Untrennbarkeit von Samsara und Nirvana

  • Und wenn du diese scheinbare Erkenntnis erlangt hast, was dann?

    folgt nach Schopenhauer ein relatives Nichts und damit verbunden keine Wiedergeburt mehr. Wie im Buddhismus...


    Nein nicht wie im Buddhismus :lol:


    Nirvana ist kein "relatives Nichts", was immer das auch sein sollte.


    Die Frage ist ja, wie DU dann danach praktisch lebst?


    Hat man Nirvana erlangt, hat man auch Buddhafähigkeiten erlangt. Meinst du, der Buddha würde sich im Leid suhlen und den Menschen sagen, dass "Alles Leben Leiden ist" und daher ist es vorzuziehen, sich dem Leben gar nicht erst zu widmen? Was sollen das für Buddhafähigkeiten sein? Das sind "Fähigkeiten" von gebrochenen Menschen, die weder Bodhicita, noch Metta, noch irgendwas aufbringen können - darum resignieren sie und geben dem "Weltwillen" die Schuld daran. Es ist eben kein Zufall, dass nur Unglückliche S. gut finden und in seiner Philosophie etwas wie "Heilung" sehen.

  • Man gibt auch nicht dem Weltwillen die Schuld sondern man erkennt ihn. Geht es im Buddhismus etwa nicht um die Löslösung von der Welt und damit von Samsara

    nd daher ist es vorzuziehen, sich dem Leben gar nicht erst zu widmen?

    Nein Schopenhauer verwirft den Selbstmord und Weltflucht.


    Die Frage ist ja, wie DU dann danach praktisch lebst?

    Die Lehre der Lebensverneinung wäre ein weg . Zugegeben ein extremer aber entschiedener Weg. Die Frage ist, ob das dann noch Gesund ist.

  • Die Frage ist, ob das dann noch Gesund ist.


    Nein es ist nicht gesund und darum geht es.


    Die Philosophie von S. ist sehr einseitig, was bedeutet, dass sie wenig Spielraum ausserhalb des pessimistischen Gebäudes hat, welches S. selbst erschuf.


    Gesund wäre es, wenn man ein Gegengewicht hat - im Buddhismus hat man Metta, man hat die Bodhisattva Überlegungen usw. also alles positive Methoden. Dies macht Sinn, denn man muss aufpassen (auch im Buddhismus), dass man sich keine nihilistische Ansicht aneignet. Vom Pessimismus (S.) bis hin zu einem Nihilismus ist es nur ein sehr schmaler Grad.


    Darum schrieb ich ja

    Die Frage ist ja, wie DU dann danach praktisch lebst?


    Auch im Buddhismus könnte man manche Unterweisungen falsch verstehen und dann in die Nähe von S. Pessimismus rücken, indem man etwa sagt: "Alles ist leer, wozu noch altruistisch handeln, da ist ja keiner und alles ist dem Leiden unterworfen, warum dann überhaupt Freude suchen, die gibt es ja dann gar nicht..."


    S. hat sicherlich einige Erkenntnisse zu bieten, wenn man so ein fortschrittsgläubiger Optimist ist, der meint, dass die Welt immer gut ist und es stetig nach vorne geht. Da kann S. einen von diesen Illusionen befreien. Doch dann bei S. stehenzubleiben halte ich nicht für gesund, weil eine pessimistische Lebenseinstellung immer auch auf den Körper wirkt.

  • Geht es im Buddhismus etwa nicht um die Löslösung von der Welt und damit von Samsara

    Es geht in der Lehre Buddha Sakyamunis um die Überwindung des Leidens und seiner Ursachen. Eine samsarische Existenz, die durch Leiden und dessen Ursachen geprägt ist, ist nicht gleichbedeutend mit der Welt. Das ist nur eine Seite der Welt. Buddha Sakyamuni hat ja auch noch die edlen Wahrheiten von der Leidauflösung und vom dem Weg, der zur Leidauflösung führt, gelehrt. Wenn man die Leidauflösung, die man durch den achtfachen Pfad verwirklicht, erlangt hat, befindet man sich ja nicht außerhalb der Welt. Sie ist ein Zustand in dieser Welt, der sich grundlegend von einer samsarischen Existenz in dieser Welt unterscheidet.


    Nachdem Buddha Sakyamuni unter dem Bodhi-Baum erwachte, verschwand er ja auch nicht aus der Welt, sondern lehrte uns, was er auf seinem spirituellen Weg erkannt hatte in den vier edlen Wahrheiten und vielen weiteren Lehrreden.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Wenn man die Leidauflösung, die man durch den achtfachen Pfad verwirklicht, erlangt hat, befindet man sich ja nicht außerhalb der Welt. Sie ist ein Zustand in dieser Welt, der sich grundlegend von einer samsarischen Existenz in dieser Welt unterscheidet.

    Ich glaube nicht das Dukkha als Daseinsmerkmal verschwindet dadurch .

    Aber für mich ist dadurch klargeworden, dass Nirvana und Samsara sich nur durch die Wahrnehmung unterscheiden

    Deswegen komm ich auch zu dem Schluß das sich die Wahrnehmung von Dukkha ändert.


    Vg

  • Das stimmt einfach nicht. Natürlich gibt es bei Schopenhauer einen Ausweg, ein Jenseits des Weltwillens, ein Nirvana. Seine ganze Philosophie zielt darauf ab, deswegen ist mir völlig schleierhaft wie du zu so einer Behauptung kommst. Und wenn du dir das von dir selbst eingeworfene Schopenhauer-Zitat mal genau anguckst, wirst du feststellen, dass da kaum ein Unterschied zur ersten edlen Wahrheit zu finden ist.


    Was sicher richtig ist, ist dass er den Weg zur Erlösung nicht derart ausbuchstabiert wie der Buddha es getan hat. Was freilich auch damit zu tun hatte, dass Schopenhauer ihn selbst nicht konsequent gegangen ist, wie er selbst unumwunden zugab. So bleibt bei ihm am Ende nur die stille Kontemplation für die Weltlinge und die Willensverneinung für die Asketen (was vom Grundsatz her auch nicht allzu weit vom Buddhismus entfernt ist).

  • Wenn man die Leidauflösung, die man durch den achtfachen Pfad verwirklicht, erlangt hat, befindet man sich ja nicht außerhalb der Welt. Sie ist ein Zustand in dieser Welt, der sich grundlegend von einer samsarischen Existenz in dieser Welt unterscheidet.

    Ich glaube nicht das Dukkha als Daseinsmerkmal verschwindet dadurch .

    Vg

    Das musst du auch nicht glauben. Buddha Sakyamuni hat aber in seiner ersten Lehrrede und in der Lehrrede vom Gesetz der ursprünglichen Entstehung aufgezeigt wie Dukkha entsteht und wie man es vollständig überwinden kann. Das muss ich nicht glauben, es reicht dies zu verstehen.


    Wenn ich die Leidensursachen überwinde mittels des achtfachen Pfades, dann kann Leiden nicht mehr entstehen, weil die Ursachen nicht mehr gegeben sind. Ohne Ursachen kann kein Leiden entstehen.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

    Einmal editiert, zuletzt von Helmut ()

  • Hat man Nirvana erlangt, hat man auch Buddhafähigkeiten erlangt. Meinst du, der Buddha würde sich im Leid suhlen und den Menschen sagen, dass "Alles Leben Leiden ist" und daher ist es vorzuziehen, sich dem Leben gar nicht erst zu widmen? Was sollen das für Buddhafähigkeiten sein? Das sind "Fähigkeiten" von gebrochenen Menschen, die weder Bodhicita, noch Metta, noch irgendwas aufbringen können - darum resignieren sie und geben dem "Weltwillen" die Schuld daran. Es ist eben kein Zufall, dass nur Unglückliche S. gut finden und in seiner Philosophie etwas wie "Heilung" sehen.

    Ist dir eigentlich bewusst dass die erste Generation deutscher Buddhisten fast ausnahmslos über Schopenhauer zum Dharma gefunden hat? Nyanatiloka, Paul Dahlke, Georg Grimm, um nur einige prominente Namen zu nennen. Seine Philosophie mag dem westlichen Wellnessbuddhisten des 21. Jahrhunderts zuwider sein, aber so undifferenziert wie du ihn hier in die nihilistische Schublade steckst, möchte ich das nicht stehen lassen. Auch wenn ich weiß dass wir bei diesem Thema nicht auf einen Nenner kommen werden.

  • die Leidensursachen überwinde

    Jetzt sind wir genau am Knackpunkt . Wie kann ein grundloses, ursachefreies Daseinsmerkmal wie Dukkha durch seine Ursachenaufhebung aufhören. Eigentlich nur wenn, dass Dasein entweder aufhört oder es zu einer Umgestaltung der Wahrnehumung kommt.


    Die Ursachen sollen ja unter anderem Unwissenheit sein . Vielleicht fällt darunter auchh die Unwissenheit des Daseinsmerkmal Dukkha.


    Vielleicht kannst du es erklären.

  • die Leidensursachen überwinde

    Wie kann ein grundloses, ursachefreies Daseinsmerkmal wie Dukkha durch seine Ursachenaufhebung aufhören.

    Dukkha ist weder grundlos noch ursachefrei. Weil Dukkha verursacht ist, kann es auch überwunden werden indem man die Ursachen von Dukkha überwindet. Die grundlegenden Ursachen von Dukkha sind Unwissenheit, Gier und Hass und weitere daraus entstehende Leidenschaften. Mit dem achtfachen Pfad kann man diese Ursachen für Dukkha vollständig überwinden; obman es glaubt oder nicht.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Dukkha ist weder grundlos noch ursachefrei

    Ist für mich ein logischer Widerspruch , wenn dem so wäre wäre es kein Daseinsmerkmal.


    aber ich glaube da haben wir doch andere Ansichten.


    vg

  • Kann man so sehen. Das Daseinsmerkmal ist das Potential zu Dukkha. Wie es realisiert oder nicht realisiert wird, hat jeweils eine Ursache:, Gier, Hass und Verblendung in den verschiedensten Ausformungen.



    Liebe Grüße, Aravind.

  • Seine Philosophie mag dem westlichen Wellnessbuddhisten des 21. Jahrhunderts zuwider sein, aber so undifferenziert wie du ihn hier in die nihilistische Schublade steckst, möchte ich das nicht stehen lassen.


    Seine Philosophie ist etwas für gescheiterte Existenzen, ganz einfach. Ich habe seine Philosophie vom Nihilismus abgegrenzt, wenn du lesen kannst, dann wird dir das auffallen.




    Und wenn du dir das von dir selbst eingeworfene Schopenhauer-Zitat mal genau anguckst, wirst du feststellen, dass da kaum ein Unterschied zur ersten edlen Wahrheit zu finden ist.


    Ja, das ist ja eben das Problem, dass dieses Zitat schon so in den Köpfen ist, dass man denkt, dass es das wäre, was Buddha auch gesagt hat.



    Natürlich gibt es bei Schopenhauer einen Ausweg, ein Jenseits des Weltwillens, ein Nirvana. Seine ganze Philosophie zielt darauf ab, deswegen ist mir völlig schleierhaft wie du zu so einer Behauptung kommst.


    Die Behauptung steckt in seiner Hauptschrift selbst. Wenn es in seiner Philosophie ein "Jenseits des Weltwillens" gibt, warum gelangte er selbst nicht dort hin? Seine ganze Biographie und Schrift zeigt doch, dass er alles andere wollte, als zu einem "Jenseits" zu gelangen, vielmehr wollte er das, was alle Philosophen wollen - Anerkennung, Lob, Bestätigung.


    Was sicher richtig ist, ist dass er den Weg zur Erlösung nicht derart ausbuchstabiert wie der Buddha es getan hat.


    Das ist selbstverständlich, denn wie will er den Weg erklären, wenn er ihn selber gar nicht gegangen ist?


    S. lebt in seinen eigenen Projektionen, wohingegen Buddha von der Realität spricht.


    Beide Männer sind einfach unvereinbar. Dieser ewige Vergleich mit Buddha dient doch nur dazu, eine vollkommen haltlose Philosophie irgendwie noch am Leben zu halten. Wenn du dir die Früchte von Schopenhauer ansiehst, dann sind die nicht all zu üppig. Heutzutage interessieren sich doch nur Mittzwanziger in ihrer depressiven Phase für seine Schriften, und auch für dieses Klientel gibt es besseres (Philipp Mainländer z.B., der Schopenhauer ja bewundert hatte, aber ein viel mächtigeres Werk erschaffen hat).

  • Wenn ich die Leidensursachen überwinde mittels des achtfachen Pfades, dann kann Leiden nicht mehr entstehen, weil die Ursachen nicht mehr gegeben sind. Ohne Ursachen kann kein Leiden entstehen.


    Dies passiert nur halt nicht vollständig in diesem Leben, wie uns gerade auch die 1. Lehrrede berichtet. Ist die Ursache doch das Begehren, das zur Wiedergeburt führt (yāyaṁ taṇhā ponobbhavikā). Erst das Vermeiden der nächsten Wiedergeburt - siehe Geburt ist Leiden und alles was aus ihr folgt, wie Alter, Krankheit, Sterben usw. - ist das Verlöschen allen Leidens, weil nur dann alles Dasein verlöscht. Ist nibbānā (u.a. in AN10.7) doch auch definiert als Verlöschen von Existenz (bhavanirodho nibbānaṁ).

    • Offizieller Beitrag

    die Leidensursachen überwinde

    Jetzt sind wir genau am Knackpunkt . Wie kann ein grundloses, ursachefreies Daseinsmerkmal wie Dukkha durch seine Ursachenaufhebung

    Vielleicht kannst du es erklären.

    Dukkha ist nicht grundlos oder ursachenfrei. In der zweiten edlen Wahrheit heißt es, dass Dukkha aus dem Anhaften an einem Selbst resultiert. Das ist seine Bedingung. Und wenn die wegfällt ist auch Dukkha weg.


    Von daher ist der Begriff "Daseinsmerkmal" nicht gut. Die ersten beiden sind keine Merkmale des Daseins sondern der saṅkhāras.

    The three marks are:[7]

    • sabbe saṅkhārā aniccā — "all saṅkhāras (conditioned things) are impermanent"
    • sabbe saṅkhārā dukkhā — "all saṅkhāras are unsatisfactory"
    • sabbe dhammā anattā — "all dharmas (conditioned or unconditioned things) are not self"[8]

    Während beim dritten Daseinsmerkmal ein anderer Bezug gewählt wurde. Nicht nur die saṅkhāras sind ohne Selbst sondern alle Dharmas - also alles.

  • Ich rate ja immer davon ab, abendländische Philosophen mit der Buddhalehre zu vergleichen und Gemeinsamkeiten zu suchen, aber auf mich hört ja keiner! :grinsen:


    Und sei es auch Schopenhauer. Oder, oder, oder. Die Buddhalehre traf und trifft im Westen auf ein Denken, das sich grundlegend unterscheidet. Ein "Sowohl / als auch" wie wir es im Osten finden, existiert in unseren Breitengraden nicht. Unser Denken ist geprägt von "entweder / oder", "ja oder nein".


    Ich muss als Westler meine eigene Art zu denken untersucht haben und los- / freilassen können, wenn ich die Buddhalehre verstehen möchte. So sehe ich es jedenfalls.

    Es ist müßig und führt zu einer neuen Ebene von Widersprüchen, wenn ich östliches und westliches Denken vermische und umrühre.


    • Offizieller Beitrag

    Ich rate ja immer davon ab, abendländische Philosophen mit der Buddhalehre zu vergleichen und Gemeinsamkeiten zu suchen, aber auf mich hört ja keiner! :grinsen:


    Und sei es auch Schopenhauer. Oder, oder, oder. Die Buddhalehre traf und trifft im Westen auf ein Denken, das sich grundlegend unterscheidet. Ein "Sowohl / als auch" wie wir es im Osten finden, existiert in unseren Breitengraden nicht. Unser Denken ist geprägt von "entweder / oder", "ja oder nein".

    Darauf hört keiner, lieber Schmu, weil es Unsinn ist. :P


    Sowohl im Westen als auch im Osten leben Menschen, mit menschlicher Physiologie, Psychologie, menschlicher Freude und menschlichem Leiden. Es ist sehr kurzsichtig anzunehmen, dass die Menschen auf Basis der für alle gleichen conditio humana im Laufe der Jahrtausende nicht zu ähnlichen Analysen und Lösungsansätzen gekommen wären, zumal sich die Kulturen immer wieder gegenseitig befruchtet haben. Es gibt unzählige Parallelen zwischen Buddhismus und Christentum. Auch die Philosophien kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Warum auch nicht? Immerhin gibt es letztlich nur eine Wahrheit, der sich alle von verschiedenen Seiten nähern.


    Ließ mal Hajime Nakamura – In deutscher Übersetzung hier: -> Klick


    Oder das hier: -> Klick


    Oder David Hume mit seiner Definition vom Nicht-Ich:


    Zitat

    Wenn ich am engsten in das eintrete, was ich mich selbst nenne, stolpere ich immer über die eine oder andere Wahrnehmung von Hitze oder Kälte, Licht oder Schatten, Liebe oder Hass, Schmerz oder Vergnügen. Ich fange mich zu keiner Zeit ohne Wahrnehmung ein. und kann nie etwas anderes als die Wahrnehmung beobachten


    Nach Hume gibt es nichts, was ständig stabil ist, was wir als das Selbst identifizieren könnten, nur einen Fluss unterschiedlicher Erfahrungen. Unsere Ansicht, dass es etwas Wesentliches gibt, das all diese Erfahrungen zusammenhält, ist für Hume nur imaginär.


    Zitat

    Das Selbst ist eine Fiktion, die dem gesamten Erfahrungsfluss zugeschrieben wird. Schmerz und Vergnügen, Trauer und Freude, Leidenschaften und Empfindungen folgen aufeinander und existieren nie alle gleichzeitig. Es kann daher nicht aus irgendeinem dieser Eindrücke oder aus irgendeinem anderen sein, dass die Idee des Selbst abgeleitet wird; und folglich gibt es keine solche Idee ... Ich darf es wagen, gegenüber dem Rest der Menschheit zu behaupten, dass sie nichts anderes als ein Bündel oder eine Sammlung verschiedener Wahrnehmungen sind, die mit einer unvorstellbaren Schnelligkeit aufeinander folgen und sich in ständigem Wandel befinden und Bewegung.


    Quelle: Die No-Self-Theorie: Hume, Buddhismus und persönliche Identität, Philosophie Ost und West, Vol. 43


    Oder Heraklit: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.


    oder, oder, oder...


    (:_()_

  • Thorsten Hallscheidt


    Zitat

    "Wenn zwei Philosophen zusammentreffen, ist es am vernünftigsten, wenn sie zueinander bloß 'Guten Morgen' sagen." - Sartre


    Da hat er nicht ganz unrecht. Weil beide denken, das was der andere sagt, sei eine fehlerhafte Betrachtung und müsse widerlegt werden. Anstatt dass sie bemerken, dass sie beide recht (oder unrecht) haben, je nach dem.


    Yin hat selber in sich wiederum einen Yin- und einen Yang-Anteil. Dasselbe gilt für Yang. Das jeweils andere kann schon im nächsten Augenblick in den Vordergrund treten, und wenig später sieht die Sache schon wieder andersherum aus.

    Aber wir mit unserem dualistischen Denken klammern uns immer an das eine oder das andere. Und wundern uns dann, dass ständig Widersprüche auftauchen. :badgrin:


  • Da hat er nicht ganz unrecht. Weil beide denken, das was der andere sagt, sei eine fehlerhafte Betrachtung und müsse widerlegt werden. Anstatt dass sie bemerken, dass sie beide recht (oder unrecht) haben, je nach dem.


    Aber was, wenn der eine recht hat und der andere komplett falsch liegt? Oder ist diese Situation unmöglich?

  • Wenn ich die Leidensursachen überwinde mittels des achtfachen Pfades, dann kann Leiden nicht mehr entstehen, weil die Ursachen nicht mehr gegeben sind. Ohne Ursachen kann kein Leiden entstehen.


    Dies passiert nur halt nicht vollständig in diesem Leben, wie uns gerade auch die 1. Lehrrede berichtet. Ist die Ursache doch das Begehren, das zur Wiedergeburt führt (yāyaṁ taṇhā ponobbhavikā). Erst das Vermeiden der nächsten Wiedergeburt - siehe Geburt ist Leiden und alles was aus ihr folgt, wie Alter, Krankheit, Sterben usw. - ist das Verlöschen allen Leidens, weil nur dann alles Dasein verlöscht. Ist nibbānā (u.a. in AN10.7) doch auch definiert als Verlöschen von Existenz (bhavanirodho nibbānaṁ).

    Grundsätzlich stimme ich dem zu, Leuchtende Birke, es könnte also allein dadurch verschwinden, dass diejenigen, die diese Ursachen erkennen und restlos zum erlöschen bringen - also im Idealfall alle Menschen - nie wieder in dieser Welt erscheinen.


    Aber: Dukkha bleibt trotzdem, nämlich für die Tier- und Pflanzenwelt. Wer will sie davon befreien?


    Also kann Dukkha doch lediglich ein geistiges Problem sein und somit auch auf Geistesebene zu lösen. Was aus meiner Sicht wiederum bedeutet, dass wir nicht erst sterben müssen, um befreit zu sein.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Aber was, wenn der eine recht hat und der andere komplett falsch liegt? Oder ist diese Situation unmöglich?

    Das gibt es für mich in der Philosophie gar nicht. Die Frage nach richtig oder falsch kann ich mir mit einiger Berechtigung stellen, wenn es darum geht, ob die Erde eine Scheibe ist. Oder ob eine Flüssigkeit andere Eigenschaften hat als ein Gas.

    Sobald es um Geisteswissenschaften geht, sind richtig und falsch Hinweise auf meine Art zu denken, nicht Hinweise auf die Phänomene, die ich betrachte.

    Ist der Mensch frei oder determiniert? Ist das Glas halb voll oder halb leer? Die Antworten hängen vom Betrachter ab, nicht vom Betrachteten.


    Man muss sich mal die Mühe machen, sein eigenes Denken zu betrachten. Es ist voll von Gedanken darüber, was richtig und falsch, was gut und schlecht ist. Vieles davon sind Prägungen / Neigungen meiner Persönlichkeit, nicht tatsächliche "Erkenntnisse" über das Betrachtete. Und: ich will Recht haben. Auch Philosoph zu sein, schützt nicht vor dem Verlangen, im Recht zu sein. Diese Neigung gibt es im Osten nicht in dem Maße, aber sie holen auf. Bei internationalen Kongressen waren asiatische Teilnehmer anfangs oft peinlich berührt, wenn europäische Redner ihre Meinung vorgetragen haben. Da ist eine Wichtigtuerei im Spiel, die mit der Sache nicht immer viel zu tun hat: das Ego.


    • Offizieller Beitrag

    Das gibt es für mich in der Philosophie gar nicht. Die Frage nach richtig oder falsch kann ich mir mit einiger Berechtigung stellen, wenn es darum geht, ob die Erde eine Scheibe ist. Oder ob eine Flüssigkeit andere Eigenschaften hat als ein Gas.

    In diesem Sinne sind große Teile der buddhistischen Lehre keine Philosophie sondern Beschreibungen empirischer Forschung die in eine Soterologie münden. Richtig und falsch gibt es da nicht (Erfahrungen oder Beobachtungen sind schlicht der Fall oder eben nicht). Aber es gibt eine Eindeutigkeit zwischen Ursache und Wirkung: Wenn ich den 8-fachen Pfad verwirkliche, verlieren die Geistesgifte ihre Wirkung. Wenn ich Geistesgifte für mich ihre Wirkung verlieren, endet Dukkha.


    Insofern gibt es natürlich im Buddhismus richtige und falsche Aussagen, sofern sie sich auf Erfahrungen und darauf basierende Ursache-Wirkungs-Beziehungen beziehen, die potenziell jeder nachvollziehen kann. Daher ähnelt der Buddhismus auch eher einer Natur- als einer Geisteswissenschaft – nur eben aus der 1.-Person-Perspektive. So übrigens auch eine Definition der Buddhistischen Lehre von Alan Wallace.

  • Das gibt es für mich in der Philosophie gar nicht.


    Hier einmal eine philosophische Ansicht aus Buddhas Umwelt:



    Darauf antwortete mir Pūraṇa Kassapa folgendes: ‚Mahārāja, mag jemand etwas tun oder tun lassen, verstümmeln oder verstümmeln lassen‘, braten oder braten lassen, Kummer bereiten, drangsalieren, zittern machen oder zittern machen lassen, Leben vernichten, fremdes Gut sich aneignen, ohne daß es ihm gegeben ist, einbrechen, Geraubtes fortschleppen, einsam stehende Häuser ausplündern, Wegelagerei treiben, zu eines andern Weib gehen, lügen, er tut mit alledem nichts Böses. Auch wenn man mit einer messerscharfen Wurfscheibe die Lebewesen dieser Erde in eine einzige Fleischpastete, in einen einzigen Haufen Fleisch verwandelte, es erwüchse daraus keine Schuld und kein Teilhaftigwerden einer Schuld. Ginge jemand südlich vom Ganges und tötete und ließe töten, verstümmelte und ließe verstümmeln, briete und ließe braten, es erwüchse ihm daraus keine Schuld und keine Zurechnung der Schuld.‘


    Da magst du tatsächlich nicht sagen: richtig oder falsch? :eek: (Wenn daraus keine Schuld erwächst, kann natürlich auch kein Schuldspruch gesprochen werden.)

  • Ich würde da zwischen der philosophischen Ebene und der allgemein weltlichen Ebene unterscheiden. Man kann so eine philosophische Meinung vertreten, aber es ist etwas ganz anderes, wenn man sich überlegt, ob das gegen menschliche Ethik und menschliches Recht verstößt. Der Schuldspruch ist eine Frage der Gerichtbarkeiten, nicht der Philosophen.

  • kann Dukkha doch lediglich ein geistiges Problem sein


    Dukkha ist nicht nur geistig. Du schreibst doch hier selbst:


    Auch der Buddha war noch mit allem möglichen Unbill konfrontiert. "Er hatte Rücken". Das ist Samsara.


    Die Saccavibhaṅga-Lehrrede (MN141) definiert den Dukkha-Begriff wie folgt:


    Zitat

    Jātipi dukkhā, jarāpi dukkhā, maraṇampi dukkhaṁ, sokaparideva*dukkha*domanassupāyāsāpi dukkhā, yampicchaṁ na labhati tampi dukkhaṁ; saṅkhittena pañcupādānakkhandhā dukkhā.


    Hier wird dukkha anhand dukkha definiert, was schlechterdings unmöglich/unglücklich ist. Aber das beschreibende dukkha bezieht sich auf körperlichen Schmerz, wie in der gleichen Lehrrede erklärt wird:


    Zitat

    „Und was, Freunde, ist Schmerz? Körperlicher Schmerz, körperliches Unbehagen, schmerzhaftes, unbehagliches Gefühltes, geboren aus körperlichem Kontakt—dies wird Schmerz genannt.“ (nach Mettiko)


    Dies ist der erste Pfeil, daher heißt es in SN36.6 über die Heiligen: sie fühlen ein Gefühl, ein körperliches und kein geistiges. Der Vibhaṅga drückt es noch deutlicher, umfassender aus:


    Therein what is suffering? (...) and all material qualities [sabbañca rūpaṁ]. This is called suffering.


    Da man nun während man lebt weder allen leidvollen körperlichen Gefühlen und schon gar nicht allen Formen (rūpa) entgehen kann ist Wiedergeburt und damit Leben eben leidvoll (dukkha): dukkhā jāti punappunaṁ (Dhp 11).