Erschließung des Mitgefühls im Buddhismus

  • Doris Rasevic-Benz:
    Karnataka:

    Dabei geht es um den Nutzen von Mitgefühl für uns selbst. Denn es wäre unehrlich, würde man den Eigennutzen nicht als hauptsächlichen Motivationsfaktor anerkennen.


    Hört, hört!


    Mit Eigennutz meine ich den Gewinn, den Liebende Güte für andere uns selbst bringt.

  • Karnataka:


    Ich hoffe doch, dass unser Erfahrung bestätigt, dass es uns selbst guttut, wenn wir anderen etwas Gutes wünschen bzw. tun. Man kann vielleicht sagen, dass eine solche heilsame Bestätigung, Qualität von Glück zeitlich verzögert folgt und nicht unmittelbar einhergeht. Würde augenblicklich eine Art „Belohnung“ erfolgen, wäre eine selbstlose Gesinnung oder Tat auch gar nicht möglich. Ich muss zuerst meinen Egoismus überwinden und mich zu einer solchen Haltung oder Tat aufraffen, um erst dann zu empfinden, dass es auch für mich gut war.


    Aber habe ich nicht bereits denn Egoismus überwunden wenn ich eine mitfühlende Haltung einnehme? Und die Haltung zeitigt augenblicklich positive Resultate, wie etwa das was manchmal als "in seiner Mitte sein" beschrieben wird, die beglückende Gewissheit, richtig zu sein und gewissermaßen eins oder einig mit allen. Die Verblendung behindert diese Überwindung, bzw. ist Egoismus ja Verblendung, begleitet von Gier und Hass.

  • Karnataka:
    Doris Rasevic-Benz:

    Hört, hört!


    Mit Eigennutz meine ich den Gewinn, den Liebende Güte für andere uns selbst bringt.


    Ich verstehe schon, Karnataka.
    Das "Hört, hört!" ist eine Beipflichtung. In diesem ursprünglichen Sinn habe ich es gebraucht.
    Bin also ganz Deiner Meinung.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Lieber mukti,


    mukti:

    Aber habe ich nicht bereits denn Egoismus überwunden wenn ich eine mitfühlende Haltung einnehme? Und die Haltung zeitigt augenblicklich positive Resultate, wie etwa das was manchmal als "in seiner Mitte sein" beschrieben wird, die beglückende Gewissheit, richtig zu sein und gewissermaßen eins oder einig mit allen. Die Verblendung behindert diese Überwindung, bzw. ist Egoismus ja Verblendung, begleitet von Gier und Hass.


    Jein, meiner Meinung nach. Denn "die beglückende Gewissheit, richtig zu sein" ist ja eine Form der Belohnung.
    Ob es aber in diesem Sinne eine wirklich und vollumfänglich "Selbst-Lose Selbstlosigkeit" überhaupt geben kann, vermag ich nicht zu beantworten. :)


    Liebe Grüße
    Andreas

  • Werter Andreas,


    Andreas:

    Lieber mukti,


    mukti:

    Aber habe ich nicht bereits denn Egoismus überwunden wenn ich eine mitfühlende Haltung einnehme? Und die Haltung zeitigt augenblicklich positive Resultate, wie etwa das was manchmal als "in seiner Mitte sein" beschrieben wird, die beglückende Gewissheit, richtig zu sein und gewissermaßen eins oder einig mit allen. Die Verblendung behindert diese Überwindung, bzw. ist Egoismus ja Verblendung, begleitet von Gier und Hass.


    Jein, meiner Meinung nach. Denn "die beglückende Gewissheit, richtig zu sein" ist ja eine Form der Belohnung.


    Kann man so sehen - es lohnt sich zu überwinden. Aber das entspricht vielleicht nicht ganz dem Zen.


    Andreas:


    Ob es aber in diesem Sinne eine wirklich und vollumfänglich "Selbst-Lose Selbstlosigkeit" überhaupt geben kann, vermag ich nicht zu beantworten. :)


    Liebe Grüße
    Andreas


    Geht mir auch so. Theoretisch würde ich vorsichtig vermuten die entfalteten Brahmaviharas sind nicht Nibbana.


    Liebe Grüße auch

  • Lieber mukti,


    danke Dir für Deine Antwort!

    mukti:

    Aber das entspricht vielleicht nicht ganz dem Zen.


    Das weiß ich nicht. Ich hatte eigentlich mehr das psychologische Konstrukt "Altruismus" als möglichen Gegenpol zu dem von Dir angesprochenen "Egoismus" im Hinterkopf. Aber das führt eigentlich beides weg vom Threadthema "buddhistisches Mitgefühl", das sich nach meinem Verständnis eher als karuna allein oder metta/karuna/mudita/upekkha lesen lässt.


    Von daher, um den Thread nicht zu entführen: lassen wir das einfach erstmal so stehen und den Faden weiterlaufen? :)


    Liebe Grüße
    Andreas

  • Ich wage mal eine etwas andere Definition von "Selbstlosigkeit":
    Wenn man "selbstlos" handelt, handelt man derart egoistisch, dass man zwischen sich und den Anderen nicht mehr unterscheidet.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Selbstlosigkeit nehme ich wörtlich, das ist Wu. Das Handeln, welches daraus resultiert ist Handeln aus Selbstlosigkeit, was die Chinesen Wu Wei nennen.

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • Mitgefühl... "mit jemand fühlen" ... ist dies nicht eigentlich immer "selbstlos"?
    Meiner Meinung nach Nein, denn man muss sein "Selbst" einbringen, um MIT dem Anderen zu fühlen.
    Und ich meine jetzt nicht das leere Selbst, sondern das, was für Andere sichtbar und fühlbar ist.
    Und ist da nicht die Lehre des Buddha gut, da sie lehrt, immer in der Gegenwart zu sein? Der Welt der 10000 Dinge, wie die Chinesen sagen.
    Und braucht man nicht gerade diese Gegenwärtigkeit, um Jemand zu helfen durch "mit ihm fühlen"?



    Für mich ist Mitgefühl und Biddhismus nicht zu trennen.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Es gibt Selbstlosigkeit. Besonders Mütter empfinden häufig selbstlose Liebe zu ihren Kleinkindern und wären bereit, für ihr kleines Kind ihr Leben zu opfern. Nicht umsonst bringt die bekannte Lehrrede zur Liebenden Güte gerade diesen Vergleich.


    Meine Ansicht zur Meditation Liebevoller Güte: Für die Stimmung Liebevoller Güte ist es nicht so wichtig, wie man sitzt oder ob man sich dabei die Nase kratzt. Es gibt eigentlich nur einen Fehler, den man machen kann.


    Dieser Fehler bedeutet zu glauben, man müsse sich zuerst selbst eine Badewanne voll Glück, Güte, Mitgefühl einlassen. In der Badewanne sitzend könne man dann andere Menschen mit Mitgefühl und Güte überschütten, oder so ähnlich. Wäre dies des Pudels Kern, würden sich alle Menschen unentwegt Liebe schenken, da doch jeder Mensch am eigenen Wohlbefinden Interesse hat. Offensichtlich funktioniert das aber nicht.


    Um lieben zu können, braucht es nicht zuerst Selbstliebe, sondern es muss Fürsorglichkeit zum Begehren treten, denke ich. Diese Eigenschaft, Fürsorglichkeit für andere empfinden zu können, schätzen wir an anderen Menschen uns gegenüber. Daher schätzen wir es auch, wenn wir selbst anderen Fürsorglichkeit entgegenbringen. So hilft die Sache schließlich dabei, Sympathie für uns selbst zu empfinden.


    Bezogen auf die Meditation folgen aus der unverständigen Selbstmitgefühls-Anstrengung Verspannungen, Konzentrationsprobleme, „juckende Nasen“ und so weiter. Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt. Ich finde es empörend, wenn ich lese, dass selbst anerkannte Lehrer den Selbstmitgefühls-Blödsinn verzapfen. Ausgerechnet den einzigen beschissenen Fehler, den man bei dieser simplen Sache Mitgefühl machen kann??? :evil:


    Selbst-Mitgefühl ist nicht nur ein paradoxes Wort, sondern beinhaltet das größte Missverständnis. Für die Meditation Liebevoller Güte ist das Bemühen, die Selbstbezogenheit ein bisschen zu lockern, entscheidend. Dies kommt der buddhistischen Auffassung vom Ich nahe, denke ich. Folge ist, dass sich unser Geist mit Wohlbefinden und sogar Glück bedankt.

  • Karnataka, ich finde deinen Standpunkt interessant, weil ich das mit der Selbstliebe nie so richtig verstanden habe. Ein früherer Lehrer von mir hatte zur Erinnerung einen Zettel über seinem Schreibtisch an der Wand hängen, wo in Großbuchstaben draufstand: "NICHT ICH SONDERN DU" Das hat mich beeindruckt.

  • Zitat

    Bezogen auf die Meditation folgen aus der unverständigen Selbstmitgefühls-Anstrengung Verspannungen, Konzentrationsprobleme, „juckende Nasen“ und so weiter. Sie zeigen an, dass etwas nicht stimmt. Ich finde es empörend, wenn ich lese, dass selbst anerkannte Lehrer den Selbstmitgefühls-Blödsinn verzapfen. Ausgerechnet den einzigen beschissenen Fehler, den man bei dieser simplen Sache Mitgefühl machen kann??? :evil:


    Selbst-Mitgefühl ist nicht nur ein paradoxes Wort, sondern beinhaltet das größte Missverständnis. Für die Meditation Liebevoller Güte ist das Bemühen, die Selbstbezogenheit ein bisschen zu lockern, entscheidend. Dies kommt der buddhistischen Auffassung vom Ich nahe, denke ich. Folge ist, dass sich unser Geist mit Wohlbefinden und sogar Glück bedankt.


    Hmm …
    Von meinen tibetischen Lehrern habe ich immer wieder gehört, dass sie erstaunt sind, wie sehr im Westen die Menschen mit Selbsthass vergiftet seien. Wohingegen die Tibeter eher zur Selbstverliebtheit neigen würden.
    Weil ich diesen Selbsthass auch beobachte, kann ich nicht ganz mit Dir übereinstimmen.
    Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der sich hasst, mit sich selbst unzufrieden ist, dieses auch auf andere ausweitet. Manchmal wird das durch große Hilfsbereitschaft und Aufopferung überspielt. Aber es kommt immer der Punkt, an dem das Kartenhaus zusammenbricht.


    Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass die erste Liebe mir selbst gelten muss. Nicht, weil die anderen egal sind oder aus irgendwelchen egoistischen Erwägungen heraus, sondern weil mein Heilsein Anderen zugute kommt. Wie ich zu mir stehe, so stehe ich zu der Welt. Das Ja zu mir ist das Ja zur Welt. Mein eigenes Heilsein kann auf verschiedene Weisen erreicht werden: Indem ich mich beginne um mein Wohl zu kümmern, mein Leben in die Hand nehme, meine Grenzen kennenlerne, meine Verletzungen usw. Gleichzeitig kann ich mich Anderen zuwenden. Für wen welcher Schwerpunkt im Vordergrund steht, ist individuell. Wahrscheinlich wechselt man auch immer, je nach Bedarf und Situation.
    Ich spiegle mich im Anderen und der Andere spiegelt sich in mir. Menschen, die sich sehr hassen, und die das durch Helfen überspielen wollen, kompensieren nur. Eigentlich wollen sie sich selbst helfen, und lenken davon ab. Damit gehen sie der Sache nicht auf den Grund.


    Wenn ich sage, dass die erste Liebe mir selbst gelten muss, dann behinhaltet es auch die Möglichkeit, durch die Zuwendung zu Anderen, sein eigenes Leiden in den Hintergrund treten zu lassen, Distanz zu gewinnen. Damit ermöglicht man sich selbst einen anderen Zugang zu seiner Selbstsicht und kann Kraft schöpfen, sich auch (und ich finde das sehr wichtig) als wertvoll und gut erleben. Das gibt immer Rückkoppelungen und ist ein sich selbst verstärkendes System.
    Ich weiß nicht wo es steht, aber sinngemäß ist es für mich so:
    "Indem ich auf mich achte, achte ich auf die anderen."
    Für mich hat das eine große Tiefe mit vielen Aspekten.


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.


    Nun ist man sich von Natur aus ja selber am Allerwichtigsten, Um das abzubauen ist es sinnvoll, von der Beschäftigung mit sich selber weg zum anderen Hinzuschauen, auf seine Nöte und Bedürfnisse. Wobei das edelste Bedürfnis freilich das nach Erleuchtung bzw. Leidbefreiung ist.
    Wie du angemerkt hast, soll Selbstliebe dem Selbsthass entgegenwirken. Den Selbsthass sehe ich auch als eine Folge von zu starker Ich-Fixierung, er löst sich mit der Praxis von Mitgefühl oder Nächstenliebe auf, indem man mit sich umso zufriedener wird, je mehr man an das Wohl der anderen denkt.


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.

  • mukti:


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.


    Dieses Ideal gibt es sicher auch im Mahayana.
    Wir kennen die Erzählung vom Bodhhisattva, der sich der Löwin als Nahrung hingab, damit diese ihre hungrigen Kinder füttern konnte.


    Ich sehe darin kein Extrem. Es ist nur eine extreme Situation.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:
    mukti:


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.


    Dieses Ideal gibt es sicher auch im Mahayana.
    Wir kennen die Erzählung vom Bodhhisattva, der sich der Löwin als Nahrung hingab, damit diese ihre hungrigen Kinder füttern konnte.


    Ich sehe darin kein Extrem. Es ist nur eine extreme Situation.


    Interessant, im PK fällt mir jetzt keine entsprechende Stelle ein. Das Gleichnis von der Säge (M.21) bezieht sich zwar auch auf eine extreme Situation, ist aber nicht mit einem freiwilligen Opfer verbunden, indem man da ja von Räubern und Mördern überwältigt wurde.


    Zitat

    "Wenn auch, ihr Mönche, Räuber und Mörder mit einer Baumsäge Gelenke und Glieder abtrennten, so würde wer da in Wut geriete nicht meine Weisung erfüllen. Da habt ihr euch nun, meine Mönche, wohl zu üben: 'Nicht soll unser Gemüt verstört werden, kein böser Laut unserem Munde entfahren, freundlich und mitleidig wollen wir bleiben, liebevollen Gemütes, ohne heimliche Tücke; und jene Person werden wir mit liebevollem Gemüte durchstrahlen: von ihr ausgehend werden wir dann die ganze Welt mit liebevollem Gemüte, mit weitem, tiefem, unbeschränktem, von Grimm und Groll geklärtem, durchstrahlen': also habt ihr euch, meine Mönche, wohl zu üben.

  • Doris Rasevic-Benz:

    [...]


    Ich weiß nicht wo es steht, aber sinngemäß ist es für mich so:
    "Indem ich auf mich achte, achte ich auf die anderen."
    Für mich hat das eine große Tiefe mit vielen Aspekten.


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.


    Hallo liebe Doris.


    Da meinst du wohl Samyutta Nikaya 47.19. Sedakam - 9. Sedaka Sutta:



    Quelle: http://www.palikanon.com/samyutta/sam47.html#s47_19


    Liebe Grüße

  • Mein Meister sagte immer, wir müssten ein "warmes Gefühl für euch" beim Sitzen entwickeln.
    Ich denke, das deckt sich mit Euren Vorstellungen.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Danke, Raphy! Das meinte ich. _()_


    mukti, es lebe der Übermut! :D


    Auch für Ameisen … Zum Glück, steht da nichts von "Sollen" :oops:

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • jianwang:

    Mein Meister sagte immer, wir müssten ein "warmes Gefühl für euch" beim Sitzen entwickeln.
    Ich denke, das deckt sich mit Euren Vorstellungen.


    _()_


    Ja, so sehe ich das auch.
    Durch diese Wärme, entspannt man sich. Das öffnet der Innenschau die Tür. Und tut dann auch weniger weh. Sowohl körperlich als auch psychisch.


    Wenn ich mir gegenüber Wohlwollen entwickle, dann fällt es mir leichter, mich meinen Unzulänglichkeiten gegenüber zu öffnen. Denn nun darf ich mir meine Fehler eingestehen, ohne dass ich Angst haben muss, ungeliebt zu sein.


    Ich stelle mir – oh weh, eine Ferndiagnose! – jemanden wie Trump vor, den ich im Innersten für zutiefst ungeliebt vermute. So jemand kann nicht um Entschuldigung bitten, kann keine Fehler korrigieren, kann sich nicht um die Bedürfnisse Anderer sorgen … kann auf nichts verzichten, dass sein Ego gefährden kann. Denn dann bräche das Ungeliebte aus ihm heraus und er würde in sich zusammenfallen. Aber jemand, der sich liebt, und damit alle, der kann das. Denn er weiß um seine Fehlbarkeit und Schwäche, die sich nicht von der Fehlbarkeit und Schwäche der Anderen unterscheidet. Sich selbst liebend, liebt er die Anderen und die Anderen liebend, liebt er sich selbst.


    Für mich ist das jetzt keine schöne Sonntagspredigt, sondern ein Resultat meiner eigenen Erfahrung. Im Grunde kennen die Meisten das auch: Wie schön empfinden wir die Welt, wie liebevoll betrachten wir die Menschen, wenn wir glücklich verliebt sind, uns also uneingeschränkt angenommen fühlen. Wie gruselig empfinden wir die Welt, wenn wir verlassen worden sind. Ein mit sich selbst unglücklicher Mensch befindet sich im Dauer-Liebeskummer. (Es ist an dieser Stelle nicht nötig darauf hinzuweisen, dass Verliebtheit eine Art Drogenrausch ist. Ich denke, Ihr wisst schon, wie das gemeint ist. :D )

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Gerne Doris. _()_


    Allgemein zu Thema:


    Warum sollte man beim Mitgefühl für alle Wesen, sich selbst dabei auslassen? Aber das hat sicher schon jemand hier im Thread geschrieben.


    Die Liebende Güte Meditation die ich kenne, fängt zum Beispiel mit liebender Güte für sich selbst an und das wird dann schrittweise immer mehr auf andere übertragen. Also erst für sich selbst, dann die Menschen im Raum, dann die in der Wohnung, im Haus, in der Stadt/Dorf, im Land, auf dem Kontinent, der ganzen Welt.


    Was ich aber nachvollziehen kann, dass die Menschen verschieden sind und deswegen verschiedene Ansätze brauchen. Für den einen Menschen ist es vielleicht gut sich ersteinmal auf das Mitgefühl auf andere zu konzentrieren und für einen anderen ist es vielleicht gut das Mitgefühl ersteinmal auf sich selbst anzuwenden.


    Es kann auch sein dass für ein und den selben Menschen manchmal Mitgefühl und kümmern um andere im Vordergrund steht und manchmal Mitgefühl und kümmern um sich selbst im Vordergrund steht. Das kenne ich auch von mir.


    Ich kann anderen nur so gut wie möglich helfen, wenn es mir auch einigermaßen gut geht. Ansonsten habe ich in meinem Schlechtgehen auch einen getrübten Blick auf den anderen und die jeweilige Situation.


    Aber nur meine Meinung. Wie gesagt ich kann durchaus nachvollziehen, dass es anderen gut tut den Fokus vor allem ersteinmal auf andere zu richten.


    Wie ja auch Doris mit dem Beispiel der Tibeter schrieb, die eher die Tendenz zu Selbstverliebtheit hätten und bei uns den Eindruck von Selbsthass.


    Ich denke auch, dass die vier Brahmavihara vielleicht zusammengehören und gar nicht immer isoliert voneinander betrachtet werden sollten. Kann man natürlich machen aber neben Mitgefühl gibt es ja auch Mitfreude, liebende Güte und Gleichmut.


    Nur mal so als ein paar Gedanken dazu. Ist wahrscheinlich sowieso alles Quatsch was ich schrieb. Glaubt mir bitte kein Wort. Danke. :)


    Liebe Grüße

  • Doris Rasevic-Benz:

    Hmm …
    Von meinen tibetischen Lehrern habe ich immer wieder gehört, dass sie erstaunt sind, wie sehr im Westen die Menschen mit Selbsthass vergiftet seien. Wohingegen die Tibeter eher zur Selbstverliebtheit neigen würden.
    Weil ich diesen Selbsthass auch beobachte, kann ich nicht ganz mit Dir übereinstimmen.
    Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der sich hasst, mit sich selbst unzufrieden ist, dieses auch auf andere ausweitet. Manchmal wird das durch große Hilfsbereitschaft und Aufopferung überspielt. Aber es kommt immer der Punkt, an dem das Kartenhaus zusammenbricht.


    Ich kann schon nachvollziehen, dass religiöse „Rezepte“ auf unterschiedliche Temperamente eingehen. Die westliche Gesellschaft besticht durch ausgeprägten Individualismus, der mit Vereinzelung einhergeht. Um dem Gefühl der Isolation entgegen zu wirken, braucht es die Verbindung zur Gemeinschaft, zu den anderen Menschen.


    Das bei uns über Jahrhunderte erprobte religiöse Rezept lautet in etwa (1) Gott lieben, (2) Gottes Liebe empfangen und (3) diese Liebe in Nächstenliebe verwandeln. Gerade wenn man nicht an Gott glaubt, lassen sich 1 und 2 nicht umkehren, scheint mir. Man muss zuerst lieben um dann das Gefühl, geliebt zu werden, empfangen zu dürfen.


    Jedenfalls bezweifle ich, dass der Wunsch, sich selbst zu lieben, zu einer erfolgreichen Praxis führt. Kurz: Etwas funktioniert oder aber es funktioniert nicht.


    Ich glaube, man übt eine langjährige Praxis, weil es fürs tägliche Leben was bringt.

  • mukti:
    Doris Rasevic-Benz:


    Mit eigenen Worten:
    Nicht ich bin wichtig. Nicht die Anderen sind wichtig. Wir sind wichtig. Ich kann keine Trennung sehen.


    Nun ist man sich von Natur aus ja selber am Allerwichtigsten, Um das abzubauen ist es sinnvoll, von der Beschäftigung mit sich selber weg zum anderen Hinzuschauen, auf seine Nöte und Bedürfnisse. Wobei das edelste Bedürfnis freilich das nach Erleuchtung bzw. Leidbefreiung ist.
    Wie du angemerkt hast, soll Selbstliebe dem Selbsthass entgegenwirken. Den Selbsthass sehe ich auch als eine Folge von zu starker Ich-Fixierung, er löst sich mit der Praxis von Mitgefühl oder Nächstenliebe auf, indem man mit sich umso zufriedener wird, je mehr man an das Wohl der anderen denkt.


    Nicht völlig klar ist mir bei der ganzen Sache die Frage der Aufopferung, wie es z.B. im Christentum als besonders edel gilt, Leiden auf sich zu nehmen, um sie anderen zu ersparen, sogar sein Leben für andere hinzugeben. Ob das nicht nach buddhistischer Sicht doch ein Extrem ist.



    Liebe verstehen viele als Mittel gegen den Hass.....aber sie meinen damit Gier... Die Gier nach dem Sein, wird dann Selbstliebe genannt. Aber diese Art von Liebe verstärkt den Hass nur...Gier und Hass sind 2 Seiten der Selben Medaille. So eine Selbstliebe ist deshalb kein geeignetes Mittel gegen den Hass.
    Auch steckt hinter dem Selbsthass in Wahrheit sehr oft eine überzogene Selbstliebe, wenn man einmal genauer hinsieht. Ein Narzissmus, der die Betroffenen denken lässt, dass ihnen dieses oder jenes nicht passieren darf....Durch ihre "Selbsverliebtheit" gestehen sie sich nicht den geringsten Fehler ein. Wenn sie dann auf den Boden der Tatsachen landen, lehnen sie sich ab und hassen sich für ihre " unzulängliche" Menschlicheit. Nach dem Motto : Das darf doch jemanden wie MIR nicht passieren!
    Was wirklich hilft, ist bedingslose Akzeptanz, die man ebenfalls Liebe nennen könnte....Nur schwingt bei dem Wort Liebe, auch immer eine "Zuneigung" mit . Akzeptanz ist hingegen weder Zuneigung, noch Ablehnung.
    Das soll nicht heißen, dass Zuneigung etwas schlechtes wäre, auch sie ist als ganz normaler Teil des Lebens zu akzeptieren.... Aber es ist heilsam, dass mit einer gewissen Distanz zu tun.