Zweifel am Buddhismus

  • Der Zenmeister Hakuin Ekaku (1685 – 1768) war in seiner Nachbarschaft sehr beliebt. Man lobte ihn wegen seines reinen Lebenswandels. Ein junges und schönes Mädchen wohnte in seiner Nähe. Ihre Eltern waren Kaufleute. Das Mädchen wurde schwanger. Sie war nicht verheiratet. Sie wollte den Namen des Kindsvaters nicht preisgeben. Die Eltern ließen ihr keine Ruhe, da behauptete sie: „Hakuin ist der Vater meines Kindes.“

    Enttäuscht und über alle Maßen wütend gingen die Eltern zu dem Meister. Alles was er zu den Vorwürfen sagte war: „Ist das so?“

    Das Kind wurde geboren. Die zornigen Eltern der frischgebackenen Mutter brachten das Neugeborene zu Hakuin. Hakuin hatte inzwischen seinen guten Ruf verloren. Man hielt ihn für eine verkommene Kreatur. Das schien Hakuin jedoch nicht weiter zu beunruhigen. Die Eltern des Mädchens riefen:„Hier, dein Kind!“ „Ist das so?“ war alles, was Hakuin dazu sagte.

    Er nahm das Baby auf und sorgte gut für das kleine Kind. Er pflegte und behütete es wie sein eigen Fleisch und Blut.

    Ein Jahr verging. Die junge Mutter hielt es nicht mehr aus. Sie beichtete ihren Eltern die Wahrheit. Der Vater ihres Kindes wäre ein armer, junger Fischer und nicht der Zenmeister Hakuin.

    Unverzüglich gingen die Eltern der jungen Frau zu Hakuin. Sie baten ihn unter Tränen um Vergebung. Es täte ihnen so unendlich leid. Ob sie das Kind zu sich nach Hause holen könnten? Hakuin war einverstanden. Er übergab ihnen das Kind. Tränenüberströmt dankten sie ihm nochmals und sagten: „Du bist ein so reiner Mensch! Ein wahrer Meister!“


    Alles was Hakuin ihnen entgegnete war: „Ist das so?“

    :zen:



  • Ich möchte weitergehen, stehe aber vor der Frage oben: Wofür, wenn am Ende die Medizin nicht wirkt und ich am Ende auch nicht weiser und mitfühlender bin als jetzt (Erleuchtung muss es ja nicht werden, Leute nicht zu misshandeln schaffe ich persönlich auch jetzt schon ganz gut ;) ).


    Tugendvolle Handlungen begehen und nicht tugendhafte Handlungen unterlassen, gar ein Mönch zu werden um Nirvana zu "erlangen", das funktioniert nicht, war mir von Anfang an klar. Andersrum wird eher ein Schuh draus, was kein Aufruf zur Untugend sein soll.

    Durch "Erleuchtung", "Stromeintritt", "Satori" werden alle Zweifel an der Lehre beseitigt.

    Die Chancen auf diesen Hauptgewinn (@Anna-Panna-Sati) sind absolut real.

    Satori ist nicht schwer, im Gegenteil, es ist die Essenz der Einfachheit und Leichtigkeit.

    Kompliziert ist nur der Menschengeist.

    Meditation ist der Weg vom Komplizierten zum Einfachen, Leichten.

    Die höchsten Bewusstseinszustände sind die einfachsten.

    Die niedersten Bewusstseinszustände sind die Kompliziertesten.

    Vielleicht werden und wurden deshalb die grössten Verbrechen der Menschheit von guten Menschen mit bester Absicht begangen.


    :angel:

  • Wofür, wenn am Ende die Medizin nicht wirkt und ich am Ende auch nicht weiser und mitfühlender bin als jetzt

    Wenn das Deine eigene Erfahrung mit der Praxis ist, dann nehme davon Abstand.

    Ja, aber wann sollte dann der "Stichtag" sein, an dem man weiß (oder zu wissen glaubt), dass man nicht "weiser und mitfühlender" geworden ist, die "Medizin" nicht gewirkt hat? :?

    Nach 1 Jahr, 2 Jahren, 10 Jahren?

    (Gut Ding' will bekanntlich Weile haben.....)


    Warum sollte man gleich Abstand von "der" Praxis nehmen, wenn es nicht so läuft, wie vorgestellt?

    Innehalten und gründlich in sich selbst überprüfen (reflektieren), woran es liegen könnte, was ev. schief gelaufen ist, vielleicht eine angemessene Pause, ggf. Neuorientierung in Bezug auf die Richtung/Schule oder den Lehrer,... könnten Optionen sein, bevor man einen Schlussstrich zieht.


    Die Buddha-Lehre ist m.E. zu wertvoll, als dass man sie (vorzeitig) aufgeben sollte...


    (Oder meintest du mit "Abstand nehmen", "einen Schritt zurückzutreten und alles nochmal aus der Distanz zu betrachten", lieber Aravind ? :) )


    Für mich ist ein Lehrer jemand, der oder die einen Teil des Weges gegangen ist, und das mit mir teilt. Und einen ab und zu dabei unterstützt, keinen völligen Blödsinn zu machen, oder einfach aufzugeben.

    Ja, so stelle ich mir einen Kalyanamitta vor, einen "edlen Freund", der mit den Fallstricken, Illusionen, "Risiken und Nebenwirkungen" der buddhistischen Praxis aus eigener Erfahrung vertraut ist und wohlwollend, mit Mitgefühl, Schüler begleitet und berät.


    Leider scheinen derartige Lehrer relativ "dünn gesät" und im Zweifel würde ich lieber (weitgehend) alleine praktizieren, bevor ein "schlechter" Lehrer womöglich das Vertrauen und die Freude am Dharma erschüttert...



    Heutzutage gibt es ja viele Möglichkeiten, sich die Theorie der Lehre vermittleln zu lassen - Bücher, Videos, Livestreams/Zoom mit Lehrern, etc. - man muss nicht unbedingt an Retreats teilnehmen und womöglich durch die Weltgeschichte reisen, um an "besonderen" Orten zu meditieren.

    (Ich sehe es etwas kritisch, wenn Buddhisten, in Zeiten des Klimawandels, meinen, um die Welt jetten zu müssen, weil sie beispielsweise glauben, an "Originalschauplätzen" oder anderen speziellen Örtlichkeiten/ "Kraftorten", mit "auserlesenen" Gurus, schneller zur Erleuchtung zu gelangen....)


    Was den "spirituellen Fortschritt" betrifft, erkundige man sich im Zweifel bei den allernächsten Menschen (Familie, Nachbarn, Freunde), sie fungieren auch als "Lehrer" - und aus dieser Richtung bekommt man i.d.R. ehrliche Rückmeldungen... ;)

    Besonders passend auch, dass du ausgerechnet Tenzin Peljor erwähnst. Das ist der einzige Lehrer, den ich seit dem letzten Jahr noch live gesehen habe und den ich am kommenden Wochenende auf einem Retreat höre. Das Retreat war der Auslöser für den Thread, denn obwohl ich nur positive Erfahrungen mit Tenzin gemacht habe, habe ich überlegt, dort nicht hinzugehen und dem Buddhismus den Rücken zu kehren,

    Danke, Jenscha , dass du auf deine positiven Erfahrungen mit Bhikshu Tenzin Peljor verwiesen hast! _()_ :)

    Ich kenne ihn nicht persönlich, sondern habe nur Vorträge von ihm bei YouTube (u.a. Kanal "Buddha-Talk") gehört, die ich sehr authentisch und erhellend fand.

    Ich gehe nun halt mit den Zweifeln hin und habe als vorläufige Lösung, dass es vielleicht gerade in Ordnung ist, dass ich vielleicht kritischer prüfe als vorher und distanzierter bin, als es eigentlich meiner Neigung entspricht.

    Unter den gegebenen Umständen finde ich es sehr erfreulich, dass du dennoch das Retreat besuchen willst und dich als aktuell kritisch(er) prüfender und distanzierterer Mensch (was absolut "in Ordnung" ist! ;) ) auch akzeptierst. :like: :)


    Ich wünsche dir, dass du wieder (Selbst-)Vertrauen entwickeln und von vielen Zweifeln befreit, von dem Retreat zurückkehren und deinen Weg innerlich gestärkt fortsetzen kannst.



    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Ich habe als Lösung ausprobiert, nicht den Personen zu vertrauen sondern der Lehre. Aber wenn die langjährige intensive Beschäftigung mit den Lehren bei vielen Personen trotzdem zu o.g. Verhaltensweisen führt, kann ich diesen Widerspruch nicht mehr auflösen.


    Kann es hier jemand?

    Ja. Und ich werde hier einigen widersprechen.


    Der Widerspruch ist auflösbar, indem du nicht nur den Lehrern, sondern auch der Lehre misstraust. Alles soll einem großen Zweifel unterzogen werden.


    Das Missverständnis der Lehrer beruht m.E. darauf, dass schon der eigentliche Lehrer Buddha in seinen Irrtümern und seiner Fehlerhaftigkeit nicht erkannt wird. Also stellt man ihn und seine Erkenntnisse auf einen Sockel. Und dann fallen die Adepten, die man heute so trifft, natürlich hintenrunter. Aber da liegt der Buddha bereits, tot.


    Jemand versuchte hier aufzuzeigen, dass du dich an zwei Wahrheiten festgebissen hättest, die dritte und vierte außer Acht ließest. Von Bedeutung ist, nachdem dir ja die Leidhaftigkeit des Lebens klar ist, nur, dass es eine Möglichkeit zur Aufhebung des Leidens geben könnte, also die dritte "Wahrheit". Und zwar des "Leidens am Leiden", also eine Möglichkeit, sich geistig anders gegenüber dem zu positionieren, was einem selbst zu schaffen macht. Das geht, kurz gesagt, indem man lernt, von anhaftenden Gedanken loszulassen, also solchen, die einen in Wutkreisläufe, Gierkreisläufe usw. bringen.


    In deinem Fall sind das z.B. offenbar gerade Frustrationen über Lehrer/innen. Wenn du nun denkst, es könnte bei irgendjemandem anders werden, bleibst du in diesem Hamsterrad. Auch Tenzin Peljor wird dich nicht da rausholen, es würde zu weit führen, das hier ausgiebig zu erläutern. Tenzin betreibt z.B. nach seiner eigenen Enttäuschung (wie konnte es nur dazu kommen? warum passiert das manchen Menschen einfach nicht?) fleißig eine Sekteninfo-Seite, hat aber mir gegenüber auch schon mal gewisse tibetische Einweihungspraktiken verteidigt, die m.E nur erfunden wurden, damit ein Meister (Vorgesetzter, Höherrangiger) seinen sinnlichen Spaß mit Schüler/innen hat (Untergebenen) genießt - und die wegen ihrer Missbrauchsgefahren keinen Platz mehr in der Praxis haben sollten. Tenzin kann da wohl nicht aus der Haut seiner Schule raus.


    Es bleibt die radikale Innenschau. Dazu ist kein Lehrer nötig. Es geht im Zen, das ich schätze, sowieso darum, den Lehrer zu übertreffen, selbst wenn du einen hast. Also wenn der dem Luxus frönt oder seine Schülerinnen bumst, dann müsstest du das besser machen (also lassen), selbst wenn er dir buddhistisch sinnvoll was verklickern kann.


    Wenn du zur Fraktion gehörst, die meint, das eine ginge ohne das andere nicht, dann ist das der o.g. Irrtum. Die Buddha-Lehre ist fehlerhaft, der Shakyamuni war fehlerhaft, alle sind fehlerhaft, auch du und ich. Von dem einen kann ich mir diese Scheibe abschneiden, von dem anderen eine andere. Das sind realistische Erwartungen. Da findet sich dann sicher auch eine Scheibe beim Tenzin oder im Rückblick noch was bei den anderen Fehlbaren. Allerdings könnte es genügen, statt die Lehrer aufzusuchen, ihre brauchbaren Scheiben in Form von Vorträgen oder Büchern zu konsumieren. Der persönliche Kontakt wird in aller Regel zu Enttäuschungen führen, die man sowieso im Alltag erlebt, wenn man achtsam genug ist, und die einem da schon genug Arbeitsmaterial liefern.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Ich glaube keiner meiner Lehrer wusste, dass er mein Lehrer war.


    Ich habe einfach Fragen gestellt.

    Zum Beispiel den Küchenmeister Werner, den ich einmal die Woche in der Sauna traf und der mich durch seine Ausstrahlung unglaublich inspiriert hat.

    Als wir mal nur zu zweit in der Sauna waren, habe ich ihn gefragt "Werner, was ist Dein Erfolgsrezept ?".


    Auch in meinem Beruf, im Innen- und Aussendienst, habe ich oft erlebt, dass Menschen gerne über das Buddha-Dhamma reden, ohne zu wissen, dass sie gerade darüber reden.


    Für alle "Fachbegriffe" unseres buddhistischen Lexikons gibt es Alltagsbegriffe.

    Oft wenn ich Menschen um etwas beneide, frage ich sie bei passender Gelegenheit "wie machst Du das, was ist Dein persönliches Erfolgsrezept ?". Auch wenn die Menschen bei anderen Lebensthemen kein Vorbild sind.


    :?

  • Ja, aber wann sollte dann der "Stichtag" sein, an dem man weiß (oder zu wissen glaubt), dass man nicht "weiser und mitfühlender" geworden ist, die "Medizin" nicht gewirkt hat? :?

    Nach 1 Jahr, 2 Jahren, 10 Jahren?

    (Gut Ding' will bekanntlich Weile haben.....)

    Hervorragende Frage, wie immer! :heart:


    Leider bin ich nicht der Maßstab, wie ich gelernt habe. Ich habe meinen Lehrer getroffen, und wusste nach ein paar Sätzen: So liebevoll will ich auch werden! Und es vergeht keine Zeit auf dem Kissen, in der ich nicht "profitiere", das macht es leichter. Aber ich bin mir bewusst, dass es den meisten Menschen nicht so geht.


    Wann ist der Stichtag?


    In Bezug auf Mitgefühls-Praxis: Zwei oder drei Wochen? Wenn man dafür im Moment gar nicht empfänglich ist, wird die Achtsamkeitspraxis leicht zum Kampf, finde ich.


    In Bezug auf Achtsamkeit und Erkenntnisse: Keine Ahnung. Ich denke, das hängt stark davon ab, wie viele Hindernisse man schon beiseite geräumt hat, außerhalb und vor der Praxis.


    Jenscha schreibt ja, dass er "schon" seit 3 Jahren dabei ist. Das würde ich definitv für ausreichend erachten. Deshab habe ich auch eingeschränkt: Sind es seine eigenen Erfahrungen? Oder schließt er aus dem scheinbaren Versagen der Lehrer auf die Praxis.


    Wenn man länger ernsthaft praktiziert, und keine Veränderungen erfährt, würde ich persönlich mir überlegen, Psychotherapie zu machen. (Nicht an Dich gerichtet, Jenscha!)


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Wenn man länger ernsthaft praktiziert, und keine Veränderungen erfährt, würde ich persönlich mir überlegen, Psychotherapie zu machen.

    Psychotherapie habe ich mit Anfang Zwanzig aufgrund der Folgewirkungen meines ungesunden Lebenswandels gemacht, bevor ich begann zu praktizieren.


    Ein Satz eines verzweifelten Therapeuten und Nervenarztes ist mir in Erinnerung geblieben:

    "Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind ?

    Ich würde auch lieber zum Jet Set gehören und meine Tage mit schönen Frauen an der Cote d'Azur verbringen. Stattdessen bin ich Nervenarzt geworden und muss mir hier ihren Mist anhören ..."


    Mein letzter Therapeut war dann aber echt ein verkleideter Buddha.

    Alles was er tat, war, mir Fragen zu stellen, mir Lösungen für meine schrägen Probleme herauszulocken.


    :) :?

  • Hallo Bebop :) ,

    Von Bedeutung ist, nachdem dir ja die Leidhaftigkeit des Lebens klar ist, nur, dass es eine Möglichkeit zur Aufhebung des Leidens geben könnte, also die dritte "Wahrheit". Und zwar des "Leidens am Leiden", also eine Möglichkeit, sich geistig anders gegenüber dem zu positionieren, was einem selbst zu schaffen macht.

    "Sich geistig (anders) gegenüber positionieren" hört sich ja ziemlich dualistisch (Hier ist das Leiden und dort bin ich (selbst) und positioniere mich ihm gegenüber?) und darüber hinaus nach einer lediglich veränderten Einstellung zum Leiden an.

    Ich fürchte, das wird nicht reichen.... :?


    Die Formulierung: "Durch das Erlöschen (nirodha) der Ursachen erlischt das Leiden:

    Das restlose Vergehen, bzw. Enden, Abkehren, Abtreten, Aufgeben und Loslassen genau dieses Verlangens." (DBU)

    wird der Sache m.E. eher gerecht.


    Vielleicht wird hier auch wieder mal der Unterschied zwischen Zen-Buddhismus (zumindest, wie DU ihn verstehst/interpretierst) und anderen buddhist. Schulen deutlich...?


    Die verschiedenen Auslegungen und Zugänge können für Zweifel und Verwirrung sorgen, insbesondere, wenn man zwischen ihnen hin- und herspringt...

    ("Viele Köche verderben den Brei.")


    Das geht, kurz gesagt, indem man lernt, von anhaftenden Gedanken loszulassen, also solchen, die einen in Wutkreisläufe, Gierkreisläufe usw. bringen.

    Da wären wir bei der vierten Edlen Wahrheit, dem Weg zur Beendigung des Leidens, - nach der Lehre Buddhas - dem Edlen Achtfachen Pfad.

    Denn anhaftende Gedanken, überhaupt Anhaftungen, loszulassen, schüttelt man nicht mal eben so aus dem Ärmel, da braucht es schon ein intensives (Transformations-)"Programm", um innere Widerstände überwinden zu können.

    Es bleibt die radikale Innenschau. Dazu ist kein Lehrer nötig.

    Vorbereitend und danach kann ein Lehrer jedoch hilfreich sein, besonders, wenn man mit dem, was bei Meditation oder Kontemplation so hochkommt (z.B. alte Traumata), nicht alleine fertig wird....

    Unter Umständen wird gleich zu Beginn deutlich, dass, vorab oder begleitend, eine Psychotherapie Sinn machen würde.

    Es geht im Zen, das ich schätze, sowieso darum, den Lehrer zu übertreffen, selbst wenn du einen hast.

    Übertreffen? :eek: Ich dachte immer, dass es um eine gute, fruchtbare Lehrer-Schüler-Beziehung geht, in der durchaus auch der Lehrer ein Lernender sein soll/"darf"

    (L.A. Seneca: "Man lernt, indem man lehrt.")

    und nicht um einen (ev. Ehrgeiz auslösenden) "Wettbewerb"?

    (Schließlich könnten "Wettbewerbe" auch ziemlich das Ego pushen.... :?)


    Die Buddha-Lehre ist fehlerhaft,

    Kannst du Belege/Beispiele für diese Behauptung vorweisen?


    (Bitte keine fragwürdigen Zitate aus dem Palikanon, da findet man natürlich jede Menge Merkwürdigkeiten, wie der Herabsetzung von Frauen uvm., die größtenteils der Epoche und den Verhältnissen vor Ort geschuldet sein mögen.., sondern explizite Fehler in der Essenz der Lehre.)


    Klar ist, dass sie von (einem) Menschen "(wieder)entdeckt", entwickelt und von vielen Menschen erfolgreich praktiziert wurde.


    alle sind fehlerhaft, auch du und ich.

    Daran habe ich keinen Zweifel.... :erleichtert:


    Der persönliche Kontakt wird in aller Regel zu Enttäuschungen führen, die man sowieso im Alltag erlebt, wenn man achtsam genug ist, und die einem da schon genug Arbeitsmaterial liefern.

    Im Bewusstsein dessen, besteht m.E. kein Grund, dem persönlichen Kontakt zu einem (sorgfältig ausgewählten) Lehrer aus dem Wege zu gehen, wenn man glaubt, einer Unterstützung zu bedürfen, dieser einen annimmt und "die Chemie stimmt".

    Ist ja (höchstwahrscheinlich) nicht für immer und ewig...


    Dass Enttäuschungen nicht das Schlechteste sind, was einem passieren kann, hat Leonie bereits nachvollziehbar dargelegt:

    Es geht aber um dich und um deine Enttäuschung - und da ist der Grund die Täuschung, der du aufgesessen bist - DU hast dich getäuscht in deinem Urteilsvermögen, deinem Urteil und deiner Ansicht.

    Der Kern des Problems bist du selbst.

    An Enttäuschungen kann man also wachsen und reifen, insofern einem (immer) deutlich(er) wird, dass man selbst der "Kern des Problems" ist....


    Das schlussendliche Ziel ist natürlich, von Lehrern (und zuletzt auch der Lehre) unabhängig zu werden.


    Von dem einen kann ich mir diese Scheibe abschneiden, von dem anderen eine andere.

    Ja, das handhabe ich auch so....Alles gründlich untersuchen, prüfen und "das Gute "behalten" - auch von deinen Posts schneide ich das eine oder andere Scheibchen ab - danke! ;) _()_




    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Bei der Zulassung eines Medikaments oder einer Therapie, muß man erstmal genau angeben, welches Problem die neue Methode lösen soll und dann nachweisen, dass sie es löst und dabei wenig Nebenwirkungen hat


    Was wäre beim Buddhismus die Grundhypothese? Ich finde da das Gleichnis von der Säge einen guten Ausgangspunkt:


    Wenn auch, ihr Mönche, Räuber und Mörder mit einer Baumsäge Gelenke und Glieder abtrennten, so würde wer da in Wut geriete nicht meine Weisung erfüllen. Da habt ihr euch nun, meine Mönche, wohl zu üben: 'Nicht soll unser Gemüt verstört werden, kein böser Laut unserem Munde entfahren, freundlich und mitleidig wollen wir bleiben, liebevollen Gemütes, ohne heimliche Tücke; und jene Person werden wir mit liebevollem Gemüte durchstrahlen: von ihr ausgehend werden wir dann die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem, durchstrahlen': also habt ihr euch, meine Mönche, wohl zu üben.

    Die Grundhypothese wäre demnach, dass der Buddhismus zu einer Situation führen kann, wo man unabhängig von den äußeren Umständen ein heiteres, freundliches Gemüt ohne Gier und Hass behält. Und mit der Säge ist ja schon angedeutet, dass körperlicher Schmerz ein ganz wichtiges Hindernis ist. Ich denke es wäre möglich zu testen, ob Leute mit sehr viel Meditationserfahrung, Schmerz aushalten können und dabei ein heiteres Gemüt behalten.


    Es gibt Versuche in der Region Richtung:


    Die Studie, erschienen im "Journal of Neuroscience",

    zeigt, dass die Wirkung schon nach kurzer Übung einsetzt: An nur vier Tagen bekamen 15 Personen eine Einweisung im Meditieren, insgesamt dauerte das Training knapp eineinhalb Stunden. Bei der sogenannten Achtsamkeits-Meditation lernten die Teilnehmer, sich hauptsächlich auf ihren Atem zu konzentrieren.

    Zunächst aber mussten Schmerzen her. Die Forscher steckten den Probanden deshalb eine knapp 50 Grad warme Platte ans rechte Bein. Sechs Minuten lang wurde sie im Abstand von einigen Sekunden an- und ausgeschaltet - ein Zustand, der für die meisten Menschen schmerzhaft ist, laut Zeidan sogar recht intensiv. Danach schrieben die Teilnehmer auf, wie stark und unangenehm das Gefühl war. Gleichzeitig wurde die Hirnaktivität mit Hilfe der Kernspintomografie gemessen.


    Nach der Einführung in die Meditation mussten die Probanden die Prozedur erneut erdulden - doch diesmal sollten sie meditieren. Das Ergebnis: Die Schmerzen wurden als 40 Prozent weniger intensiv und 57 Prozent weniger unangenehm empfunden, schreiben die Forscher. Das seien Werte, die manche Schmerztablette überträfen. Unter ähnlichen Versuchsbedingungen sei sogar bei Morphium eine etwas geringere Effektivität gemessen worden.

    Die Studie ist hier. Allerdings sind 18 Probanden sehr wenig und in der Fußnote steht, dass sie von dem "Varela Grant" des vom Dalai Lama initierten "Mind and live Institute" gefördert wurden. Von daher ist das eher im Bereich "interessanter Ansatz" als in der Schublade "gesichertes Wissen" und man müsste man schauen, was es für darauf aufbauende - größer angelegte - Forschung gab. Nach Researchgate gab es immerhin  287 Zitate in allen möglichen Richtungen.


    Interessant ist, dass das mit Ethik erstmal nur indirekt zu tun hat. Hier scheint mir eine zweite Hypothese versteckt zu sein, die grob aussagt, dass Gier und Hass der Hauptgrund für unethisches Verhalten sind und auch dieses durch buddhistische Methoden schwindet.


    .Das klingt erstmal schön plausibel. Aber der Vergleich mit Morphium kann einen hellhörig machen. Jemand der die Fähigkeit hat, unabhängig von Unständen heiter zu bleiben, könnte sie ja auch benutzten um sein Gewissen zu betäuben. Mit Devadatta, haben wir ja das Beispiel von jemanden, der als buddhistischer Könner galt und dann dennoch seinem eigenen Dünkel folgte.

  • "Durch das Erlöschen (nirodha) der Ursachen erlischt das Leiden:

    Das restlose Vergehen, bzw. Enden, Abkehren, Abtreten, Aufgeben und Loslassen genau dieses Verlangens.

    Das ist doch bloß Nachgeplappere der DBU aus den alten Schriften. Was tatsächlich passiert ist wohl eher das, was ich beschreibe: Das sich selbst als Individuum Begreifende verändert sein Denken (oder hat ggf. das Gefühl, es "würde verändert", wie bei einer "Erleuchtung") gegenüber dem, was leidhaft ist.


    Denn:


    1) Entweder erlöschen die Ursachen nicht, was für fast alle Menschen gilt. Sie werden immer wieder Phasen des Ärgers, und sei er noch so klein, oder der Begierde erleben. Da erinnere man sich z.B. auch an Buddha, wie er nicht an sich halten konnte, Devadatta einen Schleimfresser zu nennen. Das von dir zitierte nirodha ist somit eine Art Zirkelschluss oder Hinweis darauf, dass Verlöschen erst mit dem Tod geschieht, also sich das Problem dann von selbst erledigt hat. Das wäre dem Buddha natürlich zu billig gewesen, deshalb "drohte" er mit Wiedergeburt.


    Die Tatsache, dass praktisch alle, die hardcoremäßig nach dem Verlöschen streben, dabei bleiben müssen, also nicht entroben oder sich nicht anderen Dingen zuwenden können, sondern wie der Buddha sogar noch verschärfte Regeln wie den Vinaya einführen und zu befolgen suchen, zeigt, dass es kein dauerhaftes Erlöschen im Leben gibt. Das, was hier oft im Forum als "ich übe mich" angemahnt wird, hat auch der Buddha nicht anders gemacht, weil er nie in einem anderen Nirwana war als du oder ich. Das heißt, es gibt kein Ende des Pfades, wie man im Zen sagt, und so sollte man auch die Geschichte im Palikanon verstehen: Buddha erlangte das Ende des Pfades erst mit dem Tod, und das wird jedem gelingen. Die Frage, wie man das Davor gestaltet, kann man vielfältig beantworten.


    2) Oder es erlischt das Leiden nicht, obwohl sie (zumindest vorübergehend) keinen Ärger mehr empfinden und keine Begierde. Das merken sie spätestens dann, wenn sie Schmerzen haben. Die Schmerzen empfinden sie, darum leiden sie auch und nehmen ggf. Schmerzmittel, denn der Dharma reicht nicht aus. Selbst wenn da kein Dualismus mehr ist, also wenn sie geistig "eins mit dem Leiden werden" oder wenn sie "der zweite Pfeil nicht trifft", sendet der Körper weiter Schmerzsignale ans Gehirn. Ggf. bedeutet das schließlich auch, dass der Adept gar keine klare Sicht mehr auf die Dinge hat, z.B. nach einem Schlaganfall oder bei Demenzerkrankungen. Der Körper hat über seinen Geist bestimmt und ihm die Illusionen geraubt.


    Das dürfte dann auch die Frage nach Fehlern in der "Essenz der Lehre" beantworten. Es sind die Fehler in der allgemeinen Auffassung des Buddhismus (nicht Fehler in der Zen-Umdeutung). Ein Fehler besteht darin, nicht sauber zwischen dem zu trennen, was nicht geändert werden kann und an sich gar nicht zwangsläufig leidhaft ist, aber gleich zu Beginn in der Definition aufgenommen ist: Geburt, Krankheit, Alter, Sterben. Das ist alles vergänglich, und leidhaft ist, mit der Vergänglichkeit darin nicht klar zu kommen, oder mit den Schmerzen dabei. Gegen die Schmerzen hatte der Buddha aber nichts, und zur Vergänglichkeit lehrte er dann dies: Es gäbe Charakterdefekte (wie Wut, Gier, Unwissenheit) als Ursache des Leidens. Es ist offensichtlich, dass ein Mangel dieser Defekte nicht Geburt, Krankheit, Alter und Sterben verhindert, es soll aber das Leiden daran verhindern. Das funktioniert nur bedingt. Ein gutes Beispiel sind Depressive, die Suizid begehen. Ihr Haften am Leben ist erloschen, zu Wut sind sie oft gar nicht mehr fähig, und dennoch ist offensichtlich, dass sie im und wegen Leiden verlöschen und nicht leidfrei. Es gibt Leiden, für das Gier, Wut und Unwissenheit nicht zuständig sind, und dieses Leiden ist erheblich in der Menschheit verbreitet.


    Auch der achtfache Pfad ist keine Lösung. Um ihn überhaupt zu begreifen, bräuchte man bereits zu Beginn das, was Heilsziel ist, nämlich rechte Einsicht. Ansonsten begeht man nur einen Glaubensakt. Der Pfad ist so beschrieben, dass er die von dir kritisierten Dualismen befördert, nicht vernichtet, z. B. indem er definiert, was "recht" ist und was nicht. Es braucht zum Ablegen anhaftenden Denkens nichts weiter als das Durchschauen der eigenen Denkprozesse, was meditativ am konzentriertesten geschehen dürfte, und damit dann die Möglichkeit, bei entsprechender Achtsamkeit von solch aufkommenden Gedanken zu lassen. Das Problem ist allerdings Folgendes, wenn man das mal durchgezogen hat: Man wird feststellen, dass man bestimmte anhaftende Gedanken genau darum meidet, weil es einem mit ihnen schlechter geht - also im Grunde aus Selbstschutz und Egoismus. Hat man diese Gedanken nämlich wertfrei angenommen, kann man durchaus in Fantasien schwelgen, sentimental sein, den Verlust seines Kindes jahrelang betrauern, den Ehebruch der Frau beklagen usw. Mit anderen Worten, man kann sich sogar wieder erlauben, (geistig) zu leiden.


    Das ist im Palikanon so nicht vorgesehen. Der Palikanon entwirft zwischen den Zeilen so etwas wie den "Übermenschen". Das machen andere Religionen aber auch, damit die Gläubigen sich immer ein bisschen schlecht fühlen. Kann nicht so gut sein wie Jesus, kann nicht Gottes Stimme hören wie Mohammed, kann nicht so cool sein wie der Buddha.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Die Grundhypothese wäre demnach, dass der Buddhismus zu einer Situation führen kann, wo man unabhängig von den äußeren Umständen ein heiteres, freundliches Gemüt ohne Gier und Hass behält.

    Ja, danke, das passt wie die Faust aufs Auge. Denn was wir brauchen, sind Menschen, die sich darüber aufregen, wütend werden und protestieren, wenn Räuber etc. anderen die Gliedmaße abtrennen. Und am meisten Grund haben die Amputierten selbst. Hier ist festzustellen, dass der Buddha also keineswegs blind für die Bösartigkeiten der Welt war, aber "die andere Backe hinhalten wollte", was für ihn hieß, wutfrei und protestfrei ("kein böser Laut") zu ertragen. Jedem dürfte klar sein, wie eine solche Welt aussähe, das es sie nicht geben kann, außer für das Individuum, das sich für diesen Weg entscheidet. Es wird nicht verhindern, dass es andere gibt, die ihm die Gliedmaßen abtrennen wollen. Außerdem kann man nicht von einem Kind oder geistig Eingeschränkten erwarten, dass sie das in aller Seelenruhe über sich ergehen lässt, also muss man gegen diese Gestalten vorgehen, selbst wenn man selbst zur Gelassenheit in der Lage wäre. Wo ist da der Aufruf Buddhas zum Widerstand zumindest aus Altruismus, wo die Unterscheidung, wo der Blick fürs Detail?


    Zu diesen Schmerztests würde ich sagen, dass sie nicht sehr aussagekräftig sind. Denn getestet wurden keine langdauernden und chronischen Schmerzen. Kurze kann schon ein Hypnotiseur wie bei Joko und Klaas mit völlig Unerfahrenen innerhalb von Minuten unterdrücken (er ließ einen Moderator genau das gegen den Hypnotisierten machen, Hitze auf der Haut aushalten, und der Moderator unterlag). Wer meditiert hat, kann sich nach einiger Zeit so konzentrieren, dass er sie erträgt, ich habe das mal demonstriert, indem ich eine Frau ihre Zigarette auf meiner Handfläche ausdrücken ließ und keine Miene verzog. Ich bin aber davon überzeugt, dass ich das im Grunde jedem innerhalb von wenigen Minuten ohne Hypnose beibringen könnte. Gegen andere Schmerzen ist das teils kontraproduktiv, die Konzentration kann Migräne nach meiner Erfahrung sogar verschlimmern.

    Zitat

    Hier scheint mir eine zweite Hypothese versteckt zu sein, die grob aussagt, dass Gier und Hass der Hauptgrund für unethisches Verhalten sind und auch dieses durch buddhistische Methoden schwindet.

    Auch das ist ja nicht immer richtig. Gier und Hass haben schon dazu geführt, dass die Welt sich ein bisschen besser anfühlte, z. B. für manche, als Bin Laden oder Hitler beseitigt oder dazu veranlasst wurden oder der Mossad Jagd auf Nazis machte. In Sachen Gier müsste man die Prostitution anführen, die für Millionen von Frauen weltweit eine Einnahmequelle darstellt, die zumindest ein Teil davon sonst nicht hätte. Gier und Hass können auch Antriebskräfte sein, die das Leben Einzelner oder ganzer Gemeinschaften erleichtern.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Einmal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Hallo JoJu91 , :)

    interessant, was du über deine Erfahrungen mit Psychotherapie schreibst...

    Ein Satz eines verzweifelten Therapeuten und Nervenarztes ist mir in Erinnerung geblieben:

    "Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind ?

    Ich würde auch lieber zum Jet Set gehören und meine Tage mit schönen Frauen an der Cote d'Azur verbringen. Stattdessen bin ich Nervenarzt geworden und muss mir hier ihren Mist anhören ..."

    Den Therapeuten stehen ja vielfältige Behandlungsmethoden zur Verfügung und das, was du da schilderst, könnte man ev. in die Kategorie "Paradoxe Intervention"/Provokative Therapie einordnen (es muss also keine verbale Entgleisung und Abwertung/Beleidigung durch einen - ggf. überforderten - "narzisstischen Weißkittel" sein - aber auch das mag es natürlich geben ;) ...).

    (Entscheidend ist dabei, was nachkommt: Die Intervention sollte "aufgelöst" werden...)

    Zitat

    Die Grundidee ist, dass der Therapeut die selbstschädigenden Verhaltensweisen des Klienten humorvoll persifliert, so dass der Klient selbst sein Verhalten erkennt und darüber lachen kann („ihm humorvoll der Spiegel vorgehalten wird“) und er damit größere mentale Distanz und Freiheit gewinnt. Darüber hinaus wagt der provokative Therapeut Bewertungen auszusprechen, die der Klient insgeheim zwar selbst denkt, aber für sich behält.[4] So kann es denn gut sein, dass der provokative Therapeut eine (in Worten) abschätzige Bemerkung über das Äußere oder die Intelligenz des Klienten macht, dies aber durch Übertreibungen, Stimmton und Gesichtsausdruck („augenzwinkernd“) anders konnotiert, und damit eine Umdeutung anbietet. Der Klient erlebt, dass das von ihm insgeheim Gedachte, vor dem er selbst so viel Angst hatte und was er selbst so schrecklich fand, dass es unaussprechlich blieb, doch ausgesprochen werden kann. Und gleichzeitig erlebt er eine Neubewertung des „Schrecklichen“, so dass er befreiend lachen und sich von den lähmenden Gedanken distanzieren kann.[5][6]


    Bevor ich zum Buddhismus fand, hatte ich auch diverse ambulante Psychotherapien (Angststörung/Trauma) durchlaufen, einmal - zwischendrin - landete ich bei einer Allgemeinmedizinerin, die auch Coaching/"Lebensberatung" anbot.

    Eines Tages, als ich total depri bei ihr saß und in Selbstablehnung "badete", herrschte sie mich ziemlich laut an: "Sie sind sooo NEGATIV - ICH KÖNNTE GRAD KOTZEN!!!"


    Da wachte ich schlagartig auf! :o

    (Bisher hatte ich sie nämlich stets verständnisvoll und hilfsbereit erlebt, wurde geradezu überschüttet mit Tipps, Ratschlägen und hilfreichen "Accessoires"...)


    Sehr überrascht, verblüfft und überrumpelt sagte ich erstmal gar nichts und fuhr heim. Meine Depristimmung war plötzlich verflogen, die Gedanken drehten sich nun um die Ärztin und was wohl mit "der" los war....

    Später berichtete ich meinem (sehr geschätzten) Psychiater von dem Vorfall und er verklickerte mir - mit wissendem Grinsen, - dass da wohl der "Narzissmus des Heilers" von mir beleidigt worden war... :?


    Ein (für mich) ganz neuer Aspekt:

    Auch Profis(!), Menschen, deren Beruf(ung) es ist, hilfsbedürftigen anderen Menschen zu helfen, sind schlimmstenfalls frustriert und "beleidigt", wenn der Heilerfolg ausbleibt - vor allem, wenn sie sich sehr bemüht hatten.


    Das "Phänomen" könnte ich mir übrigens auch im Bereich "buddhist. LehrerInnen" vorstellen...



    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

    Einmal editiert, zuletzt von Anna Panna-Sati ()

  • Mein letzter Therapeut war dann aber echt ein verkleideter Buddha.

    Alles was er tat, war, mir Fragen zu stellen, mir Lösungen für meine schrägen Probleme herauszulocken.

    Das ist die einzig richtige Vorgehensweise, denn die Lösung liegt immer in dir/mir selbst. Dies erinnert mich an die ersten Verse des Dhammapada. Die Aufgabe des Therapeuten besteht darin, uns den Weg zur Quelle( "Tränke") zu zeigen( hin-weisen), aber gehen und trinken müssen wir selbst. _()_

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • "Sich geistig (anders) gegenüber positionieren" hört sich ja ziemlich dualistisch (Hier ist das Leiden und dort bin ich (selbst) und positioniere mich ihm gegenüber?) und darüber hinaus nach einer lediglich veränderten Einstellung zum Leiden an.

    Ich fürchte, das wird nicht reichen.... :?

    Doch, das reicht, wenn man genauer formuliert.


    Ich finde, es wäre sinnvoll, genauer zwischen Schmerz und Dukkha zu unterscheiden, als Du es tust, Bebop , aber ich weiß auch, dass Du das nicht willst.


    Die Einstellung gegenüber Dukkha ändert sich, weil wir es als selbstgewählt erkennen. Zur Überwindung ändert sich aber vor allem die Einstellung gegenüber den Dingen und Situationen, die wir benutzen, um Dukkha zu generieren.


    Bedingtes wird als bedingtes behandelt. Vergängliches wird als vergängliches behandelt.


    In so weit geht es tatsächlich um Abgrenzung, aber nicht im dualistischen Sinne.


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Ich finde, es wäre sinnvoll, genauer zwischen Schmerz und Dukkha zu unterscheiden, als Du es tust, Bebop , aber ich weiß auch, dass Du das nicht willst.

    Nur zu.


    Ergänzend etwa Rhys Davids und Monier -Williams, die "causing pain or sadness" definieren (laut Wiki). Auch die Herleitung von "instabilem Stehen" beschreibt Körperliches. Schmerz und Traurigkeit haben in der Regel weder die gleiche Ursache noch die gleiche Lösung.


    Auch im Hinblick auf "Geburt ist leidvoll" macht nur die Deutung "schmerzhaft" Sinn, es sei denn man würde großzügig zugute halten, es ginge ums Baby und man hätte damals eben nicht gewusst, dass dieses noch kein Ich-Bewusstsein habe und (geistiges) Leiden nicht kennen könne.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Einmal editiert, zuletzt von Bebop ()


  • Zenmeister Hakuin und das Kind


    Der Zenmeister Hakuin Ekaku (1685 – 1768) war in seiner Nachbarschaft sehr beliebt. Man lobte ihn wegen seines reinen Lebenswandels. Ein junges und schönes Mädchen wohnte in seiner Nähe. Ihre Eltern waren Kaufleute. Das Mädchen wurde schwanger. Sie war nicht verheiratet. Sie wollte den Namen des Kindsvaters nicht preisgeben. Die Eltern ließen ihr keine Ruhe, da behauptete sie: „Hakuin ist der Vater meines Kindes.“

    Enttäuscht und über alle Maßen wütend gingen die Eltern zu dem Meister. Alles was er zu den Vorwürfen sagte war: „Ist das so?“

    Das Kind wurde geboren. Die zornigen Eltern der frischgebackenen Mutter brachten das Neugeborene zu Hakuin. Hakuin hatte inzwischen seinen guten Ruf verloren. Man hielt ihn für eine verkommene Kreatur. Das schien Hakuin jedoch nicht weiter zu beunruhigen. Die Eltern des Mädchens riefen:„Hier, dein Kind!“ „Ist das so?“ war alles, was Hakuin dazu sagte.

    Er nahm das Baby auf und sorgte gut für das kleine Kind. Er pflegte und behütete es wie sein eigen Fleisch und Blut.

    Ein Jahr verging. Die junge Mutter hielt es nicht mehr aus. Sie beichtete ihren Eltern die Wahrheit. Der Vater ihres Kindes wäre ein armer, junger Fischer und nicht der Zenmeister Hakuin.

    Unverzüglich gingen die Eltern der jungen Frau zu Hakuin. Sie baten ihn unter Tränen um Vergebung. Es täte ihnen so unendlich leid. Ob sie das Kind zu sich nach Hause holen könnten? Hakuin war einverstanden. Er übergab ihnen das Kind. Tränenüberströmt dankten sie ihm nochmals und sagten: „Du bist ein so reiner Mensch! Ein wahrer Meister!“


    Alles was Hakuin ihnen entgegnete war: „Ist das so?


    ;)

  • Übertreffen? Ich dachte immer, dass es um eine gute, fruchtbare Lehrer-Schüler-Beziehung geht, in der durchaus auch der Lehrer ein Lernender sein soll/"darf"

    Das ist schon richtig.

    Der Ausdruck aus dem Zen heißt im Japanischen

    "Kenshi ni sugite masani denju suruni tau"

    見過於師方堪傳授

    und beschreibt, dass ein Schüler den Dharma übermittelt bekommt, wenn er in der Verwirklichung des Weges den Meister übertrifft.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • und den Meister übertreffen ist unmöglich. Da sind zwei Meister mit ganz eigenem übermitteltem einen Dharma.

  • und den Meister übertreffen ist unmöglich.

    Man kann solche Sprüche/Überlieferungen prinzipiell mit konkretem Inhalt zu füllen suchen und sich vom Nebulösen stärker wegbewegen, wie ich es auch mit jakugo und mit Antworten auf Koan schon in Büchern gemacht habe. Es ist m.E. kein Übertreffen im Erwachen oder "Meistersein" gemeint, das soll ja kein Wettbewerb sein.

    Ich halte es z.B. so, dass ich keine Sanzen gebe und nicht darin übergriffig werden kann, wie es "mein" Meister tat. Weder sitze ich in der Regel mit anderen noch gibt es ritualisierte Gespräche.

    Ein anderer Ausdruck könnte beim Verständnis helfen. Es ist m.E. nichts, was der Außenstehende unbedingt sieht, sondern was der Schüler für sich erkennt (an "Mängeln" des Meisters).


    Honshien no kan

    見過於師方堪傳授


    Das ist einer, der insgeheim Salz verkauft.


    Gemeint ist, dass die Identität von Meister und Schüler den anderen verborgen bleibt. Aber für den Schüler gibt es da eine Aufgabe, die im Grunde nur ihn was angeht. Und der Meister muss verstehen, ob der Schüler das Potential hat, diese Aufgabe zu erfüllen.


    Ein passendes Koan ist Nr. 13 im Shoyoroku. Rinzai testet einen Nachfolger, wie der denn bitte seine Lehre nach Rinzais Tod weitergeben will. Und der andere ruft: "Katsu!" Das war natürlich zu erwarten, denn es ist eines der Kennzeichen von Rinzai (Linji). Allerdings bezeichnet Rinzai ihn dann als Esel.


    Darum: Die Lehre auch des eigenen Lehrers weiterentwickeln und ihr eine persönliche Note geben.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)