Körperliche Seite der Sitzmeditation

  • Sôhei:

    1) "Was treibt ihn an, motiviert ihn dazu?"


    Das Leiden.
    Kennst du die Müllpresse-Szene aus Star Wars Episode 1?
    https://www.youtube.com/watch?v=7U3Oti2L8S4
    Stell dir vor, du sitzt in dieser Müllpresse. Dann bekommst du etwas in die Hand, um die Wände wieder auseinanderzuschieben. Würdest du es nicht benutzen?


    In meinem Fall ist die Müllpresse - vereinfacht gesagt - die Depression.


    Zitat

    2) "Was erhofft er sich davon?"


    Die Befreiung vom Leiden.


    Zitat

    Vielleicht auch die Erfahrung von Selbst-Beherrschung, und evtl. die Angst vor dem Versagen oder Aufgeben...


    Selbstbeherrschung spielt in meiner Praxis keine Rolle. Disziplin auf der Basis von Zusammenreißen funktioniert bei mir nicht, null. Bei mir funktioniert nur Disziplin auf der Basis von völliger Einsicht. Und dann ist es keine Disziplin mehr, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne von "Sich-selbst-überwinden", sondern einfach Einsicht, und damit einfach. Und mit dem Versagen bin ich per Du. Versagen ist kein Problem mehr für mich.


    Mich treibt ganz einfach die Erfahrung, dass die Wände der Müllpresse langsam auseinandergehen, wenn ich regelmäßig viel sitze. Wenn ich regelmäßig wenig sitze, bleiben sie stehen. Wenn ich nicht sitze, gehen sie wieder zusammen. Wenn ich sitze, gehen sie wieder auseinander. Reines Erfahrungswissen.


    Zitat

    was bleibt noch spezifisch buddhistisches übrig, wenn keinerlei Gewissheit darüber besteht oder möglich ist, wie das mit der Verwirklichung denn jetzt ist? Wo ist dann noch der Unterschied zu anderen expliziten oder impliziten Wegen der Selbsterfahrung?


    Was ist denn für Dich "spezifisch buddhistisch"?


    Aber in echt jetzt. Ich weiß nicht, was übrig bleibt, wenn die Wände der Müllpresse eines Tages am Horizont verschwinden sollten. Noch sind sie für mich gut sichtbar. oder anders ausgedrückt: Noch sitze ich in der Müllpresse drin. Ich weiß nicht, ob man da ein für alle Mal rauskommen kann, und wenn ja, welcher Weg der beste ist und was da draußen ist.


    Vielleicht muss ich ja nur eine Tür aufmachen und rausspazieren. Es gibt Leute, die sagen das. Aber ich habe noch keine Tür gefunden.


    Zitat

    Wo ist der Unterschied zu einem Leistungs- oder Extremsportler, der sich bei seinem täglichen Training jahrein-jahraus ebenfalls speziellen körperlichen Hürden gegenübersieht? Der eine kann dann am Ende gut Sitzen, der andere schnell Laufen, Skifahren oder sonstwas. Aber darüber hinaus?


    Für mich ist der Unterschied, dass andere Wege für mich nicht funktioniert haben. Außerdem habe ich kein Interesse am Sitzen selbst, auch nicht an irgendeiner Art der Körper- oder Selbstbeherrschung. Ich will nur aus dieser Müllpresse raus, und zwar ein für alle Mal. Wenn ich dafür lernen muss, elf Stunden durchzusitzen, dann mache ich das.


    Verstehst du? Es geht mir nicht um das Sitzen. Das Sitzen ist nur ein Mittel. Ist für den Extremsportler der Extremsport ein Mittel?


    Ich hoffe, das klingt nicht patzig. Ich versuche mein bestes, eine Erklärung zu geben, merke aber, dass das nicht so gut hinhaut. :lol:

  • Hallo Jojo,


    danke für deine Antwort. Klingt ja nicht so schön. Mich würde da zwar noch allerlei interessieren; aber ich denke, das würde den Rahmen hier sprengen und vielleicht auch zu intim werden.


    Dann wünsche ich dir viel Erfolg und alles Gute auf deinem Weg.

  • Sôhei:

    Klingt ja nicht so schön.


    Der Anfang war in der Tat ein bisschen unangenehm.


    Zitat

    Mich würde da zwar noch allerlei interessieren; aber ich denke, das würde den Rahmen hier sprengen und vielleicht auch zu intim werden.


    Wie du meinst.


    Vielen Dank für die guten Wünsche.

  • Jojo:
    Sôhei:

    1) "Was treibt ihn an, motiviert ihn dazu?"


    Das Leiden.
    Kennst du die Müllpresse-Szene aus Star Wars Episode 1?
    https://www.youtube.com/watch?v=7U3Oti2L8S4
    Stell dir vor, du sitzt in dieser Müllpresse. Dann bekommst du etwas in die Hand, um die Wände wieder auseinanderzuschieben. Würdest du es nicht benutzen?



    Entschuldige bitte, aber das ist nicht Episode 1 sondern Episode IV... 8)



    (Sorry, bin halt alter SW-Fan der ersten Stunde)


    edit: Zur Sache selbst, also Schilderung eigner Med.erfahrungen: Was ist interessant. Ich lese hier viellllll... mehr als dass ich schreibe, an entsprechenden Erfahrensberichten bleibe ich immer hängen.

  • sinn-los:

    Entschuldige bitte, aber das ist nicht Episode 1 sondern Episode IV... 8)


    Bin verwirrt.
    Es ist der erste Star Wars Film, den es gab. Es war der erste Kino-Film meines Lebens. Er hat mich tief beeindruckt. Wieso zählt er nicht als Episode I? :shock:

  • Jojo:
    sinn-los:

    Entschuldige bitte, aber das ist nicht Episode 1 sondern Episode IV... 8)


    Bin verwirrt.
    Es ist der erste Star Wars Film, den es gab. Es war der erste Kino-Film meines Lebens. Er hat mich tief beeindruckt. Wieso zählt er nicht als Episode I? :shock:


    Weil ..... der Regisseur die Geschichte mit der Mitte angefangen hatte und dann sich nach hinten und vorn ausuferte - nachdem das ja ein echter Geldesel war - muss jeder noch was dran hängen.
    Einfach mal logisch denken - es gibt eine Zählung der Filme nach der echten Zeit - da ist der Film mit der Müllpresse der erste Film, aber die Episode IV - das ist nämlich die Zählung nach er Geschichte selbst.

  • Jojo:

    ... praktizieren schwerpunktmäßig Mahasi-Sayadaw-Style-Noting (was überhaupt nicht meins ist), und die Map, die der Forengründer entwickelt hat, ist ziemlich fragwürdig...


    Ingram ist sicher in einigen Punkten fragwürdig. Aber falls du mit der Map die 16 insights (vipassana nana) meinst, dann geht dies nicht auf ihn zurück.


    Gruß
    Florian

  • Aiko:

    Weil ..... der Regisseur die Geschichte mit der Mitte angefangen hatte und dann sich nach hinten und vorn ausuferte - nachdem das ja ein echter Geldesel war - muss jeder noch was dran hängen. es gibt eine Zählung der Filme nach der echten Zeit - da ist der Film mit der Müllpresse der erste Film, aber die Episode IV - das ist nämlich die Zählung nach er Geschichte selbst.


    Danke für die Erklärung. Ich kenne nur den ersten Film. Von den Fortsetzungen habe ich mich immer ferngehalten, weil ich mir mein originales Star-Wars-Universum nicht kaputt machen lassen wollte.


    Hm, vielleicht kann ich sie aber jetzt doch mal angucken. Stelle gerade fest, dass mein inneres Star-Wars-Universum sowieso nicht mehr existiert, bis auf ein paar ausgewählte Szenen.
    Deshalb danke mirco.


    Zitat

    Einfach mal logisch denken -


    :D Bin gespannt, ob du diesen Abwatsch-Automatismus irgendwann mal loswirst.

  • Buddhaghosa:

    Ingram ist sicher in einigen Punkten fragwürdig. Aber falls du mit der Map die 16 insights (vipassana nana) meinst, dann geht dies nicht auf ihn zurück.


    Ich weiß. Ich finde die map trotzdem fragwürdig, auch wenn sie Tradition hat. Das ist natürlich nur meine persönliche Meinung, nicht etwa die echte und ultimative Wahrheit über die vipasssana-nanas: http://www.vipassanadhura.com/sixteen.html


    Ich finde es sehr hilfreich, solche Sachen zu lesen. Es hilft mir, mein eigenes Erleben ein bisschen besser reflektieren zu können. Schwierig wird´s meiner Erfahrung nach, wenn man versucht, so ein System dann auch sauber abzuarbeiten. Ich jedenfalls bin dabei bisher immer übel gescheitert.


    Wahrscheinlich gibt es verschiedene Meditationstypen je nach persönlicher Vorgeschichte, und ich gehöre zu der Fraktion, die es nicht schafft, sich einfach mal an ein paar Regeln zu halten.

  • Hallo Jojo,


    Jojo:

    Schwierig wird´s meiner Erfahrung nach, wenn man versucht, so ein System dann auch sauber abzuarbeiten. Ich jedenfalls bin dabei bisher immer übel gescheitert.


    weil es weder mit der körperlichen Seite noch mit Sitzmeditation zu tun hat, mein letzter Einwand hier.


    Man soll das System auch nicht abarbeiten. Das System entfaltet sich von selbst, wenn man angemessen praktiziert und die Vorbedingungen mitbringt. Dann sind die Stufen mal ausgeprägter und mal subtiler. Ganz nach der eigenen Konstitution.


    Gruß
    Florian

  • Buddhaghosa:

    Man soll das System auch nicht abarbeiten. Das System entfaltet sich von selbst, wenn man angemessen praktiziert und die Vorbedingungen mitbringt. Dann sind die Stufen mal ausgeprägter und mal subtiler. Ganz nach der eigenen Konstitution.


    Einwand akzeptiert.
    Was sind die Vorbedingungen?

  • Die Vorbedingungen sind eigentlich das Karma, was man mitbringt, und daraus folgend die Parami. Ich gehe davon aus, dass es Menschen gibt, die egal wie sehr sie sich anstrengen und egal wie lange sie üben, niemals in der Lage sein werden, sich angemessen zu konzentrieren. Manchen gelingt es nach 20 Jahren oder nach 20 Minuten.


    Schönen sonnigen Mittwoch,
    Florian

  • Ich mache weiter. Nächster Zazentag durch. Interessantes Erlebnis: nach dem Sitzen war ich völlig erledigt. Heftige Energieströme im ganzen Körper. Eigentlich hätte ich ein paar Kilometer langsam gehen sollen. Statt dessen Kaffee, Kuchen und Klatsch notdürftig abgefeiert, und dann langsam auf dem Rad heimgegondelt, ganz im Körper.


    Zuhause bei schönstem Sonnenschein aufs Bett gelegt und nichts vermisst (normalerweise drängt es mich bei Sonnenschein raus). Durchs weit offene Fenster den Geräuschen zugehört. Die drangen nicht nur übers Gehör ein, sondern über den ganzen Körper. Alle Sinneseindrücke sehr präsent, lag zwei Stunden so rum und langweilte mich keine Sekunde. Interessante Erfahrung, ging dann aber natürlich weg. Um zehn ins Bett gegangen, um sechs aufgestanden.


    Zwei sehr schöne Beobachtungen noch: Als vor ein paar Wochen die Sonne anfing rauszukommen, stellte ich fest, dass mir ein zwei von meinen Shorts nicht mehr passen. :( Also beschloß ich, keine Schokolade mehr zu essen. Solche Beschlüsse nehme ich nicht allzu ernst, ich fasse sie dauernd. und am nächsten Tag bin ich wieder im alten Trott.


    Doch dies mal, siehe da, der Fachmann staunt und der Laie wundert sich. Seitdem esse ich keine Schokolade mehr. Wahnsinn! Ich bin ziemlich platt. Dazu muss ich vielleicht erklären, dass ich seit meiner frühsten Jugend - also seit nunmehr fast vierzig Jahren - täglich ein oder zwei Tafeln Schokolade gegessen habe (dafür habe ich kaum was anderes gegessen). Auch bei Sesshin. Fünf Tafeln Schokolade im Gepäck, und nachts schnell reingebraten, damit ich nichts abgeben muss.


    Schokolade war mein erster Suchtstoff, später kamen noch krassere dazu. Als Kind habe ich meine Eltern regelmäßig beklaut, um mir die tägliche Tafel leisten zu können. Hört sich lustig an, was? Für mich ist das ein richtig dicker Hammer. Sogar der Kassiererin im Supermarkt ist das aufgefallen: "Sie kaufen ja gar keine Schokolade mehr!"


    Mit Disziplin hat das nichts zu tun. Nicht mal mit Einsicht, stelle ich gerade fest. Ich habe nicht groß nachgedacht, keine innere Argumentation. Absicht, Tun. Oder besser Absicht, Lassen. Ich erlebe zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich einen Beschluss fasse und ihn einfach umsetze. Kein innerer Kampf. Keine Überzeugungsschlachten zwischen verschiedenen inneren Instanzen. Ich würde nicht mal sagen, dass ICH den Beschluss umsetze. Er verwirklicht sich sozusagen selber, allein durch die Absicht. Richtung geändert, gut ist. Es ist also kein Willensakt.


    Manchmal kommt so ein physischer Impuls hoch: hach, Schokolade kaufen... Dann guck ich hin und sage: Hallo, Impuls. Und dann geht dieser labberige Impuls weg. Nicht zu vergleichen mit der verschlingenden Gier, der ich eigentlich immer ausgeliefert war. Hammer! Ich warte darauf, dass die Gier zurückkommt. Aber vielleicht auch nicht. Ich erkläre es mir zurzeit so, dass der Körper deutlich entspannter ist und jetzt nicht mehr diese massive Energiezufuhr braucht. Wenn sie wiederkommt, geb ich Bescheid.


    Und das zweite ist, dass ich morgens immer besser aufstehen kann. Das ist noch nicht so stabil wie das Schokoladeding, aber eine deutliche Tendenz.


    Wenn das so weiter geht, könnte sich mein Leben wirklich ordnen. Im Moment habe ich noch so viele Fronten. Fast alles, was ich tue, speist sich nur aus dem Wunsch, eine unangenehme Konsequenz zu vermeiden. Das ist energieaufwendig. Vielleicht geht es anders. Vielleicht leben normale Menschen immer so, so einfach: heute ist das Bad dran, also putze ich es. Kein Drama. Kein Verschieben. Keine Selbstvorwürfe. Kein panisches Schnellputzen, wenn sich Besuch ankündigt. Einfach putzen und gut ist.


    buddhaghosa, wie du siehst, ist mein Karma ziemlich übel. Vielleicht gehöre ich zu den Menschen, denen die richtige Vorbedingungen für die rechte Konzentration fehlen. Das ist es, was für mich an Zen so wichtig ist: Wer ist der, der die Bedingungen "mitbringt"? Bin ich wirklich der, für den ich mich halte? Und wenn ja, bin das wirklich ich? Oder woraus setzt sich das zusammen, was da Schmerzen verursacht? Woraus genau?


    Ich mache erst mal weiter.

  • Jojo:

    Mit Disziplin hat das nichts zu tun. Nicht mal mit Einsicht, stelle ich gerade fest. Ich habe nicht groß nachgedacht, keine innere Argumentation. Absicht, Tun. Oder besser Absicht, Lassen. Ich erlebe zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich einen Beschluss fasse und ihn einfach umsetze. Kein innerer Kampf. Keine Überzeugungsschlachten zwischen verschiedenen inneren Instanzen. Ich würde nicht mal sagen, dass ICH den Beschluss umsetze. Er verwirklicht sich sozusagen selber, allein durch die Absicht. Richtung geändert, gut ist. Es ist also kein Willensakt.


    Wenn das so weiter geht, könnte sich mein Leben wirklich ordnen. Im Moment habe ich noch so viele Fronten. Fast alles, was ich tue, speist sich nur aus dem Wunsch, eine unangenehme Konsequenz zu vermeiden. Das ist energieaufwendig. Vielleicht geht es anders. Vielleicht leben normale Menschen immer so, so einfach: heute ist das Bad dran, also putze ich es. Kein Drama. Kein Verschieben. Keine Selbstvorwürfe. Kein panisches Schnellputzen, wenn sich Besuch ankündigt. Einfach putzen und gut ist.


    Hallo Jojo,


    ich nehme das zur Gelegenheit, noch einen Gedanken zu einem früheren Post loszuwerden (als du mir meine Fragen beantwortet hast, am 25.06).
    Ich denke doch dass du eine sehr starke Selbstdisziplin hast, denn viele andere Menschen die leiden schaffen es eben nicht, etwas zu tun (egal ob sitzen, sporteln, in Therapie gehen, den Job wechseln oder was weiß ich). Und insofern ist dein Karma nicht so schlecht :)
    Das Beispiel mit dem Ende der Schokolade glaube ich aber sehr gut nachvollziehen zu können. Ich würde es als eine Frucht deiner Bemühungen bezeichnen, und bei den Früchten weiß man halt nie genau, wann sie reif sind. Bei mir war es mit dem Rauchen ähnlich. Ich hatte im Alter von ca. 18 - 29 geraucht; nicht wahnsinnig viel, aber in den letzten Jahren hatte es mich mehr und mehr begonnen zu stören. Irgendwann kam der Punkt, an dem für mich klar war, dass ich nicht mehr rauchen will. Ich habe dann aber kein großartiges Programm zum Rauch-Stopp gestartet, sondern es war einfach innerlich durch. Trotzdem habe ich noch fast zwei Jahre lang geraucht, bis es eines Abends völlig unerwartet "Klick" gemacht hat, und dann war es auch auf Handlungsebene durch. Ich habe es selbst kaum glauben können, aber seitdem habe ich keine einzige Zigarette mehr geraucht (mittlerweile fast 13 Jahre), und das hat mich nie auch nur den Hauch einer Anstrengung gekostet. Es ist einfach vollständig weg; noch mehr: der an diesem Abend "geschlüpfte" Sohei ist ein natürlicher Nicht-Raucher. Das Resultat kam mühelos und unerwartet. Aber die mühevolle Bereitung des Bodens habe ich schon selbst übernehmen müssen; so wie du es auch tust.

  • Jojo:

    wie du siehst, ist mein Karma ziemlich übel. Vielleicht gehöre ich zu den Menschen, denen die richtige Vorbedingungen für die rechte Konzentration fehlen. Das ist es, was für mich an Zen so wichtig ist: Wer ist der, der die Bedingungen "mitbringt"? Bin ich wirklich der, für den ich mich halte? Und wenn ja, bin das wirklich ich? Oder woraus setzt sich das zusammen, was da Schmerzen verursacht? Woraus genau?


    Karma wird weniger durch weniger Gedanken, wo sollte sich Karma dann noch festhalten können. Viele Gedanken oder fast alle kommen von Bedindungen die ausserhalb vom Körper stattfinden und für die wir gar nichts können. "Da fäht ein Auto" "der schreit" "da ist ein hund" etc. Wissenschaft sagt, dass unsere Gedanken zu 95% genau aus solchem bestehen, solches nennt man auch unproduktive Gedanken, das heisst aus ihnen geht keine Handlung hervor. Produktiv wäre wenn eine Handlung auf einen Gedanken folgt. Das kann man mal selbst prüfen ob da was dran ist. Somit setzen wir uns zum Grossteil aus der Aussenwelt zusammen :)
    Zusammensetzung: Wahrnehmungsbewusstsein (so nannte es wohl Buddha) danach der ganze andere Krams + Schmerzen. Wobei man das auch nur Bewusstsein nennen kann ohne da viel rumzudoktorn. Und auch da wieder hat die Wissenschaft bis heute keinen Platz im Gehirn lokalisieren können wo Bewusstsein sein soll, da aber der Grossteil der Gedanken von aussen kommt wird das Bewusstsein auch irgendwo aussen stecken :) Ob dem Bewusstsein was anderes vorangeht sei mal dahingestellt.


    Wie könnte daraus folgernd das sitzen leichter werden ? Keine Ahnung :D Eventuell sportliches Training der Rückenmuskulatur ? Langhantelkniebeugen schon versucht ? Yoga ?

  • Zitat

    der an diesem Abend "geschlüpfte" Sohei ist ein natürlicher Nicht-Raucher.


    Schönes Bild :D


    Sôhei:

    Ich denke doch dass du eine sehr starke Selbstdisziplin hast, denn viele andere Menschen die leiden schaffen es eben nicht, etwas zu tun (egal ob sitzen, sporteln, in Therapie gehen, den Job wechseln oder was weiß ich). Und insofern ist dein Karma nicht so schlecht :)


    Du hast wohl recht. Ich habe wohl doch ziemlich gutes Karma :D
    Nur hat das mit Disziplin und Willen nichts zu tun.
    Kann leider nicht erklären, warum und wieso. Ist so.
    Ich bin die faulste Sau der Welt, was alles andere betrifft. Nur dieses Ding, da hat es im Februar 2014 plötzlich Klick gemacht, und dann ging´s. Ein, zwei Monate habe ich gekämpft, und seitdem ist da ein positiver Feedback Loop, der die Sache von selbst in Gang hält.
    Hilfreich ist auch, dass mich Fernsehen langweilt und ich keine Kinder habe.

  • Nächster Zazentag durch. Ende des Monats steht ein Retreat an.
    Keine großen Änderungen.
    Die Riesenblockade in der rechten Seite wird deutlicher spürbar, aber sie macht noch keine Anstalten, sich aufzulösen.


    Ich habe festgestellt, dass an der Basis jedes Schmerzes (körperlicher Art) eine Anstrengung liegt.
    Manchmal muss ich sehr lange sitzen, bis ich unter dem Schmerz die Anstrengung wahrnehme.
    Wenn ich sie deutlich wahrnehme und gut kennengelernt habe, löst sie sich auf.


    Wichtig scheint zu sein, diese Anstrengung nicht auflösen zu wollen.
    Das Wollen erzeugt eine Vorstellung, und die Vorstellung scheint schon auszureichen, um den Körper in eine bestimmte Richtung zu treiben.
    Zielführender ist es, jedes Wollen aufzuhören und statt dessen die Anstrengung zu würdigen.
    Immerhin (habe ich das schon mal geschrieben? egal) ist es ja der Versuch dieses armen dummen Körpers, mich zu schützen.
    Erst mit dem Würdigen scheint sich ein Raum zu öffnen, in dem genaues Wahrnehmen möglich wird.
    Und genaues Wahrnehmen scheint die Voraussetzung dafür zu sein, zwischen nötig und unnötig unterscheiden zu können.
    Das ist momentan meine Übung der Rechten Anstrengung.

  • Danke für diesen Thread!

    Jojo:

    Ich habe festgestellt, dass an der Basis jedes Schmerzes (körperlicher Art) eine Anstrengung liegt.
    Manchmal muss ich sehr lange sitzen, bis ich unter dem Schmerz die Anstrengung wahrnehme.
    Wenn ich sie deutlich wahrnehme und gut kennengelernt habe, löst sie sich auf.


    Kann ich voll und ganz bestätigen!
    LG
    Andreas


  • Moin Jojo,


    hmm, könntest du das noch etwas erklären? Was für eine Art von Anstrengung meinst du?
    Also z.B wenn ich mir (oder dir) mit dem Hammer auf den Finger haue, und der dann sauber weh tut, welche Anstrengung liegt dem zugrunde?


    Grüße,
    Sohei

  • Sôhei:

    Moin Jojo,


    hmm, könntest du das noch etwas erklären? Was für eine Art von Anstrengung meinst du?
    Also z.B wenn ich mir (oder dir) mit dem Hammer auf den Finger haue, und der dann sauber weh tut, welche Anstrengung liegt dem zugrunde?


    Grüße,
    Sohei


    Re Moin Sohei,
    der Schlag? :)
    Nein, ich weiß natürlich ,was du meinst. Bin grad im Büro und kann mir im Moment keine Zeit für eine sorgfältige Antwort nehmen.
    Spätestens übermorgen.
    Grüße, Jojo

  • Hat doch noch geklappt heute.


    Also. In deinem Hammer-Beispiel ist die Sachlage klar. Ich höre auf, mir auf den Daumen zu schlagen, und schon hört der Schmerz auf.


    Die Schmerzen, die beim Sitzen entstehen, sind natürlich komplexer. Und subtiler. Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind nicht auf den ersten Blick sichtbar. Aber sie sind da, und letztlich oft genau so klar und auflösbar.


    Aus deinem Beispiel höre ich aber eine ganz andere Frage heraus: Warum hört sie nicht einfach auf, sich auf den Finger zu schlagen (zu sitzen)?


    Weil ich erfahren habe, weil ich WEISS, dass ich nicht so bin, wie ich mir selbst erscheine. Das war vor achtzehn Jahren. Ein Neun-Tage-Sesshin, brutales Durchhalten, weil ich dachte, so ist Zazen, da muss ich durch. Und dann warf ich endlich hin, gab auf, quittierte und verließ die Meditationshalle, scheiß auf die Erleuchtung, und unerwartet: Körper und Geist warfen alle Mühsal ab, und sechs Wochen lang war da ein anderer Mensch.


    Dann wucherte dieses Geflecht aus Gewohnheiten und Schmerzen langsam zurück, und ich wurde wieder die, die ich gewohnt war. Gebunden ohne Seil, zehnfach gebunden ohne Seil, sechshundertfünfzigfach gebunden ohne Seil. Was war das gewesen? Was bindet mich da?


    Zehn Jahre lang bin ich dieser Frage ausgewichen. Dieser Brutalität wollte ich mich nicht nochmal aussetzen. Dann habe ich mich ihr wieder gestellt, denn je älter ich wurde, desto enger wurde dieses Geflecht, bis es mich fast erstickte - aber nur halbherzig, Teilzeit-Zazen. Ich dachte, mit 30 Minuten pro Tag komme ich durch. Half aber nicht. Seit zwei Jahren nun forsche ich wieder. Nicht mehr so brutal wie damals, da habe ich nicht geforscht, nur durchgehalten, aber zwei Stunden pro Tag, morgens eine, abends eine, das kann ich machen, das geht.


    Verglichen mit meiner Erinnerung sind die Resultate kümmerlich. Verglichen mit dem, was vor kurzem war, sind sie aber großartig, und ich muss sie jetzt auch mal auflisten, damit das unter all dem Schmerz-Schmerz-Schmerz-Thema auch mal sichtbar wird, und zwar ganz profan:


    - ein Dauertremor in meiner linken Hand (konnte links keine Gabel mehr halten): verschwunden
    - chronische Rückenschmerzen und jährlicher Hexenschuß: verschwunden
    - Schlaflosigkeit: verschwunden
    - nächtliches Zähneknirschen: verschwunden
    - Dauererschöpfung: verschwunden
    - Lähmende Aufschieberitis: weitgehend verschwunden
    - Unbeherrschbare Wutanfälle: weitgehend verschwunden
    - Panikattacken und Depressionen: weitgehend verschwunden
    - Angst vor dem Reden in der Öffentlichkeit: weitgehend verschwunden
    - Harmoniesucht: verschwunden
    - Schokoladensucht: verschwunden :)


    Ja, ich sitze für Resultate. Ich experimentiere herum mit dem Nicht-Wollen, aber letztlich will ich Resultate. Wie diamant irgendwo schrieb: Ich sitze, weil ich mich dann besser fühle. Viel besser.


    Inzwischen schlage ich mir jedenfalls nicht mehr jedes Mal auf den Daumen. Kennst du das Gefühl, wenn du perfekt den Nagel triffst, und ihn mit einem Schlag kerzengerade in den Balken versenkst, wie in Butter? Und kennst du das Gefühl, wenn du den Hammer wegwirfst, und dieses Gefühl des Loslassens - genau wenn er die Hand verlässt - wie da das Gewicht den Körper verläßt?


    Abschließend, wie schon so oft gesagt, glaube ich keineswegs, dass Zazen für jeden so sein muss wie es für mich ist. Ich hatte (habe? wo ich bin, weiß ich nicht) einen wirklich stark erstarrten Körper, und die meisten - vor allem wenn sie jünger sind - werden sich mit dem Körper nicht so auseinandersetzen müssen, wie ich das muss. Wenn sie es aber müssen, möchte ich ermutigen, nicht auszuweichen. mit Augenmaß, und ohne Gewaltanwendung, aber nicht auszuweichen, dranbleiben, herausfinden, was ist.

  • Moin Jojo,


    vielen Dank für deine persönliche Antwort!


    Die Tücken der Kommunikation wieder einmal. Du hast geschrieben:
    "Aus deinem Beispiel höre ich aber eine ganz andere Frage heraus: Warum hört sie nicht einfach auf, sich auf den Finger zu schlagen (zu sitzen)?"


    Offen gesprochen war gerade das eigentlich nicht meine Frage (auch wenn ich jetzt ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe, weil du dir die Mühe für deine lange und persönliche Antwort gemacht hast...).


    Ich bin mir tatsächlich einfach unschlüssig, wie ich dieses "An der Basis körperlicher Schmerzen sitzt eine Anstrengung" verstehen kann, bzw. wie du es meinst.
    Wenn du es nur auf deine Schmerzen beim Sitzen bezogen gemeint hast, dann ist es mir glaube ich klar.


    Ich habe es in einem generellen Kontext gesehen, also z.B. welche Anstrengung liegt Kopfschmerzen zugrunde, welche Anstrengung liegt Schmerzen bei schweren Krankheiten zugrunde, welche Anstrengung liegt dem Schmerz zugrunde, wenn mir ein Stein auf den Kopf fällt etc. etc. Und in diesem Zusammenhang leuchtet es mir nicht so recht ein; aber vielleicht gehören diese Beispiele gar nicht mehr in den Bereich dessen, was du eigentlich meinst.

  • Ich mache einfach weiter.
    Die Blockade in der rechten Seite beginnt, durchsichtiger und zugänglicher zu werden.
    Ihre Auswirkungen reichen von der Fußsohle bis zu der Augenhöhle.
    Ihr Ursprung kommt aus dem Becken, linke Seite.
    Da ist offenbar viel zu lernen drin.
    Es fällt mir schwer, nicht den Lösungsvorschlägen zu folgen, die mein ungeduldiger Geist mir vorschlägt. Einfach sitzen, die Aufmerksamkeit immer wieder zum Sensorischen zurück holen, alles offen lassen, nichts verfolgen. Die Ungeduld macht mir schwer zu schaffen. Manchmal brauche ich zwanzig Minuten, um das Warten und Hoffen zu erkennen und hinter mir lassen zu können.


    Edit:
    Ganz hilfreich und interessant ist das Buch "Functional anatomy of Yoga" von David Keil, das ich mir jetzt gekauft habe. Er hat allerdings auch die Tendenz, von "Dehnen" zu reden; Dehnen ist eine zielgerichtete Aktion und diese Vorstellung ist aus meiner Erfahrung / für mich nicht hilfreich. Für mich ist besser, die Vorstellung zu verwenden "Verweilen in dem, was ist"; dann verändern sich die Dinge irgendwann von selbst zum Positiven. Diese natürliche Tendenz zum Positiven erscheint, wenn ich mein Wollen vollständig herausnehme.