeitsschritt, und die produzierte Serie, etwa Autos, sind alle genau gleich. Die Atomuhr gibt an wann etwas zu geschehen hat, wir haben uns eine Welt des Perfektionismus geschaffen in der wir zu funktionieren haben.

  • Ein Zeichen waren die Puritaner. Selbstzucht. Ätherische Sexualität.Keine Zeitverschendung, um das Heilsziel nicht zu gefährden.


    Aber Ikkyu kritisiert ja gerade eine Ausrichtung zum Perfektionismus?!

    Vor einem Zen-Hintergrund?

    (da bin.ich noch nicht schlau draus geworden)

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke, der Zwang zur Kontrolle ist eine relativ neue Erscheinung. Vielleicht sogar ein Nebenprodukt des Humanismus und der Aufklärung. Mit Sicherheit der Industrialisierung und des Kapitalismus.

    Ich glaube die Idee, dass der Mensch alle möglichen äußeren Faktoren kontrollieren kann und kontrolieren sollte, ist relativ neu. Früher musste man man sehr viel mehr an äußeren Faktoren hinnehmen. Das Wetter, die Kindersterblichkeit, Seuche, Naturkatstrophen usw.


    Wobei es früher andere Formen des Perfektionismus gab: Nämlich den der sozialen und religiösen Rolle zu genügen. In vielen traditionellen Gesellschaften war dem Menschen genau vorgeschrieben, welche Kleidung er zu tragen hatte, welche Wörter er zu benutzen hatte, was er für Ansichten zu haben hatte, was seine Ästhetischen Vorlieben sein sollten usw. Das ging häufig mit ganz viel Aberglauben einher, was passiert, wenn man nur die geringste Sache falsch macht. Für die Azteken war das Leben wie im Nebel auf einer Bergspitze zu sein: Ein falsch gesetzter Schritt und man fällt ins Bodenlose. Auch wenn sich die Anspannung und Angst natürlich auf das Übernatürlich richtet, hat es vielleicht auch was mit unserer Anspannung und Angst zu tun, die uns eher dazu bringt, äußere Dinge unter Kontrolle zu bringen?

  • ...und die Inneren? Buddha sagte glaube ich, da ist keine

    "Kontrolle" was die Skandha betrifft. Deswegen wären sie nicht Mein,

    mir gehörig, mein Selbst.

    Insofern ist es quatsch einen Meister/Lehrer zu akzeptieren, der keine 'Gelassenheit" offenbahrt, sondern Anspannung im Umgang, oder gar Ängste. Der da eben irgendwie auf "Kontrolle" aus ist.

  • ...und die Inneren? Buddha sagte glaube ich, da ist keine

    "Kontrolle" was die Skandha betrifft. Deswegen wären sie nicht Mein,

    mir gehörig, mein Selbst.

    Insofern ist es quatsch einen Meister/Lehrer zu akzeptieren, der keine 'Gelassenheit" offenbahrt, sondern Anspannung im Umgang, oder gar Ängste. Der da eben irgendwie auf "Kontrolle" aus ist.

    Das Problem ist das ergreifen der Skandha und weil es dann meine Skandha sind kann ich sie kontrollieren bis ich vor leiden durch Unsterblichkeitsglauben, Krankheit Alter elendig krepiere anstatt zu zerfallen, da ist doch mal Karma , oder. Naja wenn ich mir dann auch noch einbilden kann das ich ja ein Bodhisattva bin ist es wenigstens ein heiliges dahinkrpieren.

  • Das Lernen aus Büchern hat man "unter Kontrolle" und das ist m.E. nicht immer gut.


    Das stimmt ja, eine direkte Konfrontation kann dann nicht stattfinden.


    Aber Ikkyu kritisiert ja gerade eine Ausrichtung zum Perfektionismus?!

    Vor einem Zen-Hintergrund?

    (da bin.ich noch nicht schlau draus geworden)


    "Kritisieren" ist das falsche Wort, ich stelle nur fest, dass es sich so verhält in manchen buddh. Kreisen. Das ist keine Kritik, sondern wenn sich jemand in dem Maße verhält, meine ich, geht er konform mit den Reden Buddhas, die eben das Streben ohne Unterlass sehr hervorheben. Wenn man dazu noch die Tugendregeln, den 8gliedrigen Pfad usw. nimmt, dann denke ich schon, dass es da eher auf die Seite von "Perfektionismus" bei den Übenden umschlägt, als auf die andere Seite, die ja Zen mehr betont, wenn auch nicht ausschließlich.


    Das kann man ja auch hier im Forum gut beachten, wenn es um "Fleisch essen" oder "Rauchen" oder "Alkohol" geht. Beide Argumentationen kann ich nachvollziehen.

  • Ja...das ist so ein zweischneidiges Schwert finde ich. Auf der einen Seite ist da ein Perfektionismus der angewendet wird nur um das Ego zu stärken. So ein Machtbeweis, der Kontrolle und Herrschaft willen...Da will man die eigene Perfektion beweisen...so nach dem Motto : der Mensch oder das "ich" nach Gottes Ebenbild geschaffen.

    Und auf der anderen Seite, kann man Perfektionismusbestrebungen auch als Werkzeug einsetzen, eben dieses Egodenken zu überwinden...

    Vlt. beginnt man als Schüler mit einem tieferliegenden Glauben an das eigene Ego...durch das perfektionieren der Praxis hat man das grobe, oberflächliche Egodenken überwunden...nun geht es an die subtileren Ebenen. Von außen betrachtet steigt man im " Rang" auf und nun muss man sich mit den Schülern auseinandersetzen, die zu einem heraufschauen...da wird das Egodenken ggf. wieder herausgekitzelt ... und auch das muss überwunden werden... So sind die Schüler gleichzeitig Meister des Lehrers, sowie der Lehrer Meister der Schüler ist...usw.... So ist da also gar kein wirklicher "Rang", der den einen über den anderen stellt. Im Optimalfall zumindest nicht, aber so ein System ist natürlich auch sehr anfällig, wenn nicht die Anatta Lehre im Vordergrund steht...sondern z.B. ein Guru der sich für Gottes Ebenbild hält.

    • Offizieller Beitrag

    In der chinesischen Kultur war ja einer der grundlegenden Fragen, inwieweit der einzelne sich "kultivieren" sollte oder inwieweit das Natürliche dem Kultivierten vorzuziehen ist. Die Position des Kultivierens war die Position des Konfuzius: Aus einem rohen Mensch ensteht durch Bildung der feinsinnige Gentleman. Während die Position des Daoismus eine ist, die dieses Kultivieren als ein Abrücken vond er Natur ansieht und eher der Natur vertraut. Was auch damals schon mit einer gewissen Technikfeindlichkeit einherging: "Wenn einer Maschinen benützt" sprach Zhuang Zhou "so betreibt er alle seine Geschäfte maschinenmäßig; wer seine Geschäfte maschinenmäßig betreibt, der bekommt ein Maschinenherz."


    Später näherten sich die Positionen einander an. Auch der Pfad zu Natur und Einfachheit kann ja als eine Fähigkeit sein, die man nach und nach kultivieren muss, indem man seine Kompliziertheit verlernt.


    Verschoben

    Ich habe die Beiträge zu dem Unterthema Stolz in einen eignen Thread verschoben. void.

  • Lieber IkkySan,


    endlich komme ich dazu, Dir zu antworten! (wie immer aus Sicht meiner Praxis; ich verwende hier den Begriff "Widerstände" mal Synonym zu "Hindernisse")

    Von einem "perfektem Weg" hab ich nicht gesprochen. Ich schrieb: (...)

    Nein, hast Du nicht, das stimmt; aber Du hast die Praxis so beschrieben, deswegen kam ich darauf (Dein Beispiel der Tee-Zeremonie). Ist das vielleicht schon mal ein Punkt: Kann man mit unperfekter Praxis ein perfektes Ziel erreichen könnte?


    Mein Lehrer würde sagen: "So what? Relax a little bit"und lächeln. Wo ist das Problem?


    Nun, das Problem ist, dass dies nur ein temporärer Vorschlag ist, der situationsbedingt vielleicht nützlich ist...auf lange Sicht gesehen jedoch nicht.

    Oh nein, das als temporär anzusehen, wäre ein völliges Missverständnis dessen, was gemeint ist. Gleichmut ist doch ein entscheidendes Ziel der Praxis, kein momentanes Wohlfühl-Dingens. Warum nicht gleich damit anfangen, hier und jetzt! (Betonung liegt auf "anfangen" :) ). Und wenn das nicht geht: Die Praxis nutzen, um zu sehen, warum man meint, dass das nicht möglich ist. Wo liegen die Widerstände?


    Ist es so, dass Du den Weg als sehr anstrengend empfindest? Deine Wortwahl deutet für mich in diese Richtung ("perfektes Ideal", "hinterherjagen", "Fokus nie verlieren").


    Ja das ist in der Tat so - der Weg ist für mich sehr anstrengend, da ich viel Energie hineingebe und auch ehrlich gesagt nicht weiß, wie es anders funktionieren sollte. Vielleicht hast du ja da Vorschläge?

    In "meiner" Richtung versucht man, das durch die Balance zwischen Achtsamen Schauen (Einsichtsmeditation) und Liebender Güte zu moderieren. Das war auch genau das, was mich zu meinem Lehrer gebracht hat. "Analyse" meiner selbst habe ich in meinem Leben schon genug betrieben; mir war und ist die Selbstannahme genauso wichtig. Mit Liebender Güte hegt man die Widerstände ein und setzt so viel Energie frei, dass die "anstrengenden" Teile nicht zu viel Raum einnehmen.


    Du sagst, Du gibst viel Energie hinein. Im Sinne von "rechter Anstrengung", oder "unangemessen" viel, für das, was Du für Dich bewirkst?

    Falls ich dich richtig verstehe, übst du Vipassana, was ja gar nicht mal weit weg ist vom Zen. Das wäre mehr dann so die Richtung "im Unperfektem heimisch fühlen". Das kann ich auch bewerkstelligen, nur nicht eben als Lebenseinstellung - dafür macht mir auch die Praxis und das Studieren einfach noch zu viel Spass.


    Ich denke auch, ist meine persönliche Meinung, dass es alleine mit Gleichmut und Achtsamkeit nicht getan ist. Auch im Daoismus strebt man immer zu einem "perfektem Menschen", auch wenn das offensichtlich nicht der Fall ist, wenn man rein nur Laotse usw. liest. Man merkt halt mit der Zeit, dass sich das Handeln und das Verstehen verbessern, wenn man an der Praxis dran bleibt. Das ist für mich wichtig, damit auch andere profitieren können.

    Das sehe ich graduell auch anders. In der Vipassana-Praxis geht es darum, sich in dem Unperfekten heimisch zu fühlen, das man nicht verändern kann. Und das anzuerkennen, das schon "perfekt" ist, wie unsere Lebenssituation hier in Europa, die Sonne und der Mond, die Natur, ... Das ist doch ein wesentlicher Unterschied. Es geht wieder darum, möglichst wenig Energie zu investieren, in Bezug auf Dinge, die man nicht verändern kann (wie bedingtes Entstehen, die ständige Veränderung von allem, Tod und Verfall, ...). Vor allem geht es nicht darum, das Leiden einfach hinzunehmen (wohl aber, anzuerkennen, dass es Teil des menschlichen Existsenz ist).


    Und das ist auch kein Entschluss, sondern ständiges Ziel und Folge der Praxis. Wenn man die Praxis aufgibt, und nicht erwacht ist, dann übernehmen über kurz oder lang wieder Gier, Hass und Verblendung die komplette Kontrolle, das ist im Vipassana wie in allen anderen Richtungen. Nach allem, was ich weiß, saß auch der Buddha nach seinem Erwachen weiter auf dem Kissen.


    Ein wichtiger Punkt, der auch mit Gleichmut zu tun hat: Im Vipassana geht man davon aus, dass man, so wie man ist, bereits perfekt ist. Es gibt keinen Zwang sich zu verbessern. Man verlernt "nur" noch einigen "Müll", der sich durch GHV angesammelt hat, um das Leiden aufzugeben. (Ich denke mal, das ist analog der Buddhanatur im Zen?)


    Genauso, wie Du schreibst:

    Zitat

    Man merkt halt mit der Zeit, dass sich das Handeln und das Verstehen verbessern, wenn man an der Praxis dran bleibt.


    Aber das Ziel ist nicht, perfekt zu werden, sondern das Leiden loszulassen. Den Endzustand kann man dann gerne perfekt nennen. :)


    Gerade fällt mir noch auf:


    Zitat

    Das wäre mehr dann so die Richtung "im Unperfektem heimisch fühlen". Das kann ich auch bewerkstelligen, nur nicht eben als Lebenseinstellung - dafür macht mir auch die Praxis und das Studieren einfach noch zu viel Spass.

    Ich verstehe, was Du meinst. Aber glaubst Du, Du hast da eine Wahl, wenn Du Das Leiden beenden willst? ;)

    Sich "im Unperfekten heimisch fühlen" bedeutet doch nichts anderes, als die Aufgabe von Gier, Hass und Verblendung.


    Spekulation: Oder steckt die Angst dahinter: Wenn ich zu viel loslasse, dann werde ich zum Zen-Zombie, der keine Notiz mehr von der Welt nimmt, der keine Feude mehr empfindet, und dem alles egal ist?


    Ich bin wirklich neugierig darauf, was Deine Praxis für Dich anstrengend macht (über Unanehmlichkeiten wie Schmerzen beim Sitzen hinaus). Hast Du Lust, von Deinen Widerständen/Hindernissen zu berichten? (auch gerne per PN)


    Liebe Grüße,

    Aravind.