Ventil für Wut und Frust

  • Zitat

    Nur du selbst bist die primäre Ursache deines Leidens, niemand sonst. Die andere Person ist lediglich die sekundäre Ursache.


    Darum geht es doch gar nicht.
    Es geht darum, dass ich, und wenn Du ehrlich wärest auch Du, wütend auf den Angreifer wärest. Das ist auch lebenswichtig.
    Oder würdest Du Dich selbst schlagen, weil Du wütend geworden bist, wenn Dich jemand attackiert? Das wäre biologischer Selbstmord.


    Wut an und für sich ist noch kein Grund für dukkha. Sie entsteht einfach. Sie hat ihre Ursache und ihre Berechtigung. Sie kann sehr nützlich sein.
    Dukkha würde es, wenn Du dann auf Dich wütend werden würdest, weil Du wütend wirst. Oder wenn Du Deine Wut ungehemmt übertragen würdest. U.a.


    Hass und Wut sind nicht dasselbe.


    Zitat

    Nehme wir an ein kleines Kind hätte uns getreten. Es wäre uns sofort klar, dass das kleine Kind wegen irgendwas wütend ist und Dampf ablässt, indem es gegen irgendwas tritt. Als Erwachsener realisieren wir problemlos, dass das Kind in dem Moment nicht unterscheiden kann, ob es gegen eine Wand tritt oder gegen unser Bein. Macht das uns dann wütend? Nein. Wir gehen einfach weiter als wäre nichts gewesen. Wenn uns das trotzdem wütend machen würde und wir würden das Kind zurücktreten, würden die Leute sagen, dass wir sie nicht alle hätten. Das Kind versteht ja nicht was es tut.


    Wenn Du das als Erwachsener tun würdest, dann täten mir Deine Kinder sehr leid.
    Es ist nämlich sehr wohl was gewesen in den Augen des Kindes. Und wenn es gegen mein Bein tritt, dann meint es mich. Und natürlich macht es wütend. Ich wäre nicht in der Lage diesen starken Ausbruch des Kindes zu ignorieren und es für blöd und unwissend zu verkaufen. Das wäre eine Erniedrigung des Kindes, ein Nicht-ernst-nehmen. Was ich dann mit meiner Wut anfange und wie ich mit der Wut des Kindes dann weiter umgehe, ist ein anderes Ding. Aber erst mal zeige ich ganz deutlich, wohl durch eine spontane Abwehrreaktion, dass es mich nicht einfach attackieren darf, dass das weh tut.
    Ich sehe wie das meine Katzen machen. Die zeigen deutlich, was sie davon halten. Und so erziehen sie sich, zeigen ihre Grenzen. Katzen, die so aufgewachsen sind, nennt man "gut sozialisiert". Die sind nicht neurotisch und leben prima mit Katz, Mensch und sogar Hund zusammen.


    Zitat

    Würde uns dann wütend machen? Nein. Wir würden einfach sofort alle Kräfte mobilisieren, um den nächsten Schlag zu entgehen.


    Wut ist genau so eine mobilisierende Kraft. Wer mal in einem lebensbedrohlichen Kampf geraten ist und keine Kampfkünste beherrscht, und dazu noch der Unterlegene ist, weiß vielleicht wieviel Stärke aus dieser Wut bezogen wird. Sie ist vor allem nützlich, wenn wir nicht entfliehen können. Das können konkret lebensbedrohliche Situationen sein, genauso wie lebensbedrohliche Lebensumstände. Ich wäre sicher schon tot ohne diese Wut.
    Wut kann zu großartigen Leistungen führen, z.B. wenn man wegen Ungerechtigkeit wütend ist.


    Zitat

    Wenn alles vorbei wäre, wären wir traurig, dass jemand so auf uns losgegangen ist. Oder wir würden zum Schluss kommen, dass wir aus diesem Assi-Viertel wegziehen müssen oder so ähnlich.


    Wie kommst Du darauf, dass "wir" so empfinden würden?
    In dem Wort "Assi" steckt viel Hass. Den hätte ich sicher nicht, wenigstens so weit bin ich.


    Zitat

    Ich hatte mal einen Klassenkollegen, der in Mathematik eine sehr schlechte Note geschrieben hatte. Er war außer sich vor wutend, tobte, weinte und schrie auf den Mathematik-Lehrer. Ich wusste genau warum, weil ich seinen Vater kannte. Sein Vater würde zu Hause ein riesen Theater veranstalten. Die Angst davor trieb ihn bis zur Verlust der Beherrschung. Ist das jezt eigentlich wirklich Wut oder was ist das?


    Offensichtlich war das Wut. Wut und Angst sind oftmals vergesellschaftet. Wut kann Notwehr sein.


    Wut ist völlig in Ordnung. Jede Emotion ist in Ordnung. Da muss nix wegmeditiert werden. Es ist nur ganz hilfreich und nützlich, wenn ich mich von den Emotionen nicht beherrschen lasse und in der Lage bin, mir alle Türen offen zu lassen. Alternativ zum Wegmeditieren kann die Option sein, alles klug und mit Weisheit geschehen zu lassen.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.


  • Ich bin eben nicht Du, sondern ich. Kannst Du doch schon daran sehen, dass ich eine ganz andere Auffassung habe. Und Du würdest meine Sicht teilen können.


    Ich sehe mich nicht in all den Menschen um mich herum. Ich erlebe Ähnlichkeiten, ich kann Anteile von mir im Verhalten anderer wiederfinden. Glaube ich zumindest. Und warum sag ich, dass ich es nur glaube? Weil ich nur sehe, was ich sehen kann. Alles, was ich sehe, ist immer nur meine Sicht und ich erfahre alles nur mit meinem Filter, durch meine Brille. Deshalb ist jegliche Sicht auf Andere immer mit Vorbehalt zu genießen, selbst das, was ich für selbstverständlich halte. Manchmal ist diese Annahme der Ähnlichkeit eine gute Arbeitshypothese, damit ich überhaupt mit meiner Umwelt und den Menschen sozial umgehen kann. Aber aus Erfahrung heraus weiß ich, dass selbst dies mit Vorsicht zu genießen ist.


    Klar ist es gut, umheilsames Verhalten aufzugeben. Es kommt nicht immer unbedingt auf einen selbst zurück – wieviele Massenmörder leben ihr Leben ganz ungestört? Und ebenso wenig ist jedes Unglück ein selbstgeschaffenes – da kannst Du Opfer von Verbrechen in aller Welt befragen.
    Ich weiß nicht, ob so ein Massenmörder nicht superglücklich sein kann. Vielleicht ist er das auch? Ich selbst wäre es nicht. Und ich will nicht, dass andere meinetwegen unglücklich werden. Das genügt mir als Grund für Selbstreflexion. mehr Philosophie muss ich das nicht reinpacken.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Aiko:

    Meine pazifistische Großmutter, die da möglicherweise durch den Mantel getriggert wurde, hat völlig spontan, ja geradezu wie eine Zen-Meisterin gewirkt.


    Im Adenauer-Deutschland waren überall diese Zenmeister zugange, in Schulen, im Konfirmandenunterricht und zuhause ... :badgrin:
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • crazy-dragon:
    Aiko:

    Meine pazifistische Großmutter, die da möglicherweise durch den Mantel getriggert wurde, hat völlig spontan, ja geradezu wie eine Zen-Meisterin gewirkt.


    Im Adenauer-Deutschland waren überall diese Zenmeister zugange, in Schulen, im Konfirmandenunterricht und zuhause ... :badgrin:
    _()_c.d.


    Ach ja - du bist ja schon so alt, dass dir diese Zeit noch in Erinnerung ist. Aber ich hatte nicht von Deutschland erzählt, sondern von meiner Großmutter. Und die lebte in England und ist dort auch gestorben.

  • Doris Rasevic-Benz:


    Ich bin eben nicht Du, sondern ich.


    Gautama erkannte, dass er nicht nur ein Teil vom ganzen ist, sondern, dass er das gesamte ist. Damit ergibt sich dass ich du bin und du ich bist.
    Du erkennst Verhaltensweisen von dir in anderen :) Und es ist gut wie ich finde, dass nicht alle gleich aussehen und das selbe machen. Nun reduziere das gesamte aber mal auf einen Samen, wo ist der Unterschied zu dir und den Trilliarden anderen Samen ? FIndest du einen ? An dem Punkt sehen alle Samen gleich aus, alle verhalten sich gleich. An dem Punkt kannst du nicht mehr sagen, dass du anders bist als andere. Nun kannst du sagen "der Samen da bin ich :) " gut, reduzieren wir es weiter in einzelne Zellen. Das kleine Eiweisteilchen bist du ? Schön, weg damit. Bleibt noch was übrig das du bist und dich von allem anderen um dich herum unterscheidet ?

  • rosewreaths:

    Hallo!
    Ich praktiziere nun schon seit einigen Wochen den Buddhismus. Ich meditiere jeden Tag. Ich bemühe mich, niemanden zu verurteilen, über niemanden schlecht zu denken. Aber in mir baut sich so eine Wut auf. Ein Schwall von Frust. Manchmal könnte ich wirklich einfach losheulen. Ich streube mich dagegen, aber ich kann nunmal nichts machen. Sind Buddhisten niemals wütend? Was ist mit den Mönchen? Sind sie niemals frustriert? Was ist das Ventil für ihren Frust und ihre Wut? Mir wurde meines ja genommen. Ich erlaube mir nicht mehr, mich aufzuregen und schlecht über andere Leute zu denken. Ich verstehe den Sinn davon natürlich. Ich verdiene Frieden. Deswegen verurteile ich niemanden oder rege mich nicht auf. Aber wo hin mit all der Wut? Was soll ich tun?


    Ich habe vor Kurzem erst gelesen, dass auch der Dalai Lama mit seinem Jähzorn umzugehen versucht, also sind Buddhisten wohl auch keine Roboter :) Was du tust ist wohl eher deine Wut abzulehnen. Ablehnung ist eine der Ursachen für dukkha. Du siehst deine Wut als "schlecht" an. Das halte ich für den falschen Weg. Richtig wäre aus buddhistischer Sicht meiner Meinung nach, zunächst die Gründe für deine Wut zu erkunden.

  • Verrückter:


    Ich habe vor Kurzem erst gelesen, dass auch der Dalai Lama mit seinem Jähzorn umzugehen versucht, also sind Buddhisten wohl auch keine Roboter :) Was du tust ist wohl eher deine Wut abzulehnen. Ablehnung ist eine der Ursachen für dukkha. Du siehst deine Wut als "schlecht" an. Das halte ich für den falschen Weg. Richtig wäre aus buddhistischer Sicht meiner Meinung nach, zunächst die Gründe für deine Wut zu erkunden.


    Das Buch des Dalai Lamas Gefühl und Mitgefühl kann man durchaus unter dem Hauptaspekt des Umgangs mit Wut lesen. Seine Lehre besagt, dass viele Emotionen einen biologischen Sinn haben, doch wenn sie unverhältnismäßig werden, dann werden sie destruktiv. Mit Übung lässt sich erkennen, wann Emotionen unverhältnismäßig sind. Das Wichtigste im Umgang mit solchem Zorn ist, zu wissen, dass er den Blick trübt. Wir sehen nur noch die negativen Eigenschaften des anderen oder den Aspekt der Ungerechtigkeit einer Situation, die uns trifft. Es ist daher klar so, dass es zuerst um Zurückhaltung in Taten und Worten geht. Zorn hat nur eine Alarmfunktion. Das gilt auch, wenn wir uns über eine Ungerechtigkeit, die jemand anderen betrifft, empören. Als Ratgeber ist er unbrauchbar. Wieweit er eine positive Handlungsmotivation ist, kann man nicht einheitlich sagen, ich habe da Zweifel.


    Die zweite Frage ist, wie man sich davon befreit. Zorn kann ausgesprochen quälend sein. Nur selten gibt es Menschen, die gerne zornig sind. Der Dalai Lama gibt verschiedene Ratschläge dazu. Im Wesentlichen geht es um einen zweifachen Weg. Einerseits ist den destruktiven Emotionen mit Aufmerksamkeit, einer kognitiven Einsicht in ihre Destruktivität, Einsicht in die eigene Verursachung und einer abwehrenden Haltung zu begegnen, andererseits im Bemühen, positive Charakterzüge zu verstärken, was auf die Mitgefühls-Meditation hinausläuft.


    Der Dalai Lama bringt u.a. einen interessanten Gedanken (den ich etwas ausbaue): Er sieht Charaktereigenschaften, Stimmungen, Emotionen, Affekte (Jähzorn) auf einer gemeinsamen zeitlichen Skala, nur eben von unterschiedlicher Dauer. Die charakterliche Disposition kann eine Neigung zu einer bestimmten Emotionalität bringen, die ins Destruktive läuft: Zorn, Angst, Neid oder Zweifel. Ich glaube, es ist notwendig, etwas zu entdecken, das einem selbst die Sicherheit gibt, nicht mehr so leicht zornig zu werden. Das kann sehr befreiend wirken. Auch Versöhnung ist etwas, das man erlernen kann.

  • Verrückter:
    rosewreaths:

    Richtig wäre aus buddhistischer Sicht meiner Meinung nach, zunächst die Gründe für deine Wut zu erkunden.


    Ja, die Gründe genau erkunden, und die Wut selbst VOLLSTÄNDIG ERFAHREN. Dabei beobachten, unter welchen Bedingungen sie entsteht, wie sie sich anfühlt, unter welchen Bedingungen sie vergeht, und so weiter.


    Einfach BEOBACHTEN und ERFAHREN. Das geht am besten auf dem Kissen. Wenn es echte Wut ist, wird sie auf dem Kissen auch aufsteigen, nämlich wenn die dazu gehörigen Erinnerungen aufsteigen. Das ist ein guter Zeitpunkt zur Betrachtung. Aber da kommt man dann eh nicht drum rum.


    "Erkunden" heißt hier nicht "suchen", sondern eben beobachten - wie ein Wissenschaftler in einem Laborexperiment eine Versuchsperson beobachtet. "Suchen" kann man die Gründe nicht, denn alles Suchen liegt im Bereich des Gedanklichen, Begrifflichen. Beim Suchen läuft der Geist Gefahr, sich Gründe zu er-finden.

  • Was die Meditation betrifft, denke ich, dass es ausgesprochen schwierig ist, wie ein Wissenschaftler zu beobachten. Denn wir können die Wut nur wütend beobachten, anders geht es nicht. Nach meiner Erfahrung kreisen die Gedanken sodann um das Gefühl, halten es fest. Denn natürlich können wir schwerlich beobachten, wie ein Gefühl verschwindet, sondern aktivieren es allein durch unsere Aufmerksamkeit erneut. Im schlimmsten Fall lernen wir, das unliebsame Gefühl mit der Meditationssituation zu verknüpfen, konditionieren uns in die falsche Richtung, was zur Qual werden kann. Die Konzentration auf ein wichtiges Meditationsobjekt bietet sich als Ausweg an.
    Ich halte dagegen eine Überzeugung oder Einsicht, welche Vorstellungen zum Glück führen plus die aktive Bereitschaft, sich Glück zuzugestehen, für einen guten Weg. Also die Mitgefühlsmeditation, wie sie der Dalai Lama erklärt. So kann man lernen, emotional zu meditieren und Glücksgefühle bewusst entstehen zu lassen und auszudehnen, was für sich schon eine überaus wertvolle Erfahrung ist.

  • Karnataka:

    Was die Meditation betrifft, denke ich, dass es ausgesprochen schwierig ist, wie ein Wissenschaftler zu beobachten. Denn wir können die Wut nur wütend beobachten, anders geht es nicht. Nach meiner Erfahrung kreisen die Gedanken sodann um das Gefühl, halten es fest. Denn natürlich können wir schwerlich beobachten, wie ein Gefühl verschwindet, sondern aktivieren es allein durch unsere Aufmerksamkeit erneut. Im schlimmsten Fall lernen wir, das unliebsame Gefühl mit der Meditationssituation zu verknüpfen, konditionieren uns in die falsche Richtung, was zur Qual werden kann.


    Aber der Vorgang des reinen Beobachtens ist an sich ohne Gefühle und Gedanken, das ist ja das Befreiende daran. Das entsteht alles, besteht eine Weile und vergeht wieder, zieht vorüber. Dabei lässt sich auch erkennen wie und warum etwas entsteht, durch welche äußeren Umstände und innere geistige Bedingungen es zustandekommt. Man sieht das klarer wenn man nicht involviert ist, nichts ergreift, sich nicht hineinziehen lässt, nicht identifiziert, sondern eben nur rein beobachtet. So entwickeln sich Achtsamkeit und Wissenklarheit.


    _()_

  • mukti:

    Aber der Vorgang des reinen Beobachtens ist an sich ohne Gefühle und Gedanken, das ist ja das Befreiende daran. Das entsteht alles, besteht eine Weile und vergeht wieder, zieht vorüber. Dabei lässt sich auch erkennen wie und warum etwas entsteht, durch welche äußeren Umstände und innere geistige Bedingungen es zustandekommt. Man sieht das klarer wenn man nicht involviert ist, nichts ergreift, sich nicht hineinziehen lässt, nicht identifiziert, sondern eben nur rein beobachtet. So entwickeln sich Achtsamkeit und Wissenklarheit.


    ich denke, beides ist richtig.
    Was versteht man denn unter "wie ein Wissenschaftler beobachten"?
    Damit meinte ich eben: sich nicht involvieren lassen, nicht bewerten, sondern nur wahrnehmen und "mitprotokollieren".


    Der Wissenschaftler wird im Versuch nicht mitspielen, und er wird die Aktionen seiner Versuchsperson nicht mit Zustimmung oder Ablehnung betrachten, sondern er wird lediglich mitschreiben, was die Versuchsperson tut. Karnatapa hat recht, dass die stetige Rückkehr zu einem Meditationsobjekt dabei sehr hilfreich ist. Der Atem ist sozusagen das Mikroskop, durch das der Wissenschaftler blickt. Spätestens wenn der Wissenschaftler von seinem Platz am Mikroskop aufspringt, um im Versuch mitzuspielen, wird er merken, dass was schiefläuft, und an seinen Platz zum Mikroskop zurückkehren. Ich hatte das übersehen.


    (Zugegeben ein etwas schräger Vergleich, weil man Versuchspersonen kaum durch ein Mikroskop beobachten wird ;) Ihr wisst, was ich meine.)


    Es stimmt natürlich: Wenn die Wut aufsteigt, ist man ruck-zuck aus dem Beobachtermodus raus und involviert. Das Meditationsobjekt (z.B. der Atem) hilft, zu bemerken, wann man abrutscht. Man kehrt zum Objekt zurück, und im Zurückkehren zum Atem kann man sich von der Wut wieder lösen. Dann rutscht man wieder rein. Dann kehrt man zum Atem zurück und löst sich wieder von der Wut. Und so weiter.


    Wenn ich das oft genug gemacht habe, verändert sich mein Verhältnis zu der Wut, und ich fange an festzustellen, dass die Wut nicht "ich" ist, sondern etwas Hinzugefügtes. Dann wird der Beobachtermodus stabiler.

  • Jojo:
    mukti:

    Aber der Vorgang des reinen Beobachtens ist an sich ohne Gefühle und Gedanken


    Was versteht man denn unter "wie ein Wissenschaftler beobachten"?
    Damit meinte ich eben: sich nicht involvieren lassen, nicht bewerten, sondern nur wahrnehmen und "mitprotokollieren".


    Ergänzung:
    Mit "Wissenschaft" assoziieren vielleicht viele "Nüchternheit, Kälte".
    Ich sehe das nicht so. Für mich ist ein Wissenschaftler einer, der neugierig ist und wissen will, was es alles so gibt in dieser Welt.
    Ein anderer Beobachtermodus ist der "Großmuttergeist". Eine lebenskluge Großmutter wird auf die Dramen ihres Enkels mit Sympathie und Vertrauen blicken, und dabei wissen, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg gehen muss und dass sie nicht wirklich eingreifen kann.
    Ich meine dabei eine freundliche, weise Großmutter, die schon begriffen hat, dass jeder sich selbst erziehen muss.


    Ein reines Beobachten ohne Gefühle und Gedanken wird man anfangs kaum hinbekommen.
    Mein Beobachter kommentiert ALLES, wie ein Sportreporter im Stadion. Ist manchmal ermüdend :oops:

  • Jojo:


    Ein reines Beobachten ohne Gefühle und Gedanken wird man anfangs kaum hinbekommen.
    Mein Beobachter kommentiert ALLES, wie ein Sportreporter im Stadion. Ist manchmal ermüdend :oops:


    Nachdem ich meinen Beobachter zu schweigen bringen konnte kam da ein Betrachter, dieser konnte den Beobachter betrachten und dann konnte der auch weiter kommentieren.
    Mein Betrachter betrachtet auch das. Der kommentierende Beobachter ist schon wichtig doch wenn er dadurch die Führung übernimmt

    Jojo:

    Ist manchmal ermüdend :oops:

    dann wird es Zeit den Betrachter zu sehen und zu sein und was auch immer.



  • Ja, ich hatte vor geraumer Zeit ein Problem mit einem körperlichen Leid, wo ich nach einiger Zeit nicht mehr wusste, wo da der körperliche oder aber seelische Anteil liegt. Mit einer Metaebene konnte ich das Selbstgemachte dann sehr wohltuend in der Meditation erkennen und das Unwohlgefühl sehr deutlich reduzieren. Eine solche Metaebene gibt es sicher auch wenn wir Wut betrachten. Ich stimme schon zu, dass die Beobachtung befreiend wirken kann. Kognitive Hintergründe zeigen sich aber wohl eher dann, wenn ein verkrampftes Gefühl sich lockert.


    Ich glaube aber, dass dies reine Beobachten der Emotion unter Umständen etwas hilflos ist. Man kann, wie gesagt, verzweifelt auf eine Verspannung glotzen, die aber selbst nur die körperliche Seite dieser Verzweiflung ist. Man kann sich also bei der Beobachtung von Gefühlen festfahren, sodass nichts Heilsames dabei raus kommt. Ich denke daher, dass wir im Umgang mit Gefühlen eine Richtlinie brauchen, sofern wir sie nicht intuitiv besitzen (Großmuttergeist). Diese Richtlinie ist für mich die Kenntnis von Mitgefühl.


    Es hat vermutlich mit unserem psychischen Bedürfnis zu tun, ob wir den Schwerpunkt der Meditation eher auf Befreiung und Erkenntnis legen oder aber auf Glück und Stimmung und letztlich Veränderung emotionaler Strukturen. Wenn wir intensive Gefühle erzeugen, so verändert sich das Atemmuster drastisch. Daher ist es für mich kein Ziel, die Atmung ruhig zu halten. :)

  • Karnataka:

    Was die Meditation betrifft, denke ich, dass es ausgesprochen schwierig ist, wie ein Wissenschaftler zu beobachten. Denn wir können die Wut nur wütend beobachten, anders geht es nicht.


    Dazu möchte ich sagen, wie es doch wieder geht. In meiner Kindheit machte ich mal eine Feinderfahrung, die so weit zurückliegt, dass ich nicht mehr weiß, ob es real oder imaginär war. Jedenfalls verfolgten mich Feinde und ich verkroch mich in einem Strohhaufen. Ich hatte keine Angst, denn ich war mir sehr sicher, dass sie mich nicht finden würden. Dennoch war ich wütend. Der Strohhaufen war fürchterlich staubig und ich ärgerte mich darüber, dass mich meine Feinde - unwissentlich - dazu gezwungen hatten, diesen Staub einatmen zu müssen. Damals konnte ich meine Emotionen sehr genau analysieren. Was ist der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung? Warum verfolgen diese Feinde gerade mich? Meine Wut verrauchte als diese Menschen die Suche aufgaben. Ich habe sie nie wieder gesehen.

    Es gibt keine Freiheit ohne Wahrheit. Es gibt aber auch keine Wahrheit ohne Freiheit.

  • Karnataka:

    Man kann, wie gesagt, verzweifelt auf eine Verspannung glotzen, die aber selbst nur die körperliche Seite dieser Verzweiflung ist.


    Interessant. Ist mir noch nicht passiert. Verzweifelt glotzen, ja. Stundenlang verzweifelt glotzen, ja. Immer wieder auf dieselbe Stelle verzweifelt glotzen, ja. Aber so einen fiesen Rückkoppler hatte ich noch nie. Nicht dass ich jetzt anfange, welche zu erzeugen :lol:

  • Ellviral:

    dann wird es Zeit den Betrachter zu sehen und zu sein und was auch immer.


    SEIN? Was ist DAS denn? :lol:


    Das ist eine Schwatzbude da oben bei mir.
    Und die sind alle dauerbekifft und wahrnehmungsbehindert.
    Ich finde es grenzt manchmal an ein Wunder, dass ich mich morgens angezogen kriege.

  • Jojo:
    Ellviral:

    dann wird es Zeit den Betrachter zu sehen und zu sein und was auch immer.


    SEIN? Was ist DAS denn? :lol:


    Das ist eine Schwatzbude da oben bei mir.
    Und die sind alle dauerbekifft und wahrnehmungsbehindert.
    Ich finde es grenzt manchmal an ein Wunder, dass ich mich morgens angezogen kriege.


    :D


    Liebe Grüße

  • Jojo:
    Ellviral:

    dann wird es Zeit den Betrachter zu sehen und zu sein und was auch immer.


    SEIN? Was ist DAS denn? :lol:


    Das ist eine Schwatzbude da oben bei mir.
    Und die sind alle dauerbekifft und wahrnehmungsbehindert.
    Ich finde es grenzt manchmal an ein Wunder, dass ich mich morgens angezogen kriege.


    Buddha hat mit seiner Lehre diese Quatschbude zum schweigen gebracht und wenn sie wiedermal mächtig werden möchte schalte ich sie ab.
    Achtsamkeit ist auch seine Gedanken da zu haben wo der Körper ist.

  • Ellviral:


    Achtsamkeit ist auch seine Gedanken da zu haben wo der Körper ist.


    Am besten bei allem was man macht.
    Wenn ich abwasche wasche ich ab und denke ans abwaschen.
    Einnen Tag der Achtsamkeit kann dabei helfen, morgens mit dem Gedanken aufstehen, dass heute mein Achtsamkeitstag ist :) Ansonsten macht Meditation nur wenig SInn wenn man sie nicht ins Leben mit integriert.