In der neuesten Ausgabe der „Buddhismus Aktuell“ Nr. 3/2021 "Was trägt?" findet sich ein Interview mit Dzongsar Jamyang Khyentse, Autor von Büchern wie „Warum Sie (k)ein Buddhist sind“ (das auch auf meinem Bücherregal steht) und „Der Guru trinkt Schnaps?“.Hier zwei Auszüge über die ich - milde ausgedrückt - "gestolpert" bin: (die Hervorhebungen sind von mir)
Frage: Sie schreiben, ein wohlwollender Diktatur könnte für sein Land vorteilhafter sein als eine demokratische Regierung. Sollten westlich-demokratische Länder ihre Regierungssysteme in wohlwollende Diktaturen umwandeln?
Antwort: Meine Auffassung trifft nicht nur auf den Westen, sondern auch auf den Osten, den Süden und den Norden zu. Wenn unser Verdienst irgendwo, wo auch immer wir sind, einen wohlwollenden Diktator beschert, dann sollten wir unser Regierungssystem binnen 24 Stunden in eine wohlwollende Diktatur umwandeln. Unbedingt! Das ist gar keine Frage.
Frage: Was sollten Lernende tun, wenn ihr Meister nicht nur Schnaps trinkt oder sie bittet, eine Prinzessin zu ärgern – Sie erzählen da eine entsprechende Geschichte in Ihrem Buch -,sondern körperliche Gewalt gegen seine Schülerinnen und Schüler ausübt oder sie vergewaltigt?
Antwort: Wie gesagt, Wenn Sie diesen Guru nicht geprüft haben und wenn Sie sich nicht entschieden haben, ihn vollständig als Ihren Guru anzunehmen, dann sollten Sie die Polizei rufen und sein Verhalten öffentlich machen. Wenn Sie aber nach intensiver Prüfung diesen Menschen vollständig als Ihren Guru angenommen haben, dann werden Sie sein Verhalten in diesem Augenblick, wenn er Schnaps trinkt, eine Prinzessin ärgert oder was auch immer tut, nicht als unangemessen ansehen. Denn inzwischen hat sich Ihre Projektion, Ihre Wahrnehmung verändert.
Damit endet das Interview kommentarlos bzw. mit einem schnöden: „Vielen Dank für dieses Interview“, was ich wie einen Schlag ins Gesicht empfinde.
Ich muss gestehen, nach dem Lesen dieses Interviews denke ich ernsthaft darüber nach, mein Buddhismus-Aktuell-Abo zu kündigen. In Zeiten von Me too und der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs wie z. B. innerhalb der Katholischen Kirche und auch in buddhistischen Sanghas und in Zeiten, in denen die Demokratie bei vielen anscheinend immer unattraktiver wird und das Raunen und Rufen nach einem starken Mann wieder losgeht, finde ich es schon eine ziemliche Chuzpe und Gedankenlosigkeit, sowas einfach mal so nebenbei zwischen verschiedenen anderen Artikeln zu drucken.
Ein wohlwollender Diktator? Hallo? Wie definiert sich das „wohlwollend“ und für wen ist er „wohlwollend“? So nach dem Motto: „Ich will ja nur euer Bestes“? Ein Diktator ist nicht wohlwollend und wäre er es, würde er innerhalb 24 Stunden eine Demokratie ausrufen, die bei allen Schwächen, die sie hat, immer noch die beste Staatsform ist!
Und wenn sich meine Projektion und Wahrnehmung verändern, darf mich mein Guru vergewaltigen und schlagen und das ist dann ganz toll und richtig und cool? Das ist so eine Frechheit gegenüber allen Menschen, die Opfer solcher und ähnlicher Gewalt geworden sind!
Die Fragen sind schriftlich gestellt worden. Die Art der Fragen impliziert doch schon etwas und wenn ich solche Antworten kriege, würde ich das Zeugs entweder in den Papierkorb schmeißen oder zumindest die Aussagen kritisch beleuchten und aber sowas von groß hinterfragen! Jeder darf seine Meinung äußern, aber wenn etwas mit der Würde des Menschen und mit unseren rechtssaatlichen Prinzipien und Gesetzen nicht vereinbar ist, dann sollte zumindest ein kritischer Diskurs angehängt werden. Muss man alles kritiklos abdrucken, nur weil es von einem anscheinend wichtigen und anerkannten buddhistischen Lehrer kommt? Muss man so jemandem und solchen Aussagen eine Plattform bieten, zumal nach allem, was zuvor z. B. mit dem Diamantweg war?
Sowas will ich ehrlich gesagt nicht finanziell unterstützen.