• hallo void,


    der Buddha sagt, wer sich an Blumen erfreut, der freut sich am Leiden (dukkha).

    Das möchte ich erklärt haben.

    Genau das hat Sudhana etwas weiter oben sehr gut erklärt. Vielleicht hast du diesen Beitrag übersehen, er ist jedenfalls sehr lesenswert und hat zumindest bei mir zu etwas mehr Klarheit geführt. :)

  • hiri,


    Ich habe den Beitrag gelesen, aber finde dort nicht eine Antwort auf meine Frage. Vielleicht kannst du den entscheidenden Punkt für mich mal in weniger Sätzen zusammenfassen?

    :rainbow:

  • Zitat

    Hat man, ihr Mönche, den Sinn des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Tastens, Denkens nicht gezügelt,........


    Ich möchte nochmal in Erinnerung rufen, dass man zumindest vorsichtig sein sollte und wenigstens die Möglichkeit zulassen sollte, ob der Buddha das und ähnliches nicht doch nur für Mönche und andere nach Befreiung Strebende gesagt hat. (Ohne dass dies streng geheim bleiben kann, natürlich)

    Denn es wäre ja tatsächlich völlig unnütz, beinahe oder wirklich sarkastisch oder gar irrsinnig, Menschen, die gar keine Befreiung (Nirvana) anstreben, auch nicht zunächst im Wunschgebet, sondern nur eine Wiedergeburt als Mensch mit gutem Karma vertrauensvoll anstreben, oder die gar nicht an Wiedergeburt glauben und nur an dieses eine Leben denken – wenn jemand, und sogar der Buddha, diesen Menschen sagte „Alles ist Leiden, es gibt nur Leiden, selbst eure Freude ist Freude am Leiden.“ Welchen Sinn hätte das?


    Wir Weltlichen haben durchaus Recht, von Freude und Leid, von zwei Gegensätzen, zu sprechen, und an „aus heilsamen Handlungen folgt Glück und aus unheilsamen Handlungen folgt Leid“ zu glauben. So redet nicht nur der Buddha zu uns, auch der Dalai Lama usw.


    Um auf das Statement Buddhas in dem ersten Beitrag zurückzujommen:

    da möchte ich zur Abwechslung mal etwas von Tsongkhapa zitieren (wie sind hier ja in der „Allgemeines zum Buddhismus Abteilung“), der meines Erachtens Buddhas Aussage bestätigt so wie sie wörtlich da steht und im zweiten Zitat auch klar andeutet, dass dies für die gesagt wird, die Befreiung anstreben, als ein Thema für ihre Meditationen, neben anderen Themen.


    Die Zitate sind aus „Stages of the Path to Enlightenment“ (lam rim chen mo), Volume one (ISBN 1-55939-152-9)


    From beginningless time you have been conditioned to believe that the wonders of cyclic existence are sources of happiness, and you have habitually projected upon them a false image of beauty. Seite 267


    If you do not cultivate a genuine sense of disenchantment with cyclic existence – the nature of which is the appropriated aggregates – you will have no chance to develop a genuine mind intent on liberation Seite 279


    Pleasant feelings experienced by beings in cyclic existence are like the pleasure felt when cool water is applied to an inflamed boil or carbuncle: as the temporary feeling fades, the pain reasserts itself. This is called the suffering of change …. Seite 289


    Moreover, your current pleasant feelings - which cause attachment to grow – mostly arise only upon the relief of suffering; pleasure does not exist naturally, independently of the removal of suffering. Seite 291


    Zum Schluss doch noch ein Zitat vom Buddha, denn Tsongkhapa unterstützt seine letzte Aussage hier mit einem Zitat aus dem Descent into the Womb Sūtra (Garbhāvakrāntisūtra):


    Zitat

    Nanda, the physical activities of walking, sitting, standing, or lying down must each be understood as suffering.........Nevertheless, Nanda, because they break the continuity of suffering in one or the other of the physical activities, some other, new suffering arises; and this they take to be pleasure. Nanda, when this contaminated feeling of pleasure arises, it is only suffering that is arising, when it ends, it is only this nature of suffering that ends.

    Seite 291

    :rainbow:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo und guten Morgen Rudolf.


    Es gibt nicht nur Leiden. Man kann zwar an allen Dingen leiden, allerdings nur, wenn Durst zum Ergreifen führt. Dieses Sutra, in dem von dem austrocknenden Herz gesprochen wird (S.35.97 Lässig weilen - 4. Pamādavihārī Sutta) macht das sehr deutlich. Der Durst und das Ergreifen trocknen das Herz aus. Damit wird ein Verhältnis zur Wirklichkeit beschrieben, das zu Blindheit führt. Dieses Verhältnis basiert auf Begierde und Abneigung. Dieses Verhältnis kann man ändern.


    Ich denke, dass eine Veränderung dieses Verhältnisses schon bei den ersten kleinen Schritten heilsame Tendenzen im Geist hinterlässt. Darum ist die Lehre nicht nur für Mönche geeignet. Letztlich geht es darum, zu erkennen, dass, solange man die Leere im Herzen durch äußere Quellen füllen möchte, die innere Freude verdunkelt ist. Das ist eine Wechselwirkung. Je weniger Begierde und Abneigung das Verhältnis zur Wirklichkeit bestimmt, desto mehr innere Freude scheint auf, die das Herz satt macht.


    Alan Wallace hat den Begriff Genuine Happiness verwendet, den er vom Hedonismus abgrenzt. Eine Abkehr von der Wirklichkeit heißt nicht mehr und nicht weniger, als sich von der Wirklichkeit als Quelle der Freude abwenden, nicht weil die Wirklichkeit so furchtbar schlecht und düster ist und immer enttäuschen muss, sondern weil die Wirklichkeit einfach nicht die Quelle der Freude sein kann, sie hält das nicht bereit. Die Quelle der Freude liegt ganz wo anders, jenseits der Wirklichkeit. Die Täuschung ist, dass man glaubt, bestimmte äußere Bedingungen seien nötig und in der Lage, diese Art der Freude zu erzeugen. Solange man aber Freude oder Glück von sich ständig verändernden inneren oder äußeren Gegebenheiten abhängig macht, muss jede Freude in Verlust enden. Diese Abhängigkeit ist aber nicht notwendig, da echte Freude paradoxerweise gerade dort aufscheint, wo der Durst versiegt und die Abhängigkeit aufgehoben ist. Die Wirklichkeit ist weder leidvoll noch freudig noch neutral. Das Gewohnheit gewordene Verhältnis zur Wirklichkeit macht sie erst dazu. Für sich ist sie leer von all diesen Bewertungen.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Die Quelle der Freude liegt ganz wo anders, jenseits der Wirklichkeit. Die Täuschung ist, dass man glaubt, bestimmte äußere Bedingungen seien nötig und in der Lage, diese Art der Freude zu erzeugen.


    ja, das ist okay. Das verstehe ich als Freude der Entsagung. die schildert der Buddha ja auch in diversen Sutren.

    An anderen Stellen und bei Tsonkhapa ist aber immer die Rede von Samsara, cyclic existence, da ist alles Leiden. Wenn man sich nämlich an Objekten der Sinne (und auch des Denkens) freut. Da freut man sich am Leiden. So wie es der Buddha im Eingangszitat sagt.


    Und das bleibt auch bei den Yogis so. Selbst beim Buddha. Das Leiden, das mit den Objekten der Sinne einhergeht und mit der bloßen körperlichen Existenz zu tun hat verschwindet nicht. Erst wenn man nach dem Tod ins Parinirvana eingeht (Buddhas Formulierung) ist das Leiden vollständig und endgültig überwunden.

    Alle Beschäftigung mit einem Objekt (mit und ohne Anhaftung) ist schon anfangs Leiden und wird immer größer. Das Leid des Wandels. Das ist die Natur Samsaras. Das ist meine Erfahrung (auch wenn ich immer nur kurz ohne Anhaftung bleiben kann) und ich habe Vertrauen darauf, dass Nagarjuna, Tsongkhapa usw. sich an die Sutren gehalten haben, wenn sie das in ihren Schriften bestätigen, und nicht eigenen Fantasien nachgegangen sind.

    Bleibe doch einfach mal ohne Anhaftung in einem Sessel sitzen. wird das etwa nicht immer größeres Leiden, nur weil du meinst ohne Anhaftung am Sitzen zu sein? Schau dir doch mal ohne Anhaftung eine Blume an. Wie lange kannst du das machen ohne dass dieses Objekt langweilig wird und das Leiden der Langenweile immer größer wird? Da kannst ganz ohne Anhaftung an der Blume sein, aber nicht ohne Leiden.


    In der Zwischenzeit können die nach Befreiung Strebenden sich sehr gut - meine Meinung jetzt, denn da habe ich kein Erfahrung - daran freuen, dass sie Entsagung entwickelt haben (in tibetisch wörtlich: "Sicherheit erlangt haben") und sie in den Achtfachen Pfad eingetreten sind.

    Dann gibt es, wie vor zwei Tagen schon gesagt, noch die Freude der Bodhisattvas. Die Quellen dieser Freuden sind jenseits von Samsara, könnte man sagen.


    Wenn ein Weltling, der keine Entsagung entwickelt hat, ab und zu mal, unter günstigen inneren und äußeren Umständen ein tieferes Glücksempfinden hat als gewöhnlich, ist das leider auch noch nur samsarische Freude. Das erkennt man an deren Unbeständigkeit.

    Entsagung und Bodhicitta dagegen sind beständiges Glück.


    Es ist analog den Yogis, die Shamatha (vollkommene geistige Ruhe) erreicht haben, und in diesem Zustand glauben, sie seien schon im Nirvana. Das ist ein klassicher Irrtum. So wird's im tibetischen Buddhismus gelehrt.


    ----------

    Wenn du S.35.97 zitierst ist das kein Widerspruch zum Eingangszitat, wo allgemein "Freude an Objekten Freude am Leiden ist", mit und ohne Durst, da differenziert der Buddha nicht. Ich jedenfalls möchte dem Buddha keine ungenauen Aussagen in die Schuhe schieben.

    In S.35.97 sagt der Buddha, dass es mit Durst, mit Anhaftung, nur noch schlimmer wird mit dem Leiden, denn da wird auch noch das Herz ausgetrocknet.

    :rainbow:

  • hiri,


    Ich habe den Beitrag gelesen, aber finde dort nicht eine Antwort auf meine Frage. Vielleicht kannst du den entscheidenden Punkt für mich mal in weniger Sätzen zusammenfassen?

    Ich meinte in erster Linie diesen Absatz:

    Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich dem Thema 'Freude' in Buddhas Lehre auf Grundlage einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Begriff duhkha zu nähern. Was wiederum nichts anderes heisst, als sich um ein korrektes Verständnis der sog. 'ersten Wahrheit' zu bemühen. Dazu ist das Studium der schriftlichen Überlieferung nur die halbe Miete. Besser gesagt: nur ein Drittel. Es ist vielmehr erst der trialektische Ansatz śīla-samādhi-prajñā, der hier mit der Zeit zu einem tieferen Verständnis dessen führt, was duḥkha ist, was die erste Wahrheit ausdrückt. Der Buddhadharma ist nun einmal keine Philosophie, sondern ein Yoga. Duḥkha einfach mit 'Leiden' zu übersetzen hilft wenig.

    • Offizieller Beitrag

    Guten Morgen Rudolf.


    Zitat

    Das Leiden, das mit den Objekten der Sinne einhergeht und mit der bloßen körperlichen Existenz zu tun hat verschwindet nicht.


    Da bin ich anderer Ansicht. Unangenehme und angenehme Empfindungen gibt es weiterhin, nur findet kein Ergreifen mehr statt, weil der Durst versiegt ist. Und damit auch kein Leiden.


    Siehe Kommentar von Hellmuth Hecker im Salāyatana-Samyutta,129.: Ghosito, Buch IV in der Beyerlein-Ausgabe des Samyutta Nikaya (S.70).

  • Auge, Sehobjekt und Sehbewusstsein bilden die Allianz die Berühren ermöglicht. Bis zum Berühren und als neu erkennen von Bewusstsein benannt, werden bleibt alles ohne Leiden, Dukkha, wird diese Benennung, dieser Name, für diese BerührungsArt wiederverwendet ohne als neu gesehen zu werden geschieht die Bewertung, das gut oder böse und dann beginnt das Leiden.


    Das erste mal wird der Fingerhut gesehen und als wunder erkannt. Dann kommt da "Vorsichtig giftig" Genau dann kann man Dukkha verhindern und eben nicht nur Fingerhut giftig sehen sonder erst Fingerhut schön und dann neu Fingerhut giftig, aber eben nicht nur GiftFingerhut schlecht gefährlich Angst.

  • Da bin ich anderer Ansicht. Unangenehme und angenehme Empfindungen gibt es weiterhin, nur findet kein Ergreifen mehr statt, weil der Durst versiegt ist. Und damit auch kein Leiden.


    Da bin ich anderer Meinung. Und seit wann hat der Buddha gelehrt, dass Leiden schon aufhört, bevor wir Nirvana erreicht haben ??


    Der Buddha begründet (den Mönchen!) auch, warum das Anschauen von Blumen Leiden ist:

    Der Mahāvagga des Vinayapitaka

    Zitat

    (MV I.42) "Was meint ihr, Mönche, ist die sichtbare Gestalt beständig oder unbeständig?" - "Unbeständig, Erhabener." - "Wenn etwas unbeständig ist, ist es leidvoll oder freudvoll?" - "Leidvoll, Erhabener."


    Er sagt also nicht: weil ihr anhaftet an die sichtbare Gestalt, sondern weil sie unbeständig ist, ist es dukkha.


    Das Anhaften, der Durst, das Verlangen und Ergreifen sind die Ursachen des Leidens. Und gemäß der Zwölf Glieder des Bedingten Entstehens (pratityasamutpada) sind unsere jetztigen Aggregate die Wirkung, die karmischen Frucht, von Unwissenheit, Handlungen, Empfindungen, Verlangen und Ergreifen eines früheren Lebens.

    Auch du müsstest daher sagen, dass die bloßen Aggregate ("Die Aggregate des Anhaftens" in der Ersten Wahrheit) Leiden sind, weil sie aus Anhaften, aus Verlangen entstanden sind.

    Die Aggregate haben die Natur des Leidens. Das erklärt übrigens auch das Leiden des Wandels, das sonst unerklärlich wäre.

    Auch die Heiligen müssen auf dem sogenannten Pfad der Meditation noch weiter meditieren, damit sie jegliche subtile Anhaftung an die Aggregate aufgeben können. Immerhin haben sie auch schon seit anfangsloser Zeit an den Aggregaten angehaftet. Es wird gesagt, dass die Heiligen keine neuen Ursachen mehr für weitere Aggregate ansammeln. Die Wirkungen von früheren Ursachen erfahren sie aber noch.


    Wer nicht an Karma und Wiedergeburt glaubt, der kann diese Erklärung natürlich nicht akzeptieren.



    ----------

    Den Kommentar von Hellmuth Hecker habe ich leider nicht zur Hand. - Auch wäre mir ein Kommentar vom Buddha lieber.

    Das mit verschiedenen Kommentaren von verschiedenen Leuten ... naja ... okay, ich zitiere ja auch öfter andere Gelehrte.

    Offenbar zitiert aber immer jeder nur das, was ihm so gerade in die eigene Meinung passt. :)

    :rainbow:

  • Genau darum geht es.

    Es gibt nichts Beständigen und darum soll ein Anhaften erkannt werde, an dem Wunsch das etwas nicht vergehen möge,

    auch dran Anhaften das alles Unbeständig ist führt bei dauerndem tun zu Fatalismus und Vernichtungsglaube.


    Dieses Anhaften führt zu Leiden des Geistigen. Buddha spricht zu Mönchen denen klar ist das es um geistiges Leiden geht.

    Das Leiden des körperlichen wird erst mit dem Zerfallen beendet und kann durch keinerlei geistige Leistung beendet werden außer durch Suizid.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe eine interessante Parallele (Vers 15 - 17) gefunden:


    Zitat

    Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
    Denn alles, was in der Welt ist: des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.

  • Hi,

    ich versuche mal, einen Überblick zu schaffen und das Wesentliche herauszustellen. Es ist uns allen wohl schon klar: wir haben zwei Arten von Freude, eine, die beständig ist, diese wird Ananda (Glückseligkeit, Eudaimonia) genannt, und eine, die unbeständig ist, Sukha (allg. Freude, Glück). Nun ist Sukha das Gegenteil von Dukkha, kann aber eigentlich laut der Lehre Buddhas nicht als ein solches vorhanden sein, da ja alles Dukkha ist, also auch Sukha. Es wird so erklärt, daß dem Sukha das Dukkha innewohnen muß, da es zur Anhaftung an Dukkha führe. Das klingt allerdings ein wenig, als sei es an den Haaren herbeigezogen worden und ist als Erklärung deshalb recht unbefriedigend, auf diese Weise kann man leicht Widerwillen erzeugen.


    Dukkha ist nun ein Wort, das sich ungefähr aus ungenügend oder disharmonisch, und Leere oder Hohlraum zusammensetzt, die zentrale oder grundlegende Bedeutung mag nun Unausgeglichenheit oder Unvollkommenheit sein, ist aber wohl kaum die Unvollkommenheit als solche, sondern eben nur unvollkommen oder etwas Unvollkommenes. Tatsächlich bezeichnet es noch nicht das Leiden, kann aber, aufgrund seiner Mängel, zu diesem führen, das heißt, wenn Leid erfahren wird, ist dazu (eigentlich immer) eine Form von Dukkha die Ursache. Sukha ist dagegen das Harmonische, Mangelfreie, etwas, das vollkommen ist, eben genau so ist, wie es sein sollte. Es befreit zwar nicht vom Leiden, mindert es aber und hebt es innerhalb gewisser Grenzen auf.


    Nun ist Sukha aber tatsächlich etwas, das zu Dukkha werden kann (d.h. daß Sukha zu Dukkha führen kann), denn es kann immer so sein, daß etwas zu seinem Gegenteil wird, sich in dieses verkehrt. Das gründet darin, weil sich immer das Gegenteilige sucht, von diesem geradezu angezogen wird, denn diese geben sich gegenseitig Bestand und finden Stabilität im ständigen Wechsel. Aber genau deshalb kann auch Dukkha zu Sukha werden (also Dukkha zu Sukha führen), und der Wandel des einen ins andere wird immer so erfolgen, daß letztendlich ein Gleichgewicht gewahrt bleibt. Diese zwei bleiben aber immer getrennt, es handelt sich immer entweder um das eine oder das andere, wären sie Eins, eines im anderen ohne Trennung, dann würde sowohl Dukkha, wie auch Sukha verschwinden und Ananda stellte sich ein, die beständige Glückseligkeit, welche dem Erwachten die Gegenwart der vollkommenen Weisheit erweist.


    Was aber Buddha wohl sagen wollte - so vermute ich - ist der Hinweis, daß das Verweilen im ständigen Wechsel von Sukha und Dukkha nirgendwohin führt, man bliebe darin gefangen und würde diesem schließlich erliegen. Nicht daß Sukha oder die Freude etwas Schlechtes sei, nur der Verbleib im Wechsel von Freude und Leid ist es - zumindest wird der weitere Verlauf recht unglücklich enden.

    Wichtig hierzu ist es auch zu wissen, daß eben Sukha das Gegenteil von Dukkha ist, nicht Ananda. Ananda, das beständige Glück, ist das Gegenteil des ewigen Wechsels von Sukha und Dukkha. So können wir uns für einen Moment zurücklehnen und der Freude hingeben, daß Sukha und Dukkha in ihrem Wechselspiel die Tendenz zeigen, in eben diesem Wechselspiel sich Ananda zu nähern.


    Es wäre also nicht unangemessen, bei Dukkha nicht von Leid, sondern von Unvollkommenheit zu sprechen, eben in dem Bewußtsein, daß dieses verantwortlich sein mag für jede Erfahrung von Leid.

    lg

  • Liebe Bambusblüte,


    so sind wir am Ende also doch wieder bei der Suche nach einer angemessenen Übersetzung für "Alles Unbeständige ist dukkha" angelangt.

    Schön.

    Sagst du uns noch, was denn der Buddha für ein Wort genommen hat, wenn es sich um "Schmerzen" handelt?


    Und warum hat denn der Buddha nicht einfach gesagt: "Ihr Mönche, das Unbeständige, ist ein Wechseln von sukkha und dukkha"?


    Und warum sagt der Buddha im Garbhāvakrāntisūtra : "this they take as pleasure"? - This is pleasure at first - wäre doch verständlicher und dann wäre ich auch überzeugt. :)


    Die erste Frage ist aber wichtiger für mich.

    :rainbow:

  • Alles Unbeständige ist Dukkha, also ungenügend, unvollständig, denn es ist unbeständig, weil es unvollständig, ungenügend ist.

    Über Beständiges braucht man nicht zu reden, denn das ist ja vollständig, genügend und kennt darum kein Dukkha.

    Nur wo finde ich Beständiges?

    Hab ich Beständiges ist alles gut, doch das weit überwiegend da-seiende Unbeständige ist immer noch Dukkha.

    Ist das Beständige erfahren dann wird das Unbeständige erkannt und nicht mehr Bewertete und damit findet kein Hinwenden und oder Abwenden mehr statt.

    Egal, es ist wie es ist, machen wir was draus.


    Hab ich doch glatt vergessen: Das Unbeständige ist nur Dukkha wenn ich ihm Zuneige oder Abneigen, das Unbeständige bewerte. Alles Unbeständige ist in sich vollkommen in seinem Gleichgewicht, was ich davon halte ist ganz allein mein Problem.

    Mein , dieses, Problem erkennen und vermindern, erschafft Freude.

    3 Mal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Vielleicht sollte man Worte wie dukkha einfach unübersetzt lassen, was das für einen persönlich bedeutet entwickelt und verändert sich mit der Zeit. Ich kenne viele Bücher in denen anfangs zwar kurz erwähnt wird wie man dukkha (oder viele andere Worte) übersetzen könnte (mit dem Hinweis, dass so eine Übersetzung dem Pali-Wort nie gerecht werden kann), in weiterer Folge aber die Pali-Worte verwendet werden.

  • Hallo,

    Leider ist mir ein dummer Fehler unterlaufen, und mir ist klar, daß man mir deshalb auf keinen Fall mit gutem Gewissen zustimmen kann. Ich habe mir für den Beitrag zu wenig Zeit genommen, und so ist es eben passiert.


    Ich hatte dort geschrieben: Was Buddha wohl sagen wollte…

    Das ist natürlich Unsinn, denn dieses Wechselspiel innerhalb der Gegensatzpaare gibt es nach meinem Wissen so nicht im Buddhismus, freudvolle Erlebnisse führen zwar zu Dukkha, aber darüber, daß Dukkha zu Sukha führen kann, findet sich im Buddhismus eben nichts (ich hatte es ja auch schon weiter oben erwähnt). Mag es vielleicht auch so sein (auch das Bedingte Zusammen-Entstehen legt es nahe), so ist es doch nicht Bestandteil der Lehre, also wollte Buddha wohl kaum das sagen, was ich da gesagt habe.


    Im weiteren Sinn könnte man es aber schon auf diese Weise verstehen, und vielleicht (aber nur vielleicht) hatte Buddha etwas Ähnliches im Sinn, aber ich hätte eben schreiben sollen:

    Sollte man Schwierigkeiten mit (sinngemäßen) Aussagen jener Art haben, daß die Hingabe an unbeständige Freude von Übel ist, da es zum Anhaften an das Leid führt, sollte man sich vergegenwärtigen, daß ein Verweilen im Wechselspiel zwischen Sukha und Dukkha nirgendwohin führe, erst die Abkehr von diesem Wechsel und damit die Abkehr von diesen beiden, kann das Leid beenden.

    Ergänzend kann ich noch hinzufügen, daß innerhalb dieses Wechselspiels die Freude trotz allem etwas Gutes ist, sie macht uns das Leiden erträglicher, gäbe es sie nicht, würde sich unser Leben in eine Hölle verwandeln, und niemand hätte die Kraft und den Mut, sich aus diesem zu befreien. So können wir also sagen, daß sie in einem gewissen Sinn sogar hilfreich ist.


    Ich hoffe, man kann mir meinen Fehler nachsehen, ich wollte damit niemanden provozieren, ich war einfach nur ein wenig schusselig…

    lg

  • Alles Unbeständige ist Dukkha, also ungenügend, unvollständig, denn es ist unbeständig, weil es unvollständig, ungenügend ist.

    Kann man Unbeständigkeit wirklich mit unvollständig gleichsetzen? Dann wären unbeständige Phänomene wie zum Beispiel ein Haus ein unvollständiges Haus. Kann aber ein unvollständiges Haus existieren?


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Aus der sicht des Buddha machen wir wohl alle hier Fehler, wenn wir mit unseren Konzepten etwas schreiben.

    In dieser Hinsicht wäre dukkha mit Unvollkommenheit zu übersetzen tatsächlich sehr angemessen. :)


    Prinzipiell meine ich, dass man in jeder Sprache den Dharma lehren und verstehen kann. Die Worte sind nur das Vermittelnde und nicht der Inhalt des Dharma. Und Überseztzungen verstehen funktioniert meiner Meinung nach so: man liest nicht nur die einzelnen Worte, sondern den ganzen Satz, und nicht nur den ganzen Satz, sondern das ganze Sutra, und nicht nur ein Sutra, sonderen mehrere Sutren oder Bücher oder Unterweisungen von seinem Lehrer. Dann entsteht ein Gesamtbild der Lehre und dann kann man diese Lehre mit seinen eigenen Erfahrungen vergleichen.


    Wenn der Buddha nun sagt in der ersten Wahrheit: Geburt, Altern, Krankheit und Tod sind dukkha, dann kann ich jedenfalls auch beim Denken an die Übrige Lehre das nur als Leiden verstehen und nicht als Unvolkommenheit oder Unzulänglichkeit usw. Das passt einfach nicht. Habe ich da eine andere Muttersprache gelernt als die meisten hier?

    Er sagt hier ja nicht, dass satt gegessen sein, sich Ausruhen, eine schöne Landschaft sehen usw. Leiden ist. Sondern was wirklich Leiden ist, nennt er Leiden.

    Und auch zum Schluss der Aufzählung: die fünf Aggregate des Anhaften sind Leiden. Das stimmt. das ist meine Erfahrung. Man muss ständig, jeden Tag, ja jede Stunde etwas tun damit das anfängliche Leiden des Körpers, die anfängliche Unbequemlichkeit nicht immer größer wird. Mit dem Geist ist es genauso.

    Warum sagt der Buddha denn nicht hier, bei den Aggregaten, wenigstens nicht, dass sie sukkha und dukkha sein können?

    Das Wörter dukkha und Leiden sind die allumfassendsten Wörter für die Beschreibung Samsaras. Denn für Krieg, Folter, Streit, Eifersucht, Hunger, Durst, Unfälle, usw. das wort "Unvollkommenheit" zu benutzen ist ja beinahe ein Hohn für die gerade Leidenden.

    Umgekehrt ist es kein Hohn oder keine arge Übertreibung die Sinnesgenüsse als Leid des Wandels zu bezeichnen und nicht als Glück des Wandels. Denn wenn die Sinnengenüsse schnell wieder vergehen ist das leidhaft. Außer für die vielen Menschen (in diesem Forum z.B.), die genießen können ohne anzuhaften. denen ist es gleich, ob sie genießen oder nicht. Sie haften ja nicht an. Für dies wäre zu übersetzen mit "Gleichheit des Wandels". ;)


    Außerdem: das Wort Unvollkommenheit als Zustand Samsaras zu verstehen, bedeutet dass man erst mal wissen muss: was wäre denn ein vollkommener Zustand des Lebens?


    Trotz all dieser Argumente gilt m.E. weiterhin, was im Beitrag 4 zitiert wurde:

    Zitat

    Ein tibetischer Lama hat mal in einer Unterweisung gesagt, dass man den Hausleuten, den Weltlichen nicht sagen sollte, dass alles leidhaft ist in Samsara, denn sonst werden sie ärgerlich und die Mönche bekommen keine Unterstützung mehr.

    :rainbow:

  • Alles Unbeständige ist Dukkha, also ungenügend, unvollständig, denn es ist unbeständig, weil es unvollständig, ungenügend ist.

    Kann man Unbeständigkeit wirklich mit unvollständig gleichsetzen? Dann wären unbeständige Phänomene wie zum Beispiel ein Haus ein unvollständiges Haus. Kann aber ein unvollständiges Haus existieren?


    Gruß Helmut

    Besitzt Du zufällig ein Haus, eine Wohnung, eine Bude, ein Zelt, Kleidung, Haut? Ist das jemals vollständig gewesen oder wird es je vollständig sein? Ja auch super fast vollständig ist unvollständig.

  • Es wäre also nicht unangemessen, bei Dukkha nicht von Leid, sondern von Unvollkommenheit zu sprechen, eben in dem Bewußtsein, daß dieses verantwortlich sein mag für jede Erfahrung von Leid.


    Das Leid des Wandels müsste man im Gegenteil mit Vollkommenheit des Wandels übersetzten, wenn Leid unpassend sein soll.

    Denn wenn ich meinen Durst gestillt habe, bleibt es nich dabei, ein neue Durstphase fängt an und der Durst wird immer größer, nie geringer, er wird so groß wie möglich, bis ich sterbe, Und da ist das Ende des Durstes (in diesem Leben). Das ist die Vollkommenheit des Durstes bis zur Vollendung dieser Entwicklung.

    Das Leid des Wandels entwickelt sich vollkommen, wenn man es für sich bestehen lässt und nicht eingreift.

    :rainbow:

    • Offizieller Beitrag

    Denn wenn ich meinen Durst gestillt habe, bleibt es nich dabei, ein neue Durstphase fängt an und der Durst wird immer größer, nie geringer, er wird so groß wie möglich, bis ich sterbe, Und da ist das Ende des Durstes (in diesem Leben). Das ist die Vollkommenheit des Durstes bis zur Vollendung dieser Entwicklung.

    Ach Rudolf... :moon:


    So schlimm es es nun auch nicht. Vielleicht solltest Du mal einen anderen Lehrer in Erwägung ziehen? Bei mir jedenfalls nimmt der Durst durch die buddhistische Praxis allmählich etwas ab. Ist immer noch genug, aber nicht mehr so viel wie früher. Dafür leuchten manchmal Flecken blauen Himmels durch die dichten Wolken.


    Liebe Grüße


    Thorsten

  • Alles Unbeständige ist Dukkha, also ungenügend, unvollständig, denn es ist unbeständig, weil es unvollständig, ungenügend ist.

    Kann man Unbeständigkeit wirklich mit unvollständig gleichsetzen? Dann wären unbeständige Phänomene wie zum Beispiel ein Haus ein unvollständiges Haus. Kann aber ein unvollständiges Haus existieren?


    Gruß Helmut

    Besitzt Du zufällig ein Haus, eine Wohnung, eine Bude, ein Zelt, Kleidung, Haut? Ist das jemals vollständig gewesen oder wird es je vollständig sein? Ja auch super fast vollständig ist unvollständig.

    Ich habe den Eindruck, wir verwenden die beiden Begriffe unterschiedlich. Unbeständigkeit ist für mich ein Charakteristikum eines Produktes und bedeutet, dass sich das aus Ursachen und Bedingungen entstandene Produkt von Moment zu Moment verändert.


    Vollständigkeit heißt für mich, dass alle Ursachen, Umstände und Bedingungen für die Entstehung eines Phänomens gegeben sind, weil es sonst gar nicht erst entstanden sein kann.


    Die Produkte sind aufgrund ihrer Unbeständigkeit auch dem Verfall ausgesetzt und vergehen dadurch und existieren dadurch dann irgendwann nicht mehr. Diesen Verfallsprozess kann man natürlich als einen Prozess auffassen durch den ein Produkt immer unvollständiger wird und dann irgendwann nicht mehr existent ist.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Bei mir jedenfalls nimmt der Durst durch die buddhistische Praxis allmählich etwas ab. Ist immer noch genug, aber nicht mehr so viel wie früher. Dafür leuchten manchmal Flecken blauen Himmels durch die dichten Wolken.


    1) meinte ich den Durst, den man durch Wasser vorübergehend stillen kann. :) Denn den Lebensdurst hat noch niemand gestillt, der noch in Samsara verweilt


    2) hast du schon seit anfangsloser Zeit manchmal Flecken blauen Himmels durch die dichten Wolken gesehen. Das ist nichts besonderes, würde wahrscheinlich jeder Mensch sagen. Wenn diese blauen Flecken aber unbeständig sind, dann sind wir ja wieder beim Thema .........


    Wir haben sogar alle schon öfter Shamatha erreicht (sagt mein Lehrer), aber das hilft uns jetzt auch nicht. Mein Lehrer sagt, wenn wir befreit werden wollen, müssen wir die Vier Wahrheiten verstehen lernen, und zuerst die Erste Wahrheit: das Leiden.

    Wenn dein Lehrer das nicht sagt: können wir unsere Lehrer mal tauschen? 8)


    We

    :rainbow:

    Einmal editiert, zuletzt von Rudolf ()

  • Das ist die Vollkommenheit des Durstes bis zur Vollendung dieser Entwicklung.

    Liebster Rudolf,


    abgesehen davon, daß keine Entwicklung je zur Vollkommenheit führen kann, es sei denn, das ganze Universum vergeht (denn dies ist das Verlöschen), so ist die Vollendung einer Entwicklung in der Unvollkommenheit immer der Tod, die Zerstörung oder das Vergessen, was aber zu neuen Entstehungen führt, jedoch ist es niemals ein Zustand der Vollkommenheit, ganz gleich, was Wikipedia (o.s.w.) darüber sagt.


    Aber ich sehe, Vollkommenheit und Unvollkommenheit sind Dir noch recht vage Begriffe, mit welchen Du recht freizügig jonglierst, so versuche ich mal, Dir zu verdeutlichen, wovon ich eigentlich spreche:


    Es gibt zwei Zustände, welche die Gesamtheit von dem, was ist, beschreiben. Der eine Zustand ist die Vollkommenheit, das ist das ewig Beständige, das Ungeteilte und Unwandelbare, ohne Makel hat es weder Anfang noch Ende, in diesem erfährt der Erwachte beständige und unermeßliche Freude. Es gibt nur eine einzige Vollkommenheit, und um Dir von dieser ein Bild zu vermitteln: Sie wird auch die die vollkommene Weisheit genannt, denn ihr kommt sowohl Gleichnis des Oberen, wie auch Gleichnis des Unteren zu, eines im anderen; in ihrer Herrlichkeit kann kein Unerwachter bestehen, könnte er sie erblicken, würde er in Furcht und Zittern vergehen, wie ein Staubkorn in der Feueresse.


    Der andere Zustand ist die Unvollkommenheit, diese ist geteilt, der Ort der Dualität, alles hier entsteht und vergeht, sein Merkmal ist der ständige Wandel, und aus diesem entsteht das Leiden. Dem in diesem Zustand Verweilenden, so sagte Buddha, komme keine Eigenexistenz zu, und im Vergleich mit der Weisheit (der Vollkommenheit) ist es einfach Dukkha. Nun ist Dukkha, das alles umfaßt, eben die Unvollkommenheit als solche (das unvollkommene Wesen von allem, das durch das Bedingte Zusammen-Entstehen in Erscheinung tritt, in seiner Gesamtheit), jedoch Dukkha, das nur einen Aspekt in diesem ausmacht, ist das Leiden, das erfahren wird.


    Das Geheimnis der Unvollkommenheit ist es aber, daß genau in ihr, in ihrem Zentrum oder ihrem verborgenen Herzen, sich der Keim der Vollkommenheit verbirgt, wäre es nicht so, gäbe es keine Befreiung, kein Erwachen: nirgendwohin führt das Tor, denn getrennt vom Seienden, gibt es kein Leben des Buddha.


    Nun, vielleicht wird Dir wenigstens eine Sache klar: wovon Du sprichst, ist offensichtlich nicht das, wovon ich spreche, und ebenso ist das, wovon ich spreche, nicht das, wovon Du sprichst. Normalerweise halte ich mich zurück, wenn mir etwas dergleichen auffallen sollte, aber ich kann ja auch mal eine Ausnahme machen...

    lg

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Rudolf.


    Es ist immer eine Frage, welche Konsequenzen man aus einer Erkenntnis zieht. Aus einer bestimmten Perspektive ist möglicherweise alles leidhaft, ist jede Wahrnehmung, ist das Sein insgesamt leidhaft. Erstens aber ist diese Perspektive ebenso "leer" von absoluter Wahrheit, wie jede andere. Zum anderen ist sie in keiner Weise zielführend. Denn jetzt, aus meiner derzeitigen Perspektive, ist eben nicht alles leidhaft. Es gibt viele Dinge, die mich freuen, und es gibt viele Erlebnisse, an die ich mich gerne erinnere. Wenigen Erlebnissen oder Situationen nur trauere ich hinterher. Ich empfinde die Vergänglichkeit bei weitem nicht in jedem Fall als leidhaft.


    Es wäre komplett künstlich, wenn ich nun plötzlich diese Erlebnisse der Freude als Leid deklarieren würde, nur weil es irgendwo, irgendwer gesagt hat, und sei es auch der Buddha. Dennoch befinde ich mich nach wie vor in vielen Abhängigkeiten, die mich immer wieder in Leid, Angst oder Unzufriedenheit stürzen. Diese Abhängigkeiten kann ich authentisch als Dukkha erkennen. Von diesem Leiden kann ich mich zu befreien versuchen.


    Durch die Beschäftigung mit der buddhistischen Lehre hat die Menge der Strukturen, die mich in Abhängigkeit unfrei gemacht haben, abgenommen. Diese aufgehobenen Abhängigkeiten (z.B. von beruflichem Erfolg oder einer bestimmten Form der Anerkennung, Ehrgeiz und diversen Ängsten) kehren, soweit ich das bisher sehe, nicht zurück, weil ich ihre Sinnlosigkeit und ihre Leidhaftigkeit für mich erkannt und begriffen habe. Diese Erkenntnis kann ich gar nicht rückgängig machen, selbst wenn ich es wollte. Ich werde durch den Buddhismus nach und nach freier. Das mag nichts besonderes sein, es ist aber höchst angenehm.


    Einen weiteren Prozess kann ich beobachten: Dinge, die ich früher für erstrebenswert hielt, sind mir heute nicht mehr der Aufregung wert. Die Freude, die ich früher in verschiedenen Situtionen erlebt habe, erscheint mir heute als Konsequenz einer Abhängigkeit von verschiedenen Süchten. Es ist zumeist eine Suche nach bestimmten Formen des gesellschaftlich definierten Glücks, die mich abhängig gemacht haben und abhängig machen. Ich habe sehr gerne geraucht, die Zigaretten beim morgentlichen Kaffee oder beim Rotwein oder nach diesem und jenem waren großartig. Dennoch bin ich froh, die Sucht nach Zigaretten los zu sein. Ich habe auch gerne Wein und Bier und Schnaps getrunken, nur schätze ich die Klarheit ohne Drogen im Kopf so sehr, dass ich seit vielen Jahren gerne und freiwillig auf Alkohol, sonstige Drogen und Zigaretten verzichte. Ich würde nie sagen, dass diese Dinge schlecht sind oder leidhaft. Sie machen oft genug richtig Spaß! Es gibt eben nur etwas deutlich besseres. Nur in Relation zu Gesundheit, Freiheit und Klarheit sind Alkohol, Drogen und Zigaretten weniger gut.


    Ich denke, das betrifft alle Formen des "weltlichen" Glücks. Irgendwann erkenne ich die Dinge, die mich jetzt glücklich machen vielleicht in Relation zu etwas anderem, besserem, in Relation zu einer Erkenntnis als störend oder weniger gut, so dass ich zugunsten eines tieferen Glücks, einer tieferen Freiheit gerne darauf verzichten werde. Jetzt ist das aber nicht der Fall.


    Die Lehre des Buddha führt zu immer größerer Freiheit, weil die Abhängigkeiten, in denen wir uns befinden, nach und nach sichtbar werden, und man in die Lage kommt, diese Abhängigkeit zugunsten einer Freude der Freiheit abzulegen. Jede erkannte und aufgelöste Abhängigkeit ist eine Überwindung der jeweiligen Sucht. Man muss und kann aber dieser Freiheit nicht künstlich vorweggreifen, indem man Dinge als leidhaft deklariert, die es im eigenen Leben offenbar nicht sind. Man muss den Weg der allmählichen, aufrichtigen Erkenntnis gehen. Im ZEN bitten wir mehrfach am Tag um die Echtheit der eigenen Praxis.


    Das wichtigste Erlebnis, die wichtigste Entdeckung war und ist für mich das der inneren Freude, die nicht oder nur sehr wenig von "weltlichen" Dingen abhängig ist. Diesen "Ort" kann ich in der Meditation immer wieder aufsuchen. Dieser "Ort" stellt vieles an "weltlichem" Glück in den Schatten, so dass ich gerne auf viele Formen des weltlichen Glücks verzichte. Diese Freude ist klar und ruhig, ist ein Produkt der Freiheit, nicht der Abhängigkeit. Ich kann immer mehr Dinge unterscheiden, die mich in Aufregung und Verwirrung stürzen, die aus meiner heutigen Perspektive unheilsam sind, von solchen, die mir Ruhe und Klarheit geben. Ruhe und Klarheit ziehe ich immer häufiger der Aufregung und Verwirrung vor. Aber nicht weil Aufregung und Verwirrung per se schlecht oder leidhaft sind, sondern weil Ruhe und Klarheit für mich und jetzt und im Vergleich besser sind. Die wüsten, rauschhaften Partys meiner Studentenzeit waren sehr schön, auch wenn sie mich oft genug in der Folge in Aufregung, Beschämung und Verwirrung gestürzt haben. Ich habe es genossen! Heute kenne ich für mich besseres. Für manche Menschen (wie für mich früher) sind exzessive Partys befreiend. Sie müssen vielleicht diesen Schritt gehen, um sich dann wiederum von den Partys zu befreien. Was leidhaft ist oder nicht, muss jeder selbst herausfinden, damit er oder sie sich davon überhaupt befreien kann. Niemand kann einem sagen, dies oder das ist leidhaft. Das ist vollkommen sinnlos!


    Irgendwann, in fernster Zukunft werde ich aus meiner Perspektive und für mich vielleicht sagen können: Alles ist leidhaft, denn ich habe dann erst in Relation zu ALLEM etwas besseres gefunden, das jenseits von allem ist. Aber diese Aussage kann, weil sie nur in Relation zu dem eigenen subjektiven Erleben Sinn macht, nie allgemeingültig sein. Wenn also sich jemand hinstellt und sagt: Alles ist leidhaft, so kann das immer nur aus dessen Perspektive und für ihn oder sie richtig sein. Absolut gesehen ist dieser Satz Unsinn.


    Viele Grüße


    Thorsten