Über Viktor Frankl, Gedanken zur Zenpraxis, zum Thema „freier Wille“ und über die vier großen Gelübde

  • Was das Reizwort 'Ego' angeht - ich habe das so 'unschuldig' aufgefasst, wie es von der Zitierten gemeint war (auch wenn ich sonst selbst eher ein Wortklauber bin)

    Ja und indem ich die offene Interpretation des Egobegriffs als Asmimāna spezifiziert habe, wollte ich damit die Diskussion fortführen.

    Ohne die Spezifizierung, was denn genau mit "Ego" gemeint ist, redet jeder über etwas anderes.


    Es gibt kein Ego. Aber es gibt die (falsche) Vorstellung von Ich, Mein und Selbst - [...]

    Das Ego, die falsche Vorstellung vom Ich, wird gestärkt durch andauerndes Festhalten dieses Egos an den fünf Anhäufungen als das bin ich, das ist mein, das ist mein Selbst.

    Das ist beides das wahrheitsgemäße Betrachten und Durchschauen der sakkāya-ditthi. Aber damit hört noch nicht der Gestank des "Ichs" im Erleben auf. Es ist eben nur ein wahrheitsgemäßes Betrachten von dem, was Nicht-Ich ist - das Ich-Erleben bleibt aber bestehen. Da ist ein feiner Unterschied.


    Und solange wie der Geruch des Ich´s im Erleben bestehen bleibt, ist auch noch ein Rest Dukkha vorhanden.


    Und ich bin skeptisch, dass jeglicher Versuch des Ich-Erleben (Asmimāna) nutzen zu Wollen zum Aufhören desselben führen kann. Sondern m.E. nährt es sich und wird damit aufrecht erhalten.

  • Und ich bin skeptisch, dass jeglicher Versuch des Ich-Erleben (Asmimāna) nutzen zu Wollen zum Aufhören desselben führen kann.

    Das tut es auch nicht und das soll es ja auch nicht. Die Bodhisattvagelübde sind der (vorläufige) Verzicht auf das "Aufhören" und sie definieren auch das "nutzen". Aber warum beantwortest Du meine Frage nicht?

    Was lehrte da eigentlich 45 Jahre lang den Dharma?

    ... wo sich hinzufügen ließe 'wie' und 'warum' ...

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Das Ego, dessen Quelle der Durst ist, versiegt mit diesem. Die empirische Person, der puggala, verschwindet nicht notwendig mit ihm - wenn seine Motivation nicht länger eine egoistische oder gemischte ist, sondern eine rein altruistische (selbst-lose). Ein nicht-egoistisches Ego mag ein Widerspruch in sich sein, doch für die Sinne eines gewöhnlichen Menschen ist da kein Unterschied. Das sieht aus wie ein Ego, hört und fühlt sich an wie eines, riecht und schmeckt wie eines. Was lehrte da eigentlich 45 Jahre lang den Dharma?

    Ob da dann einer sich als selbstloser Bodhisattva glaubt und damit als empirische Person den Dharma lehrt, ist hier nicht von Belang - aber die Frage, was da einer 45 Jahre gelehrt hatte, oder was da den Dharma gelehrt hatte, beantwortet das Diamant-Sutra in Abschnitt 7. In Abschnitt 25 wird auch darauf verwiesen, dass es keine Wesen zu retten gibt - die Bodhisattva-Gelübde also im Licht des Diamant-Sutras keineswegs eine Aufgabe für altruistische Geister sind.


    Aber es ging hier, nur mal zur Erinnerung - um den Punkt: das Ego zu nutzen, nicht abschneiden. Der Gegensatz ist ja eine ulkige Konstruktion und unterstellt, man könne da was abschneiden und da wäre es dann doch besser man nutzt dieses Ding.

    Vom Nutzen zu reden ist dann aber auch wieder eine instrumentelle Sichtweise und wer nutzt denn da wen oder was?


    Der Pali-Kanon ist hingegen recht eindeutig, was das Ich oder Ego anbetrifft. Man wendet sich ab.

    Samyutta Nikaya 22.51-60

    Zitat

    18.-22. "Daher, o Mönche: was es irgend an Körperlichkeit gibt - an Gefühl - an Wahrnehmung - an Gestaltungen - an Bewußtsein gibt, sei es vergangen, künftig oder gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe - von jeder Körperlichkeit - jedem Gefühl - jeder Wahrnehmung - allen Gestaltungen - jedem Bewußtsein gilt: 'Dies ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst!' So hat man dies der Wirklichkeit gemäß mit rechter Weisheit zu betrachten.


    23. So erkennend, o Mönche, wendet sich der erfahrene, edle Jünger von der Körperlichkeit ab, er wendet sich ab vom Gefühl, er wendet sich ab von der Wahrnehmung, er wendet sich ab von den Gestaltungen, er wendet sich ab vom Bewußtsein. Abgewandt wird er entsüchtet. Durch die Entsüchtung wird er befreit. Im Befreiten ist die Erkenntnis: 'Befreit bin ich. Versiegt ist die Geburt, vollendet der Heilige Wandel, getan das Werk, nichts Weiteres nach diesem hier' - so erkennt er."

    :zen:

  • Du glaubst doch nicht, dass dein Schreiben nicht vom Gestank des „Ich“ durchsetzt ist wie Wasser von H2O?

  • Der Pali-Kanon ist hingegen recht eindeutig, was das Ich oder Ego anbetrifft.

    Darf ich daran erinnern, dass wir hier im Forum 'Chan/Thien/Seon/Zen - Buddhismus' sind? Soll das hier eine Diskussion sein, ob das Bodhisattva-Ideal im Sinne theravadischer Dogmatik orthodox ist? Dann bitte ins Theravada-Forum verschieben.

    die Frage, was da einer 45 Jahre gelehrt hatte, oder was da den Dharma gelehrt hatte, beantwortet das Diamant-Sutra in Abschnitt 7

    Nun ja - genau genommen sagt das nur, was es nicht war. Aber sicher, wie ich ja bereits schrieb:


    Zitat

    Sicher gibt es kein Ego als ein Ding, eine Substanz. Es gibt Ego als 'Sicht' - ātmadṛṣṭi. Eine viparyāsa (kognitive Fehlhaltung). Die Überwindung dieser Sicht in der Bodhisattva-Übung weist das Kongō-kyō (Diamantsutra).

    Wobei ich jetzt mal vermute, Bosluk würde Abschnitt 7 nicht so einleuchtend finden. Aber okay, hängen wir es mal etwas tiefer: was spricht die shi gu sei gan? Die spielen im Thema des Threads ja irgendwie auch eine Rolle ... Stattdessen zanken wir um Begrifflichkeiten. Okay - 'Ego' ist bzw. war in unserem Kontext ein missverständlicher Begriff, den man besser meidet. Gut, dass wir darüber gesprochen haben ...


    Wobei ich selbst es auch weniger mit dem 'Abschneiden' (was sollte was wovon abschneiden?) als mit der Transformation habe. Aber wie das mit den Namen ist und da wir uns ja auch über den 'Diamantschneider' unterhalten noch ein Zitat aus dem Abschnitt, auf den Honin schon verwiesen hatte, dem sechsten:

    Zitat

    Sie werden nimmermehr die Vorstellung von einem ātman, einem sattva, einem jīva oder von einem pudgala haben. Sie werden weder die Vorstellung von einem dharma noch die Vorstellung von einem adharma haben. [...] Selbst wenn sie die Vorstellung von einem dharma ergreifen würden, würden sie ebenfalls einem ātman, einem sattva, einem jīva oder einem pudgala anhaften. [...] Selbst wenn sie die Vorstellung von einem adharma ergreifen würden, würden sie ebenfalls einem ātman, einem sattva, einem jīva oder einem pudgala anhaften. Deshalb solltest du weder einen dharma ergreifen, noch solltest du einen adharma ergreifen.

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  • Ich möchte auch noch kurz daran erinnern in welcher Situation sich V. Frankl befand und die Frage: ob es sowas wie einen „Willen zur freien Wahl“ gibt oder nicht?


    Und an die 10 Ochsenbilder.

    Beispielsweise

    IV. Das Einfangen des Ochsen




    Vorwort:


    Heute treffen wir endlich auf den Ochsen, der so lange in der Wildnis versteckt war. Aber die Welt um uns herum ist so ablenkend, dass es schwer ist, mit dem Ochsen Schritt zu halten. Er wird seine Sehnsucht nach dem süßen Gras nicht so leicht aufgeben. Er ist noch genauso eigensinnig wie zuvor und genauso wild. Wer ihn wirklich zähmen will muss die Peitsche ansetzen.


    Strophe:


    Er wendet alle Kraft auf, um den Ochsen zu ergreifen. Aber auch wenn er willensstark ist, wird der Ochse sich nicht so leicht fangen lassen. Sobald er die Höhe erreicht hat, verschwindet er wieder tief im Nebel.


    Waka:


    Er denkt: "Endlich-- Mein Geist - der Ochse- Nicht loslassen!. Aber genau das, ist die eigentliche Fessel.


    Kommentar angelehnt an Shodo Harada Roshi Kommentar- Frei zusammengefasst und übersetzt:


    Auf der Suche nach dem Ochsen verlassen wir uns auf Worte und Erklärungen; endlich sehen wir den Ochsen, oder etwas das wie ein Ochsen ist. Aber wir können ihn noch nicht frei benutzen. Wir kennen ihn, aber im Alltag können wir ihn nicht verwenden. Seiner Essenz, können wir noch keine Funktion geben. Wir denken verstanden zu haben; doch in unserem täglichen Leben kann unsere Einsicht, noch nicht zum Leben erwachen. Wir haben jahrelang daran gearbeitet so etwas wie einen Ochsen zu realisieren und dennoch gibt es kein besonderes Ding wie einen Ochsen. Wir sind nie getrennt worden von unserer ursprünglichen Natur. Aber wenn wir weitergehen, verbreiten sich unsere Gedanken und ein trüber Geisteszustand bleibt. Wir haben viele Arten von Erfahrungen gemacht, tiefe und seichte, aber wir müssen uns bemühen, sie weiter vertiefen und unser Bemühen fortzusetzen. Es geht nicht nur darum, einige Koan-Antworten zu lernen oder eine gute Atmung zu haben. Wir müssen jede Idee über unseren Standort loslassen, bis wir zu einem kompletten Narren geworden sind –bis wir wieder dort angelangt sind wo wir glauben alles zu wissen. Dann weitergehen- In der Welt der Verwirrung, der Emotionen und der Gewohnheiten, ist es nicht so einfach, alle unsere Konditionierungen einfach mal so zu durchbrechen.




    Es gibt eine Geschichte:


    Watanabe Katsuko war Leiterin und praktizierte Zazen. Ihr Vater war ein Kongressabgeordneter, als der Kaiser noch an der Macht war. Dann kamen Widerstandskämpfer und erschossen ihren Vater. Vor ihren Augen sah sie den Vater fallen, erschossen mit zwanzig oder dreißig Kugeln. Was für eine schmerzhafte und schreckliche Sache! Sie ging ins Kloster und arbeitete daran, denen zu vergeben, die ihren Vater vor ihren Augen erschossen hatten. Als sie fünfzig Jahre alt war, versammelten sich die Familien der Mörder, um Opfergabe zum Gedenken an die Erschossenen darzureichen. Sie besuchte die Zeremonie. Während sie dort war, sagte ein Familienangehöriger eines Attentäters: *Alle Opfer wurden zum Wohle des Landes erschossen und die Attentäter hatten das Recht dazu, die Menschen zu erschießen!* Da wurde ihr plötzlich bewusst, dass es noch immer einen Ort gab, wo sie noch nicht in der Lage war, Frieden zu schließen- Den Ochsen fangen ist diese Art von Anstrengung beim Loslassen




    Oder der Lehrer von Zenmeister -Hakuin


    Meister Dokyo Etan, der in einem Dorf lebte wo wilde Wölfe lebten und einige Menschen töteten. Viele hatten deshalb Angst und gingen nicht nach draußen. Dokyo Etan, sagte: "Gut! Das ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, um meinen Geisteszustand herauszufordern. Deshalb setzte er sich Nachts auf dem Friedhof, wo die Wölfe vorbeikamen. Als es dämmerte, kamen die Wölfe. Einer nach dem anderen hin zum Friedhof, dort wo er Zazen saß. Der erste Wolf heulte und sprang über ihn hinweg- er zeigte seine Reißzähne und seine glühenden Augen. Dokyo Etan hatte Angst aber er setzte sein solides, gleichmäßiges Zazen fort. Dann legte ein Wolf die Pfote auf sein gekreuztes Bein, sabberte auf ihn und leckte sein Gesicht ab. Aber Dokyo Etan bewegte sich nicht. Er bewegte sich kein bisschen. Die Wölfe gingen schließlich weg, aber in der nächsten Nacht kamen sie wieder dorthin, wo er Zazen saß und umzingelten ihn. Dokyo Etan hatte Angst, aber er blieb sitzen. In der dritten Nacht so heißt es, kamen sie nicht gar nicht mehr zurück.----Den Ochsen fangen, ist diese Art von Anstrengung, beim Hineingehen.




    Diese Arten von Ernsthaftigkeit, Aufrichtigkeit, Loslassen und Verbindung, muss in unserer Praxis vorhanden sein, sonst bleiben all unsere Worte, nur Worte und Erklärungen. Und was ist dann mit dieser Welt, die wir einmal geschmeckt haben? Wo ist der Ochse dann? Diese Art von konsequenter Anstrengung, ist schwer. Es ist nicht leicht, das zu bewerkstelligen. Diese Art von Umständen erfordert alles. Alles was wir sind.


    (die letzten beiden Sätze nach den Geschichten sind gänzliche Eigeninterpretation)


    Das Original ist hier zu finden: https://terebess.hu/english/oxherd31.html

  • Aber warum beantwortest Du meine Frage nicht?

    Was lehrte da eigentlich 45 Jahre lang den Dharma?

    Ich habe mich mit der Frage nicht angesprochen gefühlt. Allerdings provoziert deine Frage "Was?" als Antwort ein "Etwas". Und jegliche Art dieser Antwort oder Zuschreibung ist eine Verdinglichung, die als Antwort ungeeignet wäre.

    Daher kann ich das "Was" direkt nicht beantworten. Aber womöglich lässt es sich näher an der Wahrheit beantworten, wenn gesagt ist, was es nicht ist. Denn wenn Ergreifen (upādāna) aufhört, ist das was übrig bleibt, das was gelehrt hat. Daher wäre es auch nicht richtig vom Buddha als ein "Was" im Sinne eines Wesens zu sprechen. Das was irgendeine "Wesenartigkeit", die Persönlichkeit (sakkāya) ist, nämlich die pañcupādānakkhandhā, treffen nicht mehr zu. Da waren nur pañca`kkhandhā.


    Bestenfalls ließe sich noch von einem puggala sprechen, wenn ich deklariere, dass puggala pañca`kkhandhā, ein Mensch oder ein Individuum ist, dessen Ergreifen aufgehört hat, da die khandhās bis zum Eintritt ins parinibbāna nicht gänzlich verschwunden sind (eine teilweise temporäre Aufhebung der Jhāna außen vor gelassen).

    die Frage, was da einer 45 Jahre gelehrt hatte, oder was da den Dharma gelehrt hatte, beantwortet das Diamant-Sutra in Abschnitt 7

    Nun ja - genau genommen sagt das nur, was es nicht war. Aber sicher, wie ich ja bereits schrieb:

    Eine treffende Antwort, die mir auf die Frage was da eigentlich 45 Jahren lang lehrte, einfällt, aber sicherlich etwas kryptisch wirken mag: Wer den Buddha sieht, sieht das Dhamma. Und wer das Dhamma sieht, sieht den Buddha.



    Du glaubst doch nicht, dass dein Schreiben nicht vom Gestank des „Ich“ durchsetzt ist wie Wasser von H2O?

    Das ist eine ziemlich persönliche Frage von dir. Aber nein. Meine negative konnotation mit "Gestank" ist bereits ein Symptom eines Ärgernisses über die Anwesenheit des (Asmimāna-) Gestankes. Dahinter verbirgt sich eine Abneigung gegen des Gestankes, was (wie mir eine gefühlte Ewigkeit nicht bewusst war) vibhava-tanhā ist und damit als Spezialfall von tanhā den Gestank nur aufrecht erhält. Die Ironie des "Aufrechterhaltens" durch "Loswerdenwollen" ist geradezu lächerlich.

  • Daher wäre es auch nicht richtig vom Buddha als ein "Was" im Sinne eines Wesens zu sprechen. Das was irgendeine "Wesenartigkeit", die Persönlichkeit (sakkāya) ist, nämlich die pañcupādānakkhandhā, treffen nicht mehr zu. Da waren nur pañca`kkhandhā.

    Nun ja - grundsätzlich wäre es auch nicht richtig, vorn irgendetwas (beispielsweise Dir oder mir) "im Sinne eines Wesens zu sprechen".;) Nun könnte man bei Dir oder mir stattdessen von einer 'Funktion' sprechen, als Ausdruck wechselseitigen Beziehung der skandhas als 'Definitionsbereiche'.


    Natürlich kennt man auch im Mahāyāna das sopadhiśeṣa-nirvāṇa (有餘涅槃, uyo nehan), d.h. nirvāṇa mit [skandha-]Überresten. Im Mahāyāna wird das sopadhiśeṣa-nirvāṇa als Erlöschen aller Ursachen von Wieder-werden (also Versiegen des 'Durstes') verstanden; mit dem nirupadhiśeṣa-nirvāṇa (無餘涅槃, muyo nehan), d.h. nirvāṇa ohne körperliche (rupa) Überreste, versiegen auch die Folgen vollständig. Damit ließe sich zumindest eine Teilantwort auf die Frage, was den Dharma lehrt(e) geben: skandha-Überreste. Wobei die Präsenz eines rupaskandha evident ist und offensichtlich auch der saṃskāraskandha unter dem Willensimpuls (cetanā) funktioniert, einen Weg zur Überwindung von duḥkha aufzuzeigen. Was ja angeblich Verblendung sein soll ...


    Wichtige Ergänzung: im Yogācāra (konkret im Yogācārabhūmi-Śāstra und in Xuanzangs Cheng Weishi Lun) definiert man noch zwei weitere Formen von nirvāṇa, zum einen die ursprüngliche Soheit (tathatā) allen Seins sowie das apratiṣṭhita-nirvāna (無住涅槃, mujū nehan) d.h. 'nicht-fixiertes nirvāna'. Die Fixierung, von der hier die Rede ist, ist eine Fixierung entweder auf nirvāna oder auf saṃsāra. Das Nichtfixieren ermöglicht den Wandel in saṃsāra, ohne daran zu haften und so aus dem großen Mitgefühl (mahākaruṇa) heraus ohne Anhaftung zu handeln. Das ist das Bodhisattva-Ideal, das übend angestrebt wird.

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  • Honin

    Hier gibt es noch ein Ton-Dokument von Viktor Frankl.

    Landsberger Zeitgeschichte: Tondokument - Viktor Frankl


    Nun zu deinen Fragen:


    Zitat

    Wer oder was trug und trägt eigentlich die Verantwortung, für das was tgl. noch immer auf der Welt, in irgendeiner Form passiert?


    Warum ist der Mensch so grausam und warum auch auf der anderen Seite wieder so hilfreich, wie es sich schon oft in Krisenzeiten gezeigt hat?


    Warum ist der Eine so und die Andere so?


    Und woher kommt das alles?


    Unabhängig davon ob es sich definiere lässt oder nicht, was ist es, woher kommt es, warum, wieso, weshalb?


    Gibt es einen „Willen zur freien Wahl“ oder nicht?


    Und was ist dann mit dieser Welt, die wir einmal geschmeckt haben?


    Wo ist der Ochse dann?


    Im Rinzai Zen werden auch Fragen gestellt - auch solche Fragen nach dem Sinn, der Schuld/Verantwortung, und nach dem warum - und da wirst du dann mit deiner Frage auf das Kissen zurück geschickt und sollst die Antwort das nächste Mal vorbei bringen. Nächste Woche oder eben zum nächsten Sesshin, jedenfalls im nächsten Dokusan. Nehmen wir mal die Frage "Woher kommt das alles?

    Das sind ja Koan - Fragen, die aus der Tiefe kommen - wie die Frage Buddhas nach dem Leiden, den Ursachen des Leidens und dem Weg, der zum Auflösen des Leidens führt.

    Und die Bodhisattva Gelübde kommen aus dieser Quelle.


    In einem Teisho zum ersten Bodhisattva-Gelübde shujo muhen seigando heißt es:

    Zitat

    Angesichts der Unermesslichkeit des Bodhisattva-Gelübdes ist es wichtig zu verstehen, dass es in Wirklichkeit niemanden zu retten gibt. Das ist die tiefe Unterweisung des Diamant-sutras. Es gibt in der buddhistischen Unterweisung widersinnige Dinge, aber diese Paradoxe haben eine befreiende Wirkung. Wenn wir nicht verstehen, dass es kein Wesen zu retten gibt, können wir uns unendlich schuldig fühlen, was unseren Gleichmut stören kann, denn diese riesige und fast unendliche Aufgabe, alle Wesen zu retten, ist eine Quelle des Leidens für den Bodhisattva. Ein Bodhisattva leidet nicht mehr aufgrund seines Egos, sondern aus Mitgefühl. Um dieses Leiden aus Zuneigung zu lindern, braucht der Bodhisattva Weisheit. Er erinnert sich, dass es wegen des Nicht-Egos, wegen der Leerheit kein Wesen und kein Ego zu retten gibt. Alle Wesen sind bereits gerettet oder befreit, denn sie sind Leerheit, sie sind ohne Ego.

    Das Erste der grossen Gelübte des Bodhisattva - ABZE - Association Bouddhiste Zen d'Europe

    :zen:

  • Leonie : wenn es kein Selbst gibt , gibt es weder etwas das nutzt noch etwas das abgeschnitten wird.

    wenn es ein Selbst gibt, gibt es etwas das abgeschnitten wird oder etwas das genutzt wird.
    Das. ist meine Einsicht dazu..


    Vielen Dank für das schöne Teisho


    Lg

  • Ob es nun ein Selbst gibt oder nicht, ist reine Gedankenspielerei, von einem Nicht-selbst oder einem Selbst. Satt macht das nicht.

    Wenn ich esse, isst etwas, dem ist es egal, ob mit Nicht-Selbst oder mit Selbst. Mit welchem Geist willst du den Kuchen essen? Dem vergangenen, dem Jetzigen, dem Morgigen.

    Bei dem ganzen Zen könnte man glatt sterben.

  • wenn es kein Selbst gibt , gibt es weder etwas das nutzt noch etwas das abgeschnitten wird.

    wenn es ein Selbst gibt, gibt es etwas das abgeschnitten wird oder etwas das genutzt wird.
    Das. ist meine Einsicht dazu..

    Ja.

    Es ist wie mit der roten und der blauen Pille.

    :zen:

  • wenn es kein Selbst gibt , gibt es weder etwas das nutzt noch etwas das abgeschnitten wird.

    wenn es ein Selbst gibt, gibt es etwas das abgeschnitten wird oder etwas das genutzt wird.
    Das. ist meine Einsicht dazu..

    Ja.

    Es ist wie mit der roten und der blauen Pille.

    Egal, welche man nimmt, immer irgendein Selbst oder Nicht-Selbst. Aber wählen und einnehmen muss man immer eine. Kein Einnehmen bedeutet sterben oder als Mensch nutzlos sein. Der mittlere Weg ist eben zu wählen und das gewählte benutzen und nicht festhalten wollen.

  • im Yogācāra (konkret im Yogācārabhūmi-Śāstra und in Xuanzangs Cheng Weishi Lun) definiert man noch zwei weitere Formen von nirvāṇa, zum einen die ursprüngliche Soheit (tathatā) allen Seins sowie das apratiṣṭhita-nirvāna (無住涅槃, mujū nehan) d.h. 'nicht-fixiertes nirvāna'


    Guten Tag,


    was kann und soll man denn darunter verstehen? Ist die "Soheit" eines Menschen gleich der "Soheit" einer Erbse? Und wenn dies der Fall sein sollte, warum dann Nirvana anstreben, dass eben so definiert wird als "Soheit"? Denn wenn etwas "so ist" dann ist es ja jetzt schon so und nicht in der Zukunft, in der eine Soheit Mensch Nirvana erlangen kann/könnte/sollte. Oder wie sieht es da aus?

  • im Yogācāra (konkret im Yogācārabhūmi-Śāstra und in Xuanzangs Cheng Weishi Lun) definiert man noch zwei weitere Formen von nirvāṇa, zum einen die ursprüngliche Soheit (tathatā) allen Seins sowie das apratiṣṭhita-nirvāna (無住涅槃, mujū nehan) d.h. 'nicht-fixiertes nirvāna'


    Guten Tag,


    was kann und soll man denn darunter verstehen? Ist die "Soheit" eines Menschen gleich der "Soheit" einer Erbse? Und wenn dies der Fall sein sollte, warum dann Nirvana anstreben, dass eben so definiert wird als "Soheit"? Denn wenn etwas "so ist" dann ist es ja jetzt schon so und nicht in der Zukunft, in der eine Soheit Mensch Nirvana erlangen kann/könnte/sollte. Oder wie sieht es da aus?

    Die Soheit des Menschen ist gleich der Soheit aller fühlenden Wesen. Wenn eine Erbse fühlend ist, bitte, auch die Soheit einer Erbse.


    Das Problem ist nicht die Soheit, es ist der Glaube, dass das Ich und die Person eines Menschen eine andere Soheit ist. Eine Besondere, erhobene, Heilige. Diese Person kann Nirvana erreichen und so die Soheit des Ichs sein, das ohne Ich ist. (Ein geiles Paradox!) Der Mensch erreicht also nie Nirvana, er ist schon Nirvana. Die Person kann Nirvana erreichen, doch die fühlt sich als gehoben Heilige Sosein viel wohler und sucht nach Nirvana, das sie schon lange hat, ist.

  • Die Soheit des Menschen ist gleich der Soheit aller fühlenden Wesen


    Hallo,


    aber wie wird die denn definiert? Hat die Eigenschaften?




    Das Problem ist nicht die Soheit, es ist der Glaube, dass das Ich und die Person eines Menschen eine andere Soheit ist.


    Der Buddha lehrt doch das Ich und die Person leer sind, anatta, also da gar keine Essenz ist - Soheit klingt für mich wie Essenz, etwas was eben "so ist", etwas inhärent existierendes...daher hab ich ja gefragt was das genau sein soll.

  • Die Soheit des Menschen ist gleich der Soheit aller fühlenden Wesen


    Hallo,


    aber wie wird die denn definiert? Hat die Eigenschaften?


    Die Eigenschaft der Soheit ist, dass Etwas scheinbar etwas Definierbares ist. Dieses Etwas ist aber, vollkommen frei von jedem Gedanken oder Vorstellung, Definition, Begriff.

    Ich nehm mal Energie, die als Materie erscheinen kann und die Materie als Dinge. Wenn aber alle Materie zu Energie wird, was will dann die Soheit der Energie definieren, zumal ja auch alle definierte Materie nur Energie ist? Was ist dann Energie?

    Existent, aber nie mit Begriffen definierbar.


     

    Das Problem ist nicht die Soheit, es ist der Glaube, dass das Ich und die Person eines Menschen eine andere Soheit ist.


    Der Buddha lehrt doch das Ich und die Person leer sind, anatta, also da gar keine Essenz ist - Soheit klingt für mich wie Essenz, etwas was eben „so ist“, etwas inhärent existierendes...daher hab ich ja gefragt was das genau sein soll.


    anatta bedeutet auch, dass Erscheinungen und Phänomene nicht aus sich selbst geschaffen, nicht aus Nichts entstanden, nicht beständig sind, nicht ohne Abhängigkeit oder Bedingungen erscheinen. Da gibt es keinen inhärenten Kern.

    Die Essenz der Person glauben wir zu wissen, zu fühlen und zu leben, doch wenn wir die Person als Objekt untersuchen, ist da keine, die bewiesen werden kann. Nettes Spiel: Beweis mir, dass du existierst. Wenn ich in der Widerlegung deiner „Beweise“ das du existierst gut bin, wird es dich in eine unendliche Schlucht stürzen.


    Selbstverständlich klingt Soheit wie Essenz, solange ich an der Essentialität meiner Person glaube und diese Person nicht genau untersucht habe.

  • Selbstverständlich klingt Soheit wie Essenz, solange ich an der Essentialität meiner Person glaube und diese Person nicht genau untersucht habe.


    Ich glaube ja nicht an Essenz, weder bei mir, noch bei anderen, noch bei Objekten. Darum weiß ich ja auch nicht, was der Begriff Soheit bedeuten soll. Es gibt ja manche, die sprechen auch von Leerheit als wäre dies ein Ding, eine Sache, aber es ist ja eben nichts aus sich selbst heraus sondern einfach nur das, was abhängige Entstehung ist.


    Dieses Etwas ist aber, vollkommen frei von jedem Gedanken oder Vorstellung, Definition, Begriff.


    Dann ist es aber, rein rational gesehen, Phantasterei bzw. nicht-existent, denn für Existierendes muss das vorliegen, welches gerade als "vollkommen frei von..." beschrieben wurde.


    Wenn aber alle Materie zu Energie wird, was will dann die Soheit der Energie definieren, zumal ja auch alle definierte Materie nur Energie ist? Was ist dann Energie?

    Existent, aber nie mit Begriffen definierbar.


    :?


    Hier mal eine Definition:


    Zitat

    Der Begriff Energie kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „wirkende Kraft“


    Die "Soheit" wäre dann die wirkende Kraft, aber es ist ja eben unnötig von einer "Soheit" zu sprechen, da der Begriff ja eben schon definiert wurde.


    Zitat

    Existent, aber nie mit Begriffen definierbar.


    Etwas, was Existent ist, muss mit Begriffen definierbar sein, da es ja wahrgenommen werden kann, in dem Sinne zur Erfahrungswelt gehört. Ob diese Definition jedoch dann exakt, falsch oder ungenügend ist, sei mal dahingestellt.

  • Soheit ist eben nicht „wirkende Kraft“ Soheit ist das durch die wirkende Kraft bewirkte.


    Das gesamte Forum ist voll von Existenz, die nicht existiert. Alles hier ist Geistig, kann ich darum behaupten das es nicht existiert?

    Die Welt um mich, meine Person, ist voller Dinge, die ich benennen kann und die benannt sind, kann ich behaupten, dass, wenn ich sie nicht benenne, die Dinge dann nicht existieren?

    Dinge existieren auch ganz ohne Benennung, Begriffe existieren auch ganz ohne Dinge.

  • Soheit ist eben nicht „wirkende Kraft“ Soheit ist das durch die wirkende Kraft bewirkte.


    Aber dann wäre es ja immer etwas anderes wenn es ein Resultat darstellen würde (das Bewirkte).



    Das gesamte Forum ist voll von Existenz, die nicht existiert


    Nein, so etwas kann es gar nicht geben, eine "Existenz, die nicht existiert". Die Bedeutung von Existenz ist ja eben, dass etwas existiert.




    Alles hier ist Geistig, kann ich darum behaupten das es nicht existiert?


    Es ist eben nicht geistig, denn wir sehen ja Buchstaben, Pixel, Bilder, wie immer man das auch nennen mag. Das Forum selbst gründet auf Programmierung.




    Die Welt um mich, meine Person, ist voller Dinge, die ich benennen kann und die benannt sind, kann ich behaupten, dass, wenn ich sie nicht benenne, die Dinge dann nicht existieren?


    Das nicht, aber was man behaupten kann ist, dass diese Dinge benannt wurden, eben weil sie existieren. Ich könnte mich theoretisch (!) den Benennung enthalten, aber das funktioniert nicht, da der Verstand einfach mit den erlernten und erworbenen Benennungen arbeitet, ob wir das jetzt wollen oder nicht.


    Wenn du jetzt irgendein unbekanntes Tier in Papa Neuguinea sehen würdest, dann existiert das Tier, du hast aber (noch) keine genaue Benennung (Spezies usw.). Aber, und das ist der Punkt, du wirst es trotzdem benennen eben als "unbekanntes Tier". So nähern wir uns Wissen und der Umwelt an, erst grob-definiert, dann fein-definiert.


    Darum ist...


    Dinge existieren auch ganz ohne Benennung, Begriffe existieren auch ganz ohne Dinge.


    ...immer nur theoretisch denkbar, aber praktisch nicht zu sehen. Natürlich brauch ein Begriff kein Ding um Begriff zu sein, aber er gründet auf dem Ding bzw. macht ohne das Ding überhaupt keinen Sinn, da es keine Begrifflichkeiten geben kann, die sich nicht auf irgendetwas beziehen. Ich würde mal glatt behaupten das ist das, was uns die abhängige Entstehung lehren kann.


    Und ich rede natürlich immer von der menschlichen Erfahrung, das ist der gegebene Kontext. Das eine Ameise über ein Tempo grabbelt ohne Benennung ist auch klar. Ich glaube dort entspringt auch so manche Sehnsucht nach dem "natürlichen Leben der Tiere".

  • was kann und soll man denn darunter verstehen?

    Soheit (Skt. tathatā oder bhūtatathatā, 真如 zhenru / shinnyo) ist im Mahāyāna ein zentraler Begriff. Die 'klassische' Definition stammt von Vasubandhu, Verse 21 bis 25 seiner Triṃśikā Vijñaptimātratāsiddhiḥ (30 Verse über Vijñaptimātra / 'Nur Bewusstsein').

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Es ist eben nicht geistig, denn wir sehen ja Buchstaben, Pixel, Bilder, wie immer man das auch nennen mag. Das Forum selbst gründet auf Programmierung.

    Das ist ein ziemlich unreflektierter Materialismus. Buchstaben, Pixel, Bilder (oder auch eine Programmierung) sind nichts per se Existierendes. Es sind Dinge, die mit den skandhas ergriffen werden und daher als Bewusstseinsobjekt auftreten - mithin rein geistig.

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  • Könnte man sagen, dass Eigennatur in dem Kontext ein schlechter Begriff ist?


    Wenn ich mir dies so anschaue...


    Zitat

    Daher sind die Eigennaturen letzter Wirklichkeit (pariniṣpanna-svabhāva) und die Eigennatur der Abhängigkeit von anderem (paratantra-svabhāva) weder verschieden noch nicht-verschieden; so, wie Unbeständigkeit (anityā) weder verschieden noch nicht-verschieden von unbeständigen Seinsmomenten (dharmas) ist. Man erkennt nicht die die Eigennatur der Abhängigkeit von anderem, so lange man die [Eigennatur] der letzten Wirklichkeit nicht erkannt hat.



    ...dann kommt das für mich auf diese Formel raus: Leerheit=Form



    In meinem individuellen begrifflichen Verständnis ist "Eigennatur" eine Natur, die sich zuordnen lässt zu dem Eigentlich, was man bennen möchte.


    Zitat

    Diese höchste Wahrheit über alle dharmas (dharmaparamārtha) ist auch wahre Soheit (bhūtatathatā), weil sie unveränderlich ist und beständig in ihrer Natur verbleibt. Dies ist die wahre Natur von 'Nur Bewusstsein' (vijñaptimātratā).


    Ist diese Soheit nicht einfach Leerheit? Was meint hier "nur Bewusstsein"? Ein freischwebendes Bewusstsein ohne Besitzer?

  • Buchstaben, Pixel, Bilder (oder auch eine Programmierung) sind nichts per se Existierendes


    Aber sicher doch, sonst würden wir jetzt nicht darüber reden. Wir verständigen uns, weil wir zuvor die Buchstaben gesehen haben. Wären da keine Buchstaben, kein Forum, nichts Existierendes, dann könnten und würden wir keinen Austausch führen.



    Es sind Dinge, die mit den skandhas ergriffen werden und daher als Bewusstseinsobjekt auftreten - mithin rein geistig.


    Es sind Dinge, genau - und Dinge existieren nun mal. Auch ein rein geistiges Ergreifen setzt ein Ding voraus, man könnte Bezugsobjekt sagen.


    Das ist ein ziemlich unreflektierter Materialismus


    Ich bin kein Materialist, sondern Rationalist. Existierendes muss nicht materiell vorliegen um wahrgenommen zu werden (etwa Klangschwingungen) - aber es muss vorliegen, sonst wäre es nicht zur Existenz zurechenbar.