Töten aus Mitgefühl

  • Die erste Sila lautet, man solle sich darin üben, nicht zu töten. Ich habe in einem anderen Thread schonmal geschrieben, dass ich diese Maxime hinsichtlich Zecken, Moskitos und ähnlicher Lebensformen teilweise problematisch finde.


    Man könnte das ganze aber natürlich auch auf den Menschen übertragen: Gibt es nicht Situationen, in denen das Unterlassen des Tötens unethischer wäre als das Töten? Ich bin beispielsweise ein Befürworter von aktiver Sterbehilfe und finde es geradezu zynisch, wie christliche Interessenverbände aus vermeintlicher Menschenfreundlichkeit dagegen Sturm laufen. Wie sieht die buddhistische Haltung hinsichtlich dieser Angelegenheit aus?


    Ich jedenfalls finde, dass das "Nicht-Töten" als oberste Maxime in sämtlichen Situationen nicht taugt. Wieso sollte man einen Menschen, der unerträgliche Qualen durchleidet, nicht erlösen dürfen? Wäre das nicht ein völlig törichtes Anhaften am Leben? Muss man nicht anerkennen, dass es auch ein "Töten aus Mitgefühl" gibt?

    • Offizieller Beitrag

    Das standard Gedankenexperiment an dem man sowas diskutiert ist das Trolleyproblem:

    Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?

    Es gibt ja den großen Unterschied zwischen "Teleologische Ethiken", wo man hauptsächlich auf die Folgen der Tat schaut, und "Deontologische Ethiken" wo sich eher an Prinzipien ausrchtet, und bestimmte Sachen grundsätzlich nicht tut, auch wenn sie in dem konkreten Fall mehr Leid verursachen.


    Jemand der deontologisch denkt, würde sich wohl an den grundsatz "Du sollst nicht töten" halten, auch wenn die Anwendung des Grudsatzes in dem Fall mehr Leid verursacht. Ein telelogischer Denker würde wohl die Folgen betrachten. Und da gibt es ja einerseits die unmittelbare Folgen. Aber villeicht auch weiterliegende Folgen. Das sieht man an der Variante "fetter Mann", wo man sich in eine Täterrolle begibt:


    Zitat

    Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten und droht fünf Personen zu überrollen. Durch Herabstoßen eines unbeteiligten fetten Mannes von einer Brücke vor die Straßenbahn kann diese zum Stehen gebracht werden. Darf (durch Stoßen des Mannes) der Tod einer Person herbeigeführt werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?


    Im Mahayana denkt man hauptsächlich "teleologisch". Ein klassisches Beispiel ist das wo ein Piratenkapitäten getötet wird, um entführte Menschen vor dem sicheren Tod zu retten. Allerdings können Ausnhamen auch wie ein Leck im Damm wirken. Wenn man einen Piratenkapitän töten darf, dann villeicht auch Angehörige einer Armee, die das eigen Land überfällt. Oder villeicht muss man das andere Land auch präventiv aus Mitgefühl überfallen, um zukünftiges Leid zu verhindern. In der Praxis kann das dann zu einer starken Aufweichung führen.

  • Die erste Sila lautet, man solle sich darin üben, nicht zu töten. Ich habe in einem anderen Thread schonmal geschrieben, dass ich diese Maxime hinsichtlich Zecken, Moskitos und ähnlicher Lebensformen teilweise problematisch finde.


    Bei Kant (der den Begriff in der neueren Philosophie, und da genauer der Ethik fester verankerte) soll durch das Finden einer ausformulierbaren, eigenen Handlungsmaxime die Art des Willens bestimmt/erkannt werden. Lässt sich ein Widerspruch zwischen der hypothetisch nur zum Gesetz verallgemeinerten Maxime und dem eigenem Begehren/Wünschen/Wollen erkennen, ist hier ein subjektiver, durch das Begehren allein begründeter Wunsch, der nach ihm weniger vernunftbestimmt ist.


    Ich lese Kants Näherung zu dem Begriff "Vernunft" (sein hierüber implizit und explizit formuliertes "Wissen") so, dass da Brücken zu buddhistischen Formulierungen und Begriffen möglich sind.


    Ich habe mir seine absolute Begründung eines NichtTötenSollens noch nicht durchgelesen. Aber sie soll nicht so verstanden werden, dass jemand sich nicht sein eigenes, situatives Urteil erlauben soll und sogar muss. Es ergibt sich bei ihm halt zwingend, vom Allgemeinen her denkend, und er kennzeichnet klar eine solche Handlung (jedes Töten) als unmoralisch, und damit auch als subjektiv bestimmt, also keine Sache, die dem Wunsch nach Freiheit entspringt, oder etwas mit ihr selbst zu tun hätte.


    (Ich beziehe mich auch in meiner Begriffswahl hier hoffentlich sicherer begründbar auf den Kant ab 1784)


    Mir ist sofort auch das "TrolleyProblem" eingefallen, auf das void hier: Töten aus Mitgefühl verwies.


    Ich habe es selbst einige Male erklären müssen, ohne zu erkennen, dass hier eigentlich eine unmögliche Situation kreiert wird. Es wird unter anderem volle Information (über die Zukunft) bei dem vorausgesetzt, der sich mit der Frage beschäftigt. Oder anders: der Konstrukteur dieses Experiments weiß um eine Zukunft die sich nur und immer nur so zweifach abbildet. Und diese (angebliche nur so mögliche) Zukunft weiß der Entscheider nicht.


    Jemand der deontologisch denkt, würde sich wohl an den grundsatz "Du sollst nicht töten" halten, auch wenn die Anwendung des Grudsatzes in dem Fall mehr Leid verursacht.


    Bei Kant (der ja einer deontologischen Ethik zugerechnet wird) ist so ein Verhalten eher nicht möglich. Und soll auch nicht geschehen. Er wird zum Teil so (falsch in meinen Augen) erklärt. Auch bei anderen PflichEthiken sehe ich nicht, dass das vorgeschlagene Verhalten zwingend sein muss, oder von der Idee überhaupt her so gemeint war. Könntest du eine weitere PflichtEthik nennen, in der eine solche Handlung in so einer Situation empfohlen wird, oder damit sicher begründbar ist?


    Es ist in vielen wirklichen Fällen, in denen es um Tod oder nicht Tod geht, bestimmt möglich, die Sache so anzugehen, dass niemand sterben muss. Oder anders: im Nachhinein betrachtet sieht es öfter so aus, als wäre es an sich schon eine Möglichkeit gewesen, das Töten zu verhindern.


    Auch deswegen ist da oft eine erlebte Tragik.




    :earth:

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  • Hallo miteinander,


    ich finde dies ist ein komplexes, schwieriges Thema, das man von verschiedenen Gesichtspunkten her angehen muss. Ich will aber nur einen Aspekt ansprechen:


    Mitgefühl besteht ja in dem Wunsch, dass die Lebewesen frei sein mögen vom Leiden und dessen Ursachen. Das Töten steht in direktem Widerspruch dazu, denn Töten bedeutet, anderen Lebewesen Leid und Schaden zuzufügen.


    Die Frage ist ja, kann man durch das Sterben die karmischen Anlagen für Leiden wie Krankheiten usw., die wir durch unsere Handlungen im Bewusstseinskontinuum angesammelt haben, überwinden? Kann durch aktive Sterbehilfe ein Mensch von seinen Leidensursachen so befreit werden, dass sie nicht wieder auftreten können?


    Aus unserer westlichen Perspektive, die stark dadurch geprägt ist, dass mit dem Tod alles zu Ende ist und es danach nichts mehr gibt, kann aktive Sterbehilfe vernünftig erscheinen. Aus Dharmaperspektive ist dies nicht so, denn aus dieser Perspektive geht es nach dem Tod weiter und wir nehmen in unserem Bewusstseinskontinuum die unheilsamen karmischen Anlagen mit in die nächste Existenz und erfahren in ihr ihre Wirkungen. Der Tod, egal wie er zustande gekommen ist, vernichtet also nicht unsere karmischen Anlagen, seien sie nun unheilsam oder heilsam.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Man könnte das ganze aber natürlich auch auf den Menschen übertragen: Gibt es nicht Situationen, in denen das Unterlassen des Tötens unethischer wäre als das Töten?


    Ja gibt es.


    Wenn sich einer kurz vor dem Tode nur noch vor Schmerzen krümmt, dann handele ich barmherzig, wenn ich auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen Sterbehilfe gebe. Silas sind ja Handlungsnormen, nach denen man sich allgemein richten sollte, was nicht heißt, dass es nicht auch Ausnahmen geben kann. Zumal ja die genannte Sila auch nicht zu 100% ausführbar ist (siehe Insekten).

  • ah ja … wasch mir den Buckel aber mach mich nicht nass …


    Absichtliches Töten ist ein absolutes NoGo.


    Und wieso seht ihr den Tod als etwas Schlimmes an ? Es ist nur eine Veränderung der 5 Ergreifungsgruppen, mehr nicht.


    Ich, d.h. mein noch vorhandenes "Selbst", stirbt jeden Tag mehrfach und wird jeden Tag mehrfach neu entsprechend dem kamma. Aber dadurch verändert sich doch Nichts an meinen 5 khandha. Sie verändern sich nur, so wie üblich.

    Selbst wenn dieser Körper älter wird, krank wird, ist dies nur ein normales Verändern der khandha.


    Wenn ein Wesen es schafft, das restliche "Selbst" auch loszulassen wird es ohne Sterben und Geburt sein. Dann ist noch der physische Tod vorhanden, was aber nur ein Auseinanderfallen der 5 khandha bedeutet.


    So sehe ich es, so habe ich es erfahren.


    _()_

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Man könnte das ganze aber natürlich auch auf den Menschen übertragen: Gibt es nicht Situationen, in denen das Unterlassen des Tötens unethischer wäre als das Töten?


    Ja gibt es.


    Wenn sich einer kurz vor dem Tode nur noch vor Schmerzen krümmt, dann handele ich barmherzig, wenn ich auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen Sterbehilfe gebe. Silas sind ja Handlungsnormen, nach denen man sich allgemein richten sollte, was nicht heißt, dass es nicht auch Ausnahmen geben kann. Zumal ja die genannte Sila auch nicht zu 100% ausführbar ist (siehe Insekten).

    Das ist aber leichter gesagt als getan.

    Sterbehilfe zu leisten, indem bestimmte lebensverlängernde Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden ist das eine und für mich auch vertretbar.

    Aber aktiv z.Bspl. ein Medikament zu spritzen, was den schnellen Tod zufolge hat, ist nochmal eine andere Hausnummer.

    Mal abgesehen davon, dass es strafrechtliche Konsequenzen für denjenigen haben kann, könnte ich mir vorstellen, dass man selbst das auch nicht so locker flockig wegsteckt, auch wenn die Motivation Mitgefühl ist. Verstehen kann ich das, aber ich selbst würde es nicht tun.

    Das Sterben zu erleichtern, mit starken Schmermitteln usw. wäre da eigentlich das Mittel der Wahl.

  • Mal abgesehen davon, dass es strafrechtliche Konsequenzen für denjenigen haben kann, könnte ich mir vorstellen, dass man selbst das auch nicht so locker flockig wegsteckt, auch wenn die Motivation Mitgefühl ist.


    Bezieht sich auf Länder, in denen es erlaubt ist natürlich.


    Wenn man das nicht wegstecken kann, sollte man es nicht machen. Mir würde es persönlich nichts ausmachen. Nur noch "verwalten" und mit Schmerzmittel vollpumpen halte ich nicht für eine gute Lösung, aber in Deutschland sicherlich eine gute Wahl.

  • Das große Problem bei der Geschichte ist m.E. dass sich irgendjemand zum Richter erklären muss, ob hier jetzt das Töten ethisch angebracht ist oder nicht. Selbst wenn es solche Situationen gäbe - wer maßt sich an, das unterscheiden zu können. Selbst wenn jemand den Sterbewunsch explizit äußert bleibt das in meinen Augen ein Problem. Also ich möchte es nicht entscheiden müssen.

    ...und was ist von einem Menschen zu halten, der sich die Entscheidnung zutraut?

    ...und wie verändert sich der Mensch, der diese Entscheidung immer wieder fällt?


    Mitgefühl hin oder her, die Frage ist doch, ob man wirklich sicher sein kann gerechtfertigt zu töten.

    Mit dem Grundsätzlichen Nein zum Töten der meisten Religionen drückt sich für mich die Demut der Religionsstifter aus, dass sie es sich eben nicht zutrauen, so eine Entscheidung zu treffen und sie wollten zukünftigen Generationen vielleicht ein weiteres Hin und Her ersparen.

  • Mitgefühl hin oder her, die Frage ist doch, ob man wirklich sicher sein kann gerechtfertigt zu töten.

    Mit dem Grundsätzlichen Nein zum Töten der meisten Religionen drückt sich für mich die Demut der Religionsstifter aus, dass sie es sich eben nicht zutrauen, so eine Entscheidung zu treffen und sie wollten zukünftigen Generationen vielleicht ein weiteres Hin und Her ersparen.

    Das denke ich nicht. In den abrahamitischen Religionen geht die Ablehnung des Tötens (inklusive aktiver Sterbehilfe) darauf zurück, dass das Leben von Gott gegeben wurde und nur Gott es auch nehmen kann - aus dieser Argumentation wird natürlich umgekehrt ein Schuh, wenn man hinterfragt, ob Gott es gewollt hätte, dass seine Geschöpfe ein Leben angeschlossen an Maschinen und Automaten fristen.


    Im Buddhismus und Hinduismus geht die Ablehnung des Tötens auf das Karma-Prinzip zurück - ein "unerleuchtetes" Wesen zu töten würde dieses Wesen nicht vom Leid erlösen, sondern durch erneute Wiedergeburt möglicherweise in noch größeres Leid stürzen. Natürlich macht man sich dabei dann auch selbst die Hände schmutzig und wird auf einer "niedrigeren Stufe" wiedergeboren.


    Ich glaube allerdings nicht an Wiedergeburt, weil sie für mich einfach inkompatibel zu Anatta ist. Deswegen halte ich aktive Sterbehilfe und auch Abtreibung unter Umständen für gerechtfertigt, wenn Dukkha dadurch gelindert wird. Mich würde interessieren ob es Stellungnahmen zu diesen Themen von Buddhistischen Verbänden (z.B. der DBU) gibt, oder ob diese heißen Eisen lieber gar nicht erst angefasst werden.

  • aus dieser Argumentation wird natürlich umgekehrt ein Schuh, wenn man hinterfragt, ob Gott es gewollt hätte, dass seine Geschöpfe ein Leben angeschlossen an Maschinen und Automaten fristen.

    vmtl. OT, aber wie kann es bei einem allmächtigen Gott etwas geben, das er nicht will?


    ich hab mich halt gefragt wie solche Aussagen in den heiligen Schriften zustande kommen. Gott hat ja kein Buch geschrieben und ich könnte mir eben vorstellen, dass es auch ganz praktische Gründe gibt, wieso solche Regeln oder Modelle aufgestellt werden. Anstatt in einer philosophischen Hinführung einen Sachverhalt auszubreiten, den dann doch kaum einer versteht macht man halt lieber eine klare Regel, an die sich jeder halten kann. Das spart Zeit und Köpfezerbrechen.

    Ist natürlich reine Spekulation was da vor tausenden von Jahren genau abgegangen ist.

    • Offizieller Beitrag

    vmtl. OT, aber wie kann es bei einem allmächtigen Gott etwas geben, das er nicht will?

    Die theologische Begründung ist folgende: Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen und aus dieser Entscheidung heraus den Menschen als ein freies Wesen zu schaffen folgt, dass der Mensch auch gegen den Willen Gottes handeln kann. Die Einschränkung des Willens Gottes geschieht als durch den Willen Gottes. Das ist ein Ministerium - also etwas ganz und gar unbegreifliches.

  • Das ist ein Ministerium - also etwas ganz und gar unbegreifliches.

    :lol:nennt man das einen freudschen Auto-Vervollständigung-Fehler ?

    Aber zu der Sache mit dem freien Willen, was mich daran immer gestört hat... den gottgegebenen freien Willen hat der Mensch ja nur weil es Gottes Wille ist, also ist er nicht frei.

    Aus buddhistischer Sicht fände ich die Frage interessant ob den derjenige, der einen anderen darum bittet ihn zu töten sein eigenes Karma nicht doppelt belastet. Zum einen durch den "in Auftrag gegebenen Akt des Tötens" und zum anderen dass er den anderen in die Situation bringt aus Barmherzigkeit töten zu müssen?

    lg

  • Dies wäre ein Weltmensch und dem ist das alles egal …

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  • Was Buddhismus betrifft ist die Sache ja glasklar. Töten ist nicht erlaubt.


    Bezüglich dem "Trolleyproblem" halte ich mich an den Daoismus, beziehungsweise dessen Prinizip von Wu Wei ( Wu Wei (Wikipedia)). Beim Trolleyproblem geht es um ein eingreifen in ein geschehen.

    Ein Leben retten ja, wenn es leicht und mühelos gelingt ohne ins Dao einzugreifen, ein Leben bewusst zu beenden um andere zu retten ist ein Eingriff ins Dao, das steht uns nicht zu.


    Der Trolley rollt nun mal auf dem Geleise A aus Gründen, die uns unbekannt sind. Den Zug auf ein leeres Nebengeleise zu lenken wäre ein müheloser Eingriff und würde im Einklang zum Dao stehen. Den Trolley auf ein Geleise umzuleiten, sodass jemand anderes getötet werden würde oder gar ein völlig unbeteiligter unter den Zug zu stossen, wäre eine unzulässige Handlung, ein Eingriff ins Dao. Wenn schon, müsste sich der fette Mann von sich aus vor den Zug werfen und aus freien Stücken sein Leben für 5 andere zu opfern.


    Töten ist keine mathematische Angelegenheit: Soll man 100 unschuldige Leute töten um 150 zu retten ? 100'000 Töten um 150'000 zu retten ? Wer sind wir uns solche Eingriffe ins Dao anzumassen ?


    Bezüglich Euthanasie: Es gibt heute medizinische Möglichkeiten für alle Beteiligten ein angenehmes und würdevolles Sterben zu ermöglichen ohne aktive Sterbehilfe.

  • Ich finde den Titel hier immer noch ein wenig unpassend.

    Wenn man im Buddhismus töten muß wird man das eher mit Weisheit als mit Mitgefühl begründen können.


    Ein Tierarzt wird ein Tier sicherlich auch mit Mitgefühl töten können, aber ich finde die Motivation für sein handeln liegt eher auf der Weisheitsseite als auf der Mitgefühlsseite.


    Und beim Töten von Menschen ist es noch viel offensichtlicher, das man zwar auch in einem "Feind" noch den Menschen sehen kann,aber es geht dabei ganz sicherlicher weniger darum dem Getöteten etwas gutes zu tun, als darum die Situation als Ganzes zu verbessern.


    Ein Buddhist wird dabei wohl eher keinen Menschen töten, um zwei andere ihm vielleicht näher stehende zu schützen.

    Das Buddhisten aber durchaus Menschen getötet haben,um die buddhistische Kultur und die eigene Bevölkerung zu schützen ,dafür gibt es viele Beispiele.

    (Auch Taoisten waren übrigens nicht selten echte Krieger)


    Als Buddhist ist man beim Thema töten sicherlicher ein Stück weit bewußter als andere Menschen, weil Buddha eindeutig gesagt hat, jegliches töten erzeugt negatives Karma. Wir sollten uns allerdings auch der Tatsche bewußt sein, das wir Samsara noch nicht verlassen haben, und deshalb ist eine scheinheilige Moral ganz sicher immer schädlicher ,wie eine die sich der eigenen Verantwortung stellt.


    :rad:

  • Ich finde den Titel hier immer noch ein wenig unpassend.

    Wenn man im Buddhismus töten muß wird man das eher mit Weisheit als mit Mitgefühl begründen können.


    Die buddh Weisheit ist nicht von dem buddh Mitgefühl zu trennen.


    Und beim Töten von Menschen ist es noch viel offensichtlicher, das man zwar auch in einem "Feind" noch den Menschen sehen kann,aber es geht dabei ganz sicherlicher weniger darum dem Getöteten etwas gutes zu tun, als darum die Situation als Ganzes zu verbessern.


    Genauso wird das Morden und Töten und Kriegeführen öfter begründet.


    weil Buddha eindeutig gesagt hat, jegliches töten erzeugt negatives Karma.


    So etwas hat er nicht gesagt.


    Wir sollten uns allerdings auch der Tatsche bewußt sein, das wir Samsara noch nicht verlassen haben, und deshalb ist eine scheinheilige Moral ganz sicher immer schädlicher ,wie eine die sich der eigenen Verantwortung stellt.


    Wir sollen nicht töten. Das ist die Aussage. Und genau da ist die "Verantwortung".



    :earth:

  • Alephant,


    was Buddha nun genau gesagt hat kann ich natürlich nicht belegen, aber ich kenne halt Belehrungen ,die besagen töten erzeugt negatives Karma.


    Und das mit der Verantwortung meine ich halt so, das wir möglichst nicht töten sollen, es aber trotzdem jeden Tag tun.

    Da ist das mit dem töten lassen noch gar nicht mit drinnen.

    Wie wir nun mit unserer Verantworung umgehen, ist also nicht ganz so einfach ,wie es vielleicht auf den ersten Blick aussieht.


    :tee:

  • was Buddha nun genau gesagt hat kann ich natürlich nicht belegen, aber ich kenne halt Belehrungen ,die besagen töten erzeugt negatives Karma.


    Ich kenne auch x Belehrungen, die dies und das sagen. Der Buddha sagt auf jeden Fall nicht, dass Töten negatives Karma erzeugt. Es gibt karmisch heilsames und unheilsames Wirken. Das Töten zählt zu letzterem.


    Und das mit der Verantwortung meine ich halt so, das wir möglichst nicht töten sollen, es aber trotzdem jeden Tag tun.

    Da ist das mit dem töten lassen noch gar nicht mit drinnen.


    Ich würde sagen, wir sollen nicht x verschiedene Regeln im Kopf haben, die uns den Blick für die achtsame Schau im jeweiligen Moment versperren. Darum geht es ja. Entfaltung von Achtsamkeit.


    Wenn man so regelhaft vom Ding "Wesen" her denkt: man soll (ein Wesen) nicht töten, müsste man verschiedene TötungsArten und verschiedene Wesen und verschiedene innere Zustände dabei differenzieren, um die ganze Regel einleuchtender zu machen.


    Es geht aber eigentlich nicht um eine Regel (sondern um Achtsamkeit und Entsagung von unheilsamen Begehren), wenngleich andere auch eine feste Regel brauchen, und noch andere Vorstellungen, die dabei helfen, ethischer zu handeln.


    Wie wir nun mit unserer Verantworung umgehen, ist also nicht ganz so einfach ,wie es vielleicht auf den ersten Blick aussieht.


    Vielleicht solltest du die VerantwortungEthik von Hans Jonas lesen. Evtl wäre das was für dich. In Buddhismus geht es auf jeden Fall auch darum, die verschiedenen Vorstellungen von "Verantwortung", denen man empfundenermassen anhängt, zu hinterfragen. Es gibt da nämlich sehr viel falsch verstandene Verantwortung. Mit der immer wieder auch das Morden anderer Menschen (und sei es "nur" eine Kriegshandlung) rhetorisch legitimiert wird.




    :earth:

    Einmal editiert, zuletzt von Alephant ()

  • Das große Problem bei der Geschichte ist m.E. dass sich irgendjemand zum Richter erklären muss, ob hier jetzt das Töten ethisch angebracht ist oder nicht. Selbst wenn es solche Situationen gäbe - wer maßt sich an, das unterscheiden zu können.


    Wieso? Man wird ja zum "Richter" ernannt, von eben derjenigen Person, die nicht mehr weiterleben möchte. Wenn jemand sich freiwillig einliefern möchte, dann "richte" ich ja auch über seine Freiheit und lasse ihn in die geschlossene Anstalt einweisen. Ich sehe da kein Problem, welche die Situation hergeben sollte. Der "Vollstrecker" sitzt ja auch nicht zufällig auf dieser Position, genauso wie ein Richter.

    Im Buddhismus und Hinduismus geht die Ablehnung des Tötens auf das Karma-Prinzip zurück - ein "unerleuchtetes" Wesen zu töten würde dieses Wesen nicht vom Leid erlösen, sondern durch erneute Wiedergeburt möglicherweise in noch größeres Leid stürzen.


    Dies war aber z.B. Krishna völlig egal, der Arjuna ja förmlich überreden musste, doch bitte jetzt seine Freunde und Verwandte zu Töten, da es sich für die Kriegerkaste nun mal so gehört.

  • ....

    Dies war aber z.B. Krishna völlig egal, der Arjuna ja förmlich überreden musste, doch bitte jetzt seine Freunde und Verwandte zu Töten, da es sich für die Kriegerkaste nun mal so gehört.

    Was sich für die Kriegerkaste auch immer gehören mag, Arjuna wollte der Welt entsagen und Asket werden. Das hat ihm Krishna aber ausgeredet, u.a. mit dem Argument dass ihn seine Kameraden dann verachten würden - Töten aus Pflichtgefühl wäre besser. Das hat mir den Krishna endgültig suspekt gemacht, bzw. solch starres Kastendenken im Hinduismus.

    Aber das nur nebenbei, ist ja nicht ganz das Thema.


  • Du schreibst das jetzt mit dem "Mörder". Ich habe den Begriff "Töten" benutzt, um eine weitere Unterscheidung nicht vornehmen zu müssen.


    So schriebst du ja auch selbst, dass wir jeden Tag töten.


    Ich möchte dir zustimmen. Mit diesem einseitigen Denken kommt man nicht weiter: da ist ein Mörder, und wiederum dort ist keiner, weil es in dem einen Fall unbewusst passiert ist, und in dem anderen "intentional". Das intentionale Morden/Töten geschieht ja ebenso unbewusst der eigentlichen Verhältnisse. Trotzdem das länger geplante und konsequent und zielgerichtete Töten in meinen Augen sicherer als "unheilsames Wirken" gekennzeichnet werden kann.


    --


    Hieran zeigt sich ja die Leidhaftigkeit Samsaras: Da ist ein Töten und gegenseitiges Fressen und Vernichten die ganze Zeit. Wenn das Ziel ist, das Dasein und die Leidentstehung zu beenden, wird man Töten vermeiden wollen, wo man es wahrnimmt. Wenn das Ziel in der Welt ist, wird man das Töten so oder so zu rechtfertigen suchen, und glauben, es wäre keine Rechtfertigung, sondern "nur rational" so zu denken.




    :earth:

  • Alephant,


    den Zusammenhang zwischen Mord und Krieg hast du hergestellt.


    Ich versuche halt ein Stück weit dagegen zu argumentieren, das wir uns in einen moralischen Elfenbeinturm zurückziehen, und von dort aus böse Blicke nach draußen werfen.


    Das Krieg keine konstruktive Sache ist , darauf können wir uns aber auf alle Fälle schon einmal verständigen.


    _()_