Überlieferung

  • Sorry, aber so lange Du für diese Behauptung nicht wenigstens ein einziges Sutrenzitat anführen kannst, nehme ich mir die Freiheit, das als zusammenfantasierten Unsinn zu bezeichnen.

    also nur um es zu verstehen:


    Buddha lief umher und unterrichete seine Anhänger mündlich. das ging so ein paar Generationen und dann wurde es aufgeschrieben. wie kann man sicher sein daß das das wirklich gesprochene von Buddha ist. Ich kenne ja das Spiel Stille Post. und ist im Christentum ja genauso? sorry wenns hier nicht reinpasst bitte löschen.

  • Also Jesus lehrte ja nur für so drei Jahre und schon die nach seinem Tod aufgeschrieben Evangelien unterschieden sich sehr.


    Buddha dagegen gründeten seine Sangha mit 35 und er starb mit 80 und sie umfasste Tausende von Ordinierten und Laien. Von daher gab es schon damals die Anforderung die Reden Buddhas zu sammeln und sie systematisch weitergegeben. Dies war der Job von Rezitazoren (bhāṇaka)

    Nach Buddhas Tod gab es die buddhistischen Konzilien in denen ein Kanon an Texten festgeklopft wurde. Beim ersten dieser Konzile war Buddhas Cousin und Assistent Ananda eine große Hilfe. Er hatte wohl ein eidetisches Gedächtnis und und könnte aus dem Kopf ganz viel von dem was Buddha gesagt hatte wiedergeben.


    So 100% sicher ist das natürlich auch nicht und schon auf den späteren Konzilien gab es auch Meinungsverschiedenheiten. Und über die Jahrhunderte gibt es natürlich immer wieder Versuchungen für Veränderungen. Aber es ist schon besser als "Stille Post".


    Von daher kann Sudhana schon fragen, ob man die Idee von mir irgendwo im Palikanon ist, oder zumindest in einem frühen Kommentar oder ob es 1000 Jahre später in einer Lehrreden auftaucht. Oder ob das nur eine lustige Anekdote von einem Lehrer ist, die mir hängeblieben ist.

  • Ob der Pali-Kanon zum Beispiel das Wort des Buddha ist, kann man wirklich nicht beweisen. Aber viele Buddhologen gehen davon aus. Es ist nicht unwahrscheinlich.


    Viele antike Texte wurden rein mündlich überliefert, wie zum Beispiel die Psalmen der Bibel oder deren Sprüche. Die Odysee und die Ilias ebenfalls. Sie wurden alle später erst aufgeschrieben. Dass ich mir heute nicht einmal das Herzsutra wirklich merken kann, liegt nicht so sehr daran, dass ich geistig das nicht kann, sondern weil ich es nicht mehr gewohnt bin. Ich kenne nicht einmal ein Weihnachtsgedicht. Meine Oma konnte aus dem Stegreif Dutzende solcher Weihnachtsgedichte herunterleiern. Früher war das Auswendiglernen von Schillers Glocke Pflicht. Ich kann, glaub ich, noch die ersten beiden Strophen.


    Wenn man sich mal die Sutta im Pali-Kanon anschaut, wird man feststellen, dass viele Passagen immer wiederkehren. Das erleichtert das Auswendiglernen und Rezitieren. Theravada-Novizen müssen auch heute noch ganze Kapitel, zum Beispiel des Vinaya, auswendiglernen. Ich kann das nicht mehr. Ich bin schon froh, wenn ich mir die Titel einiger Sutta merken kann.


    Andere Fertigkeiten, die wir heute verlernen, die aber jetzt nichts mehr mit der Frage zu tun haben, sind zum Beispiel Kopfrechnen oder Schönschreiben. Ich bin es so gewohnt, mit dem Taschenrechner/Handy zu rechnen, dass es mir durchaus mal passieren kann, dass ich auch 12+5 eintippe. Bin durchaus in der Lage, das im Kopf zu rechnen, aber die Gewohnheit. Genauso wie handschriftlich schreiben. Kann ich natürlich, aber meine Handschrift ist alles andere als ästhetisch. Hier in Vietnam, wo viele Menschen weder Handys noch Computer haben und deswegen noch per Hand schreiben, sieht man das direkt. Selbst Einkaufszettel sind in perfekter Schrift verfasst. Ich könnte die als Kalligraphie einrahmen, obwohl vielleicht nur steht: Bitte Fischsoße nicht vergessen!


    Da wir viele Fertigkeiten verlernen, können wir uns das auch nicht mehr vorstellen, wie man früher solche Texte tradiert hat.


    Und dann kommt natürlich noch der Textvergleich als wissenschaftliche Methode. Macht man bei der Bibel ja auch. Die Evangelien wurden erst jahrzehnte nach Jesu Tod verfasst, gehen aber teilweise auf eine Quelle Q zurück, die nicht erhalten geblieben ist. Bei den Sutta ist das Ähnlich.


    Um zu verhindern, dass Sutta verfälscht werden, Wörter hinzugefügt oder ausgelassen werden, hat man sie in einer bestimmten Rhytmik verfasst. Das wäre also noch ein Punkt, den man berücksichtigen kann.

  • von J,Bronkhorst habe ich, dass es keinerlei Hinweise dafür gibt, dass Buddhisten über ähnliche "professionelle" Memotechniken und Traditionen verfügten, wie sie bei den Brahmanen üblich waren.


    Nach meinen persönlichen Eindrücken sind die allermeisten Suttas der Längeren und Mittleren Sammlung auch nicht aus einem "Guss" - also doch eher konstruiert.


    Ferner wäre zu beachten, dass es jeweils zu Beginn heißt: "So habe ich gehört" - Ja, von wem denn? Selbst wenn es von Buddha gewesen sein sollte, dann eben nicht "So hat er gesagt" oder gar "So hat er verstanden". Mir scheint der Punkt wichtig, denn was der Buddha gesagt hat, ist seinem Verständnis geschuldet, aber er konnte ja keine andere Sprache verwenden als die in den Worten seiner Zuhörer - nur kann man bei denen kaum voraussetzen, dass die dasselbe Verständnis hatten. Um das an einem einfachen Beispiel zu erläutern, "ich" bedeutet beim Buddha u.U. etwas ganz anderes als bei seinen Zuhörern.

    Welche hermeneutischen Hilfsmittel könnte man verwenden, um den Worten Buddhas näherzukommen?
    Mein persönlicher Kompass sieht so aus:

    1. Alles, was nicht dem anatta-Prinzip entspricht, ist erst mal zweifelhaft.

    2. Alles, was in den Texten definitiv ausgeschlossen wurde, kann nicht an anderer Stelle durch die Hintertür wieder eingeführt werden.

    und natürlich meine Zen-Praxis, aber das ist nix, worüber man wirklich reden könnte.


  • Zur Frage, ob die Aufzeichnungen im Pali-Kanon authentisch sind oder nicht, gehen die Meinungen weit auseinander. Kürzlich las ich ein Buch mit dem Titel "Die Authentizität der Frühbuddhistischen Texte" (ich verlinke es unten), das zu beweisen versucht, dass die meisten Sutten authentisches Buddhawort sind. Die Argumente haben mich allerdings nicht im Ansatz überzeugt.


    Bei der Frage, "sind die Pali-Texte authentisches Buddhawort?", möchte ich folgendes zu bedenken geben:

    1. Es gibt bereits eine Lücke zwischen der Aufnahme einer mündlichen Überlieferungstradition und dem tatsächlichen Geschehen. Buddha soll immerhin 40 Jahre lang gelehrt haben und er habe in Opposition zu den Brahmanen nicht gewollt, dass seine Lehren aufgeschrieben werden. In so einer Lücke kann viel verloren gehen.
    2. Erst nach seinem Tode habe sein Schüler Ananda auf dem ersten Konzil alle Lehrreden des Buddha aus 40 Jahren auswendig hersagen können, so der Gründungsmythos. Aus 40 Jahren(!) Auswendig (!). Daraus sei der Kanon entstanden. Das weckt in mir Zweifel. Wer kann denn sowas? War Ananda zufällig ein hochbegabter Asperger-Autist? Da haben wir aber Glück gehabt!
    3. Ananda habe dann beim ersten Konzil die Lehrreden hergesagt, so dass andere Mönche sie ebenfalls auswendig lernen konnten. Ob es das erste Konzil überhaupt gegeben hat, weiß niemand. Meines Wissens ist erst das Konzil unter Ashoka (253 oder 250 v.u.Z.) historisch gesichert. Möglicherweise ist diese ganze Geschichte erst im Nachinein zusammengezimmert, um die Authentizität der Texte zu belegen.
    4. 40 Jahre lang Lehre kann auch bedeuten, dass Buddha in den 30igern, als junger Asket, etwas anderes gelehrt hat, als als Greis. Zumal er sich wohl auch immer wieder an Streitgesprächen mit anderen Gruppen und Gurus beteiligt hat. Wenn man da nichts dazu lernt, wäre das ja traurig. Was ist in diesem Szenario dann authentisches Buddhawort? Das des jungen Asketen oder das des greisen erfahrenen Religionsgründers? Wird sich nach 40 Jahren überhaupt noch jemand an die Lehren des jungen Buddha erinnern und nicht doch ausschließlich an die letzten Lehren des greisen, etablierten Buddha (...außer vielleicht Ananda-Superhirn)?
    5. Buddha hat wohl in einem altindischen Dialekt gesprochen. Bis zur schriftlichen Fixierung musste es mindestens zwei Übersetzungsszenarien gegeben haben: Vom Ursprungsdialekt in einen uns unbekannten Dialekt und dann in Pali (lt. dem Linguisten Oskar von Hinüber). Bei so einem Szenario müssen wir mit deutlichen Bedeutungsverschiebungen vieler zentraler Begriffe aus der Ursprungslehre rechnen.
    6. Die Texte wurden etwa 20 Generationen mündlich überliefert, 20! Wenn sich da an den Texten nicht irgendwas verändert hat, würde mich das doch sehr wundern. Zumal es meines Wissens ganz zu Anfang im frühesten Buddhismus noch keine Klosterinfrastruktur gab, die institutionalisiert eine authentische Übertragungstradition hätte sicherstellen können. Wir können nicht sagen, ob es eine kontrollierte Überlieferungstradition gab, oder jeder halt das weitererzählt hat, wie er meinte, das es richtig sei. Man kann an vielen Texten sogar zeigen, dass es verschiedene Versionen und Entwicklungsstufen gibt. Frauwallner, glaube ich, war es, der schrieb, dass die Lehre von den 12 Gliedern des bedingten Entstehens auf zwei verschiedene Versionen zurückgeht, eine 5-gliedrige und eine 7-gliedrige. Die hat irgendwann halt mal irgendjemand zusammengefasst und als authentisches Buddhawort verkauft. Auch die Vier Edlen Wahrheiten gelten bei einigen Buddhologen als komponiert und nie in dieser Form von Buddha gelehrt. Aua.
    7. 400 oder 500 Jahre dauerte es bis zu den ersten Texten. Versetzen wir uns heute so weit zurück, wären wir im 15. Jahrhundert. Das wäre, als hätten wir uns bis heute die Abenteuer eines Martin Luther lediglich erzählt, bis gestern dann plötzlich jemand auf die Idee gekommen ist, die mal anzufangen aufzuschreiben. Liest man heute alte Kirchenbücher aus dem 17. Jahrhundert, sind die schon fast unverständlich. Wenn man sie verstehen will, muss man eine umfassende Interpretationsarbeit leisten. Wird man alles so rekonstruieren können, wie es mal gemeint war?
    8. Durch die späte Fixierung der Pali-Schriften, muss davon ausgegangen werden, dass sie nicht nur die Lehren einer Schule enthalten, sondern von vielen frühen Gruppen, die das Buddhawort in ihrer eigenen Weise, zum Teil sich widersprechend, interpretiert haben. So finden wir im Palikanon viele historische Schichten nebeneinander – sogar einzelne Sutten können aus mehreren Überlieferungschichten unterschiedlicher früher Traditionen bestehen. Wer will entscheiden, was davon authentisches Buddhawort ist und was nicht? Welche Gruppe hatte in ihrer Interpretation recht?
    9. Religionsgeschichte ist immer auch Mentalitätsgeschichte. Man kann nach 2.500 Jahren schlicht nicht mehr sagen, was genau gemeint war. Ein Beispiel dazu: Während der deutsche Kulturkreis explizit ist, d.h., bei uns gilt es als notwendig, die Dinge auszusprechen, möglichst konkret zu benennen, wie sie sind, sind andere Kulturen implizit, "kontextreich" nennt man das. Da werden die wichtigen Informationen zwischen den Zeilen transportiert. Das ist im Zusammenhang von rein müdlicher Kommunikation, mündlicher Lehre, wie sie Buddha zugeschrieben wird, besonders wichtig. Hier transportieren Gestik, Mimik und Tonfall die Botschaft mindestens mit. Auf die Frage, "Geht es Dir gut?" Kann man immer antworten, "Ja, danke, sehr gut!". Durch die Betonung der Worte und andere, nonverbale, Zeichen, kann aber das genaue Gegenteil gemeint sein und der Gesprächspartner der selben Kultur weiß dies zu deuten. Ein Kulturfremder aber nicht. Schreibt man das dann auf, bleiben alle möglichen Bedeutungsnuancen auf der Strecke. Du kannst nur die explizite Bedeutungsebene aufzeichnen.
    10. Manchen Buddhologen gelten die Palitexte als rein hagiografisch, d.h. als den Religionsgründer verherrlichend. Johannes Bronkhorst meint, dass die Palitexte nicht Buddhawort seien, aber Buddhawort enthalten. Wer will da entscheiden, was authentisches Buddhwort in einer Sutta sein könnte und was Hagiografie?


    Hier der Link zum oben erwähnten Buch:

    https://tilorien.org/authenticity.pdf

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Zitat

    Die Suttas, die Lehrreden des Buddha, wurden lange nach den Ereignissen niedergeschrieben und sind vereinfacht und zusammengefasst wiedergegeben.


    In meiner eigenen Praxis habe ich nie einen Grund gesehen, um die Schriften und Texte zu studieren. Wir können die Texte lesen, aber in Wahrheit sind sie äußere Dinge. Texte sind nur bedrucktes Papier, deren Inhalt manchmal korrekt aufgezeichnet und überliefert wurde und manchmal nicht. Das Dhamma muss man aber im eigenen

    Herzen finden.

    Ajahn Dtun "Die heilige Gleichung"

  • Zitat

    Die Suttas, die Lehrreden des Buddha, wurden lange nach den Ereignissen niedergeschrieben und sind vereinfacht und zusammengefasst wiedergegeben.


    In meiner eigenen Praxis habe ich nie einen Grund gesehen, um die Schriften und Texte zu studieren. Wir können die Texte lesen, aber in Wahrheit sind sie äußere Dinge. Texte sind nur bedrucktes Papier, deren Inhalt manchmal korrekt aufgezeichnet und überliefert wurde und manchmal nicht. Das Dhamma muss man aber im eigenen

    Herzen finden.

    Ajahn Dtun "Die heilige Gleichung"

    Na das ist doch mal ein Spruch. Und wie soll man den Dhamma durchschauen, wenn es die Worte des Buddha nicht benötigt? Woher hat der Spruchgeber überhaupt die Kompetenz, so etwas zu sagen? Von den Worten des Buddha? Und wenn ja, woher hat er die?

  • Überlieferung:

    Mein Opa hat mich mal richtig tief, Vertrauen zerstörend beleidigt, hab es ihm nicht gezeigt.

    „Dein Wissen ist ja nur aus Büchern.“

    Es ging um Vorgänge, die ich nur abgleichen wollte, mit seinen Erfahrungen.

    Sofort kam mir eine genauso verletzende Antwort in den Sinn:

    Woher hast du dein Wissen, mein Lehrer in der Schule, doch wohl auch erst aus Büchern.“

    Schon als sehr junger Mensch wusste ich, dass ich mein Handeln mit „Buchwissen“ prüfen kann, um dann hilfreicher zu handeln.

    Wer Schriften egal welcher Art verachtet oder als unwürdig bezeichnet, hat wohl Mensch-sein nicht verstanden.


    OT Ja das hat in mit Wut ausgelöst. Machen wir doch eine Bücherverbrennung, die verbraucht auch kein Gas. OT

  • Na das ist doch mal ein Spruch. Und wie soll man den Dhamma durchschauen, wenn es die Worte des Buddha nicht benötigt? Woher hat der Spruchgeber überhaupt die Kompetenz, so etwas zu sagen? Von den Worten des Buddha? Und wenn ja, woher hat er die?

    Das hat ein thailändischer Waldmönch gesagt der die Grundprinzipien der Lehre kennt, wohl schon von den Eltern, der Schule, dem Vorbild der Mönche. Weiteres braucht er nicht zu studieren weil er weiß wie man praktiziert und die Wirklichkeit selber erfährt.

  • Zur Frage, ob die Aufzeichnungen im Pali-Kanon authentisch sind oder nicht, gehen die Meinungen weit auseinander. Kürzlich las ich ein Buch mit dem Titel "Die Authentizität der Frühbuddhistischen Texte" (ich verlinke es unten), das zu beweisen versucht, dass die meisten Sutten authentisches Buddhawort sind. Die Argumente haben mich allerdings nicht im Ansatz überzeugt.


    [...]

    Hier der Link zum oben erwähnten Buch:

    https://tilorien.org/authenticity.pdf

    Man muss sich mal den schieren Umfang des Pali Kanon vor Augen führen, etwa 3x so groß wie die Bibel, 3 Mio. Pali-Wörter. Die Sutta pitaka enthält 10 000 Suttas.


    Auch als Laien (also als jemandem der nicht in historisch-kritischer Textanalyse geschult ist) fällt doch auch auf, dass die Texte zumindest redigiert sein müssen.


    Zitat

    While elements of the Satipathana sutta can be found in the Samyutta Nikaya and the Samyukta Nigama, which belong to the oldest strata of the Buddhist suttas, the elaborate Maha Satipatthana Sutta exists only in the Theravada Digha Nikaya. Bhante Sujato postulates that the sutta was compiled from elements from other suttas as late as 20 BCE


    Bhante Sujato ist soweit ich das im kopf habe ein durchaus religiöser Theravada Buddhist (sozial progressiv, Befürworter der Nonnenordination, aber kein säkularer Buddhist).


    Alles in allem gibts nun verschieden Möglichkeiten im Umgang

    1. Man nimmt den pessimistischen Standpunkt ein, und geht von einem Verfall aus, dabei nimmt man an dass die Lehrreden des Buddhas in unverfälschter Form das Ideal waren (eben das Original), welche dann verfälscht an Reinheit verloren haben.
    2. Man geht von einer Verfremdung aus und versucht dann aber anhand der Texte das Original zu rekonstruieren
    3. Man gesteht ein, dass die Texte nicht wortgetreu sind, ist aber zufrieden damit eine kanonische Textgrundlage zu haben, anhand derer man praktizieren kann.
    4. Man ist mit allen Optionen nicht zufrieden und geht weiterhin von einer mehr oder weniger wortgetreuen Überlieferung aus

    Auf mich wirkt der Drang darauf den Frühbuddhismus zu rekonstruieren (2) tatsächlich etwas "protestantisch", also ich erinnere mich gut an Diakone die verträumt vom Urchristentum gesprochen hatten. Dabei muss es ja auch garnicht so sein, dass bei der Überlieferung nur Fehler passieren, da können auch durchaus mal schlechte Passagen verloren gehen oder Inhalte zugänglicher Formuliert werden bzw. durch lebenspraktischere Regeln ergänzt werden, etc. Option (4) lese ich immer dann, wenn orthodoxen Buddhisten die liberale Lesart des Pali Kanons zu weit geht (Nonnenordination im Theravada z.B.).

  • Die Frage der Überlieferung ist nur ein Problem, wenn man Heil sucht in Menschen, die nicht mehr leben, und in deren Menschenwort und so letztendlich der natürliche Verstand als das ausschlaggebende Heils-Medium verwendet wird. Alle eigenen Mißerfolge bei der Jagd nach dem Heil lassen sich dann als Zweifel an der Authentizität der Überlieferung "innerlich schönreden". Bloß führt dies lediglich zu vorübergehendem Trost durch Ablenkung von möglichem eigenem Versagen, weil ein letztendlicher Authentizitätsbeweis bei allen Fragen, die lediglich Glaubensfragen sind, nicht auffindbar ist.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Hier noch ein interessanter Artikel zum Thema von Prof. Michael Radich, neuseeländischer Buddhologe an der Universität Heidelberg.

    Was hat der Buddha wirklich gesagt und gelehrt? - Eine Bestandsaufnahme aus philologischer Sicht - Buddha-Stiftung
    Der Buddhologe M. Radich zeigt, wie schwierig es ist, im Dschungel der Lehrreden den historischen "Kern" von Buddhas Lehre auszumachen. Seine Antwort ist...
    buddhastiftung.org

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Hier noch ein interessanter Artikel zum Thema von Prof. Michael Radich, neuseeländischer Buddhologe an der Universität Heidelberg.

    https://buddhastiftung.org/was…klich-gesagt-und-gelehrt/

    Das war der andere Punkt, den ich hier erklären wollte.


    Die Überlieferung - Allgemeines zum Buddhismus.


    In dem Wort steckt schon das Wort "Über", so wie ich das meinte mit über etwas hinaus gehen. Habt ihr euch gefragt, über was diese Überlieferung hinaus geht?
    Sagt es mir bitte.

    Weil ihr schaut auf den Inhalt... aber der Inhalt der ist leer.

    Schaue ich hingegen auf das was da über-liefert wird, dann bin ich hier und jetzt.

    Es wird mehr geliefert, überliefert.

  • Hier noch ein interessanter Artikel zum Thema von Prof. Michael Radich, neuseeländischer Buddhologe an der Universität Heidelberg.

    1. Wir können es paradox formulieren: wissenschaftlicher Konsens ist—und auch das ist höchstens ein schwacher Konsens—dass es keinen Konsens über die ursprüngliche Lehre gibt, beziehungsweise keiner möglich ist...


    Demokratie: ist wenn 3 Wölfe und 1 Schaf sich darüber streiten was es zum Mittagessen gibt.


    man hat das reine Wort Buddhas oder Jesu und dann kommen die Konzilien wie es auszulegen ist.


    die Menschheit hatte einen ungeheuren Blutzoll zu zahlen für (im Christentum) für Ungläubiger, Es gibt nur einen Gott ....unseren, Auge um Auge Zahn um Zahn , Zinsverbot von deinem Bruder aber anderen ist okay, etcetc


    anstatt ....Lieben deinen nächsten.


    Regel: Du sollst keinen anderen Gott neben mir haben. Der Konsens legt es so aus: Die anderen sollen keinen anderen Gott haben .


    die Shaolin halten sich nicht an das Dharma und nehmen Geld und unterrichten sie nicht in die 4 Wahrheiten und blablabla.

    wer weiss schon was die Jungs benötigen. sie brauchen vielleicht 10 Leben um das komplette Paket aufzulösen.

  • Ich hatte ja kürzlich den Begriff buddhavacana ("Buddhawort") im Kontext einer Diskussion der 5. Śīla verwendet, ohne mein Verständnis davon näher zu erläutern, was ich hier nachholen möchte. Ich persönlich sehe das pragmatisch: buddhavacana / butsugo sind für mich die im sutta-pitaka des Palikanon bzw. als shutara zō im Tripitaka kanonisierten Texte. Dass dieseTexte 'Authentizität' und damit Autorität beanspruchen durch Berufung auf die Urheberschaft eines Lehrers namens Gautama, der im 6. oder wohl eher 5. Jhdt. v.d.Z. im Großraum Magadha den Sangha begründete, ist sicher weitestgehend eine Fiktion. Für mich beziehen diese Texte ihre Autorität vom Sangha; eben durch die Kanonisierung . Das ist für mich nach dem Aspekt gemeinsamer Übung der zweite Grund, nicht nur zu Buddha und Dharma, sondern auch zum Sangha Zuflucht zu nehmen, der den von Buddha offengelegten Dharma durch die Zeiten trägt; wobei dieser wie auch der Sangha unweigerlich Form und Gestalt ändert.


    Wie schon gesagt, ein pragmatischer Zugang. Wobei der philologische Zugang für mich durchaus ebenfalls von (freilich nachrangigem) Interesse ist. Dieser untersucht eben die genannte Transformation von Form und Gestalt im historischen Prozess, was Einblick in den Gehalt des so Transformierten geben kann (nicht muss). In den Sinn des Kommens von Bodhidharma aus dem Westen, wie man es in meiner Übungstradition verklausuliert.


    Um auf das eingangs Geschriebene zurück zu verweisen: Verständnis (selbst meines :) ) ist immer und notwendig subjektiv. Mir ist bewusst, dass gerade in den asiatischen, seit Jahrhunderten vom Buddhismus geprägten Kulturen das Verständnis und die Perspektive der großen Masse sich als 'Buddhisten' verstehender Menschen hinsichtlich der schriftlichen Tradition eher auf den Buddha als den Sangha gerichtet ist - und zwar auf Buddha als eine historische und trotzdem transhumane Person. Das ist Teil des religiösen Aspekts, der auch in den 'konkurrierenden' Weltreligionen als Fundamentalismus auftritt und in der Moderne zu einer Quelle kognitiver Dissonanz wurde. Im Buddhismus steht solch eine fundamentalistische Auffassung meiner Meinung nach ironischerweise darüber hinaus in einem Widerspruch zur Kerndoktrin anatman, da sie 'Buddha' als Person versteht.


    Es ist (wie auch bei dem galiläischen Wanderprediger Jeschua) höchst wahrscheinlich, dass Gautama Śakyamuni als historische Person tatsächlich existierte und Begründer / Impulsgeber der heutigen, seinen Namen tragenden Überlieferung war. Und im gleichen Maße wie bei Jeschua wird sich wohl nie aufklären lassen, was konkret diese historische Person gelehrt hat und was spätere Ergänzung / Vertiefung / Ausformung dieser Lehren ist. Konkret fassbar - mit historischen oder philologischen Mitteln - sind Personen wie Gautama oder Jeschua nicht, wir können lediglich aus der fassbaren Wirkung eine Person als Ursache annehmen. Eine solche Annahme ist zwar hoch plausibel, aber nicht zwingend.


    Ein dabei nicht zu überwindendes bzw. aufzuklärendes Problem (jedenfalls nicht mit philologischen Ansätzen) ist die Beziehung zwischen den Lehren dieser historischen Person und den nach ihrem Tod kanonisierten und mündlich tradierten Texten, die ihr in den Mund gelegt wurden. Offensichtlich wurden diese Texte zumindest für die mündliche Weitergabe angepasst, also mnemotechnisch optimiert (Bronkhorst kann ich da nicht folgen). Und ebenso offensichtlich wurden die so aufbereiteten Texte bis zu ihrer Verschriftlichung redigiert, was der Vergleich des Palikanon mit der nördlichen Überlieferung (sog. Sanskrit-Kanon, von dem die alten Schulen wiederum verschiedene Redaktionen hatten) zeigt. Da gab es offensichtlich aus didaktischen Gründen Umstellungen und Verschiebungen, aber auch Streichungen und Ergänzungen. Bei allen Schulen (auch den Prä-Theravadin). Die Frühbuddhismus-Forschung hat gezeigt, dass es in allen auf uns gekommenen Kanones (bzw. den erhaltenen Bruchstücken und Übersetzungen) zeitlich distinkte Überlieferungsschichten gibt und sich die Frage, welche verschriftete Fassung / Form die älteste ist, allenfalls bei einzelnen Texten vergleichend klären lässt, nicht jedoch hinsichtlich einer ganzen Textsammlung. So ist es beispielsweise eben nicht der Fall, dass der Palikanon (als erster verschriftlichter Kanon) generell die älteste verschriftlichte Form dieser Lehrtexte wiedergibt - auch wenn das für viele (aber bei weitem nicht alle) Einzeltexte zutrifft.


    Die Frage nach der 'Authentizität' buddhistischer Lehrtexte ist nur in und mit ihrer praktischen Umsetzung zu klären. Die philologische Untersuchung gibt uns lediglich Argumente für mehr oder weniger plausible Spekulationen an die Hand.


    Was Ajahn Dtun angeht - auch, wenn ich seiner Auffassung, dass der "authentische" Dhamma nur "im eigenen Herzen" und nicht in den Schriften zu finden ist, zustimme, so ist es doch ein Fakt, dass sich ein Schatz einfacher finden lässt, wenn man eine Schatzkarte hat.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Die Frage nach der 'Authentizität' buddhistischer Lehrtexte ist nur in und mit ihrer praktischen Umsetzung zu klären. Die philologische Untersuchung gibt uns lediglich Argumente für mehr oder weniger plausible Spekulationen an die Hand.

    So sehe ich es auch. Um herauszufinden, ob diese Lehre authentisch ist, brauche ich keine Buddhologen, sondern lediglich Zeit und Ausdauer zum Praktizieren. Wer im Laufe der Praxis nicht irgendwann davon ergriffen wird, weil er merkt, daß sich das eigene Wesen und das Welterleben immer mehr aufhellt und entspannt, vom Leidhaften fort- und hin zur Leidbefreiung, zum Nichtanhaften, zu mehr Achtsamkeit u.s.w. führt, dem hilft auch keine "wissenschaftliche Buddhologie" weiter - im Gegenteil.

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

  • dem hilft auch keine "wissenschaftliche Buddhologie" weiter - im Gegenteil.

    Sehe ich auch so. Auf der anderen Seite, wenn der Dharma übend verifiziert wird, reduziert sich auch die Bedeutung der schriftlichen Tradition. Da kann dann nach 20 Jahren Praxis schon mal so was vorkommen:

    Seit einiger Zeit jedoch fällt mir die Beschäftigung mit den Sutras und den kommentierenden Schriften sehr schwer. Ich habe einfach keinen " Bock" darauf, mich langweilt es einfach.

    Kann ich verstehen. Um auf Dein Zitat von mir zu kommen und dies mit einem anderen etwas zu erläutern: "The map is not the territory" (Alfred Korzybski). Und die Sutras sind etwas großmaßstäblich. Ich habe mein Futter als Geodät verdient, da hat man die Übersichtskarte im Kopf und nimmt sie allenfalls mal in die Hand, um jemandem zu zeigen, wo er ist und wo es lang geht (wenn er weiss, wo er hinwill). Ansonsten kuckt man da nicht dauernd rein, das ist langweilig, überflüssig, und man riskiert, zu stolpern und auf die Nase zu fallen. Man macht seinen Job und kümmert sich eher um's kleinmaßstäbliche ...

    P.S.: ich denke mal, das Zitieren ist okay für Netsrot , ich weise im anderen Thread auf den hier hin.

    OM MONEY PAYME HUNG

    Einmal editiert, zuletzt von Sudhana ()

  • Um herauszufinden, ob diese Lehre authentisch ist, brauche ich keine Buddhologen, sondern lediglich Zeit und Ausdauer zum Praktizieren.

    So ist es. Manchmal ist es aber natürlich einfacher, sich mit dem Grübeln über Texte zu beschäftigen, als sich aufs Kissen zu setzen. Textkenntnis und Kritik kann ja ganz viele Eitelkeiten befriedigen und von dem, das zu tun ist, ablenken (wie immer spreche ich aus eigener Erfahrung :) . Nur dass ich witzigerweise in Bezug auf buddhistische Texte diese Eitelkeit nicht habe; aber nur dort).


    Lustig ist natürlich der umgekehrte Fall: Schriften sind völlig nachweisbar authentisch, aber es steht nur Unsinn drin, und man prüft ihn nicht, weil: Ist ja authentisch, und man hält den Urheber für eine Autorität.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Auch Zazen ist letztlich nur ein Zeitvertreib, ehe die Klappe fällt. Alles ist vergänglich und kann sich abnutzen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Was kann ein Herz mehr erreichen als tiefe Dankbarkeit für diese wunderbaren Erinnerungen,

    das Dharma🌹


    Kālāma Sutta, Anguttara-Nikāya III


    Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters!


    Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von den Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl', dann, o Kālāmer, möget ihr sie euch zu eigen machen.


    Mögen alle Menschen glücklich sein

    In Metta🙏

  • Die Haltung gegenüber Büchern (Wissen anderer ;)) entspricht eigentlich genau der der Flat Earth Fanatiker, die jede Form von Wissen ablehnen, die nicht der unmittelbaren eigenen Anschauung entstammt.


    Ich vermute bei dieser Sekte ja, daß es nicht um eine echte kohärente Sammlung von Daten und Beschreibungen handelt, sondern ganz einfach um ein 'wider den Stachel löcken', wenn es um die Methoden der etablierten Wissenschaft geht.