Körperliche Seite der Sitzmeditation

  • 75 Minuten. 35 Minuten Sitzen (linkes Bein oben), 5 Minuten langsames Gehen, 35 Minuten Sitzen (rechtes Bein oben).


    Der Anfang ist immer hart. Ich setze mich hin und bin fest davon überzeugt, dass ich nie richtig sitzen werde. Es fühlt sich einfach grauenhaft unbalanciert an. Dann fokussiere ich die Berührung zwischen Körper und Boden. Ich sehe zu, wie der Körper sich langsam einrichtet, zum Boden öffnet, die Schwerkraft einläßt, sich entspannt, sich mit Hilfe der Schwerkraft aufrichtet.


    Das Schütteln beginnt sofort, aber ich habe mich daran gewöhnt. Dann fange ich an, im Körper nach Anstrengung zu suchen. Wo ist Anstrengung involviert, wo füge ich den Sitzen etwas hinzu? Sie zeigt sich als fadenförmiger feiner Schmerz entlang der Knochen im rechten Bein. Sofort - wie die Fliegen - sind die Vorstellungen da, was ich tun müßte, damit diese Anstrengung weg geht. Ich löse mich von den Vorstellungen und kehre zur einfachen Wahrnehmung der Anstrengung zurück, immer wieder.


    Plötzlich fangen irgendwelche Muskeln im rechten Bein, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte, an, sich stark zu bewegen. Ich nehme die Muskeln einzeln wahr, nicht aktiv oder systematisch; die Bewegung drängt sich in die Wahrnehmung. Das Bein beginnt, "sich zu öffnen", es verändert sogar seine Form.


    Die Veränderung strahlt auf den ganzen Körper aus. Chaos im Oberkörper. Es scheint, als wüsste mein Körper nicht mehr, wie er sitzen soll, wenn die gewohnten Spannungsmuster weg sind. Sofort sind die Gedanken da, dass dieses Chaos nicht sein sollte, dass ich stabiler sitzen sollte. Ich löse mich von der Bewertung der Vorgänge als Chaos und erlaube dem Körper, zu tun was er will. Dann stelle ich fest, dass der Körper mit den Muskelspannungen regelrecht experimentiert. Ich höre auf, genau zu kontrollieren, was er tut und sitze nur. Langsam pegelt sich alles ein.


    Im anderen Fuß ein leichter Krampf. Sofort sind die Gedanken da, den Sitz aufzulösen, um den Krampf zu entspannen. Ich stelle fest, dass der Krampf nicht besonders schmerzhaft ist und löse mich von den Gedanken, kehre zur einfachen Wahrnehmung des Krampfes zurück.


    Auf der rechten Seite bleibt eine große Stelle zwischen Sitzknochen und Rippen unzugänglich. Da spüre ich überhaupt nichts. Tote Stelle. Ich bleibe mit der Aufmerksamkeit dort. Sofort sind die Gedanken da, wie sich diese Stelle eigentlich anfühlen müßte. Ich löse mich von den Gedanken und kehre zur einfachen WAhrnehmung zurück. Es ist nicht leicht, bei dieser Stelle zu bleiben. Ich stelle zwischendurch fest, dass ich den Krampf im linken Fuß vergessen habe, und dass er sich mittlerweile aufgelöst hat.


    Die Kopfhaut bewegt sich. Das rechte Ohr zuckt. Das ist lustig und angenehm. Hinter dem rechten Auge löst sich was, eine Empfindung von Offenheit und Weite stellt sich an dieser Stelle ein.


    Dann fange ich an zu warten, dass die Uhr geht. Ich habe keine Lust mehr, langsam müsste die Zeit mal rum sein. Ich gucke hin, noch 57 Sekunden. Ich nehme mich zusammen und fokussiere wieder die Berührung zwischen Boden und Körper. Nur noch 57 Sekunden, die Zeit muss ich nutzen. Der Sitz hat sich völlig verändert. Und jetzt will der Körper noch mal ne Runde Veränderung. Ich habe aber keine Lust mehr, kann mich nicht mehr konzentrieren. Die 57 Sekunden dauern ziemlich lange.


    Der Gong geht. Zeit abgelaufen. Ich bin froh, dass ich aufstehen kann. Job erledigt für heute.

  • "Magst" du diesen Körper ?


    Ich hab vor ein paar Jahren Metta-Kontemplation mit "rein genommen", seit dem ist es viel besser.
    Ich versuch immer zu lächeln.
    Ein Koan und ein Mantra find ich auch hilfreich. Es öffnet.
    Manchmal geh ich von oben nach unten langsam durch, wie es dieser Dao Meister dem Hakuin sagte
    oder ich schau Verspannung und Schmerz `einfach so `an.
    Was mir auch sehr hilft sind die Korrekturen der AZI, sie legen direkt Hand an einigen wesentlichen Punkten an, ganz kurz, freundlich, ruhig, ohne Zwang.
    Ich weiß aber nicht, ob das überall so ist und auch auf ihren auswärtigen Sesshin.
    Auch habe ich mal gemerkt, dass die Atmosphäre der Zendo und der Ort an dem man zuhause sitzt nicht unwichtig ist.
    Wenn es geht versuche ich dreimal 30 Minuten, meistens "tut sich dann was" in der dritten Einheit.
    Wenn ich aufhören will sitze ich absichtlich länger, bis das Drängen aufhört.
    Daito Kokushi ? Nachvollziehen kann ich es. Die Basis macht es, das Becken und Tandien.


    LG
    Blue_


  • klaro..jenseits der Schmerzen sind Schmerzen nicht mehr Schmerzen.


    Was ist, wenn garkeine Schmerzen mehr da ist, da Sitzen wie Gehen ist. Weil Sitzen wie Laufen ist .. ?


    :
    Ich zumindest "mag" / respektiere / toleriere diesen Körper und ich achte darauf. Spüre, wie es geht. Spüre, ob da was ist, was nicht am richtigen Platz ist. Denn dieser Körper ist das einzige Gefäss, das wir in diesem Leben haben.
    ................................. _............

    Suche nicht nach der Wahrheit; höre nur auf, an Meinungen festzuhalten.


    Meister Seng Ts'an

  • hm...Buddha hatte einen Bandscheibenvorfall und musste sich oft aus Schmerzen an einen Baum lehnen.
    Kam vielleicht vom Sitzen.


    Vielleicht ja auch nicht...

  • Bandscheibenvorfälle tun besonders in den Oberschenkeln weh und nicht im Rücken!


    namaste

    Suche nicht nach der Wahrheit; höre nur auf, an Meinungen festzuhalten.


    Meister Seng Ts'an

  • Namaste


    naja, ich habe das bei Hans Wolfgang Schumann " Der historische Buddha " gelesen.
    Da steht :
    "Während des besonders heißen letzten Monats des indischen Sommers gönnte er sich nach der Mittagsmahlzeit Schlaf (M36Ip.249), und auf eine Abendmahlzeit verzichtete er generell, ~um sich Gesundheit und Frische, Munterkeit, Kraft und Wohlbefinden ~ zu bewahren (M70). Abgesehen von vereinzelten, bei Bettelmönchen unvermeidlichen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, die er durch Ölmassagen und Abführmittel ( Mv8,1,30 f.), durch Trinken von Melasse in heißem Wasser (S 7,2,3) oder durch eine Grütze aus drei Zutaten kurierte ( Mv 6,17,1 ), machte ihm, je älter er wurde, sein Rücken zu schaffen :
    Wahrscheinlich handelte es sich um einen Bandscheibenvorfall. Längeres Stehen bereitete ihm Rückenschmerzen (A 9,4 ), und obwohl er sich bei einem Besuch in Kapilavathu in der neuen Parlamentshalle mit dem Kreuz gegen einen Pfeiler setzte, schmerzte ihn die Wirbelsäule bald so sehr, dass er sich hinlegen musste und Ananda bat, den Vortrag fortzusetzen ( M 53 ). Wärme tat dem kranken Rücken gut, was den Meister veranlasst haben mag, bei Aufenthalten in Rajagaha öfter in den dortigen heißen Quellen zu baden. Ein Sutta ( S 48,5,1 ) schildert den greisen Buddha, wie er im Osthainkloster bei Savatthi den entblößten Rücken der Abendsonne zugewandt hält, während Ananda ihm die welken Glieder massiert und Betrachtungen über den Altersverfall des Körpers anstellt. Kurz vor seinem Tod macht der Meister die Bemerkung, nur Leibbandagen hielten seinen Körper noch funktionsfähig ( D 16,2,25 ). "


    Gute Wünsche,
    Karma Pema

  • Tja
    Auch der Körper eines Buddha ist vergänglich.
    Solange wir seinen Lehren folgen, sind die Buddhas ja nicht tot.
    Zumindest ist was geblieben. Was interessiert auch der Körper eines Buddhas ?
    Im übrigen haben wir alle einen, der irgendwann dem Lauf der Dinge folgt und der Lauf der Dinge ist eben entstehen, bestehen und vergehen.


    Das Ungeborene!
    Geht mir durch den Sinn.
    Die Dinge, die noch am Entstehen sind.
    Die zu sehen..........
    Gedanken in ihrem Entstehen bemerken. Sehen, wie und warum sie da kommen aufgrund von anderen Dingen/Situationen.
    Gefühle ....... .
    Die Tore bewachen. Sich einen Stuhl nehmen und den ständig besetzt halten und ein Fernrohr daneben, damit wir sehen können, was sich da so nähert/anpirscht oder laut rufend vor Freude sich zeigt.


    Buddha ? Toller Typ denk ich mal.
    Shikantaza-man sagte mal Jemand, als wir vor einer Buddha-Statue standen.
    .

    Suche nicht nach der Wahrheit; höre nur auf, an Meinungen festzuhalten.


    Meister Seng Ts'an

  • Ich glaube, ich sollte mal eine Weile keine längeren Strecken mit dem Auto mehr fahren. Kürzlich hatte ich eine Autofahrt von eineinviertel Stunde. Nach zwanzig Minuten ungefähr fingen die Muskeln an, sich selbsttätig zu entspannen und zu öffnen, wie beim Sitzen, und ich bekam wieder dieses Gefühl, dass sich in der rechten Hirnhälfte was löst und verändert. Schön eigentlich, aber ich wusste nicht, wo das hinführen würde, und wollte es deshalb verhindern. Ich hatte alle Mühe, den Körper ruhig zu halten, hab Radio angemacht, Fenster runtergekurbelt, mich hinter einen Laster gehängt und bin langsam weiter getuckert. Als ich zuhause ankam, war ich total verkrampft. :shock:


    Verbrechen der Zukunft: Führerschein weg wegen Meditation am Steuer :D

  • Hallo Jojo,


    ich habe mit großem Interesse deinen Thread gelesen und ich habe mich jetzt angemeldet, um dir zu antworten, weil es mir keine Ruhe gelassen hat. In spiritueller Hinsicht kann ich zu deinen körperlichen Erfahrungen während der Sitzmeditation nichts beitragen, da ich mich erst seit kurzem mit dem Thema Buddhismus und Meditation beschäftige. Aber ich möchte dir dennoch etwas ganz Profanes raten: das Thema Bandscheibenvorfall, welches hier schon thematisiert wurde, solltest du vielleicht mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich denke, es kann nicht schaden, den Rücken mal bei einem Arzt durchchecken zu lassen. Vielleicht hat der ganze körperliche Aufruhr, den du wärend der Sitzmeditation durchmachst auch die Ursache in einem kaputten Rücken oder einem abgeklemmten Nerv und nicht so sehr in der Meditation an sich. Dein Erlebnis während des Autofahrens könnte zumindest auch dazu passen, denn die Schwingungen und Vibrationen, die beim Autofahren entstehen, können die Wirbelsäule extrem belasten. Davon kann z.B. jeder Brummifahrer ein Lied singen... Und der körperliche Aufruhr, der dadurch entsteht, hätte nichts meditatives an sich, sondern wäre dir nur aus den Sitzmeditationen wohlbekannt, da der Rücken beim Sitzen ähnlich belastet wird.


    Ich hoffe, du bekommst das jetzt nicht in den falschen Hals. Es schien mir nur wichtig zu sein, dich auch mal in diese Richtung anzusprechen, da du dich ja schon lange damit herumquälst...

  • LilaM:

    ich habe mit großem Interesse deinen Thread gelesen und ich habe mich jetzt angemeldet, um dir zu antworten, weil es mir keine Ruhe gelassen hat. ... Ich hoffe, du bekommst das jetzt nicht in den falschen Hals. Es schien mir nur wichtig zu sein, dich auch mal in diese Richtung anzusprechen, da du dich ja schon lange damit herumquälst...


    Hallo LilaM,
    erst mal Riesendanke, dass Du dir Gedanken machst. Keine Sorge, ich kriege da nichts in den falschen Hals.
    Zur allgemeinen Info sollte ich vielleicht mal schreiben, dass ich definitiv keinen Bandscheibenvorfall habe.


    Ich war immer sehr verkrampft, und deswegen hatte ich beim Sitzen immer Schmerzen. Aber nicht nur beim Sitzen. Eigentlich hatte ich immer Schmerzen. Sie waren für mich nur so normal, dass ich sie nicht bemerkte. Ich mogelte mich sozusagen zwischen den Schmerzen durch, und versuchte, mich vor ihnen zu drücken. Was zur Folge hatte, dass mein Aktionsradius irgendwie immer kleiner wurde. Ich dachte, so ist das halt, wenn man älter wird.


    Dann kam ich an einen Lehrer, der mich herausforderte, und mir auftrug, *durchzusitzen*. Was ich dann auch tat. Und da bin ich meinen Schmerzen tatsächlich begegnet. Seitdem beschäftige ich mich mit ihnen. Es ist nicht so, dass ich Schmerzen suche. Ganz und gar nicht. Ich bin eine feige Memme und war jahrelang nicht beim Zahnarzt, weil es hätte wehtun können. Aber: Ich weiß jetzt, dass ich keine Wahl habe. Entweder Depressionen oder gucken, was da ist. Also setze ich mich zwei Mal am Tag auf dieses Kissen, und laufe nicht mehr vor dem weg, was da ist.


    Mein Leben verändert sich dadurch.


    Ich empfinde das nicht als Quälerei. Es ist, als würde eine alte, eitrige Wunde endlich sauber ausbluten. Schön ist das nicht, aber der ganze Scheiß geht endlich raus.


    Vielleicht kann man es so ausdrücken: Jeder Gedanke hat auch eine physische Komponente. Alle Gedanken und geistigen Ereignisse, die nicht vollständig "verarbeitet" werden, hinterlassen eine Art Spur im Körper. Mit der Zeit sammeln sich im Körper auf diese Weise Blockaden an, die den Körper und seine Funktionsweisen beeinträchtigen, und die Schmerzen verursachen. Richtiges Sitzen geht genau da ran.


    Inzwischen bin ich überzeugt davon, dass solche Prozesse bei richtiger formaler Zazenpraxis in jedem vorgehen. Bei den meisten werden sie weniger stark sein als bei mir, aber etwas ähnliches geht garantiert in jedem vor, der formal und in richtiger Weise sitzt.


    Das "richtig" betone ich so, weil es meiner Erfahrung nach nichts nützt, wenn man auf dem Kissen nur dumpf die Zeit abhängt (habe ich jahrelang gemacht). Es muss das richtige Sitzen sein. Es ist nicht richtig, sich hinzusetzen und einfach nur dumm Schmerzen auszuhalten.


    Was aber "richtig" ist, kann ich nicht sagen. Jeder Körper und jede Geschichte ist individuell. Für manche ist - scheint´s - nicht mal Sitzen das Richtige.


    Egal, in jedem Fall ist es wahrscheinlich hilfreich, viele Geschichten von anderen zu hören. Das ist der Grund, warum ich versuche, hier aufzuschreiben, was bei mir passiert.


    Was die Dauer angeht, da mache ich mir inzwischen keine Sorgen mehr. Ich habe von einem Fall gelesen, bei dem dauerte es vier Jahre, bis das Schütteln und Zittern aufhörte. Von mir aus. Wenn sich die Dinge weiter so entwickeln wie jetzt, ist es das wert.

  • LilaM:

    Davon kann z.B. jeder Brummifahrer ein Lied singen... Und der körperliche Aufruhr, der dadurch entsteht, hätte nichts meditatives an sich, sondern wäre dir nur aus den Sitzmeditationen wohlbekannt, da der Rücken beim Sitzen ähnlich belastet wird.


    Noch was. Der Rücken sollte beim Sitzen nicht belastet sein. Die Wirbelsäule richtet sich ohne Anstrengung auf. Wenn dein Rücken belastet ist, hast du vielleicht noch nicht das richtige Verhältnis zwischen Hüften und Knien gefunden?


    Die Knie sollten tiefer sein als die Hüften. Wieviel tiefer, ist bei jedem anders. Kann man mit der höhe des Zafu regulieren. Dann richtet sich die Wirbelsäule anstrengungslos auf.


    Natürlich können auch Blockaden verhindern, dass die Wirbelsäule sich gut aufrichten kann. Meistens ist es so, dass wir uns vorne unbewusst zusammenziehen, und gleichzeitig mit Muskelkraft hinten versuchen, den Rücken aufzurichten und gerade zu ziehen. Das ist, als würde man mit angezogener Handbremse (vorne zusammenziehen) voll Gas geben (am Rücken Muskelkraft einsetzen). Wenn man das lange macht, kann das Rückenprobleme verursachen.


    Die Grundregel muss also sein, alles, was an überflüssiger Spannung da ist, loszulassen, immer wieder. Dann kann der Körper zu seiner natürlichen Haltung zurückkehren. Und die ist von selbst und ohne Anstrengung aufrecht, und belastet den Rücken nicht.


    Hier ist eine ganz gute Anleitung zum Sitzen. Wenn ich mal Zeit habe, übersetze ich sie.
    http://www.shinzen.org/Retreat%20Reading/AboutPosture.pdf

  • Hallo Jojo,


    ich habe mein Problem anders gelöst. Vor der Medi mache Gymnastik. Ich beginne mit dem Kopf und Ende mit den Zehen.
    Es ist auch von Bedeutung auf was man sitzt. Ich falte ein Sofakissen, so dass ich auch nur auf einer Hälfte sitzen kann, falls ich mit der Wirbelsäule Probleme bekomme.


    sakko

  • Ein weiterer Zazentag durch.
    Wenn ich sitze, kommen mir tausend Gedanken, wie ich das beschreiben könnte.
    Wenn ich vor dem PC sitze, ist die Birne leer.


    Vielleicht das: ich habe bei mir festgestellt, dass am Grunde jedes Schmerzes eine Anstrengung liegt. Wenn ich lange genug mit dem Schmerz gesessen habe, wird mir diese Anstrengung bewusst.


    Ich kann sie meist nicht lösen. Dann ist es wichtig für mich, mit dieser Anstrengung zu sitzen und aufzuhören, sie lösen zu wollen. Statt dessen ihr sehr freundlich und geduldig zuzusehen und ihr zu danken, immerhin will sie mich ja verteidigen, diese dumme Anstrengung. Völlig nutzlos und orientierungslos, wie ein kleines Kind, das versucht, den Papa gegen die Polizei zu verteidigen.


    Etwas lösen wollen ist, aus der Situation herauszuwollen. Also höre ich auf damit. Das geht. Momentweise. Wir versuchen ja ständig zu üben, ins Hier und Jetzt zu kommen. Was für ein Unsinn, eigentlich. Wir SIND ja schon im Hier und Jetzt. Immer. Egal, wie lückenhaft unsere Wahrnehmung davon ist. Und wenn ich aufhöre, mich aus dem Hier und Jetzt RAUS zu wünschen, reicht das bei mir schon.


    Wenn es gut geht, wird mir immer häufiger ein leises Brennen in den Muskeln bewusst. Das ist kein richtiger Schmerz. Irgendwas zwischen unangenehm und angenehm. Es ist, als würde in jeder einzelnen Zelle ein kleines Feuer brennen. Erinnert mich an die Metapher vom Fegefeuer. Oder an diesen Spruch, dass das Sitzen wie ein Hochofen ist, in dem das schlechte Karma verbrannt wird. Habe ich mal irgendwo gehört.


    Die rechte Seite ist weiter ein Chaos. Auch das Schütteln und Zittern geht weiter. Na gut.

  • Zwei Dinge sind mir beinahe unheimlich: Erstens, du führst fast ausschließlich Monologe
    Und Zweitens: Dein Schmerz und "Schütteln" steht im Mittelpunkt.
    Da frag ich ich mich: ist die potentielle Leserschaft nur Publikum für dich ?
    Mit dem Zen (Ge)Danken ist das aber nicht zu vereinbaren - oder doch ?

  • hallo jojo


    ich möchte dir nur eine Anregung geben
    ich sitze im Rollstuhl und kann wegen meinen beckens
    keinen geraden rücken ohne starken schmerzen aufbauen


    deshalb meditiere ich ausschließlich im liegen
    und das hat nicht nur Nachteile
    zwar sagen alle man sollte sitzen und sitzen ist sicher ein Vorteil
    aber im liegen (gerade auf den rücken wie ein aufgebarter)
    kann man seine schmerzen leichter loslassen
    und mal andere dinge tiefer erforschen
    man muss ja nicht gleich das sitzen aufgeben
    aber einmal am tag zusätzlich liegen
    führt zu tiefen Entspannung
    und wenn die Konzentration gut aufgebaut ist
    wird die ruhe sehr tief

  • Das ist interessant. Danke. Im letzten Yoga Kurs fand ich die Entspannung am Schluss als eine sehr gute Erfahrung, nun da ich Erfahrung mit Shamatha habe. In früheren Kursen wurde mein Geist schläfrig, jetzt konnte ich länger klar bleiben bei gleichzeitiger Entspannung.
    Das werde ich mal für zu Hause dann und wann einbauen!

  • hanujo:

    ich möchte dir nur eine Anregung geben
    ich sitze im Rollstuhl und kann wegen meinen beckens
    keinen geraden rücken ohne starken schmerzen aufbauen
    deshalb meditiere ich ausschließlich im liegen


    Hi hanujo,
    danke für die Offenheit. Ich habe mich schon öfter gefragt, wie Rolli-Sitzer das machen. Bei einem Retreat habe ich mal wen getroffen, der vom Hals abwärts gelähmt war, und trotzdem den gesamten Retreat mit absolvierte. Ich habe mich aber dann doch nicht getraut, ihn zu fragen.
    Im Liegen ist für mich schwierig, weil ich immer sofort einschlafe. Könnte natürlich ein Hinweis sein, dass ich mehr schlafen sollte :D
    Abgesehen davon habe ich aber aus den Erfahrungen des letzten Jahres den Eindruck gewonnen, dass es für mich extrem wichtig ist, mich mit den Einschränkungen meines Körpers auseinanderzusetzen, und da auch immer wieder an die Grenzen zu gehen - und manchmal auch ein bisschen darüber hinaus.
    Deshalb werde ich damit auch weiter machen, und Schmerzen und unangenehme Empfindungen weiterhin nicht vermeiden. Mal sehen, wo das noch hinführt.
    Interessant wäre auch zu erfahren, in welcher Tradition du praktizierst. Ich frage deshalb, weil es im Zen ja nicht unbedingt darum geht, Konzentration aufzubauen und Ruhe zu finden, sondern darum, DAS ZU SEHEN, WAS IST (einschließlich der Qualität der eigenen Aufmerksamkeit) - und dann zu sehen, ob man selbst seine Finger da drin hat, und wenn ja, ob man sie nicht einfach rausnehmen kann und was das dann an der Situation verändert. Wobei eine gute Konzentration natürlich sehr hilft - sie ist aber nicht das Ziel, wenn ich nicht alles falsch verstanden habe.
    Herzliche Grüße
    Jojo

  • blue_aprico:

    Zwei Dinge sind mir beinahe unheimlich: Erstens, du führst fast ausschließlich Monologe
    Und Zweitens: Dein Schmerz und "Schütteln" steht im Mittelpunkt.
    Da frag ich ich mich: ist die potentielle Leserschaft nur Publikum für dich ?
    Mit dem Zen (Ge)Danken ist das aber nicht zu vereinbaren - oder doch ?


    Danke für deine Fragen. Wirklich.


    Monologe führe ich in diesem Thread, einfach weil es eigentlich ein Practice-Log ist. Das amerikanische Theravada/Vipassana-Forum "dharmaoverground.org" hat mich auf die Idee gebracht - da gibt es haufenweise Practice-Logs, Threads, in denen die Leute in einer Art Tagebuch ihre konkreten Übungen und Erfahrungen beschreiben; und andere kommentieren das dann. Das Forum hat sich explizit zum Ziel gesetzt, Praxiserfahrungen offenzulegen; offen darüber zu reden, was in der formalen und der nicht-formalen Praxis passiert.


    Nicht alles, was man da lesen kann, ist koscher, die Foreninsassen praktizieren schwerpunktmäßig Mahasi-Sayadaw-Style-Noting (was überhaupt nicht meins ist), und die Map, die der Forengründer entwickelt hat, ist ziemlich fragwürdig. Trotzdem ergibt sich im Ganzen ein interessantes Bild, und ich dachte, es wäre gut, wenn es sowas auch in Deutsch gäbe. Es kann halt nicht jeder locker Englisch lesen. Also habe ich hiermit einfach mal den Anfang gemacht. Und ich kann es nicht oft genug wiederholen: ich würde mich sehr freuen, mehr solche Practice-Logs zu lesen. Tara schreibt hin und wieder von ihrer Praxis (Nur mal eben so), und Elke auch (Achtsamkeit für Dummies). Alle anderen halten sich lieber bedeckt. Und das mit gutem Grund, denn man macht sich nackich und das ist nicht immer angenehm.


    Es kostet mich immer wieder Überwindung, wirklich von dem zu schreiben, was passiert. Es ist schwer, nicht in Geblubber abzurutschen, und ich will nicht behaupten, dass mir das immer gelingt. Ich gebe auch nicht wirklich gerne zu, dass ich mich - wenn ich mal das Satipatthana-Sutta als Maßstab nehme - nach jahrelanger Übung immer noch auf der ersten Übungsstufe (den Körper beruhigen) herumdrücke. Wenn ich mich wiederhole, grüble ich darüber nach, ob es potentielle Anfänger nicht vielleicht abschreckt, dass ich scheinbar nicht weiterkomme. Kein Jhana, nicht mal angrenzende Sammlung oder sowas. Ich gebe aber auch ungern zu, wenn ich weiterkomme. Wenn was Neues passiert, grüble ich darüber nach, dass es im Zen ja nicht um Fortschritte geht. Also was immer ich mache - ich mache es falsch.


    Das ist mir aber immer noch lieber als dieses Umeinanderherumtanzen und an irgendwelchen Sekundärindikatoren austesten, wer denn jetzt die größere Verwirklichung hat, und - Kruzitürken - was diese Verwirklichung denn jetzt eigentlich sein soll. Das ist nämlich das, was der Forengründer von dharmaoverground "mushroom culture" nennt: "Mushrooms are kept in the dark and fed on shit." Pilze werden im Dunkeln gehalten und mit Scheiße gefüttert. So auch die Schüler vieler spiritueller Lehrer. Und wir setzen dieses Dunkel fort, indem wir versuchen, in Andeutungen zu bleiben, die keiner überprüfen kann - nicht etwa, weil das, was wir erfahren, unsagbar wäre, sondern - ja, warum?


    Ich denke mal, die meisten authentischen Lehrer reden nicht über die Einzelheiten der Praxis, einfach weil es auf Dauer unfassbar langweilig ist. Weil lange, lange nichts wirklich aufregendes passiert. Sie gucken sich den Schüler an, sehen, wie er atmet und sich hält, und das reicht ihnen für die Diagnose. Raus mit dir und weitersitzen - kann nicht schaden. Und natürlich weil - wenn man bestimmte Dinge noch nicht erfahren hat - man sich leicht in was reinskripten kann. Na gut, die Gefahr des Skripting ist gegeben - aber welche Gefahr ist größer: die, jemanden durch eine unbedachte Äußerung in was reinzuskripten, oder die, dass Leute stecken bleiben: weil sie glauben, sie wären angekommen, oder weil sie was Sinnloses tun, ohne es zu merken?


    Man kann auch aus den falschen STrategien anderer lernen. Wenn man zu Gesicht bekommt, was sie machen. Wenn man nicht zu Gesicht bekommt, was sie machen, und wenn man deshalb glaubt, man sei der einzige Idiot... ja, dann hält man sich vielleicht lieber weiterhin bedeckt. Ich finde das tragisch. Rückblickend würde ich sagen: mich hat das mehrere Jahre gekostet. Jahre, in denen ich dachte, ich hätte wirklich was kapiert. Ja, hatte ich auch. Aber dass es hinter meinen mageren Erkenntnissen noch einen ganzen Abgrund von Nichtgekanntem gab - das war mir überhaupt nicht klar. Es dämmerte mir aber langsam, als ich mich im dharmaoverground festlas.


    Was die Schmerzen betrifft, darüber habe ich ja schon geschrieben. Erstens habe ich inzwischen keine heftigen Schmerzen mehr. Es hat vielleicht ein Jahr gedauert, bis die weg waren. Ich habe noch äußerst unangenehme Empfindungen, die sich subjektiv und je nach Situation wie Schmerzen aufführen. Und die suche ich, denn erstens halten sie die Aufmerksamkeit und zweitens kenne ich das Objekt "Schmerz" und ich weiß, wie ich konstruktiv damit üben kann. So lange ich noch welchen finde, werde ich also damit üben.


    Zweitens bin ich keineswegs der Auffassung, dass jeder diesen Weg über Dukkha gehen muss, und dass das der einzig authentische Weg ist. Es ist aber meiner; also setze ich mich damit auseinander. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass es drei "Türen" zum Dharma gibt: Dukkha, Anicca und Anatta. Welche Tür man nimmt, sucht man sich nicht aus - entsteht aus der Vorgeschichte. Meine Tür ist offenbar Dukkha. Wegen Dukkha habe ich angefangen zu praktizieren, nicht etwa, weil ich irgendein philosophisches Interesse an den Themen Vergänglichkeit oder Nicht-Ich gehabt hätte. Andere Leute, die ich kenne, haben angefangen, weil ihnen plötzlich bewusst wurde, dass nicht nichts ist, und weil sie sich fragten, warum das so ist. Sowas hat mich nie interessiert. Dukkha aber interessiert mich. Wo kommt es her? Ist es zwangsläufig? Was ist es, worauf geht es zurück? Wie setzt es sich zusammen? Gibt es einen Zustand ohne Dukkha? Wenn ja, dann will ich den haben!


    Inzwischen habe ich ziemlich wenig Dukkha. Und siehe da: plötzlich taucht die Angst auf, dieser Zustand könnte sich wieder verdünnisieren. Und ich gewinne INteresse an der Frage der Vergänglichkeit.
    Also. Es gibt immer was zu tun. Setzen wir uns hin. Und erzählen wir einander davon. Ohne Anspruch darauf, "die Wahrheit" zu kennen.

  • Hi Jojo


    Danke für die Erläuterung und dafür dass du mir diese Fragen nicht krumm genommen hast.
    Mir ist das ein bisschen zuviel auf einmal, ich weiß gar nicht wo ich "einsteigen" soll.
    Auf jeden Fall , finde ich, wäre es günstig wenn du das Satipatthana Sutra ad acta legen könntest,
    Jhana und sonstige "Maßstäbe", auch dieses Vipassana Forum ehrlich gesagt, sofern du mit Zazen
    weiter verfahren möchtest. Zen und Mahasi-Sayadaw stehen sich konträr gegenüber, schon im
    Menschenbild und der Weltanschauung - wie ich finde; der Einfluss auch durch Lesen
    und Hören ist nicht zu unterschätzen.
    Die Idee von Practice blog s...oder wie das heißt..., ist vielleicht gar nicht mal so verkehrt...
    Keine Ahnung.


    Grüße
    Blue_

  • blue_aprico:

    Danke für die Erläuterung und dafür dass du mir diese Fragen nicht krumm genommen hast.


    Wieso sollte ich?


    Zitat

    Auf jeden Fall , finde ich, wäre es günstig wenn du das Satipatthana Sutra ad acta legen könntest,
    Jhana und sonstige "Maßstäbe", auch dieses Vipassana Forum ehrlich gesagt, sofern du mit Zazen
    weiter verfahren möchtest. Zen und Mahasi-Sayadaw stehen sich konträr gegenüber


    Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Aber es gibt ja keinen Zwang zu Konsens.


    Ich denke, Vipassana bietet ein paar sehr gute Methoden, vor allem, wenn man Schwierigkeiten mit dem Körper hat.


    Zu diesem Thema gibt es viel zu sagen. Der Lehrer, dessen Retreats ich derzeit heimsuche, ermutigt mich, mich mit den Methoden anderer Schulen zu beschäftigen und damit zu experimentieren, und er ist in jeder Hinsicht anerkannt.


    Auch im Zazen gibt es Stufen der Praxis. Wenn man Theoretische Physik studieren will, ist es sehr hilfreich und sinnvoll, sich zuerst mal die Grundlagen der Mathematik anzueignen.

  • Hallo Jojo,


    auch von mir erst mal Danke dafür, dass du uns so ausführlich an deinen Erfahrungen teilhaben lässt.
    Ich habe die meisten Posts gelesen, aber nicht mehr alle präsent; aber dein letzter längerer Beitrag hat (wieder) ein paar Fragen bei mir ausgelöst:


    1) "Was treibt ihn an, motiviert ihn dazu?"


    2) "Was erhofft er sich davon?"


    Zu 1) spekuliere ich, dass dich auf diesem Weg u.a. die intensiven körperlichen und geistigen Selbsterfahrungen halten, welche du mit Hilfe des Mittels "Sitzens" machst. Das wäre zumindest für mich plausibel bzw. nachvollziehbar... Vielleicht auch die Erfahrung von Selbst-Beherrschung, und evtl. die Angst vor dem Versagen oder Aufgeben... Bei 2) schwimme ich ziemlich im Dunkeln.
    Bitte, wichtig, das ist keine Kritik an dir oder dem was du tust; es sind die Fragen, die deine Berichte bei mir auslösen. Vielleicht magst du dazu mir bzw. uns etwas mitteilen, das würde mich sehr freuen.


    Ein anderer Punkt deines letzten Beitrags war die Ablehnung des "Umeinanderherumtanzen und an irgendwelchen Sekundärindikatoren austesten, wer denn jetzt die größere Verwirklichung hat, und - Kruzitürken - was diese Verwirklichung denn jetzt eigentlich sein soll".
    Das finde ich einen extrem spannenden Punkt. Denn was bleibt noch spezifisch buddhistisches übrig, wenn keinerlei Gewissheit darüber besteht oder möglich ist, wie das mit der Verwirklichung denn jetzt ist? Wo ist dann noch der Unterschied zu anderen expliziten oder impliziten Wegen der Selbsterfahrung? Wo ist der Unterschied zu einem Leistungs- oder Extremsportler, der sich bei seinem täglichen Training jahrein-jahraus ebenfalls speziellen körperlichen Hürden gegenübersieht? Der eine kann dann am Ende gut Sitzen, der andere schnell Laufen, Skifahren oder sonstwas. Aber darüber hinaus?


    Viele Grüße,
    Sohei