kilaya:als wolle man bei einem Aufenthalt in der Antarktis untersuchen, ob es Tomaten gibt, unter der Prämisse, dass diese nur existieren dürfen, wenn sie in der Antarktis im Schnee wachsen. Verändert man aber die Rahmenbedingungen, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen.
Ich fürchte deine Analogie hinkt etwas. Wer würde eine solche 'Prämisse' bilden? (Natur)Wissenschaft ist besteht darin, vernünftige, testbare Hypothesen zu bilden.
Etwas anderes geht aber in die richtige Richtung. Die "Rahmenbedingungen". Genau um die geht es im erwähnten Buch und im Eingangszitat. McMahan macht klar, dass der Übersetzungsprozess – sprachlich, begrifflich und kulturell – unweigerlich eine Veränderung des bearbeiteten Materials zur Folge hat. Das ist, wie auch anderswo in diesem Forum ohne grosses Wenn-und-Aber diskutiert, seit mindestens 50 Jahren Voraussetzung des Denkens über das Andere. Was bedeutet also bodhi?
Das kann es nicht sein:
kilaya:Schwierig wird es da, wo aus dem menschlichen Blickwinkel entschieden werden soll, wer ein solcher Buddha ist und wer nicht. Denn da beisst sich die Katze in den Schwanz, genau die Unzugänglichkeit der Erfahrungsebene macht es auch schwierig bis unmöglich, sie bei jemand anders sicher zu erkennen.
Solange ich aus der "Unzugänglichkeit der Erfahrungsebene" heraus nicht entscheiden kann, was erleuchtet ist, also ein "Buddha hier im Sinne eines voll erleuchteten Wesens im Sinne des Mahayana", und was nicht, solange bleibt diese Erleuchtung eine Voraussetzung, von der ich nicht entscheiden kann, ob sie nichtexistent ist wie ein Kaninchen mit Hörnern oder ob sie existiert, ich aber von ihr lediglich nicht weiss.
Eine derartige Voraussetzung ist eine willkürliche Setzung. Sie ist nicht schlüssig. Erfüllt also nicht, was Morpho dankenswerter Weise zitiert, dass nämlich
Morpho:wesentliches Merkmal einer Weltanschauung sei, ein in sich schlüssiges Gedankensystem [entwickelt zu haben].
Eine Erleuchtung die ich behaupten muss, ohne sie in irgendeiner Form belegen zu können, kann nicht Teil eines "schlüssigen Gedankensystems" sein.
Übrigens weisst aber die durchaus feinsinnige Unterscheidung, dass
Morpho:es nämlich so ist, dass der Buddhismus sich wohl mit dem "Wesen der Welt" befasst, nicht aber mit dem "Sinn der Welt"
durchaus auch in die richtige Richtung.
Der Punkt ist jedoch, dass zeitgenössischer Buddhismus sich in einem ganz bestimmten Sinn entwickelt hat (wie sprechen also von Sinn in verschiedenen Bedeutungen), also unter ganz bestimmten Einflüssen. Das ist es um was es hier geht. Wie McMahan sagt, dass es essentiell ist zu begreifen, dass Buddhismus weltweit zu verstehen ist, als eine Entwicklung unter dem Einfluss der drei "Diskurse der Moderne": Monotheismus, Rationalismus und wissenschaftlicher Naturalismus, bzw. romantische Expressivität und deren Nachfolger.
Wenn auch das mit dem Wesen stimmt, so ist in vielen Fällen unübersehbar, dass Buddhisten ihrem Leben Sinn geben, indem sie einen Buddhismus praktizieren, der sich unter dem Einfluss der drei Diskurse der Moderne entwickelt hat – wobei ihnen das Wesen dessen was sie tun entgeht: dass nämlich das Wesen der Welt schwerlich in irgendwelchen zusammengesetzten Dingen (wie dem Buddhismus) zu finden ist: dass aber diese Aussage selbst als Zusammengesetztes in Bezug auf dieses abwesende Wesen keine Sinn macht: man also doch wieder willkürlich setzen muss: womit wir wieder bei der Frage wären, welche Setzungen denn nun sein sollen?: wobei sich das Leben des Menschen selbst als Paradox entpuppt, ohne Nase, ohne Auge, ohne Mund usw., ohne vier Wahrheiten, ohne fünf Haufen etc.
Man sieht also bei genauerem Hinsehen, dass ein schlüssiges Gedankensystem gar nicht möglich ist (siehe z.B. auch Goedel). Allerdings hat das nichts mit dem Thema zu tun. Das ist eher Ideengeschichte. Darum geht es. Das Ich selbst, das in unserem Buddhismus so eine wichtige Rolle spielt, ist nichts Naturgegebenes (siehe Tayler, den es übrigens, anders als McMahan, auf Deutsch gibt). Es wandelt sich unter dem Einfluss verschiedener Kulturen (wobei das "es" in diesem Satz natürlich nicht auf eine zu Grunde liegende Entität verweisen kann). Wir können also nicht ohne Weiteres sagen, dass wir heute verstehen, was die damals gesagt haben. Das ist das Thema. Und das zu sehen, wäre Teil des Erwachens.