Nichtwissen- Sankhara-Bewusstsein

  • Mabuttar:

    Ok, dann hört also mit der Erleuchtung das Atmen auf ? Wie ist das zu verstehen ?


    Mit der Befreiung vom Dasein sollte eigentlich alle Komponenten
    der bedingten Entstehung aufhören, nicht nur das Atmen müssen.
    So lehrte es jedenfalls der Buddha. Deine Frage "wie ist das zu
    verstehen ?" hat der Buddha lang und breit erklärt, nämlich durch
    die Umsetzung der Lehre.

  • Mabuttar:

    Buddha sagte doch auch einmal, dass Taten die aus Unverblendung, Gierlosigkeit und Hasslosigkeit getan werden, er nicht "Taten" nennt. Wie ist das zu verstehen ?


    So eine Aussage kenne ich nicht und durch eine solche Aussagen
    würden sich auch Widersprüche zu gegensätzlichen Aussagen des
    Buddha ergeben, Mit Sicherheit hat der Buddha sowas nicht gesagt
    und es ließe sich dazu auch keine Aussage in seinen Lehrreden finden.
    Aber was anderes hat er gesagt, nämlich:


    "Eine Tat, die aus Gierlosigkeit - aus Haßlosigkeit - aus Unverblendung
    getan wurde, die daraus entsprungen, dadurch bedingt und entstanden ist,
    solche Tat ist heilsam, untadelhaft, hat Glück als Ergebnis, führt zur
    Tatenversiegung und nicht zu neuer Tatenentstehung."(A.3. 112)


    Eine solche Tat nennt er offensichtlich, eine Tat mit heilsamen Ergebnis
    und sie führt nicht zu eigenem Beschwer, nicht zu fremder Beschwer und
    nicht zu beidseitiger Beschwer.


  • Ja, und wie sollen des Buddha Taten anders also so gewesen sein?


    Langsam glaube ich, die Idee vom wirkungslosen Handeln der Arahats ist Phantasie der Leidenden.

  • Mirco:

    ...


    Langsam glaube ich, die Idee vom wirkungslosen Handeln der Arahats ist Phantasie der Leidenden.


    Ah nein, Ursprung der Wirkungslosigkeit ist ja das Verweilen in der Leerheit.
    Den Zweifel kannst Du mit Dir nehmen und zusammen mit dem Dharma (Lehre) wirken lassen - das wird sich dann klären.


    Wird schon. Es geht nur nicht alles mit unseren dürftigen Hirnbahnen zu erfassen, oder? Bei mir wenigstens.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Mirco:

    Langsam glaube ich, die Idee vom wirkungslosen Handeln der Arahats ist Phantasie der Leidenden.


    Aber wirkungslos hinsichtlich der Befreiung schon.
    Ein Arahat gilt nämlich als "Übungsledig".


    "Es sprach der Ehrwürdige Sariputto zum Ehrwürdigen Anuruddha also:
    Man spricht von einem Übungsledigen, (asekho) Bruder Anuruddha. Inwiefern
    nun, Bruder Anuruddha, ist man ein Übungslediger?" „Durch eine vollkommene
    Entfaltung der vier Grundlagen der Achtsamkeit, (satipatthāna) Bruder,
    ist man ein Übungslediger."S.47.27

  • Mabuttar:

    Oder ist es eine bestimmte Art von sankhara die durch Nichtwissen bedingt ist und nicht alle sankhara ?


    Ich möchte da nochmal Nanavira Thera zitieren in "EINE NOTIZ ZU PATICCASAMUPPADA", der es dort wegen der Exaktheit zwar sehr technisch erklärt, aber es kann sich lohnen.


    In einem zweiten Post dann ein Auszug aus dem Essay "Veränderung" von Samanero Bodhesako. Er war Herausgeber der "Notizen zu Dhamma" und hat darin versucht die doch ziemlich komplexen Ausführungen Nanaviras in eine etwas einfachere Sprache zu verfassen.


    EINE NOTIZ ZU PATICCASAMUPPADA
    11. Wir wollen uns jetzt dem Anfang der paticcasamuppáda-Formel zuwenden und das Wort sankhára erwägen. Die Passage aus dem Cúlavedalla Sutta, die in §5 zitiert wird, verwendet sankhára, um ein Ding zu bezeichnen, das von einem gewissen anderen Ding untrennbar ist – mit anderen Worten, eine unab-dingbare Bedingung. Diese Definition ist vollkommen unkompliziert und ganz allgemein, und wir werden feststellen, dass dies alles ist, was wir brauchen. (Wenn ein sankhára etwas ist, wovon etwas anderes abhängt, können wir sagen, dieses „etwas anderes” wird von dem ersten Ding gestaltet oder bestimmt, gestaltet durch den sankhára, der daher etwas „Gestaltendes” oder eine „Gestaltung” ist. {Ñánavìra Thera übersetzt sankhára, sankhata, sankharoti mit „determination, determined, to determine”. Im Deutschen wäre „Bestimmung, bestimmt, bestimmen” die naheliegendste Übersetzung gewesen. Leider verdrängen bei diesen Begriffen die spezifischen Bedeutungen die allgemeine und Verwechslung mit „destiny, regulation, vocation etc./decided, resolute, specific etc./ modify, dispose of, ascertain etc.” wäre unvermeidbar. Das sind zwar auch alles Bestimmungen, aber eben bestimmte (specific determinations). Daher wurde den bereits eingeführten Begriffen „Gestaltung, gestaltet, gestalten” Vorzug gegeben. Für ein korrektes Verständnis sorgt der Text selbst. [S. Bodhesako, einer der Herausgeber von CtP, verwendet in seinen eigenen Werken „condition, conditioned, to condition”.]} Es wird zweckdienlich sein, das Wort Gestaltung zu benutzen, wenn wir sankhára übersetzen müssen.)



    Ein puthujjana nimmt das, was ihm als sein „Selbst” erscheint, für bare Münze. Wenn er sich fragt, „Was ist mein Selbst?”, trachtet er danach, es irgendwie mit dem ein oder anderen Ding zu identifizieren, insbesondere mit den pañc’upádánakkhandhá oder einem davon (siehe Khandha Samy. 47 <S.III,46>4). Welches Ding (dhamma) er auch immer als das „Selbst” identifiziert, das nimmt er als beständig an; denn sähe er es als unbeständig an, würde er es nicht als „Selbst” identifizieren (siehe DHAMMA). Da er es aber doch als beständig ansieht – in der Tat beständiger als alles andere – wird er denken: „Andere Dinge mögen unbeständig sein, aber nicht dieses Ding, was ich bin.” Damit er es also als unbeständig sehen kann, sind indirekte Methoden erforderlich: Zuerst muss er sehen, dass dieses Ding von irgendeinem anderen Ding abhängig ist oder dadurch gestaltet wird, und dann muss er sehen, dass jenes andere Ding, jene Gestaltung oder sankhára von der dieses Ding abhängt, unbeständig ist. Wenn er sieht, dass jenes andere Ding oder sankhára, von dem dieses Ding abhängt, unbeständig ist, sieht er, dass auch dieses Ding unbeständig sein muss und betrachtet es nicht mehr als „Selbst”. (Siehe SANKHÁRA.) Wenn also sabbe sankhárá aniccá gesehen wird, wird sabbe dhammá anattá gesehen. Und ähnlich verhält es sich mit sabbe sankhárá dukkhá. Wir können daher sabbe sankhárá aniccá verstehen als „Alle Dinge, von denen andere Dinge (dhammá) abhängig sind – d.h. alle Gestaltungen (sankhárá) – sind unbeständig”, mit einem stillschweigend angehängten Folgesatz, „Alle Dinge, die von anderen Dingen (sankhárá) abhängig sind – d.h. alle bedingten oder gestalteten Dinge (sankhatá dhammá) – sind unbeständig.” Danach folgt „Alle Dinge sind Nicht-Selbst” als Selbstverständ-lichkeit.


    13. Jedes Ding (dhamma) muss notwendigerweise einer oder mehrere der pañc’upádánakkhandhá sein (oder auf irgendeine Weise darin enthalten), entweder allgemein – z.B. Gefühl im Allgemeinen, d.h. Gefühl im Gegensatz zu dem, was nicht Gefühl ist – oder speziell – z.B. dieses anwesende schmerzhafte Gefühl im Gegensatz zu dem vorangegangenen angenehmen Gefühl (das als ein vergangenes Gefühl anwesend ist). In gleicher Weise muss auch jede Gestaltung (sankhára) einer oder mehrere der pañc’(upádán)akkhandhá sein. Somit können die pañc’(upádán)akkhandhá entweder als sankhárá oder als dhammá betrachtet werden, je nachdem, ob man sie nun als „Dinge-von-denen-andere-Dinge-abhängig-sind” ansieht oder als „Dinge-an-und-für-sich”. Siehe Majjhima 35 <M.I,228>.


    14. Sankhárá sind einer der pañc’upádánakkhandhá (oder im Fall des arahat, einer der pañcakkhandhá – siehe Khandha Samy. 48 <S.III,47>). Die Lehrrede, die in §5 erwähnt wird (Khandha Samy. 56)3, sagt ausdrücklich, dass sankhárá in diesem Kontext cetaná sind. Wenn das der Fall ist, muss cetaná etwas sein, von dem andere Dinge abhängig sind. Was sind das für Dinge? Die Antwort erfolgt prompt durch das Khajjaniyasutta (Khandha Samy. 79 <S.III,87>6: es sind die pañc’(upádán)akkhandhá selbst.


    15. Das bringt uns zu den puññábhisankhára, apuññábhisankhára und áneñjábhisankhára aus §6. Diese Gestaltungen sind ganz klar cetaná der einen oder anderen Art – und tatsächlich stellt die Lehrrede selbst einen Zusammenhang zwischen den Begriffen abhisankharoti und abhisañcetayati her (Nidána Samy. 51). Eine kurze Erörterung ist notwendig. Die Lehrrede sagt:


    Zitat

    Avijjágato'yam bhikkhave purisapuggalo puññañ ce sankháram abhisankharoti, puññúpagam hoti viññánam.


    Wenn, ihr Bhikkhus, dieses unwissenheits-verstrickte menschliche Individuum eine verdienstvolle Gestaltung gestaltet, ist das Bewusstsein bei Verdienst angelangend.


    Das Wort puñña wird für gewöhnlich mit kamma assoziiert, und die traditionelle Interpretation nimmt an, dass puññúpaga viññána gleichbedeutend mit puññakammavipáka im nächsten Leben ist. Puñña ist sicherlich kamma, aber in der Lehrrede deutet nichts darauf hin, dass puññúpaga viññána irgendetwas anderes ist als das verdienstvolle Bewusstsein von einem, der Verdienst gestaltet oder beabsichtigt. (Wenn von einem Individuum Verdienst beabsichtigt wird, ist es sich seiner Welt als einer „Welt-zum-Verdienste-darin-tun” bewusst, und das Bewusstsein ist somit „bei Verdienst angelangend”.) In §14 sahen wir, dass cetaná (oder Absichten) jeglicher Art sankhárá sind, und diese hier sind keine Ausnahme. Wie wir aus der Lehrrede ersehen, sind diese hier jedoch von besonderer Art; denn sie sind nicht im arahat zu finden. Es sind Absichten, in denen implizit der Glaube an ein „Selbst” steckt. Wir sahen in §10, dass der Glaube an ein „Selbst” die Bedingung für Geburt ist, und wenn solch ein Glaube restlos ausgemerzt ist, ist das Wort Geburt gegenstandslos. Mit dem Aufhören dieser bestimmten Absichten gibt es das Aufhören von Bewusstsein. Der arahat lebt allerdings noch und er hat sowohl Absichten (oder allgemeiner gesagt, Gestaltungen), wie auch Bewusstsein; aber dieses Bewusstsein ist niruddha, und die Absichten (oder Gestaltungen) müssen auf ähnliche Weise als „aufgehört” gelten. (Dieser Punkt wird in §22 weiter erörtert. Siehe auch VIÑÑÁNA.) Sankhárapaccayá viññánam, was bedeutet „solange es Gestaltungen gibt, gibt es Bewusstsein”, ist daher auch so zu verstehen: „solange es puthujjana-Gestaltungen gibt, gibt es puthujjana-Bewusstsein”. Auch wenn uns das Khajjaniyasutta (§14) sagt, dass Gestaltungen so genannt werden, weil „sie das Gestaltete gestalten” (inklusive Bewusstsein), dürfen wir daraus nicht schließen, dass die Gestaltungen in „Gestaltungen sind eine Bedingung für Bewusstsein” (sankhárapaccayá viññánam) deshalb Gestaltungen sind, weil sie eine Bedingung für Bewusstsein sind: im Gegenteil. Sie sind eine Bedingung für Bewusstsein, weil sie Gestaltungen sind. Daher gilt: vitakkavicárá gestalten vacì, deshalb werden sie vacìsankhára genannt; und in ihrer Eigenschaft als ein sankhára sind sie eine Bedingung für viññána. Im Speziellen: puññábhisankhára, apuññábhisankhára und áneñjábhisankhára sind cetaná, die viññána je nachdem als puññúpaga, apuññúpaga und áneñjúpaga gestalten. Da sie etwas gestalten (egal was), sind diese Absichten Gestaltungen (wie im Khajjaniyasutta dargelegt). Als Gestaltungen sind sie eine Bedingung für Bewusstsein. Und als puthujjana-Gestaltungen sind sie eine Bedingung für puthujjana-Bewusstsein (das immer puññúpaga, apuññúpaga oder áneñjúpaga ist). Warum nun genau Gestaltungen eine Bedingung für Bewusstsein sind, wird später erörtert werden.


    16. Zu dem, was in §5 über káyasankhára, vacìsankhára und cittasankhára gesagt wurde, ist nichts hinzuzufügen, außer dass wir in den Suttas gelegentlich auf die Begriffe káyasankhára, vacì-sankhára und manosankhára (nicht cittasankhára) stoßen. Sie sind als káyasañcetaná, vacìsañcetaná und manosañcetaná zu verstehen (siehe Nidána Samy. 25 <S.II,40>) und sollten nicht mit der vorher genannten Triade verwechselt werden.g Andere Spielarten von sankhárá, denen wir in den Suttas begegnen (z.B. áyusankhára, „das, wovon Leben abhängt”, in Majjhima 43 <M.I,295>) bereiten keine besonderen Probleme. Von nun an wollen wir also von der Grundbedeutung von sankhára, wie sie in §11 definiert ist, ausgehen.


    17. Man betrachte nun diesen Satz:

    Zitat

    Tisso imá bhikkhave vedaná aniccá sankhatá paticcasamuppanná...


    Es gibt, ihr Bhikkhus, diese drei Gefühle, die unbeständig sind, gestaltet, abhängig entstanden...


    (Vedaná Samy. 9 <S.IV,214>.


    Wir sehen erstens, was sankhata ist, ist anicca; das wissen wir schon aufgrund der Erörterung in §12. Zweitens sehen wir, sankhata sein und paticcasamuppanna sein ist das Selbe. Dies nennt uns gleich den Zweck der paticcasamuppáda-Formeln mit; sie sollen uns nämlich mittels der indirekten Methode von §12 zeigen, dass alle in ihnen aufgezählten Glieder unbeständig sind, denn jedes einzelne davon hängt von dem vorausgehenden Glied ab. Jetzt mag die Frage auftauchen, „Was ist dem ersten Glied – ist es beständig, da ihm ja kein anderes Glied vorausgeht?” In etlichen Suttas (Dìgha 14 <D.II, 32>; Nidána Samy. 65 >S.II,107>; ebd. 67 <S.II,112-115>) läuft die Serie rückwärts bis


    Zitat

    námarúpapaccayá saláyatanam, viññánapaccayá námarúpam, und dann wieder vorwärts náma-rúpapaccayá viññánam,


    bedingt durch Name&Form ist das sechs-fache Sinnesgebiet; bedingt durch Bewusstsein ist Name&Form; … bedingt durch Name&Form ist Bewusstsein.


    Dazu merkt der Buddha folgendes an (Dìgha 16 und Nidána Samy. 65):

    Zitat

    Paccudávattati kho idam viññánam náma-rúpamhá náparam gacchati; ettávatá jáyetha vá jìyetha vá mìyetha vá cavetha vá uppajjetha vá yadidam námarúpapaccayá viññánam, viññána-paccayá námarúpam, námarúpapaccayá sal-áyatanam,


    Dieses Bewusstsein kehrt von Name&Form wieder zurück, es geht nicht darüber hinaus; so weit mag man geboren werden oder altern oder sterben oder schwinden oder aufsteigen; nämlich bedingt durch Name&Form ist Bewusstsein; bedingt durch Bewusstsein ist Name&Form; bedingt durch Name&Form ist das sechsfache Sinnesgebiet...


    und so weiter. In dieser Formel wird deutlich, dass es kein „erstes Glied ohne vorangehendes Glied” gibt – námarúpa hängt von viññána ab und viññána hängt von námarúpa ab, das eine wird jeweils vom anderen gestaltet. Wenn sich der puthujjana entscheidet, dass viññána „Selbst” ist, stellt er fest, dass dessen Beständigkeit durch die Unbeständigkeit von námarúpa untergraben wird; wenn er sich entscheidet, dass námarúpa „Selbst” ist, wird dessen Beständigkeit durch die Unbeständigkeit von viññána untergraben. (Nebenbei bemerkt, die traditionelle Interpretation von námarúpa als „Geist&Materie” – siehe Visuddhimagga Kap. XVIII – liegt ziemlich falsch. Rúpa ist sicherlich „Materie” [oder vielleicht „Substanz”], aber náma ist nicht „Geist”. Weitere Erörterung ist hier nicht angebracht, aber siehe hierzu NÁMA. Wir können provisorisch mit „Name& Materie” übersetzen.)


    18. Da „sankhata sein” und „paticcasamuppanna sein” ein und das selbe ist, sehen wir, dass jedem Glied der Reihe in §17 ein sankhára vorangeht, von dem es abhängig ist, und dass daher die Ansammlung von Gliedern in ihrer Gesamtheit von der Ansammlung ihrer jeweiligen sankhárá in ihrer Gesamtheit abhängig ist. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Ansammlung von Gliedern in ihrer Gesamtheit sankhárapaccayá ist. Aber da diese Aussage nur bedeutet, dass jedes einzelne Glied der Reihe von einem bestimmten sankhára abhängig ist, sagt es uns nichts Neues. Sankhárapaccayá kann jedoch noch auf andere Art und Weise verstanden werden: Statt „abhängig von einer Ansammlung bestimmter sankhárá” könnte es auch bedeuten „abhängig von der Tatsache, dass es so etwas wie sankhárá gibt”. Im ersten Sinne ist sankhárapaccayá gleichbedeutend mit paticcasamuppanna („abhängig entstanden”) und bezieht sich auf eine gegebene Reihe als Ansammlung bestimmter Glieder; im zweiten Sinne ist sankhárapaccayá gleichbedeutend mit paticcasamuppáda („abhängiges Entstehen”) und bezieht sich auf eine gegebene Reihe als Beispiel für ein strukturelles Prinzip. Im zweiten Falle ist es ganz allgemein auf alle Formeln von paticcasamuppáda zutreffend, nicht nur auf diese (da jede beliebige Formel aus irgendeinem anderen Satz bestimmter Glieder besteht). Paticcasamuppáda ist in der Tat ein strukturelles Prinzip, das formell in der ersten Suttapassage am Anfang dieser Notiz dargelegt ist) und nicht die eine oder andere bestimmte Kette von sankhárá. Es wäre daher eine übermäßige Vereinfachung, irgendeine gegebene Formel mit bestimmter Ausdrucksweise als paticcasamuppáda zu betrachten. Jede dieser Formeln ist beispielgebend für das Prinzip, keine davon legt es dar. Jede beliebige paticcasamuppáda-Reihe hängt, kraft der Tatsache, dass sie ein Beispiel für paticcasamuppáda ist, davon ab, dass es solche Dinge wie sankhárá gibt: folglich hängt die Reihe in §17 von der Tatsache der Existenz von sankhárá ab: Gäbe es nicht so etwas wie sankhárá, gäbe es auch keinesfalls so etwas wie paticcasamuppáda und daher auch nicht so etwas wie diese individuelle Formulierung davon.


    19. Aber wenn es auch eine übermäßige Vereinfachung ist, irgendeine einzelne Reihe als paticcasamuppáda zu betrachten, so ist es dennoch nicht völlig falsch. Denn wir stellen fest, dass ein bestimmter Satz von Gliedern (viññána, námarúpa, saláyatana, phassa und so weiter) immer wieder auftaucht, mit nur geringen Abweichungen (Dìgha 15, <D.II, 56>9 lässt zum Beispiel saláyatana aus), in fast jeder speziellen paticcasamuppáda-Formel. Der Grund für dieses ständige Wiederkehren ist folgender: Obwohl paticcasamuppáda ein strukturelles Prinzip ist, beschäftigt sich die Buddhalehre mit einem bestimmten Problem und daher mit einer bestimmten Anwendung dieses Prinzips. Das Problem ist Leiden und sein Aufhören; die Sphäre, in der sich dieses Problem abspielt, ist die Sphäre des Erlebens, der bewussten Existenz, des Daseins; und die spezifischen Glieder viññána, námarúpa und die übrigen sind die fundamentalen Kategorien dieser Sphäre. Als Konsequenz davon ist die Reihe námarúpapaccayá viññánam, viññánapaccayá námarúpam, námarúpa-paccayá saláyatanam, saláyatanapaccayá phasso und so weiter das fundamentale Beispiel für paticcasamuppáda in der Buddhalehre, und deren spezielle Glieder sind die grundlegenden sankhárá. (Siehe unter KAMMA eine Suttapassage, in der auf ganz anderer Ebene ein Beispiel für paticcasamuppáda gegeben wird. Wenn man nicht versteht, dass paticcasamuppáda im Grunde ein strukturelles Prinzip mit einer ganzen Bandbreite unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten ist, dann gerät man Verwirrung.) Nachdem diese speziellen Glieder die fundamentalen Kategorien sind, anhand derer das Erleben beschrieben wird, sind sie in jeglichem Erleben anwesend, und diese grundlegende paticcasamuppáda-Formel sagt uns, dass sie letztendlich alle von viññána abhängig sind (ganz offensichtlich, denn ohne Bewusstsein gibt es kein Erleben).h Aber da all diese Glieder inklusive viññána von sankhárá abhängig sind, ist die Reihe insgesamt sankhárapaccayá. (Obwohl dies in beiden, in §18 erörterten Sinnzusammenhängen zutrifft, bringt uns der erste davon nur eine selbstbestätigende Aussage. Nur der zweite Sinnzusammenhang von sankhárapaccayá interessiert uns.) Wenn wir diese Tatsache ausdrücken wollen, ist es nur nötig, sankhárapaccayá viññánam zu sagen. Da sankhárapaccayá (in dem Zusammenhang, der uns interessiert) gleichbedeutend mit paticcasamuppáda ist, gehen wir mal davon aus, dass sankhára-paccayá viññánam bedeutet „viññána ist paticcasamuppáda”. Versuchen wir, dieser Aussage nachzugehen.


    20. Jedes beliebige Erleben beinhaltet paticcasamuppáda, aber das kann auf unterschiedliche Weise mit gegenseitiger Überschneidung gleichzeitig geschehen. So ist der (erlebte) Körper untrennbar vom (erlebten) Atem, und (erlebtes) Sprechen ist untrennbar von (erlebtem) Denken: Und sowohl (Erleben von) Atem, wie auch (Erleben von) Denken sind daher sankhárá. Aber in jeglichem Erleben stecken – als dessen fundamentale Kategorien und wesentliche sankhárá - viññána, námarúpa und so weiter. Wann immer es also Atem (káyasankhára) oder Denken (vacì-sankhára) und natürlich Wahrnehmung und Gefühl (cittasankhára) gibt, gibt es auch viññána, námarúpa und so weiter, die ebenfalls sankhárá sind. Auf ähnliche Weise ist jegliches Erleben absichtlich: Es ist untrennbar (außer für den arahat) von puññábhisankhára, apuññábhisankhára und áneñjábhisankhára. Aber in jeglichem Erleben stecken wiederum viññána, námarúpa und so weiter, seine fundamentalen Kategorien und wesentlichen sankhárá.i Mit anderen Worten, jedes beliebige Beispiel von paticcasamuppáda in der Sphäre des Erlebens kann in das fundamentale Beispiel von paticcasamuppáda in der Sphäre des Erlebens umformuliert werden, das – wie könnte es auch anders sein – mit viññána beginnt. Daher sind viññána und paticcasamuppáda eins. Das ist also die Bedeutung von sankhárapaccayá viññánam, darum ist „bedingt durch Gestaltungen Bewusstsein”.


    21. Diese Erörterung hat vielleicht verdeutlicht, warum sankhárá in der üblichen zwölfgliedrigen paticcasamuppáda-Reihe eine derart bunte Sammlung von Dingen sein kann, wie Absichten des Verdienstes, Unverdienstes und der Unverstörbarkeit, Ein-&Ausatmen, Gedankenfassen&Nachdenken, Wahrnehmung und Gefühl. Diese Dinge sind, eins wie das andere, Dinge, von denen andere Dinge abhängig sind, und als solche sind sie sankhárá der einen oder anderen Art; und solange es überhaupt sankhárá irgendwelcher Art gibt, ist viññána vorhanden und alles, was von viññána abhängig ist, mit anderen Worten, paticcasamuppáda ist vorhanden. (Wir wollen die irrelevanten Ausnahmen von áyusankhára und saññávedayitanirodha außer Acht lassen, die außerhalb der Sphäre des Erlebens liegen. Siehe Majjhima 43 <M.I,295>.) Umgekehrt hört viññána (und daher paticcasamuppáda) auf zu existieren, wenn sankhárá jeglicher Art aufgehört haben. (Man mag sich fragen, warum káyasankhára und die beiden anderen durch besondere Erwähnung als sankhárá hervorgehoben werden. Anscheinend lautet die Antwort: um das fortschreitende Aufhören der sankhárá beim Erlangen von saññávedayitanirodha aufzuzeigen – siehe Majjhima 44 <M.I,301> und Vedaná Samy. 11 <S.IV,216> - oder einfach, um zu zeigen, solange es paticcasamuppáda gibt, gibt es Körper, Sprache oder [zumindest] Geist.)


    23. Wie wir sehen, kann man sankhárapaccayá viññánam so verstehen, dass jede spezifische Reihe von sankhára/sankhatadhamma-Paaren (einem oder mehreren), bei der das erste Paar viññána enthält, von genau der Tatsache abhängig ist, dass es überhaupt sankhárá gibt. Avijjápaccayá sankhárá heißt dann, dass eben diese Tatsache, dass es überhaupt sankhárá gibt, von avijjá abhängig ist; und mit dem Aufhören von avijjá – avijjánirodhá – hören alle sankhárá, welcher Art auch immer, auf – sankháranirodho. Die vielleicht schlichteste Formulierung dieser Aussage, aus dem Vinaya Mahávagga, lautet:

    Zitat

    Ye dhammá hetuppabhavá, Tesam hetum Tathágato áha, Tesañ ca yo nirodho, Evamvádì mahásamano.


    Die ursächlich entstehenden Dinge, deren Ursache hat der Tathágata genannt, und was deren Aufhören ist, so spricht der Große Mönch.


    Hier sind ye dhammá hetuppabhavá alle Dinge jeglicher Art, die von hetú („Gründe, Ursachen” – Synonym zu paccayá) abhängig sind. Da jedes dieser Dinge von seinem jeweiligen hetu abhängig ist (wie in beliebiger paticcasamuppáda-Formel), teilt es sein Schicksal mit seinem hetu – es ist anwesend, wenn der hetu anwesend ist, und abwesend, wenn der hetu abwesend ist. Daher ist der hetu dieser Dinge zusammengenommen (aller Dinge, die hetuppabhavá sind) nicht verschieden vom hetu der einzelnen hetú zusammengenommen. Wenn es überhaupt hetú gibt, dann gibt es hetuppabhavá dhammá, wenn es keine hetú gibt, dann gibt es keine hetuppabhavá dhammá; und hetú haben, weil sie nichts anderes als sankhárá sind, avijjá als Bedingung. Tesam hetum („deren Ursache”) ist also avijjá. Das Dhamma zu sehen, heißt paticcasamuppáda zu sehen (wie in §7 festgestellt wurde), und avijjá ist daher das Nicht-Sehen von paticcasamuppáda. Avijjápaccayá sankhárá bedeutet somit „paticcasamuppáda ist abhängig vom Nicht-Sehen von paticcasamuppáda”. Umgekehrt ist das Sehen von paticcasamuppáda das Aufhören von avijjá, und wenn paticcasamuppáda gesehen wird, verliert es seine Bedingung („Nicht-Sehen von paticcasamuppáda”) und hört auf. Und das ist das Aufhören aller hetuppabhavá dhammá. Somit ist tesam yo nirodho das Aufhören von avijjá.

    ... so habe ich es verstanden.


    Without knowing exactly what is meant by nibbana do not think that you understand the Buddha's teaching. (Nanavira Thera)

  • Mabuttar:

    Oder ist es eine bestimmte Art von sankhara die durch Nichtwissen bedingt ist und nicht alle sankhara ?


    Hier nun die Ausführung von Samanera Bodhesako zur Interpretation von Sankhara im Zusammenhang mit bedingtem Entstehen, aus dem Essay "Veränderung". Es sollte allerdings am besten das ganze Essay gelesen werden, da vorher auf das Problem der Existenz und des Leidens und die Unfähigkeit Vergänglichkeit wahrzunehmen eingegangen wird. Der Auszug ist aus dem Kapitel "DIE DRITTE EDLE WAHRHEIT" entnommen. Allerdings wird Sankhara dort noch ausführlicher behandelt, es würde allerdings den Rahmen hier sprengen.



    DIE DRITTE EDLE WAHRHEIT
    An früherer Stelle haben wir gefragt, ob „Bedingungen" möglicherweise noch allgemeiner als „das Allgemeinste, das möglich ist" sein könnten. Wenn wir von „Bedingungen" im Zusammenhang des abhängigen Entstehens verlangen, dass sie (zumindest in erster Linie) Absichten sind, dann können wir sie offensichtlich folgerichtig nicht so deuten, dass sie mit der Hierarchie des Erlebens zu tun haben. In so einem Fall wären wir gezwungen, nach einer anderen Möglichkeit zu suchen, abhängiges Entstehen auf eine Weise zu erklären, die sich mit dem deckt, was eine reflexive Untersuchung unmittelbaren Erlebens enthüllt.



    Aber – vielleicht zum Glück für hierarchisches Erleben – ist dieser Schritt nicht erforderlich.[*]Denn es muss darauf beharrt werden, dass die Suttas tatsächlich niemals den Schritt machen, Bedingungen im Kontext des abhängigen Entstehens so zu definieren, dass sie mit Absicht identisch sind oder diese einschließen. Ebenso wenig gibt es eine Definition im Sinne der Triade, die mit Ein- und Ausatmen beginnt oder im Sinne irgendeines der vielen anderen Dinge, die überall in den Texten in verschiedenen Zusammenhängen als Bedingungen spezifiziert werden. Sie gehen niemals weiter, als diese drei offenen Kategorien von Körper, Sprache und Geist anzubieten. Mit anderen Worten, alle Aspekte des Erlebens, körperliche, verbale und geistige, entstehen mit Bedingungen, nicht unabhängig. Eine nähere Definition ist eine Maßnahme, die die Suttas konsequent vermeiden, und wenn wir diese Maßnahme ungeachtet des Vorbilds der Suttas ergreifen würden (wie sehr uns unsere eigene Sichtweise auch dazu einladen mag), könnte es gut möglich sein, dass wir den springenden Punkt verpassen, indem wir über das Ziel hinausschießen.


    Was macht es dann für einen Sinn, den Begriff „Bedingungen" im Zusammenhang mit abhängigem Entstehen unbestimmt zu lassen? Wenn wir den Begriff auf eine für unsere Sache relevante Weise verstehen wollen, werden wir jegliche Erklärung zurückweisen, die außerhalb des Erlebbaren liegt. Als wir vorher die verschiedenen Dinge in den Suttas betrachteten, die jeweils in ihrem Zusammenhang als Bedingungen identifiziert wurden, fanden wir sicher nichts, das außerhalb des Erlebens liegt.[**] In der Tat, insoweit man sie überhaupt finden kann, hängen alle Bedingungen von Bewusstsein ab (ohne das es natürlich kein Erleben gäbe, innerhalb dessen man Bedingungen finden kann). Dies führt uns zu zwei Beobachtungen:


      1. Die Beziehung zwischen Bedingungen und Bewusstsein erinnert an die Beziehung zwischen Gefühl und Dukkha. Weder Gefühl noch Dukkha konnte als „ein Ganzes" oder als „Teil eines Ganzen" betrachtet werden, und doch sind wir in der Lage, zwischen ihnen zu differenzieren, was die Vorrangstellung angeht. Obwohl alle bestimmten Bedingungen sicherlich von Bewusstsein abhängig sind (wie auch von Kontakt – M109: III,17), weil dieses im Erleben mitspielt, ist auch hier Bewusstsein abhängig von der Tatsache, dass es so etwas wie „Bedingungen" gibt. Daher nimmt die Kategorie „Bedingungen" eine Vorrangstellung gegenüber der Kategorie „Bewusstsein" ein.


      2. Die Beziehung zwischen Bedingungen und Bewusstsein erinnert an die Beziehung zwischen Name-und-Materie und Bewusstsein. Die Parallele ist in der Tat so eng, dass manchmal der Fehler gemacht wird, Name-und-Materie mit den ersten vier Aggregaten gleichzusetzen [Und manchmal wird in völliger Unkenntnis der Materie der Fehler gemacht, „Name" mit den letzten vier Aggregaten gleichzusetzen,obwohl die Suttas in ihren Definitionen „Bewusstsein" ausdrücklich ausklammern. – d. Übers.]. Wenn allerdings „Bedingungen" überhaupt etwas beinhaltet, dann sicher mehr als nur Absicht, Kontakt und Aufmerksamkeit, von denen nichts als Körper- oder Geist-Bedingung betrachtet werden kann. Es ist für sich genommen eine weitere und umfassendere Kategorie als „Name". Daher kann „Name" als nähere Bestimmung oder Partikularisierung von „Bedingungen" aufgefasst werden. Als nähere Bestimmung/Partikularisierung ist Name-und-Materie tatsächlich ebenso von Bewusstsein abhängig wie Bewusstsein von Name-und-Materie. Die Kategorie „Bedingungen" ist aber keineswegs eine Partikularisierung. Deshalb wird niemals behauptet, „mittels Bewusstsein ist Bedingungen". Bedingungen als Kategorie nimmt die Vorrangstellung ein..


    Das bringt uns zum vorher Gesagten zurück, nämlich: Um das zu enthüllen, was jeglichem Verhalten gemeinsam ist, ist nicht Partikularisierung, sondern Universalisierung notwendig. Wenn man das „Spezifische" dem „Universalen" gegenüberstellt, hat das ganz andere Folgen, als wenn man es dem „Allgemeinen" gegenüberstellt. Sogar „Name-und-Materie zusammen mit Bewusstsein" kann als die „allgemeinste Spezifizierung, die möglich ist" beschrieben werden, wenn wir uns auf spezifisches Name-und-Materie und spezifisches Bewusstsein beziehen. Aber um die Wurzelursache von Dukkha zu untersuchen, müssen wir uns nicht dem Spezifischen, sondern dem Universalen zuwenden. Und „Name-und-Materie zusammen mit Bewusstsein" ist nicht die „allgemeinste Universalisierung, die möglich ist": Bedingungen ist es.


    Ist, nicht sind, denn zu sagen „Bedingungen sind" heißt, Vielfalt herzustellen und zu spezifizieren: dies, jenes und das andere. Zu sagen „Bedingungen ist" heißt, Einheit herzustellen, zu universalisieren, und jegliche näher bestimmte Bedingung (im Grunde) als nichts weiter als „ein Beispiel für Bedingtheit" aufzufassen. Der springende Punkt ist, dass Bewusstsein nicht abhängig von dieser Bedingung oder jener Bedingung entsteht, sondern dass Bewusstsein Bedingungen hat. Daher ist „Bedingungen" nicht noch allgemeiner: Es ist noch universaler.


    In diesem Sinne müsste unser Freund erkennen, dass jeglicher Kreis –egal, ob er rot oder blau, groß oder klein ist – im Grunde nichts weiter als „ein Beispiel für Rundheit” ist. Dies kann keine Frage der Abstraktion sein. (ja, alle Kreise sind rund' mag in der Praxis schön und gut sein, aber wie funktioniert das in der Theorie?") Abstrahieren ist nicht produktiver als sich spezifischen Eigenschaften zuzuwenden und dabei ihre ,allgemeine Natur zu ignorieren. (ja, dieser Kreis ist hart; er ist rot; er ist rund. Aber wird der nächste weich sein? Wird er blau sein? Wird er quadratisch sein?") Was benötigt wird, ist Universalisierung. („Dieser Kreis könnte als Vorlage für Rundheit dienen, wie jeder andere Kreis auch.") Es ist notwendig, jeglichen spezifischen Fall als Beispiel für das Universale zu sehen. Aus diesem Grund ist es notwendig, jegliche spezifische Bedingung als im Grunde nichts weiter als „ein Beispiel für Bedingtheit" aufzufassen. („Dies ist ein Beispiel für eine Wechselbeziehung, für Nicht-Unabhängigkeit, wie alle anderen erlebten Phänomene auch.") Nur so können wir ihre universale Notwendigkeit erkennen. Deshalb wird die Kategorie „Bedingungen" unbestimmt belassen.


    Wie wir gesehen haben, können die anderen Faktoren der Beispielformel des abhängigen Entstehens auf zweifache Weise aufgefasst werden: entweder als spezifische Fälle oder als Universale. Als spezifische Fälle („Mittels diesem bestimmten A ist jenes bestimmte B.") finden sie Anwendung auf der psychologischen Ebene. Als Universale („Es gibt solche Dinge wie B, wenn – und nur wenn – es solche Dinge wie A gibt.") geht der Blick zur Wurzel. Daher transzendieren sie alle Psychologie. Denn Psychologie kann bestenfalls nur die Manifestationen oder Symptome des Wurzelproblems erforschen.[***] Aber bei „mittels Bedingungen ist Bewusstsein" wird nähere Bestimmung witzlos, denn alles, was wir damit erreichen, ist, Bewusstsein näher zu bestimmen (Sehbewusstsein usw. – vgl. den Auszug aus M38 in diesem Abschnitt). Dies ist endlos und daher nicht produktiv. Deshalb wird die Kategorie „Bedingungen" unbestimmt belassen.


    Andere Teile der Beispielformel sind so angelegt, dass sie vom Spezifischen zum Allgemeinen hinführen. Dieser Teil führt vom Spezifischen zum Universalen. Er ist universal, weil „mittels Bedingungen ..." jede Erlebensebene und jedes Paar verbundener Einzelpunkte innerhalb der Beispielformel des abhängigen Entstehens beschreibt. „Begehren nach Begehren" ist eine wahrhaft rekursive Aussage, aber sie ist auf den bestimmten Fall begrenzt. Sie beschreibt lediglich die Struktur von Begehren. Aber „mittels Bedingungen ..." beschreibt die Struktur von Bedingungen. Das heißt, es beschreibt die Struktur aller Dinge, die abhängig entstanden sind. Sie ist daher der universale Blick auf alle Rekursivität. Und weil sie universal und nicht spezifisch ist, muss die Kategorie „Bedingungen" unbestimmt bleiben.


    „Mittels Bedingungen ..." ist dann keine bloße Tautologie; es ist eine Aussage über die Essenz der Buddhalehre, so knapp und präzise, wie man sie sich nur wünschen kann. Tatsächlich ist „mittels Bedingungen ..." gleichbedeutend mit „abhängigem Entstehen". Und natürlich ist „abhängiges Entstehen" die gleiche Aussage wie „die Lehre des Buddha" (M28: I,191). Dies ist so, weil abhängiges Entstehen als strukturelles Prinzip sich selbst beschreibt. Das soll heißen, es entsteht ebenfalls mit Bedingung, nicht unabhängig: Es ist abhängig entstanden. Und was ist die Bedingung, mittels derer dieses Prinzip entsteht? Dies: die Bedingung, dass es spezifische Beispiele für das Prinzip gibt.


    Hier unterscheiden wir zwischen dem Prinzip selbst („wenn dies ist, ist jenes ...") und seinen Beispielformeln (in erster Linie „mittels Unwissenheit ist Bedingungen; mittels Bedingungen ..." und so weiter). Die Beispielformel ist nicht das Prinzip: Sie ist eine der vielen Möglichkeiten, wie das Prinzip näher bestimmt wird, im (oder als) Erleben. Das Prinzip stellt den allgemeinen Fall fest. So wie in einer Welt, in der Kreise nicht existieren können (obwohl wir uns so eine Welt nicht wirklich vorstellen können), das Prinzip „alle Kreise sind rund" bedeutungslos wäre, so wäre auch abhängiges Entstehen als Prinzip völlig bedeutungslos, wenn ihm Beispiele gänzlich fehlen würden. Das heißt, es wäre überhaupt kein Prinzip.


    Das Prinzip des abhängigen Entstehens ist also nicht etwas „da draußen", jenseits des Erlebens, das dennoch seinen Einfluss auf uns wirft wie eine todbringende und unsichtbare Sonne. Solch ein Modell greift zurück auf die Suche nach einem Absoluten, nach einem unbewegten Beweger der Dinge, einer Gottheit. Aber abhängiges Entstehen widerlegt gerade so ein Modell. Als Prinzip kann es gar nicht anders, als sich selbst unterworfen zu sein. Obwohl das Prinzip vom Standpunkt der Beispiele aus sicher extra-temporal erscheint, ist es doch ebenso sicher nicht absolut extra-temporal.


    Manchmal gibt es Bestrebungen, die Buddhalehre mit eternalistischen, ewigkeitsgläubigen Religionen gleichzusetzen, indem behauptet wird, dass die grundlegende Einsicht, auf die diese Lehre hinweist, ein ewiges Prinzip sei. Als solches sei es daher von derselben Natur wie jener hypothetische unpersönliche Gott, der sich jetzt nach der Erschaffung des Kosmos nur noch zurücklehnt und diesen betrachtet und dabei seine hypothetischen Fingernägel feilt. Jedoch, der grundlegende Punkt dieser Lehre – nämlich, dass ein absolutes oder unabhängiges Ding nirgendwo zu finden ist – beschreibt sich selbst. Daher kann jeglicher Versuch, die Lehre mit eternalistischen Doktrinen gleichzusetzen, als völlig falsche Vorstellung erkannt werden.


    [*] Allerdings gibt es eine Möglichkeit, wie wir „Bedingungen" angemessen als Absichten betrachten können. Wir haben gesehen, dass es im Erleben nicht nur eine simple Hierarchie gibt (z.B. der „Clock Tower" ist spezifischer als das „Fort", welches spezifischer ist als „Colombo", welches spezifischer ist als „Sri Lanka"), sondern auch eine Hierarchie der „Wofür"-heiz (z.B. ist die Tasse für das Hineingießen von Tee; Tee ist für das Trinken, dieses ist für das Durstlöschen, welches für das Wohlbefinden ist; usw.). Wofür ein Ding da ist, das kann als seine Absicht betrachtet werden („Potenzial" wäre genauer, aber die Ungenauigkeit ist nicht weiter schlimm). Daher könnten wir „mittels Bedingungen ..." verstehen als „weil es eine Hierarchie von Absichten (oder Potenzialen) gibt ...... „Struktur" ist eine grundlegendere Kategorie als jegliche Kategorie innerhalb jener Struktur. In diesem Sinne kann man dann „Bedingungen" als Absicht angemessen als das auffassen, „was sogar Bewusstsein übertrifft". Wir werden diese Herangehensweise hier zwar nicht weiter erörtern, aber insofern es sich zeigt, dass sich die Idee mit dem Erleben deckt, könnte sie doch (einigen Leuten) dabei helfen, falsche Vorstellungen beiseite zu legen und die Anwendungsmöglichkeiten von richtiger Ansicht zu sehen.


    [**]Die einzige Ausnahme ist ayusankhara, Bedingungen für das Leben (d.h. Dinge, von denen das Leben abhängt). Von diesen heißt es (in M43: I,295), sie seien „Dinge, die nicht erlebt werden". Uns wird nie gesagt, was diese nicht erlebten Bedingungen sein könnten. Zeitgenössische Theorien würden vielleicht auf den Lymphkreislauf und das Abfeuern von Nervenimpulsen hinweisen, insofern der Körper deren völliges Aufhören wohl nicht überleben würde. Aber obwohl wir von diesen Lebensbedingungen indirekt oder konzeptuell wissen können, erlebt doch niemand, sagen wir mal, die Verdoppelung der eigenen DNS als Teil der stattfindenden Zellaktivität. In welchem Ausmaß solche Phänomene lediglich übertragene konzeptuelle Hilfsmittel sind, angelegt, um das direkte Erleben zu organisieren und zu rationalisieren, ist eine Streitfrage, die wir zum Glück hier nicht entscheiden müssen. Aber dass es Dinge gibt, die in der Lage sind, das Leben zu erhalten (oder zu beenden), obwohl sie jenseits unseres direkten Erlebens liegen, sollte nicht überraschen. Jedoch können jene Lebensbedingungen, die jenseits des Reiches des Erlebens liegen, keinen Bezug zu dem Problem von Dukkha haben (welches das Problem des begehrensgestützten Erlebens ist). Daher folgen wir dem Vorbild der Suttas und sagen nichts weiter darüber. Solche irrelevanten Dinge überlässt man am besten den Physiologen der Welt.


    [***]Die Texte sind voll von Beispielen, wie diese Lehre auf psychologischer Ebene angewendet wird, aber es kann ganz klar nur ein „Beispiel" für Universalisierung geben. Das heißt, falls eine Einzigartigkeit überhaupt als Beispiel bezeichnet werden kann. Aber es handelt sich um einen Fall, der immer und immer wieder (mit Variationen) quer durch die Suttas wiederholt wird. „Jegliche Materie, vergangene, künftige odergegenwärtige, innerliche und äußerliche, grobe oder subtile, gewöhnliche oder erhabene, jegliche Materie (ist so zu betrachten): 'Nicht: dies ist mein; nicht: ich bin dies; nicht: dies ist mein Selbst.' So gibt es das Erkennen mit angemessener Weisheit von dem, was ist." (Dieselbe Formel wird dann für Gefühl, Wahrnehmung, Bedingungen und Bewusstsein wiederholt.) Dies sollte nicht als Aufforderung verstanden werden, jedes einzelne Stück Materie, vergangene, künftige und gegenwärtige, zu untersuchen, um seine Natur zu bestimmen und dann auf der Grundlage dieser statistischen Erhebung zu dem Schluss zu kommen, dass tatsächlich alle Materie höchst wahrscheinlich nicht mein ist usw. Ganz klar, hier ist eine andere Art der Untersuchung gefragt.

    ... so habe ich es verstanden.


    Without knowing exactly what is meant by nibbana do not think that you understand the Buddha's teaching. (Nanavira Thera)

  • Mabuttar:

    Oder ist es eine bestimmte Art von sankhara die durch Nichtwissen bedingt ist und nicht alle sankhara ?


    Alles ist sankhara, weil alles entweder bedingt oder bedingend ist. Unterschiede macht nur Bewußtsein, welches - wie alles - aus Sankhara heranwächst und deswegen auch Sankhara ist ... diese "heranwachsen" jedoch ist augenblicklich und verlangsamt sich nur durch genaues Hinsehen ... 8)

  • Danke Nashorn, ich muss mir das ganze mal durch den Kopf gehen lassen.


    "Zuflucht wirk er selber sich"


    Was erwirkt sich Zuflucht ? Hab mit dem Ende des Daseins glaub ich da eher das Problem.


    Das Paradox für mich : "Beende das Dasein um das Todlose zu erreichen"
    Ich denke, dann hab ich auch kein Problem damit, dass alles bedingte endet oder das Bedingte Entstehen endet.


    Das Problem Buddhas war eigentlich nicht die Vergänglichkeit, sondern das Entstehen, er hat dem Entstehen ein Ende gemacht.


    Ich glaube es läuft bei mir auf Nashorns Signatur hinaus, " Wer Nibbana nicht versteht, versteht die Buddhalehre nicht"

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:

    Hab mit dem Ende des Daseins glaub ich da eher das Problem.


    Das Paradox für mich : "Beende das Dasein um das Todlose zu erreichen"


    Entschuldige wenn ich schon wieder mit Nanavira komme, aber auf genau diese Frage wird in den "Notizen" (Kapitel 'Nibbana')auch eingegangen. Das Zitat ist diesmal aber nicht so lang.



    Aufhören „meiner Existenz” (was gleichbedeutend mit Erlöschen ist – bhavanirodho nibbánam, „Erlöschen ist Aufhören von Dasein” [Anguttara X,7 <A.V,9>]) ist jenseits meiner Existenz.


    Die Idee von nibbána als dem höchsten Ziel menschlichen Strebens wird auf den gemeinen Mann, der unschuldig die Vergnügen der Sinne genießt, zweifellos den Eindruck einer auf einzigartige Weise abschreckenden Vorstellung machen, wenn ihm gesagt wird, dass es sich um nicht mehr als nur das „Aufhören von Dasein” handelt. Ohne gleich so weit zu gehen (zumindest nicht öffentlich), auf Bradleys Absolutes zu hoffen [...] – ohne vielleicht ganz so weit zu gehen, würde doch sogar ein nachdenklicher Mensch vielleicht ein höchstes Gut erwarten, das ein klein wenig positiver ist als „bloßes Erlöschen”. Wir schrecken vor der Idee zurück, dass unsere Existenz mit ihren Qualen und Extasen völlig unberechtigt ist, und wir fühlen uns von dem Vorschlag abgestoßen, dass wir ohne sie besser dran wären; und es ist nur natürlich, dass der puthujjana nach einer Formel sucht, um etwas aus dem (wie er es sich vorstellt) Schiffbruch zu retten.


    In Udána (VIII,3 <Ud.80>) spricht der Buddha in folgendem Wortlaut über nibbána:

    Zitat

    Atthi bhikkhave ajátam abhútam akatam asankhatam, no ce tam bhikkhave abhavissa ajátam abhútam akatam asankhatam na yidha játassa bhútassa katassa sankhatassa nissaranam paññáyetha.


    Es gibt, ihr Bhikkhus, das Ungeborene, Ungewordene, Ungemachte, Ungestaltete; denn, ihr Bhikkhus, wenn es dieses Ungeborene, Ungewordene, Ungemachte, Ungestaltete nicht gäbe, wäre hier kein Entkommen vom Geborenen, Gewordenen, Gemachten, Gestalteten manifest.


    „So eine positive Bestätigung der Existenz des Unbedingten”, so wird manchmal nahegelegt, „muss doch gewiss beinhalten, dass nibbána nicht einfach nur Vernichtung ist.” Nibbána ist sicherlich „nicht einfach nur Vernichtung” – oder vielmehr, es ist ganz und gar keine Vernichtung: Erlöschen, Aufhören von Dasein ist keinesfalls die selbe Sache wie die (angenommene) Vernichtung eines ewigen „Selbst”, einer ewigen Seele. (Siehe oben Majjhima 102.) Und die Bestätigung der Existenz von nibbána ist positiv genug – aber was genau wird bestätigt? In Asankhata Samy. (1&34 <S.IV,359&371> lesen wir


    Zitat

    Yo bhikkhave rágakkhayo dosakkhayo mohakkhayo, idam vuccati bhikkhave asankhatam/ nibbánam;


    Die Beseitigung von Gier, Hass und Verblendung – das, ihr Bhikkhus, wird das Ungestaltete/Erlöschen genannt.


    und wir sehen, wenn wir nicht über die Suttas hinausgehen, können wir nicht mehr als die positive Behauptung ableiten, dass die Beseitigung von Gier, Hass und Verblendung existiert. Und dies ist schlichtweg die Feststellung, dass es möglich ist, in genau diesem Leben Gier, Hass und Verblendung loszuwerden (wenn dem nicht so wäre, könnte man ihnen nicht entrinnen und daher – Anguttara X,76 <A.V,144> - Geburt, Altern und Tod nicht entkommen). Und der arahat hat das tatsächlich geschafft.


    Aber wenn wir in unseren wirren Köpfen nicht umhin können, das Gefühl zu haben, nibbána sollte doch wirklich irgendwie eine Art ewigen positiven Genusses oder wenigstens ewigen Erlebens sein, dann können wir über diese zwei Sutta-Passagen nachgrübeln:


    Zitat

    Tisso imá bhikkhu vedaná vuttá mayá, sukhá vedaná dukkhá vedaná adukkhamasukhá vedaná, imá tisso vedaná vuttá mayá. Vuttam kho pan' etam bhikkhu mayá, Yam kiñci vedayitam tam dukkhasmin ti. Tam kho pan'etam bhikkhu mayá sankháránam yeva aniccatam sandháya bhásitam...


    Es gibt, Bhikkhu, diese drei Gefühle, die von mir verkündet worden sind: angenehmes Gefühl, schmerzhaftes Gefühl, weder-schmerzhaftes-noch-angenehmes Ge-fühl. Diese drei Gefühle sind von mir verkündet worden. Aber dies ist von mir verkündet worden: „Was immer gefühlt wird, das ist in Leiden.” Das jedoch, Bhikkhu, ist von mir in Bezug auf die Unbeständigkeit von Gestaltungen gesagt worden.


    Vedaná Samy. 11 <S.IV,216>


    Zitat

    Áyasmá Sáriputto etad avoca. Sukham idam ávuso nibbánam, sukham idam ávuso nibbánan ti. Evam vutte áyasmá Udáyi áyasmantam Sáriputtam etad avoca. Kim pan'ettha ávuso Sáriputta sukham, yad ettha n'atthi vedayitan ti. Etad eva khv ettha ávuso sukham, yad ettha n'atthi vedayitam.


    Der Ehrwürdige Sáriputta sagte dieses: - Angenehm, Freunde, ist dieses Erlöschen! Angenehm, Freunde, ist dieses Erlöschen! – Nach diesen Worten sagte der Ehrwürdige Udáyi zum Ehrwürdigen Sáriputta: - Aber was ist daran angenehm, Freund Sáriputta, wo doch darin nichts gefühlt wird? – Genau das, Freund, ist angenehm, dass darin nichts gefühlt wird.


    Anguttara IX,34 <A.IV,414>


    Das Ende des Daseins [*] ist also das Ende der Illusion von "Ich-Mein-Selbst" und damit das Ende von Persönlichkeit/Existenz und durchweg positiv zu sehen. Natürlich nicht für den daseinsverstrickten Weltling (puthujjana), für ihn ist die Vernichtung des Daseins eine Katastrophe.


    [*] An manchen Stellen des PK auch als "Ende der Welt" bezeichnet:

    Zitat

    Nicht aber kann man, ihr Brahmanen - das sage ich - ohne der Welt Ende erreicht zu haben, dem Leiden ein Ende machen.
    (A.IX.38)

    ... so habe ich es verstanden.


    Without knowing exactly what is meant by nibbana do not think that you understand the Buddha's teaching. (Nanavira Thera)

  • Exzellenter Beitrag, danke Nashorn. Hätte dazu noch eine Frage.


    Nashorn:


    Der Ehrwürdige Sáriputta sagte dieses: - Angenehm, Freunde, ist dieses Erlöschen! Angenehm, Freunde, ist dieses Erlöschen! – Nach diesen Worten sagte der Ehrwürdige Udáyi zum Ehrwürdigen Sáriputta: - Aber was ist daran angenehm, Freund Sáriputta, wo doch darin nichts gefühlt wird? – Genau das, Freund, ist angenehm, dass darin nichts gefühlt wird.
    Anguttara IX,34 <A.IV,414>


    Dieses Sutta scheint, rein logisch betrachtet, paradox: Wo nichts gefühlt wird, kann nichts Angenehmes sein. Versuche mir das so zu erklären:


    Das Angenehme am Erlöschen bezieht sich auf den Vorgang des Erlöschens. Sariputta wäre demnach darüber bewusst gewesen, dass dieses Angenehme ebenfalls erlöschen wird.


    Oder gibt es dazu auch eine andere Erklärung?

  • Ist nur eine gedankliche Sichtweise und wird im Sutta selbst erklärt:


    "angenehm" wird hier als "Glück" übersetzt

    Zitat

    Da gewinnt der Mönch nach völliger Überwindung des Nichtsheitsgebietes das Gebiet von Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung. Wenn nun den Mönch, während er in diesem Zustand weilt, mit dem Nichtsheitsgebiete verbundene Wahrnehmungen und Erwägungen befallen, so gilt ihm dies als ein Gebrechen. Gleichwie nämlich, Bruder, einen Glücklichen ein Unglück oder gar ein Gebrechen befällt, genau so befallen ihn jene mit dem Nichtsheitsgebiete verbundenen Wahrnehmungen und Erwägungen. Das gilt ihm eben als ein Gebrechen. Was da aber, Bruder, Gebrechen ist, das ist Leiden, hat der Erhabene gesagt. In diesem Sinne eben, Bruder, hat man das Nibbāna als ein Glück anzusehen.


    Da gewinnt der Mönch nach völliger Überwindung des Gebietes von Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung die Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl; und kraft der Weisheit gelangen in ihm die Triebe zur Versiegung. In diesem Sinne eben, Bruder, hat man das Nibbāna als ein Glück anzusehen
    http://palikanon.com/angutt/a09_032-041.html#a_ix34


    Wer denkt, dass sich da etwas "angenehm" anfühlen würde ist auf dem Holzweg und wird dann wohl bestenfalls in den Jhanas hängenbleiben

  • TMingyur:

    Ist nur eine gedankliche Sichtweise und wird im Sutta selbst erklärt...


    Aha, so macht das Sinn. "Angenehm" wird sonst immer im Zusammenhang mit Gefühlen gebraucht. "Glück" bezieht sich hier ja nicht auf ein Gefühl. Danke TM.

  • mukti:
    TMingyur:

    Ist nur eine gedankliche Sichtweise und wird im Sutta selbst erklärt...


    Aha, so macht das Sinn. "Angenehm" wird sonst immer im Zusammenhang mit Gefühlen gebraucht. "Glück" bezieht sich hier ja nicht auf ein Gefühl. Danke TM.


    Naja, ob das Wort "angenehm" oder "Glück" spielt ja eigentlich keine Rolle, denn beim "normalen Menschen" ist das ja beides eher mit Gefühl verbunden. Im buddhistischen Sinn, ist das ebend nicht zwingend so.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Ich denke man sollte da schon genau unterscheiden ob es jetzt Freude (pīti) und/oder Glücksgefühl (sukha) ist, damit man in der Rückreflexion nach der Medi einordnen kann "wo man jetzt da war".


    Immerwiederkehrend in den Sutten:


    1. Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt, frei von unheilsamen Geisteszuständen, die mit Gedankenfassung' (vitakka) und diskursivem Denken (vicāra) verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung.
    2. Nach Stillung von Gedankenfassung und diskursivem Denken aber gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Gedankenfassung und diskursivem Denken freie, in der Vertiefung (samādhi) geborene, von Freude (pīti) und Glücksgefühl (sukha) erfüllte zweite Vertiefung.
    3. Nach Aufhebung der Verzückung aber verweilt er gleichmütig, achtsam, klar bewusst, und er fühlt in seinem Innern jenes Glück, von dem die Edlen sprechen: Glückselig weilt der Gleichmütige, der Achtsame. Und so gewinnt er die dritte Vertiefung.
    4. Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und durch Untergang des früheren Frohsinns und Trübsinns gewinnt er einen leidlosen, freudlosen Zustand, die gleichmütig/geistesgeklärte vierte Vertiefung.


    Nachfolgend werden meist noch die vier arūpa-jhānas, die unkörperlichen jhānas, die "überweltlichen" Vertiefungen beschrieben, wobei hier die erste davon als Beispiel angeführt wird:


    5. Durch völlige Überwindung der Körperlichkeitswahrnehmungen aber, das Schwinden der Rückwirkswahrnehmungen, das Nichterwägen der Vielheitswahrnehmungen, gewinnt er in der Vorstellung: 'Unendlich ist der Raum' das Raumunendlichkeitsgebiet.


    ____


    Freude ist eines der Erwachungsglieder (pīti-sambojjhaṅga)


    Liebe Grüße
    Kusala

  • accinca:
    Maybe Buddha:


    Aha, so macht das Sinn. "Angenehm" wird sonst immer im Zusammenhang mit Gefühlen gebraucht. "Glück" bezieht sich hier ja nicht auf ein Gefühl. Danke TM.


    Naja, ob das Wort "angenehm" oder "Glück" spielt ja eigentlich keine Rolle, denn beim "normalen Menschen" ist das ja beides eher mit Gefühl verbunden. Im buddhistischen Sinn, ist das ebend nicht zwingend so.


    Genau, Glück bezieht sich hier weder auf ein Gefühl noch auf 6 richtige im Lotto.

  • Kusala:


    Immerwiederkehrend in den Sutten:
    " Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt, frei von unheilsamen Geisteszuständen, die mit Gedankenfassung' (vitakka) und diskursivem Denken (vicāra) verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung...."


    Übrigens auch so ein Problem des guten "TMingyur" der ja hier
    den sechsten Sinn (Geist) entweder gar nicht wahr haben will
    oder den Geist als Sinn zur Sinnlichkeit zählt, weil in Auge und
    Ohr usw. sei ja keine Sinnlichkeit enthalten. Da stellte sich bei
    dem Zitat allerdings die Frage wie man denn den sinnlichen Dingen
    entrückt sein könnte und trotzdem zur gleichen Zeit mit Gedankenfassen
    und Überlegen beschäftigt sein kann?


  • Hallo, ich trau mich hier mal rein mit einer Frage: :)


    Wie sieht's eigentlich aus, wenn man eine dieser Erwachungsglieder-Stufen "erreicht" hat. Kann man davon auch wieder runterfallen oder es sogar vergessen? Oder soll das schon außerhalb von samsarischen Hochs und Tiefs sein?


    Liebe Grüße vom anderen Forumsende,
    LL

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    Wie sieht's eigentlich aus, wenn man eine dieser Erwachungsglieder-Stufen "erreicht" hat.


    Was da beschrieben wurde, gehört nicht zu den sieben Faktoren die zur Erleuchtung führen können (Bojjhaṅga)
    Es waren die Versenkungsstufen (Jhāna) beschrieben.


    Zitat

    Jhāna bedeutet: "Meditation, Versenkung, Vertiefung" in vier Stufen, wobei die vierte noch weitere Stufen enthält. Im weitesten Sinne gesprochen, ist jhāna ein durch intensive Konzentration auf ein einziges (geistiges oder körperliches) Objekt hervor gerufener Versenkungszustand des Geistes. Es handelt sich hierbei um vier Vertiefungen der feinkörperlichen Sphäre (rūpa-jhāna oder rūpavacāra-jhāna) und zusätzlich um vier unkörperliche Vertiefungen (arūpayatana / aruppa), die der vierten Vertiefung der feinkörperlichen Sphäre angehängt oder als fünfte Stufe bezeichnet werden.



    Aber auch das sind keine Stufen die man erreicht, sondern mal ist das eine, mal das andere oder alles gemeinsam vorhanden.
    Dies gilt es in der Medi durch Achtsamkeit zu erkennen. Da ist jetzt das Erwachungsglied Gleichmut "aufgestiegen".Da ist jetzt das Erwachungsglied Verzückung, Freude "aufgestiegen". Usw., usf.
    Alle sieben Erleuchtungsglieder müssen nicht hintereinander in einer Reihenfolge geübt und ausgebildet werden. Sie können sich durchaus nebeneinander, miteinander, durcheinander entwickeln. Es handelt sich hierbei um einen interdynamischen "Wachstumsprozess".


    accinca:

    Da stellte sich bei
    dem Zitat allerdings die Frage wie man denn den sinnlichen Dingen
    entrückt sein könnte und trotzdem zur gleichen Zeit mit Gedankenfassen
    und Überlegen beschäftigt sein kann?


    Geräusch ist nur Geräusch
    Fühlen ist nur Fühlen
    usw.


    Still wird es erst im 3.-4. Jhana.


    Deswegen ja auch die Rückreflexion nach der Medi. Erst dann kann man "einordnen" und z.B. als angenehm bewerten.
    Vorher setzt man sich auch einen Zeitrahmen, z.B. 5 Minuten und nach 5 Minuten kommt man automatisch aus den Jhanas wieder raus.


    Die "Qualität" der Jhanas hängt auch davon ab wo man steht. Sotapan, Einmalwiederkehrer usw. ("Wiedererleben" der Frucht/Nibbana)


    ()

  • mukti:


    Das Angenehme am Erlöschen bezieht sich auf den Vorgang des Erlöschens. Sariputta wäre demnach darüber bewusst gewesen, dass dieses Angenehme ebenfalls erlöschen wird.


    Ist Gleichmut (nicht Gelichgültigkeit) angenehm oder unangenehm? Und doch ist da kein Ausschlag des Pendels nach da oder dort.


    Aus dem Mahavagga

    Zitat

    Zu jener Zeit weilte der Erhabene gerade eben vollkommen erwacht am Fuß des Bodhi-Baumes in Uruvelā am Ufer des Flusses Nerañjarā. Sieben Tage saß der Erhabene so mit verschränkten Beinen am Fuß des Bodhi-Baumes, das Glück der Erlösung erfahrend.
    Am Beginn des ersten Nachtabschnittes durchdachte der Erhabene im Geist vorwärts und rückwärts die Kette des bedingten Entstehens: Es entsteht in Abhängigkeit von: Unwissen Aktivitäten, von Aktivitäten Bewusstsein, von Bewusstsein Körper und Geist, von Körper und Geist sechs-facher (Sinnen)bereich, vom sechsfachen (Sinnen)bereich Berührungen, von Berührungen Gefühl, von Gefühl Durst, von Durst Ergreifen, von Ergreifen Werden, von Werden Geburt, von Geburt Alter, Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Leid und Verzweiflung. Auf diese Weise entsteht diese ganze Masse von Leid. Durch die restlose Auflösung und Vernichtung der Unwis-senheit lösen sich die Aktivitäten auf, durch die Auflösung der Aktivitäten löst sich das Bewusstsein auf, durch die Auflösung des Bewusstseins lösen sich Körper und Geist auf, durch die Auflösung von Körper und Geist löst sich der sechsfache (Sinnen)bereich auf, durch die Auflösung des sechs-fachen (Sinnen)Bereiches löst sich die Berührung auf, durch die Auflösung der Berührung löst sich Gefühl auf, durch die Auflösung des Gefühls löst sich der Durst auf, durch die Auflösung des Durstes löst sich das Ergreifen auf, durch die Auflösung des Ergreifens löst sich das Werden auf, durch die Auflösung des Werdens löst sich die Geburt auf, durch die Auflösung der Geburt lösen sich Alter, Tod, Kummer, Jammer, Schmerz, Leid und Verzweiflung auf. Auf diese Weise vergeht die ganze Masse von Leid. ...........................


    Zitat

    Nachdem sieben Tage vergangen waren, erhob sich der Erhabene aus der Versenkung und ging vom Fuß des Bodhibaumes zum Feigenbaum namens „Ziegenhirt“4. Dort am Fuß des Feigenbaumes „Ziegenhirt“ saß er sieben Tage mit verschränkten Beinen, das Glück der Erlösung erfahrend.


    Usw., usf.

  • Danke, Kusala - das ist für mich besser nachvollziebar, als was ich jetzt über diese Jhanas gedacht hätte. Macht Sinn.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:



  • Darum ging es nicht.



  • Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, den sinnlichen Dingen entrückt,..


    Der Mensch zieht sich in die Einsamkeit zurück, weg von jeglicher sinnlicher Ablenkung.
    Den sinnlichen Dingen wird keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Da ist nur noch "Objekt"

    Zitat

    Treu dieser heiligen Tugendsatzung, treu dieser heiligen Sinnenzügelung, treu dieser heiligen klaren Achtsamkeit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Achtsamkeit.


    ... frei von unheilsamen Geisteszuständen, .....


    Die Nīvarana (geistigen Hemmungen) sind abwesend


    Zitat

    Er hat weltliche Begierde verworfen und verweilt begierdelosen Gemütes, von Begierde läutert er sein Herz. Gehässigkeit hat er verworfen, haßlosen Gemütes verweilt er, voll Liebe und Mitleid zu allen lebenden Wesen läutert er sein Herz von Gehässigkeit. Matte Müde hat er verworfen, von matter Müde ist er frei; das Licht liebend, einsichtig, klar bewußt, läutert er sein Herz von matter Müde. Stolzen Unmut hat er verworfen, er ist frei von Stolz; innig beruhigten Gemütes läutert er sein Herz von stolzem Unmut. Das skeptischer Zweifel hat er verworfen, der Ungewißheit ist er entronnen; er zweifelt nicht am Guten, vom skeptischer Zweifel läutert er sein Herz.


    ...die mit Gedankenfassung' (vitakka) und diskursivem Denken (vicāra) verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung....


    Zitat

    "Er hat nun diese fünf Hemmungen aufgehoben, hat die Schlacken des Gemütes kennengelernt, die lähmenden; gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen lebt er in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung.


    Denn ferner noch, Brahmane: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung.


    Zitate aus M. 27