Tätige Nächstenliebe im Buddhismus

  • Im Christentum geht es ja nicht nur um die Veränderung des eigenen Geistes sondern um die Veränderung der Welt - man soll ja am Reich Gottes mitarbeiten - was ja eine gesellschaftliche Utopie vorgibt - eben eine Gemeinschaft der gegenseitigen Liebe aufzubauen.


    Während im Buddhismus selbst so soziale Haltungen wie karuna, metta mudita nicht als Wege zu einer besseren Welt sondern zu einem friedvolleren Geist gesehen werden..

    Tendenziell verstehe ich das auch so. Wobei es auch im Christentum eine Praxis gab oder gibt, die eine Erlösung der Menschheit durch eine weltabgewandte Praxis hinter verschlossenen Mauern anstrebt. Also nicht wirklich tätig in der Welt. Und im Buddhismus gibt es auch die sozialen Aspekte der Verantwortungsübernahme in sozialen Fragen, wie z.B. bei dem schon erwähnten Engagierten Buddhismus oder Initiativen wie "Mitgefühl in Aktion".


    Bei dem Beispiel mit Buddha und dem kranken Mönch, fällt mir auf, dass hier das tätige Mitgefühl auf die Sangha der Ordinierten begrenzt wird, eben auch gerade weil diese keinen Rückhalt mehr in der Familie als soziale Unterstützung haben.

    Diese Textstell finde ich sehr treffend. Ich frage mich, ob nicht hier die Gleichzeitigkeit der Sorge für Andere und der Selbstsorge das Entscheidende ist. Das eben nicht das eine dem anderen zeitlich vorausgehen muss. Dem entspricht ja auch diese Sicht.

    Ich sehe es ganz laienhaft so, dass im Buddhismus meine Nächsten nicht getrennt von mir existieren und eher ein Teil meiner eigenen Wahrnehmung sind, in diesem Sinne ein unabtrennbarer Teil meiner Existenz. Und so gehe ich mit meinen Nächsten um wie mit mir selbst.


    Mit diesem Eindruck stehst du nicht alleine...


    Der Vorwurf des "Egoismus" haftet den Buddhisten im Westen ohnehin schon ein wenig an, Tenor: "Die sitzen da nur auf dem Kissen herum, während andere, z.B. Christen, die Ärmel aufkrempeln, sich organisieren und praktische Hilfe leisten...!"

    Vielleicht tun wir den westlichen Buddhisten und Buddhistinnen da ja tatsächlich unrecht und es passiert vielmehr in diese Richtung als öffentlich wahrgenommen wird. Man muss ja auch sehen, dass der Buddhismus hier einfach keine fest institutionalisierte Religionsgemeinschaft ist.


    Wenn der Buddhismus seine Glaubwürdigkeit als "friedlichste Religion" mit Schwerpunkt "Mitgefühl für alle Wesen" behalten (und im Westen überleben) will, wäre es m.E. wichtig, nicht länger das Bild zu vermitteln, man "sitze" nur so für sich...


    "An ihren "Früchten" werdet ihr sie erkennen.", ein Ausspruch Jesu -Mt 7,16- , der auch auf Buddhisten anwendbar ist...

    Von void wurde das oben schon angesprochen der Unterscheid zwischen einer Haltung, die die Taten in den Mittelpunkt der moralischen Wertung stellt, und einer Haltung, die die Absicht oder Gesinnung als entscheidend sieht. Da gibt es auch innerhalb des Buddhismus unterschiedliche Ansichten - wie auch im Christentum - könnte ich mir vorstellen.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ja, das leuchtet ein, allerdings:

    Wie viele Buddhisten sind schon so weit?


    Tatsächlich befinden sich wohl die meisten Praktizierenden noch in der Dualität und handeln als "Ich" , wobei es den Hilfsbedürftigen egal sein dürfte, ob der Helfende (auf dem Weg) schon weiter fortgeschritten ist - Hauptsache, er handelt mit offenem Herzen, verstehend, achtsam, liebevoll und mitfühlend.


    Deshalb wäre es nicht sinnvoll, mit dem Handeln bis zur "Erleuchtung" zu warten... ;)

    Genau. Selbstloses Handeln stellt in sich einen hervorragenden Praxisweg zur Überwindung von dualistischer Anhaftung dar.

  • Und wie ist das richtige Verständnis der Lehre, egal welcher?

    Keine Ahnung. Ich kann nur über meine persönliche Auffassung der Lehre sprechen und bezog mich mit dem Begriff „falsches Verständnis“ in #20 in erster Linie auf genau das irrtümliche Verstehen, das ich in diesem Post aufzuzeigen versucht habe.

  • Und wie ist das richtige Verständnis der Lehre, egal welcher?

    Keine Ahnung. Ich kann nur über meine persönliche Auffassung der Lehre sprechen und bezog mich mit dem Begriff „falsches Verständnis“ in #20 in erster Linie auf genau das irrtümliche Verstehen, das ich in diesem Post aufzuzeigen versucht habe.

    Für mich persönlich ist das die beste Antwort.

    Der Geschmack der Befreiung ist doch immer gleich, oder? LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Vielleicht tun wir den westlichen Buddhisten und Buddhistinnen da ja tatsächlich unrecht und es passiert vielmehr in diese Richtung als öffentlich wahrgenommen wird. Man muss ja auch sehen, dass der Buddhismus hier einfach keine fest institutionalisierte Religionsgemeinschaft ist.

    Der Buddhismus hat sich ja erst seit den 70ern im Westen verbreitet, als einzelne Lehrer nach USA kamen und den "Hippies" den Dharma gelehrt haben. Seitdem gibt es aber hier schon auch eine Menge engagierter Buddhisten.


    In vielen Teilen von Asien werden die Köster und Mönche durch Zuwendungen der Laien aufrechterhalten und finanziert. In Deutschland ist das anders.


    Mit der Caritas und der Diakonie, die in Deutschland seit langem institutionell tätig sind, können die paar Buddhisten hier kaum verglichen werden. Die Kirchen finanzieren sich über die Kirchensteuer und staatliche Gelder. Sie übernehmen dankenswerterweise dabei auch Aufgaben, von denen meiner Ansicht nach viele eher staatliche Aufgaben wären.


    Die DBU betreibt auch soziale Projekte in Deutschland, ist jedoch chronisch unterfinanziert.


    Wäre mal interessant, wie es in Österreich aussieht, wo der Buddhismus seit 1983 als staatliche Religion anerkannt ist. Aber da kenne ich mich nicht so aus.

  • Ich halte es auch für einen Irrtum, zu glauben, das Boddhisattva-Ideal bestünde darin, erstmal persönlich Erleuchtung zu erlangen, um dann auch andere zur Erleuchtung zu führen.

    Ich dachte bisher immer, der Bodhisattva verzichte bewusst auf das Eingehen ins Nirvana, um, erfüllt von Bodhicitta, zunächst allen anderen Wesen zu helfen, befreit zu werden?

    Gemäß dem Bodhisattva-Idael unter Auflösung der "Ich"-"Andere"-Dualität für alle da zu sein, ist als Praxis bereits Ausdruck des Erwachens.

    Aha, also ist er doch schon erwacht, aber eher "inoffiziell"?

    In der Realität mögen wir alle ja noch sehr weit entfernt von der Verwirklichung dieses Bodhisattva-Ideals sein. Das liegt dann aber vielleicht auch oft an einem falschen Verständnis der buddhistischen Lehre.

    Es ist ja wirklich auch ein hoher (in der Praxis unmöglich zu erfüllender) Anspruch, der in dem Bodhisattva- Gelübde zum Ausdruck kommt.

    (Z.B.: "Die Zahl der Wesen ist unendlich, ich gelobe, sie ALLE zu erlösen.")


    Hier scheint es wohl mehr um den innigen Wunsch, das Wollen der Erleuchtung für alle Wesen, zu gehen, als um vollständige praktische Umsetzung? :shrug:



    Ein Beispiel aus dem realen, alltäglichen Leben mag dies veranschaulichen:


    Da fragt in einem Sesshin ein (ordinierter!) Teilnehmer den Zen-Meister um Rat...

    Er sei verheiratet und seine Frau seit einiger Zeit schwer krank. Demzufolge könne er nun nicht mehr länger von zu Hause wegfahren, um an Sesshins teilzunehmen und dies würde seine (spirituelle) "Praxis beeinträchtigen".

    Konkrete Frage: "Wie kriegt man das geregelt?"


    Antwort des Zen-Meisters: "Die kurze Antwort ist vermutlich:

    Du kriegst es nicht geregelt!" .... :o


    (Die längere Antwort führt aus, dass dieser Fall, wie ein - letztlich nicht zu lösender - Koan sei, das Einzige, was man tun könne, sei, " es mit vollem Herzen, mit Hingabe, falsch zu machen...mit vollem/ganzem Herzen zu scheitern..."

    Hm.... :? )


    Im Endeffekt scheint es sich hier doch um das Thema

    Selbstfürsorge/-liebe versus Nächstenliebe/-fürsorge zu drehen?


    (Wobei klar ist, dass die Situation schlussendlich eine Art Kompromiss erfordert, weil ein pflegender Mensch auch Pausen zum "Auftanken" benötigt, wenn es nicht zu einem Burnout kommen soll.)


    In diesem Fall hätten es Christen definitiv leichter, eine Entscheidung zu treffen:

    Selbstverständlich wäre es gelebte ("Nächsten-) Liebe und praktiziertes Christentum, bei der Frau zu bleiben und sie zu pflegen.

    (1x pro Woche Sonntagsgottesdienst wäre ja noch drin, es braucht ja nicht unbedingt eine Wallfahrt oder Exerzitien, um Gott nahe zu kommen...)


    Im Zweifelsfall finden sich in christlichen Gemeinden jedoch meist auch Ehrenamtliche, die vertretungsweise "einspringen" (meist Frauen...).


    (Der -alleinstehende- Chorleiter des Kirchenchors, in dem meine Mutter früher sang, erkrankte vor Jahren an ALS und wurde in seinen letzten Tagen von Gemeinde- und Chormitgliedern rund um die Uhr begleitet - bis in den Tod. :heart: :wrose: )


    Es wäre m.E. schön und erstrebenswert, wenn dieses gelebte Mitgefühl auch bei den Buddhisten, in den Sanghas, praktiziert würde....

    Oder?



    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

    Einmal editiert, zuletzt von Anna Panna-Sati ()

  • Gemäß dem Bodhisattva-Idael unter Auflösung der "Ich"-"Andere"-Dualität für alle da zu sein, ist als Praxis bereits Ausdruck des Erwachens.

    Aha, also ist er doch schon erwacht, aber eher "inoffiziell"?

    Gemäß einer weit verbreiteten Anekdote soll Buddha nach seiner Erleuchtung sinngemäß ausgerufen haben: "Alle Wesen sind bereits erleuchtet; nur aufgrund ihrer Anhaftung an verblendendes Denken sind sie sich dessen nicht gewahr."


    Davon abgesehen ist es (zumindest gemäß der Zen-Tradition, in der ich ausgebildet wurde und praktiziere) ein Mythos, dass Erleuchtung ein für alle mal erreicht würde und man dann für immer erwacht sei. Das Erwachen ist vielmehr etwas, das von Augenblick zu Augenblick verwirklicht werden möchte (ganz im Sinne des obigen Buddha-Zitats). Unser waches Gewahrsein findet in einer absoluten Gegewart, also immer genau jetzt statt. Die Erleuchtung von gestern ist genau jetzt eine bloße Erinnerung. Sind wir genau jetzt gebunden an Anhaftungen und unterscheidendes Denken (z.B. in Form von Erinnerungen), kann dieser Zustand nicht als Erwachen beschrieben werden.


    Im Diamant-Sutra bezeichnet Buddha dies auch als das Ergreifen der 'Vorstellung von einer Lebensspanne' (im Sinne von Zeitvorstellung); eine der vier Arten von Vorstellungen, die ein Bodhisattva nicht ergreift:


    Zitat

    Subhuti, weil ein Bodhisattva, der die Vorstellung von einem Selbst, die Vorstellung von einer Person, die Vorstellung von einem fühlenden Wesen oder die Vorstellung von einer Lebensspanne hat, kein Bodhisattva ist.

    (Diamant Sutra, Kap.3)


    Ich dachte bisher immer, der Bodhisattva verzichte bewusst auf das Eingehen ins Nirvana, um, erfüllt von Bodhicitta, zunächst allen anderen Wesen zu helfen, befreit zu werden?

    Hier gilt das Gleiche. Das Nirvana, in das ich später eingehen möchte, ist genau jetzt nur eine Vorstellung. Man kann auch sagen, es ist eine Vorstellung, die ich genau jetzt aufkommen lasse und der Schlüssel zum Erwachen liegt nicht in der Vorstellung an sich, sondern in demjenigen, das eine solche Vorstellung genau jetzt hat/wahrnimmt.


    Die von dir wiedergegebene Lehre verstehe ich so, dass ein Erwachen aus deiner Perspektive (und das ist die einzige, die du jemals haben kannst) das Erwachen aller anderen Wesen miteinschließt. Irgendwer sagte mal: "Wenn du erwacht bist, sind alle Wesen erwacht." Denn nichts, was du jemals erlebst, wahrnimmst oder dir vorstellst, kann getrennt von dir sein. Andersherum verstanden, wäre eine Erleuchtung, die nur dich betrifft und andere ausschließt, wieder geprägt von der Unterscheidung zwischen "Ich" und "Anderen" und könnte nicht als wirkliches Erwachen bezeichnet werden.


    'Absolutes Bodhichitta' bezeichnet gemäß der Buddhaland-Definition "die Verwirklichung von Leerheit, untrennbar vom allumfassenden Mitgefühl und jenseits dualistischer Vorstellungen", ist also in sich bereits ein Synonym des Erwachens bzw. der Verwirklichung des Bodhisattva-Ideals.

  • Wo ist das Fleisch?

    Wo ist „Skin in the game“?

    Wo ist das die eigene Haut aufs Spiel setzen?

    Heißt riskiert hier jemand, dass er aus eigener persönlich erhandelten Erfahrung, mit eigenen Worten und eigener Haut sagt, was er erfahren hat und riskiert nicht verstanden zu werden, für nicht buddhistisch gehalten zu werden?

    Wo ist die echte Hilfe, die Buddha immer mitliefert, ganz ohne Buddhismus?

    Alles nur Gedanken über Gedanken anderer.

  • Heißt riskiert hier jemand, dass er aus eigener persönlich erhandelten Erfahrung, mit eigenen Worten und eigener Haut sagt, was er erfahren hat und riskiert nicht verstanden zu werden, für nicht buddhistisch gehalten zu werden?

    Ja, u.a., du, immer wieder. :)


    Wo ist die echte Hilfe, die Buddha immer mitliefert, ganz ohne Buddhismus?

    Was würde Buddha Shakyamuni wohl dem Fragesteller im Sesshin (# 31) antworten?


    Wieso musste der Teilnehmer - als Ordinierter, der die Bodhisattva-Gelübde empfangen hat - überhaupt jemanden fragen?


    (Weiß man nach Jahren/Jahrzehnten der (Zen-) Praxis immer noch nicht, was zu tun ist?)


    Was würdest DU ihm sagen?




    Liebe Grüße _()_ :heart: :)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Es wäre m.E. schön und erstrebenswert, wenn dieses gelebte Mitgefühl auch bei den Buddhisten, in den Sanghas, praktiziert würde....

    Oder?

    Ja, da stimme ich Dir auf jeden Fall zu. Die große Sangha im Sinne der größeren buddhistischen Gemeinschaft von Praktizierenden ist in meinen Augen wichtig als Gemeinschaft für die Entwicklung der Einzelnen. Die spirituelle Freundschaft unter Dharma-Geschwistern - wie unvollkommen auch immer - den Dharma zu teilen aus einem Gefühl der Verbundenheit ist für mich sehr wichtig. Manchmal habe ich das nicht so erlebt in Gruppen oder Zentren, in denen ich war. So etwas muss sich auch entwickeln und muss kultiviert werden von allen Beteiligten.


    Wobei das ja auch noch weit entfernt ist von dem Gleichmut, der keinen Unterschied mehr zwischen Wesen macht, da es eine ingroup / outgroup Unterscheidung beinhaltet.

    Alles nur Gedanken über Gedanken anderer.

    Durch das "nur" klingt es in meinen Ohren etwas abwertend. Haben Gedanken über Gedanken anderer weniger Wert als "reine" eigene Erfahrungen? Das ist doch auch ein wichtiger Aspekt von Bezug auf andere, die vor uns waren oder jenseits unserer eigenen Erfahrung, sich mit ihren Gedanken auseinander zu setzen. Also ich sehen das nicht so negativ. Aber vielleicht war es ja auch gar nicht so negativ gemeint von Dir.


    Die von dir wiedergegebene Lehre verstehe ich so, dass ein Erwachen aus deiner Perspektive (und das ist die einzige, die du jemals haben kannst) das Erwachen aller anderen Wesen miteinschließt. Irgendwer sagte mal: "Wenn du erwacht bist, sind alle Wesen erwacht." Denn nichts, was du jemals erlebst, wahrnimmst oder dir vorstellst, kann getrennt von dir sein. Andersherum verstanden, wäre eine Erleuchtung, die nur dich betrifft und andere ausschließt, wieder geprägt von der Unterscheidung zwischen "Ich" und "Anderen" und könnte nicht als wirkliches Erwachen bezeichnet werden.

    Ich habe mit der Beschreibung dieses non-dualistischen Seins, in dem keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen und Außen da ist, meine Probleme, weil das oberflächlich betrachtet auch eine Beschreibung eines undifferenzierten frühen menschlichen Entwicklungsstadiums sein könnte. Wenn wir als Säuglinge noch nicht unterscheiden können zwischen Ich und Anderen, zwischen eigenen und fremden Bedürfnissen. Wie kommt es, dass die Beschreibung von vermeintlich sehr fortgeschrittenen spirituellen Verwirklichungen so ähnlich klingt wie das Da-Sein eines Säuglings? Da gibt es doch sehr wahrscheinlich einen wesentlichen Unterschied, der mit entgangen ist, oder?

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

    Einmal editiert, zuletzt von Maha ()

  • Der Buddhismus hat sich ja erst seit den 70ern im Westen verbreitet, als einzelne Lehrer nach USA kamen und den "Hippies" den Dharma gelehrt haben. Seitdem gibt es aber hier schon auch eine Menge engagierter Buddhisten.

    Die "Hippies" sind natürlich in gewissem Sinn auch der Inbegriff von Egozentrik. :lol:

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Die "Hippies" sind natürlich in gewissem Sinn auch der Inbegriff von Egozentrik. :lol:

    Echt jetzt? Love, Peace and Happiness, Friedensbewegung, Wohngemeinschaften, gemeinschaftliches Eigentum, Antirassismus, Kapitalismuskritik?

    Ich hatte das jetzt vielleicht etwas leger formuliert, aber die Anhänger von Suzuki und Trungpa waren sicher auf der Suche nach neuem Denken und anderen Lebensformen.

    Ist aber nur ein Nebenthema, denke ich.

  • Da gibt es doch sehr wahrscheinlich einen wesentlichen Unterschied, der mit entgangen ist, oder?

    Bewusstes Gewahrsein, Loslassen von Anhaftung an Gier, Wut und Verblendung.


    (Säuglinge sind emotional sicher sehr authentisch, aber ihren Begierden, Ängsten und Abneigungen auch ziemlich hilflos ausgeliefert. Ich kann mich an mein Bewusstsein als Säugling nicht erinnern und schließe daraus bzw. vermute, dass es nicht dem konstanten, gegenstandslosen Gewahrsein des Buddhageistes entspricht.)

  • Der Buddhismus hat sich ja erst seit den 70ern im Westen verbreitet, als einzelne Lehrer nach USA kamen und den "Hippies" den Dharma gelehrt haben.

    Du meinst nicht die 1870er Jahre, obwohl der Buddhismus sich seither in mehreren Etappen, unterbrochen von den Weltkriegen in die Kolonialherrenländer - dem Westen - verbreitet hat ?

    Buddhismus (Tuepfli)


    Und die Anhänger von Suzuki - da fällt mir z.B.Richard Baker ein, waren auf alles mögliche aus - vielleicht auch neue Lebensformen, obwohl die alten ja immer wieder durch kommen.

    :zen:



  • Ich habe mit der Beschreibung dieses non-dualistischen Seins, in dem keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen und Außen da ist, meine Probleme …

    Das ist völlig okay. Ich glaube auch nicht, dass Mahayana-Buddhismus für jede/n immer die geeignetste Methode sein muss. Vielleicht ist das einfach nicht dein Ding. Dieser Eindruck entstand zumindest bei mir, als dir im Nachbar-Thread bei der Erwähnung von Koan-Praxis und Zen-Talk nichts anderes einfiel als ein abwertender Bibelspruch über Balken im Auge. Vielleicht erschließt sich dir der Theravada-Buddhismus ja besser.

  • Sicher gab es Buddhismus im Westen schon vor der Bewegung der 1970er.


    Richard Baker sagt mir jetzt nichts. Vielleicht willst Du hier etwas über ihn schreiben?


    Was denkst Du denn über die Ausgangsfrage nach der Rolle der Nächstenliebe im Buddhismus im Vergleich zum Christentum? Das würde mich sehr interessieren.


    Liebe Grüsse! Nanu

  • Richard Baker sagt mir jetzt nichts. Vielleicht willst Du hier etwas über ihn schreiben?

    Baker hat eine wikiseite, da kann man auch über seine Zeit bei Suzuki nachlesen.


    Ich vergleiche nicht den Buddhismus mit dem Christentum - ansonsten habe ich hier schon ausreichend was zum Thema gesagt. #3

    :zen:



  • Ich habe mit der Beschreibung dieses non-dualistischen Seins, in dem keine Unterscheidung mehr zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Innen und Außen da ist, meine Probleme …

    Das ist völlig okay. Ich glaube auch nicht, dass Mahayana-Buddhismus für jede/n immer die geeignetste Methode sein muss. Vielleicht ist das einfach nicht dein Ding. Dieser Eindruck entstand zumindest bei mir, als dir im Nachbar-Thread bei der Erwähnung von Koan-Praxis und Zen-Talk nichts anderes einfiel als ein abwertender Bibelspruch über Balken im Auge. Vielleicht erschließt sich dir der Theravada-Buddhismus ja besser.

    Ich meine ja nicht, dass non-dualistische Sicht schlecht ist. Ich glaube nur, dass es da viele Missverständnisse gibt.


    Mein Zitat im Nachbarthread bezog sich auf die Frage, ob man anderen ungefragt ihre Verblendung unter die Nase reiben sollte und darauf wie ich es persönlich mit dieser Frage halte. Ich habe gar nicht wahrgenommen, dass es dabei um Zen oder Koan Praxis ging, beziehungsweise war das für mich nicht der wesentliche Punkt dabei.


    Das Zitat stammt übrigens aus der Bergpredigt und es drückt für mich eine grundlegende Einsicht in die menschliche Tendenz zur Projektion von eigenen Schwächen auf Andere aus.

    "Das Siegel der erreichten Freiheit: Sich nicht mehr vor sich selbst schämen."

    - Irvin Yalom, Und Nietzsche weinte

  • Ich grätsch mal mit meinen eigenen Gedanken hier rein ,weil ich zufällig gerade Zeit habe. :)


    die aktive Nächstenliebe hat. Im Christentum gibt es ja die caritas als eine zentrale Tugend,

    Das finde ich, unabhängig vom Buddhismus, eine wichtige Frage. Die Rolle der Kirchen wird sich in den nächsten Jahren weiter abschwächen. Es muss sekulären Ersatz geben. Weil: Der Bedarf nach Caritas, Nächstenliebe, bleibt auf der gesellschaftlichen Ebene ja da.


    Im Bereich der Kinderbetreuung hat das schon ziemlich gut geklappt, da kenn ich mich ein wenig aus. In anderen Bereichen weiß ich nicht, wo wir da stehen.


    Meine Frau arbeitet ehrenamtlich ein bis zweimal pro Woche in einer Spätschicht als Anlaufstelle für psychisch Notleidende. Diese wird von der evangelischen Kirche getragen. Sie hasst diesen Umstand, nimmt es aber in Kauf, weil sie die Tätigkeit wichtig findet.


    Um die Rolle der christlichen Kirchen zu übernehmen, gibts es IMHO in Europa viel zu wenige Buddhisten. Das ist aber auch gar nicht nötig.


    dass die Motivation zur eigenen Erleuchtung, dem Beenden des Daseinskreislaufs, so im Mittelpunkt steht, dass die aktive Nächstenliebe gar nicht so eine große Rolle spielt.

    Das ist mir sehr rätselhat, in welcher Tradition jemand praktizieren würde, für den Nächstenliebe verzichtbar wäre.


    Gibt es im Buddhismus etwas vergleichbares?

    Ich kenne keine Tradition, in der Dana nicht eine wichtige Rolle spielen würde.


    Die Freigebigkeit ist die geistige Einstellung, für das Wohl anderer Menschen zu wirken. Diese Einstellung muss man aber erst einmal im eigenen Geist hervorbringen. Hat man also auf sich selber achtend diese Einstellung entwickelt, wirkt man für das Wohl der Anderen, weil man auf sie achtet.


    Für mich selbst sind Metta und Dana so wichtig wie Achtsamkeit. (Karuna, Mudita und Upekkha nicht zu vergessen)


    Beide verbinden mich mit der Welt, und helfen mir, mich zu öffnen und mich weniger wichtig zu nehmen.


    Wenn ich freigiebig bin, dann fühle ich mich tatsächlich wohlhabender, materiell und sprituell. Und kann mehr teilen.



    Und Dana ist für mich ein guter Test, um Anhaftungen zu testen.


    Dazu eine kleine Anektode: Ich bin mit meiner Frau durch die Fußgängerzne gelaufen, und um die Ecke war ein Straßenmusiker, den ich nicht ausstehen kann. Insgesamt gebe ich sehr gerne, aber da dachte ich mir nur: Oh nein, nicht der schon wieder mit seiner (wirklich schrecklichen) Musik. Dem geb ich bestimmt nichts.


    Glücklicherweise wurde mir dieser Gedanke bewusst, und ich habe ihm absichtlich etwas gegeben, aber eben un-bedingt, nicht für seine Musik. Wenn ich ihm nur gebe, wenn er mir gefällt, dann ist das bestimmt nicht Dana.


    Meine Frau kam aus dem Grinsen nicht mehr raus, weil sie genau wusste, dass ich ihn nicht ausstehen kann.Und ohne Worte wusste sie, was gerade in mir abgelaufen war. Sehr unterhaltsam!


    Wie gesagt, wie man praktiieren kann ohne Dana, dass kann ich mir nicht vorstellen. Und Dana ist ja nicht an buddhistische Gruppen gebunden. Man kann überall großzügig sein.


    Wie man die heutige Rolle der Kirchen ersetzt, weiß ich auch noch nicht.


    Liebe Grüße,

    Aravind.