Fundamentalkritik

  • kilaya:

    als wolle man bei einem Aufenthalt in der Antarktis untersuchen, ob es Tomaten gibt, unter der Prämisse, dass diese nur existieren dürfen, wenn sie in der Antarktis im Schnee wachsen. Verändert man aber die Rahmenbedingungen, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen.


    Ich fürchte deine Analogie hinkt etwas. Wer würde eine solche 'Prämisse' bilden? (Natur)Wissenschaft ist besteht darin, vernünftige, testbare Hypothesen zu bilden.


    Etwas anderes geht aber in die richtige Richtung. Die "Rahmenbedingungen". Genau um die geht es im erwähnten Buch und im Eingangszitat. McMahan macht klar, dass der Übersetzungsprozess – sprachlich, begrifflich und kulturell – unweigerlich eine Veränderung des bearbeiteten Materials zur Folge hat. Das ist, wie auch anderswo in diesem Forum ohne grosses Wenn-und-Aber diskutiert, seit mindestens 50 Jahren Voraussetzung des Denkens über das Andere. Was bedeutet also bodhi?


    Das kann es nicht sein:


    kilaya:

    Schwierig wird es da, wo aus dem menschlichen Blickwinkel entschieden werden soll, wer ein solcher Buddha ist und wer nicht. Denn da beisst sich die Katze in den Schwanz, genau die Unzugänglichkeit der Erfahrungsebene macht es auch schwierig bis unmöglich, sie bei jemand anders sicher zu erkennen.


    Solange ich aus der "Unzugänglichkeit der Erfahrungsebene" heraus nicht entscheiden kann, was erleuchtet ist, also ein "Buddha hier im Sinne eines voll erleuchteten Wesens im Sinne des Mahayana", und was nicht, solange bleibt diese Erleuchtung eine Voraussetzung, von der ich nicht entscheiden kann, ob sie nichtexistent ist wie ein Kaninchen mit Hörnern oder ob sie existiert, ich aber von ihr lediglich nicht weiss.


    Eine derartige Voraussetzung ist eine willkürliche Setzung. Sie ist nicht schlüssig. Erfüllt also nicht, was Morpho dankenswerter Weise zitiert, dass nämlich


    Morpho:

    wesentliches Merkmal einer Weltanschauung sei, ein in sich schlüssiges Gedankensystem [entwickelt zu haben].


    Eine Erleuchtung die ich behaupten muss, ohne sie in irgendeiner Form belegen zu können, kann nicht Teil eines "schlüssigen Gedankensystems" sein.


    Übrigens weisst aber die durchaus feinsinnige Unterscheidung, dass


    Morpho:

    es nämlich so ist, dass der Buddhismus sich wohl mit dem "Wesen der Welt" befasst, nicht aber mit dem "Sinn der Welt"


    durchaus auch in die richtige Richtung.


    Der Punkt ist jedoch, dass zeitgenössischer Buddhismus sich in einem ganz bestimmten Sinn entwickelt hat (wie sprechen also von Sinn in verschiedenen Bedeutungen), also unter ganz bestimmten Einflüssen. Das ist es um was es hier geht. Wie McMahan sagt, dass es essentiell ist zu begreifen, dass Buddhismus weltweit zu verstehen ist, als eine Entwicklung unter dem Einfluss der drei "Diskurse der Moderne": Monotheismus, Rationalismus und wissenschaftlicher Naturalismus, bzw. romantische Expressivität und deren Nachfolger.


    Wenn auch das mit dem Wesen stimmt, so ist in vielen Fällen unübersehbar, dass Buddhisten ihrem Leben Sinn geben, indem sie einen Buddhismus praktizieren, der sich unter dem Einfluss der drei Diskurse der Moderne entwickelt hat – wobei ihnen das Wesen dessen was sie tun entgeht: dass nämlich das Wesen der Welt schwerlich in irgendwelchen zusammengesetzten Dingen (wie dem Buddhismus) zu finden ist: dass aber diese Aussage selbst als Zusammengesetztes in Bezug auf dieses abwesende Wesen keine Sinn macht: man also doch wieder willkürlich setzen muss: womit wir wieder bei der Frage wären, welche Setzungen denn nun sein sollen?: wobei sich das Leben des Menschen selbst als Paradox entpuppt, ohne Nase, ohne Auge, ohne Mund usw., ohne vier Wahrheiten, ohne fünf Haufen etc.


    Man sieht also bei genauerem Hinsehen, dass ein schlüssiges Gedankensystem gar nicht möglich ist (siehe z.B. auch Goedel). Allerdings hat das nichts mit dem Thema zu tun. Das ist eher Ideengeschichte. Darum geht es. Das Ich selbst, das in unserem Buddhismus so eine wichtige Rolle spielt, ist nichts Naturgegebenes (siehe Tayler, den es übrigens, anders als McMahan, auf Deutsch gibt). Es wandelt sich unter dem Einfluss verschiedener Kulturen (wobei das "es" in diesem Satz natürlich nicht auf eine zu Grunde liegende Entität verweisen kann). Wir können also nicht ohne Weiteres sagen, dass wir heute verstehen, was die damals gesagt haben. Das ist das Thema. Und das zu sehen, wäre Teil des Erwachens.

  • Zitat

    Wir können also nicht ohne Weiteres sagen, dass wir heute verstehen, was die damals gesagt haben.


    "Vielleicht" gesagt haben. Wieviele Jahre später wurde es aufgeschrieben ? Gehen wir "nur" von 100 Jahren aus dann passt vieles nicht mehr auf das was gesagt wurde. Dafür würde schon eine Woche genügen.
    Damit handeln alle Bücher von Spekulationen und Idealisierung. Eine Umkonditionierung findet statt und dennoch werden die grossen Meister ;) zu Kinderschändern. Und da gebe ich jedem Kriminalpsychologen recht der sagt, dass ausnahmslos jeder zum Mörder werden kann. Trotz Achtsamkeit, trotz Einsichten.

  • Zitat

    Wir können also nicht ohne Weiteres sagen, dass wir heute verstehen, was die damals gesagt haben. Das ist das Thema. Und das zu sehen, wäre Teil des Erwachens.


    Aber das kannst Du "den Buddhisten" nicht vorwerfen oder an ihnen kritisieren, wenn sie noch nicht erwacht sind.
    All das, was Du beschreibst, mag stimmen, für den Einen mehr, für den Anderen weniger. Aber mit fortschreitender Erkenntnis legt sich das. Dann ist es egal, ob das "der Buddha gesagt" hat, ob der "das meinte", es zählt die eigene Erfahrung, und die besteht u.a. aus der Erkenntnis, dass "jeder Jeck anders ist". Und das kann dann auch so stehengelassen werden.


    Dass Herr Gautama keine Welterklärung lieferte, so die schriftliche Überlieferung, hat er ja deutlich gesagt. Das ist also eine Binse. Es ging und geht immer nur um die Erforschung des eigenen Geistes und die Beziehung zur Welt, wie sie im Kopf entsteht, was für Konsequenzen das im Handeln hat und wie der Mensch damit optimal umgehen kann.
    Sich darauf zu konzentrieren verlangt den Menschen wohl einiges ab, weil wir es gewohnt sind alles im Außen zu suchen und jedes Ungemach im Außen zu verorten. Darum sind wir ja auch so erpicht darauf andere zu kritisieren. Das dauert eben, bis Menschen dazu bereit sind, und womöglich gibt es welche, die das nie tun werden.


    Dass die Leute aus dem Dharma eine Religion machen ist nur natürlich, auch wenn das vielfach verschleiert wird. Aber welche Rolle spielt das für mich persönlich, was die Anderen tun? Keine.


    Warum wundert es mich nicht, wenn es zu Skandalen innerhalb der buddhistischen Community kommt?
    Weil jeder auf dem Weg ist und nichts weiter. Das wird keine Religion der Welt jemals ändern. Nur ein biologischer, evolutionärer Sprung könnte das. Darum gibt es keinen Anlass für mich den Buddhismus zu verteidigen oder in irgendeiner Weise für "ihn" einzutreten. Er ist in meinen Augen nicht besser oder schlechter als andere Herangehensweisen. Daher sind manche Deiner Bemühungen, die darauf abzielen irgendwo doch so was wie den "reinen Dharma" zu finden, für mich nicht nachvollziehbar.


    Für mich selbst muss das Ganze nicht schlüssig sein. Ich habe mich auf den Weg gemacht, was zu erkunden. Ob das dann schlüssig ist oder nicht, wird sich herausstellen – oder auch nicht. Wenn es sich als nicht schlüssig erweist, dann war es zumindest eine interessante Lebensbeschäftigung.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Der Unbuddhist:


    Man sieht also bei genauerem Hinsehen, dass ein schlüssiges Gedankensystem gar nicht möglich ist (siehe z.B. auch Goedel). Allerdings hat das nichts mit dem Thema zu tun. Das ist eher Ideengeschichte. Darum geht es. Das Ich selbst, das in unserem Buddhismus so eine wichtige Rolle spielt, ist nichts Naturgegebenes (siehe Tayler, den es übrigens, anders als McMahan, auf Deutsch gibt). Es wandelt sich unter dem Einfluss verschiedener Kulturen (wobei das "es" in diesem Satz natürlich nicht auf eine zu Grunde liegende Entität verweisen kann). Wir können also nicht ohne Weiteres sagen, dass wir heute verstehen, was die damals gesagt haben. Das ist das Thema. Und das zu sehen, wäre Teil des Erwachens.


    Das ist für mich auch eine Zentrale Aussage im Buddhismus....die sich aus dem bedingten Entstehen ergibt.
    Insofern auch interessant, inwieweit der Buddhismus Einfluss auf die westliche Wissenschaft nahm/ nimmt. In der westlichen Philosophie haben buddhistische Ideen schon weit länger als 50Jahre Einzug erhalten... In der Erkentnistheorie beziehen sich die wissenschaftler Valera/ Maturana sogar explizit auf den Buddhismus...Die Systemtheorie von Niklas Luhmann bezieht sich wiederum auf die Erkentnistheorie von Valera/ Maturana....
    Aber es gibt halt gerade auch in der westlichen Wissenschaft, viele stimmen, die solche Einflüsse strikt von sich weisen würden....Eben weil sie ihrerseits an ihre eigene unabhängige wissenschaftliche Wahrheit glauben. Auch gibt es solche Philosophen, die ihre Theorien fast schon krampfhaft versuchen, vom Buddhismus abzugrenzen, vlt. um ihr Werk als etwas eigenes/ neues verkaufen zu können, oder schlicht und ergreifend, weil sie sich nur oberflächlich mit dem Buddhismus auseinandergesetzt haben. Dabei wird dem Buddhismus dann immer wieder eine Art Wiedergeburtsglauben im Sinne einer Wanderung einer unveränderlichen Seele unterstellt. ( siehe z.b.schmidt- Salomon teilw. auch Maturana).
    Unter den Buddhisten gibt es sicherlich einige, die an absolute Wahrheiten glauben.....den Buddhismus begreife ich aber für diese Menschen vielmehr, als eine Chance sich von diesem Glauben zu befreien, anstatt einer Art Gefahr die extremistisches Gedankengut vermittelt.
    Natürlich darf man dazu nicht auf der Stelle stehen bleiben...Der Dalai Lama z.b. rät ja sogar dazu, bei Fragen, die der Buddhismus ( nach dem heutigen Stand) nicht mehr schlüssig klären kann, der Wissenschaft zu folgen.
    Ich sehe im Buddhismus ein Mittel, eine Art Schwamm mit dem, sich extreme, absolute Ansichten wegwischen lassen....Das Schrubben darf man dazu natürlich nicht vergessen...Es macht sicher keinen Sinn den Schwamm auf ein Podest zu stellen und ihn anzubeten, während drumherum alles im Dreck versinkt. Auch darf man nicht vergessen, den Schwamm ab und an mal klarzuspülen, damit man den Schmutz nicht nur hin und her schmiert... Aber den Schwamm für den Dreck verantwortlich zu machen, wäre halt auch ein Quatsch.... Aber darum scheint es dir ja auch gar nicht zu gehen....nur machst du das meiner Meinung nach nicht immer so deutlich. Ich denke du könntest mehr erreichen, wenn du es häufiger tun würdest. Allein dein Nick, weißt ja schon auf eine extremistische Position, der grundsätzlichen Ablehnung hin...Da blocken viele direkt ab und wahrscheinlich gerade die, die du vlt. eigentlich erreichen möchtest. ( Jemand der an einen heiligen Messias glaubt, wird sein Ohr kaum zum "Satan" neigen... Für diejenigen ist der Unbuddhist doch nur der Antichrist )


    Viele Grüße

  • Der Unbuddhist:

    Solange ich aus der "Unzugänglichkeit der Erfahrungsebene" heraus nicht entscheiden kann, was erleuchtet ist, also ein "Buddha hier im Sinne eines voll erleuchteten Wesens im Sinne des Mahayana", und was nicht, solange bleibt diese Erleuchtung eine Voraussetzung, von der ich nicht entscheiden kann, ob sie nichtexistent ist wie ein Kaninchen mit Hörnern oder ob sie existiert, ich aber von ihr lediglich nicht weiss.
    ...
    Eine Erleuchtung die ich behaupten muss, ohne sie in irgendeiner Form belegen zu können, kann nicht Teil eines "schlüssigen Gedankensystems" sein.


    Hier machst Du m.E. einen gedanklichen Zirkelschluss, der aber letztlich wieder in die Antarktis zurückführt. Etwas gedanklich schlüssig erfassen zu können ist eine Sache, etwas zu erfahren eine andere Sache. Solange die Erfahrung dem Verstand nicht zugänglich ist, bleibt ein Teil dessen, was erfasst werden soll, nicht zugänglich.


    Gerade weil Erleuchtung dem Verstand nicht zugänglich ist, arbeitet man traditionell mit allerlei Methoden, um diesen auszutricksen.


    Die "Schlüssigkeit" die Du hier forderst, ist eben eine eines Gedankensystems.Man kann Erleuchtung nicht komplett verstehen, bis man sie erlangt hat. Auch wenn man es noch so gerne anders hätte. Insofern, bei aller Schlüssigkeit des Weges dahin, am Ende bleibt ein Sprung des Vertrauens sogar aus dem System des Wegs heraus in einen "offenen Raum".


  • Wenn man Erleuchtung nicht verstehen kann, kann man sie auch nicht erlangen....weil sie dann ja nicht greifbar ist.
    Könnte man sie verstehen nachdem man sie erlangt hat....dann könnte man sie auch verständlich weitergeben...von Verstand zu Verstand....
    Das man Erleuchtung erfahren kann, müsste man glauben bis man sie erfahren hat... Wie aber erfährt man der Lehre nach Erleuchtung ? Indem man etwas los wird, oder in dem man etwas erlangt ?

  • Indem man etwas loswird, nämlich falsche, illusorische, Vorstellungen von der Wirklichkeit ;)

  • Oha ... der Verstand ... dieses Etwas, wovon Leute meinen, es definieren zu müssen/können.
    Logik, Statistik, "Wissen"schaft ...


    Und doch versagt der Verstand in vielen Bereichen unseres menschlichen Lebens. Wie könnte jemand dann annehmen, Dharmakaya oder sunyata mittels dieses Instrumentes zu erfassen oder weiterzugeben?


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Sunu:

    Zitat

    Wie aber erfährt man der Lehre nach Erleuchtung ? Indem man etwas los wird, oder in dem man etwas erlangt ?


    Weder, noch. ;)


    Unbuddhist

    Zitat

    Eine Erleuchtung die ich behaupten muss, ohne sie in irgendeiner Form belegen zu können, kann nicht Teil eines "schlüssigen Gedankensystems" sein.


    Also 'Gott' zum Beispiel ist ja für die Urteilsverkünder im Fall Spaghettimonster Teil des "schlüssigen Gedankensystems" der christl. Weltanschauung.
    Wie es einen Schritt weiter mit bspw. der Unio Mystica aussähe, kann ich nicht sagen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Oder sowohl als auch ... je nach Standpunkt :clown:8)

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    wird erst das Auge klar.


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  • Im tibetischen Buddhismus wird gelehrt, dass man etwas loswerden muss. Es gibt das Beispiel mit dem Kristall, ich weiß nicht woher es stammt, ob es vom Buddha ist und ob das Beispiel auch in den anderen Schulen verwendet wird.


    Das Bild ist: Die So-heit (Buddhanatur) ist wie ein Kristall, rein und klar. Dieser ist mit Rauch bedeckt. Man muss diesen (nur) abwischen, dann kommt der Kristall hervor.
    Ich kenne zwar auch die Formulierung: "Die Erleuchtung erreichen." Aber das wird nur so gesagt, ich glaube nicht dass es ein Beispiel gibt, wo etwas erlangt, erreicht wird, so wie das Beispiel mit dem Kristall, welches sehr bekannt ist. Vielleicht ist es eher so eine abgekürzte Rede: "Die Erleuchtung erlangen" weil man nicht immer sagen will: "Ein Zustand, in welchem der konzeptualisierende Geist gar nicht mehr tätig ist."

  • Vielleicht interessiert den Unbuddhisten bzgl. "Veränderungen in der Übertragung" dieses Buch, Einheit und Vielfalt: das Verstehen der Kulturen, Seite 125,126.127,128.
    Der Link erschien eben als ich A-Logik+Dharma eingegeben hatte. Die Seiten habe ich aber nur kurz überflogen.

  • Sunu:

    Glaubt bloß nicht, dass ich mich da zu einer Antwort hinreißen lasse.... :oops:


    :hug: Ooooch

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  • Turmalin:

    Im tibetischen Buddhismus wird gelehrt, dass man etwas loswerden muss. Es gibt das Beispiel mit dem Kristall, ich weiß nicht woher es stammt, ob es vom Buddha ist und ob das Beispiel auch in den anderen Schulen verwendet wird.


    Das Bild ist: Die So-heit (Buddhanatur) ist wie ein Kristall, rein und klar. Dieser ist mit Rauch bedeckt. Man muss diesen (nur) abwischen, dann kommt der Kristall hervor.
    Ich kenne zwar auch die Formulierung: "Die Erleuchtung erreichen." Aber das wird nur so gesagt, ich glaube nicht dass es ein Beispiel gibt, wo etwas erlangt, erreicht wird, so wie das Beispiel mit dem Kristall, welches sehr bekannt ist. Vielleicht ist es eher so eine abgekürzte Rede: "Die Erleuchtung erlangen" weil man nicht immer sagen will: "Ein Zustand, in welchem der konzeptualisierende Geist gar nicht mehr tätig ist."


    Ja, dass ist so ähnlich wie im Schwammbeispiel....Man entfernt etwas ....dadurch erlangt man etwas...aber eigentlich ist nach der Reinigungsaktion alles nur im Eimer...und man ist weder etwas losgeworden, noch hat man etwas erlangt...wobei man das so jetzt auch nicht wirklich sagen kann.

  • Indem man eine falsche Ansicht aufgibt, gewinnt man einen neuen Blickwinkel. Aber ist das "etwas" das man verliert oder erlangt?

  • Alle Ansichten sind so gesehen spekulativ-"falsch. Das ist das was Raphy mit (potent.)"Quatsch" meint.


    Ich denke, etwa 80 Prozent der Bonno (Kilesa, Klesha) die die Zen Tradition benennt bestehen in spekulativen/ (falschen) Ansichten (micchādiṭṭhi)

  • kilaya:

    Indem man eine falsche Ansicht aufgibt, gewinnt man einen neuen Blickwinkel. Aber ist das "etwas" das man verliert oder erlangt?


    Wie "gibt" man dies denn auf? Einfach so? Mülleimer auf, weg damit, fertig?
    Nein, imho indem man eine Erfahrung macht, also "etwas" bekommt.
    Wie "gewinnt" man einen neuen Blickwinkel? Indem man einfach anders denkt? Schalter in andere Stellung, fertig?
    Auch Nein, indem man imho seine Stellung ändert, also die "alte" Position (auch ein Etwas) aufgibt.


    Ob dieses Etwas als dinglich zu sehen ist, bezweifle ich.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Das kommt auf die Definition von "Ding" an würde ich sagen.


    Wie man die falsche Sicht verliert / verlieren soll ist wohl individuell und je nach Weg verschieden.


    Du hast auf jeden Fall insofern recht, als dass es ja nicht reicht, die neue Sicht zu "denken" oder zu kennen oder davon zu wissen. Es reicht nichtmal eine kurze Erfahrung davon, was das bedeutet, sie muss auch noch vertieft und stabilisiert werden (auch wenn man in der modernen Satsang-Szene gerne glaubt, die erste Erfahrung würde einen schon zum Guru machen)…


    Der Unterschied zwischen "Wissen" und "Erfahrung" ist wohl ein bischen wie eine Safari auf dem TV schauen oder nackt durch die Savanne vor einem Löwen weglaufen.

  • Das eigentlich heikle ist doch die Frage, wieso es eine richtige Ansicht geben sollte und alles andere sei falsch. Also der Anspruch, den alle Religionen haben. Da müssen wir uns dem auch stellen, wieso wir sowas behaupten. Immerhin haben wir eine einheitliche Lehre. Z. B. Reinkarnation und Karma und nicht Himmel und Hölle.


    (Vorrausgesetzt man tut es sich an hier zu schreiben und damit den Dharma nach außen, also gegenüber nicht-Buddhisten, die eventuell mitlesen, zu "verteidigen" oder gar gegenüber Unbuddhisten.)


    Wenn man sagt man lässt den konzeptuellen Geist los und dann ZEIGT sich die Wahrheit, und diese Erfahrung ist für jeden gleich,( bzw auf dieser Ebene gibt es gar kein von der Welt getrenntes Individuum mehr) dann ist das schon eine Begründung, wieso alle zum gleichen kommen.


    Man kann auch weiter ableiten: Wenn man aus diesem Bewusstseinszustand heraus die Phänomene der relativen Wahrheit bedenkt, wird man auf weisheitsvolle Antworten kommen und es erklärt sich auch, wieso mehrere weise Menschen dann zu ähnlichen Meinungen kommen. Auch wenn es um die Themen der Welt und des Lebens geht.


    Wenn man sagt, es müsse etwas erlagt werden, finde ich das etwas schwieriger. Denn wie kommt es dann dass jeder zur gleiche Wahrheit kommt? Also es gehört schon dazu, wenn man sagt dass etwas erlagt wird, dass man dann das erlagt was schon immer verdeckt da war. Siehe den sauberen Kristall, der nur von Rus bedeckt war. Die Buddha-Natur ist das, was alle fühlenden Wesen immer schon sind.


    Klar wird es alles super heikel mit dem Guru-Prinzip wenn noch behauptet wird, dass die Wahrheiten des Buddhismus von Mensch zu Mensch übernommen werden müssen. Dass es diese einheitliche Quelle zu die jeder kommt, nicht gäbe. Dann wird behauptet, es gibt einen Guru, dessen Gedanken man nachplappert. Und unter dieser Vorraussetzung wär es ja kein Wunder, dass wenn der Guru dann sagt: "Zieh dich aus" oder "überweis mir 1000 € bis nächste Woche"-dass man das genauso glaubt wie die von ihm übernommenen Buddhismus-Gedanken. Da man ja ständig damit beschäftigt sei, alles zu übernehmen, was er sagt. Man werde also immer mehr darauf programmiert.
    Daher ist schon wichtig zu erklären, dass und warum die Weisheitsquelle für jeden zugänglich ist.

    Und dass der Guru die Menschen dazu bringt, selbst die Quelle anzuzapfen. Und dass es Inhalt der Belehrungen ist,zu erklären, wie man das schafft.

  • Turmalin:

    Daher ist schon wichtig zu erklären, dass und warum die Weisheitsquelle für jeden zugänglich ist.

    Und dass der Guru die Menschen dazu bringt, selbst die Quelle anzuzapfen. Und dass es Inhalt der Belehrungen ist,zu erklären, wie man das schafft.


    :like:

  • Holzklotz:

    So, dass man praktisch in den Schriften gar nicht mehr nachlesen müsste, weil es sich einem erschlossen hat und diese Texte dann nur noch eine Beschreibung dessen sind, was man selbst auch ganz klar sehen kann, obwohl man selber vielleicht andere Formulierungen benützen würde. Sicherlich würde man aber schnell merken was gemeint ist, wenn man einen "weisen" Text liest, der vielleicht nicht einmal aus der eigenen Tradition oder Religion stammt.


  • @kilaya
    au ja, das passt natürlich perfekt - kannte ich noch gar nicht


  • Die Weisheit im Buddhismus bezieht sich doch auf das Beenden von Leid und nicht auf eine Art von absoluter Wahrheit. Ein falsch/ richtig bezieht sich somit auch auf das Beenden von Leid im Buddhismus und nicht auf etwas absolutes. Eigentlich kann so, mit etwas Aufmerksamkeit und gesunden Menschenverstand, jeder selbst prüfen, ob seine Praxis in die richtige oder falsche Richtung geht.