Unbeständigkeit/Vergänglichkeit (anitya/anicca) akzeptieren...

  • Hallo, ihr Lieben, :)


    das Erste der drei Daseinsmerkmale ist, wie die anderen, ständig präsent, aber nicht immer bewusst.


    Draußen zeigt der November gerade überdeutlich, wie vergänglich alles ist: Die Zugvögel sind längst in den warmen Süden geflogen, einjährige Pflanzen eingegangen, Blätter gefallen und die skelettierten Bäume recken ihre kahlen Äste in einen fahlen Himmel, während letzte Insekten taumelnd zu Boden sinken und Nebelschwaden das allgemeine Sterben in feuchte Kühle hüllen...


    Aber die Keime für vielfaches neues Leben ruhen bereits in der Erde, fast alles kehrt wieder - in neuer Gestalt.

    Leben ist Bewegung, Veränderung, Wachstum und Verfall, Annähern und Entfernen, Auf und Ab - immer bemüht, eine erträgliche Balance zu finden, eine Mitte, die nie lange gehalten wird...


    Ist das leidhaft?

    Ja, natürlich, insbesondere, wenn man Vorstellungen von Beständigkeit hat und festhalten will, anstatt "mit dem Leben mitzufließen".... Darüber hinaus empfindet man meist ABbau schwerer erträglich als AUFbau....


    Kürzlich versuchte ich (vergeblich) meinen 88-jährigen Vater zu trösten, der auf einer Beerdigung(!) einer Frau begegnet war, die er 50 Jahre (!) nicht gesehen hatte und für die er seinerzeit wohl intensive Gefühle der Zuneigung hegte...Er habe sich selbstverständlich darauf eingestellt, dass sie (wie er ja auch) "alt geworden" sei, bekannte er, aber dann wirklich die - ehemals wunderschöne junge - Frau runzlig, zusammengesunken, in einem Rollstuhl zu sehen, nahm ihn weitaus mehr mit, als die Bestattung des toten Bekannten...."Was die Zeit und das Leben einem antun", stieß er hervor....(Ich wunderte mich im Stillen, dass ihm das erst jetzt richtig bewusst geworden zu sein schien...)


    "...Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,

    Und viel zu grauenvoll,

    als dass man klage:

    Dass alles gleitet und vorüberrinnt. ..."

    (Hugo v. Hofmannsthal aus "Über Vergänglichkeit")


    " Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen Dinge,

    ist ein Quell unendlichen Leides -

    und ein Quell unendlichen Trostes."


    (Marie von Ebner-Eschenbach)



    Einsicht in die Vergänglichkeit führt zu Gelassenheit.


    "...6. Es ist besser, ihr Bhikkhus, wenn ein ununterrichteter gewöhnlicher Mensch diesen Körper, der aus den vier groben Elementen gebildet ist, als sein Selbst annimmt [170], nicht aber das Denken.


    7. Warum das? Man sieht, ihr Bhikkhus, wie dieser Körper, der aus den vier groben Elementen gebildet ist, ein Jahr besteht, wie er zwei Jahre besteht, wie er drei Jahre besteht, wie er vier Jahre besteht, wie er fünf Jahre besteht, wie er zehn Jahre besteht, wie er zwanzig Jahre besteht, wie er dreißig Jahre besteht, wie er vierzig Jahre besteht, wie er fünfzig Jahre besteht, wie er ein Jahrhundert besteht, wie er noch länger besteht. Was aber da, ihr Bhikkhus, Denken heißt und Geist und Bewußtsein da entsteht bei Nacht und bei Tag eines und ein anderes wird aufgehoben[171]. ...."

    Samyutta Nikaya 12.61-70


    Anicca hat - wie alles - zwei Seiten, die positive:

    -Auch Leiden ist vergänglich, spätestens der Tod beendet jegliches Leiden eines Wesens.

    "Nur weil es Anicca gibt, kann man ja etwas ändern, ist Befreiung überhaupt möglich..." (Ayya Agganyani)



    Wie kommt IHR mit "Anicca" zurecht?

    Habt ihr die Unbeständigkeit alles Seienden schon wirklich akzeptiert?

    Ist Anicca für euch ein Motivator für die buddhistische Praxis? .....


    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart:

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Die Vergänglichkeit anzunehmen ist mMn nichts, was dazu führt, nicht mehr zu trauern, wenn etwas oder jemand geliebtes endet. Nur der Widerstand dagegen verschwindet zunehmend.


    Und die Vergänglichkeit hat auch sehr positive Komponenten: sich jetzt die Zeit zu nehmen, etwas zu genießen, was morgen vorbei seien kann. Einem geliebten Menschen im Zweifel jetzt zeigen, wie sehr man ihn schätzt. Sachkonflikte sind auch auf morgen verschiebbar. Die zu lösen bereut man eher selten, sollte einer von beiden morgen nicht mehr da sein. (Damit meine ich nicht alles auf morgen verschieben und die Wertschätzung möge auch für einen selbst zutreffen).

  • Wie wichtig das ist, hab ich erst wirklich durch den Tod meines Mannes begriffen. Ein paar Tage vorher hab ich ihn in einer saudummen Phase von UN-Achtsamkeit angeschrien und sogar gesagt "ich lasse mich scheiden". Das hab ich zwar nicht so gemeint, aber das zerreißt mir bis heute mein Herz.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Einsicht in die Vergänglichkeit führt zu Gelassenheit.

    Mein Vater, ehemals Dekan an einem Fachbereich, mit 90 im Alltag betreut von einer seiner Töchter, 1x täglich gewaschen vom örtlichen Pflegedienst, ließ öfters den genuschelten Spruch hören "...sic transit gloria mundi..." und ich denke, dies war einerseits Trost aber auch Krücke zur Akzeptanz. Nicht: Resignation - jedenfalls war das mein Eindruck.


    Mir hilft die buddhistische Gedankenwelt mit dem Veränderlichen und Unvermeidlichen umzugehen, auch mit dem Alter und manchem Verfall (und auch den neuen Freuden: z.B. die Vögelchen hier am Haus zu füttern und ihrem Leben und dem täglichen kleinen Punk auf dem Körnerröhrchen zuzusehen ... erinnert mich gerade ein bißchen an die Punk-Tänze in den jüngeren Jahren wo wir uns auf der Tanzfläche ganz ähnlich rumgeschubst haben wie jetzt die Spatzen an den Sitzstangen (: ) - - -

    - - - aber immer gibt es noch Dinge, deren "Veränderlichkeit" ich für mich nicht wahrhaben will/kann... da mag ich um Himmelswillen keine "Einsicht in die Vergänglichkeit" aufbauen :nosee:


    Ich glaube jedoch, selbst wenn es eine sozusagen "Klick-Maschine" gäbe, die mein Gehirn in dieser Richtung schnell "waschen" könnte - die würde ich nicht in meine Leben lassen...



    Vielleicht ein kleiner Spaß zu diesen Verhältnissen... :)

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    3 Mal editiert, zuletzt von Helgo ()

  • Wie wichtig das ist, hab ich erst wirklich durch den Tod meines Mannes begriffen. Ein paar Tage vorher hab ich ihn in einer saudummen Phase von UN-Achtsamkeit angeschrien und sogar gesagt "ich lasse mich scheiden". Das hab ich zwar nicht so gemeint, aber das zerreißt mir bis heute mein Herz.

    _()_

    Dass kann ich gut verstehen, dass die Erinnerung daran weh tut. Gehst du beim erinnern gut mit dir um? Wir machen alle Fehler und kommen nicht zügig aus eingefahrenen Mustern raus.

  • Hallo Monika -

    vorher hab ich ihn in einer saudummen Phase von UN-Achtsamkeit angeschrien und sogar gesagt "ich lasse mich scheiden".

    vielleicht hilft die Beobachtung aus meinem eigenen Leben: für einen, der selbst kurz vor dem "pearly gate" steht und das weiß (oder ahnt) ist es leichter mit den Schwächen und Unvollkommenheiten der eigenen Liebsten umzugehen.

    Solche Schwächen zu zeigen zeigt nämlich dem Andern auch, daß da ein Mensch steht in naher und langer Beziehung und kein Propgandagesicht... und das (Wahrhaftigkeit) ist eine sehr wohltuende Tröstung.


    ... just my 2 cent ...

  • Wie wichtig das ist, hab ich erst wirklich durch den Tod meines Mannes begriffen. Ein paar Tage vorher hab ich ihn in einer saudummen Phase von UN-Achtsamkeit angeschrien und sogar gesagt "ich lasse mich scheiden". Das hab ich zwar nicht so gemeint, aber das zerreißt mir bis heute mein Herz.

    _()_

    Ellviral hat auch dir alles darüber gesagt. In den Memoiren ab dem 5.11.2018. Weil er jemanden brauchte, dem er erzählen kann. :)

    Höre mir zu: RE: Memoiren gefunden in der Badewanne

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

    Einmal editiert, zuletzt von Qualia ()

  • Wie kommt IHR mit "Anicca" zurecht?

    Habt ihr die Unbeständigkeit alles Seienden schon wirklich akzeptiert?

    Ist Anicca für euch ein Motivator für die buddhistische Praxis? .....

    Das Hauptproblem wenn man sich Anicca vergegenwärtigt ist, dass es einen traurig macht und mit Angst erfüllt. Und Angst lähmt einen und führt zu festklammern. On daher vermeidet und verdrängt man das, wenn immer es geht.


    In dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ heißt es "Wir kommen aus dem Nichts und gehen ins Nichts.Also was haben wir verloren? Nichts."


    Was ich da rausziehe ist eine gewisse Symmetrie. Alles was wir verlieren haben wir bekommen. Und das Gefühl des Verlustes ist umso größer je mehr wir das nicht als Geschenk sehen sondern als normal. Leiden an der Vergänglichkeit hat viel mit Undankbarkeit zu tun


    Das unser Körper jede Sekunde funktioniert ist nicht das Gegenteil von Vergänglichkeit sondern Vergänglichkeit als Stoffwechsel erneuert uns jeden Moment.


    Von daher denke ich, dass ein guter Umgang mit Vergänglichkeit sehr viel mit dem Kultivieren von Dankbarkeit zu tun hat.


    Wenn man Rückenprobleme hat und nicht mehr gehen oder Sport treiben kann, leidet man sehr. Aber wer dankt jemals seinem Rücken? Ich denke man müsste ein Leben in dauernder Dankbarkeit führen für das Gute das einem zufliegt. Dann ist man mit sich im Reinen falls es ( wie früher oder später unvermeidlich) wegfliegt.

  • annica sich vergegenwärtigen ist das einzig wahre Trostpflaster, das, wenn man es sich wirklich vergegenwärtigt, als vollkommen bescheutes Pflaster-Ver-Blendung erkennt (Wie konnte ich nur sowas glauben!) und sein Leben genießt. anicca, dukkha, anatta kann man dann vergessen, doch wissen, dass es ist. Meinen KörperHerzVerstand interessiert nur Leben.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

    Einmal editiert, zuletzt von Qualia ()

  • In dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ heißt es "Wir kommen aus dem Nichts und gehen ins Nichts.Also was haben wir verloren? Nichts."


    Was ich da rausziehe ist eine gewisse Symmetrie.

    Diese Gleichung ( Symmetrie) kann suggerieren, dass alles so oder so ( sowieso) egal wäre. Also, ich kann , folglich, meine Menschlichkeit verlieren, am Ende ich würde sowieso verschwinden. In Nichts. Nicht für mich.

    Ich trage die Verantwortung für alles, was ich angetan hatte. Für Immer im diesem Leben ( über danach ich habe keinen Schimmer. ).

    Im Film „ Magnolia“ es ist so ca. ausgedrückt: „ Man kann sich wähnen, dass er mit der Vergangenheit verabschiedet hätte, aber nicht sie mir uns“.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • In dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ heißt es "Wir kommen aus dem Nichts und gehen ins Nichts.Also was haben wir verloren? Nichts."


    Was ich da rausziehe ist eine gewisse Symmetrie.

    Diese Gleichung ( Symmetrie) kann suggerieren, dass alles so oder so ( sowieso) egal wäre. Also, ich kann , folglich, meine Menschlichkeit verlieren, am Ende ich würde sowieso verschwinden. In Nichts. Nicht für mich.

    Ich trage die Verantwortung für alles, was ich angetan hatte. Für Immer im diesem Leben ( über danach ich habe keinen Schimmer. ).

    Im Film „ Magnolia“ es ist so ca. ausgedrückt: „ Man kann sich wähnen, dass er mit der Vergangenheit verabschiedet hätte, aber nicht sie mir uns“.

    Du hängst dich an dem Zitat auf und führst vom Thema weg. Die Frage von Anna Panna-Sati war die Nacht dem Umgang mit Vergänglichkeit. Meine Antwort war, die dass es neben der Beschäftigung mit "Vergänglichkeit als Verlust" auch das Gegenstück "Vergänglichkeit als Geschenk" gibt was eng mit dem Kultivieren von Dankbarkeit zusammenhängt.

  • Die Frage von Anna Panna-Sati war die Nacht dem Umgang mit Vergänglichkeit.

    Um es klar zu stellen, die Vergänglichkeit befreit mich niemals von Karma ( buddhistisch gesprochen). Also , genau deswegen, ich sollte immer wachsam /cetana/ sein, denn was ich sähe, so ich ernte. So es wurde gemeint. Und passt zum Faden. Und der Frage von TE. Nur meine eigene Meinung. Mehr nicht. LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Um es klar zu stellen, die Vergänglichkeit befreit mich niemals von Karma ( buddhistisch gesprochen). Also , genau deswegen, ich sollte immer wachsam /cetana/ sein, denn was ich sähe, so ich ernte. So es wurde gemeint. Und passt zum Faden. Und der Frage von TE. Nur meine eigene Meinung. Mehr nicht. LG.

    Also, dass man mit Vergänglichkeit dadurch umgeht, indem man sich auf das konzentriert, was weiter wirkt.

  • Wenn man nur vollkommen einsehen würde dass es keinen Sinn macht an etwas festzuhalten weil es doch vergehen muss, wäre das die vollkommene Befreiung. Am Ende einiger Lehrreden des Buddha geht ja so manchen "das klare Auge der Weisheit auf: Was immer auch entstanden ist, muss alles wieder untergehen."

    Ein Problem ist, dass man das verdrängt und nicht einsehen will und so durch Begehren, Hass und Verblendung an das Samsara gebunden bleibt. Das Sinnesglück scheint näher und leichter zu erlagen als das viel größere Glück der Loslösung.

  • Das „verdrängen“ ist tatsächlich ein Problem, das bedeutet nämlich, dass man annica noch nicht wirklich verwirklicht hat. Hat man es verwirklicht, kann man es vergessen, das Verdrängen, es ist dann immer da. annica erzeugt Mitgefühl mit anderen und Befreiung vom Mitgefühl mit sich selbst.

    Es ist entweder Anfang oder Ende.

    Kein Vergehen oder Entstehen, dazwischen ist genießen.

  • Vielen Dank, liebe Gurkenhut , für deine Gedanken zum Thema! _()_

    Die Vergänglichkeit anzunehmen ist mMn nichts, was dazu führt, nicht mehr zu trauern, wenn etwas oder jemand geliebtes endet. Nur der Widerstand dagegen verschwindet zunehmend.

    Keine Trauer mehr zu empfinden, wenn Geliebtes leidet oder stirbt/gestorben ist, kann man wohl erst erwarten, wenn keinerlei Anhaftung mehr besteht...


    Der Zeitfaktor und auch räumliche Entfernung können dabei helfen. (Mich wundert es immer, wieviel gelassener man z.B. mit den Leiden der Vorfahren umgehen kann oder dass Probleme der Eltern, die 100 km entfernt leben, weniger tangieren, als, wenn sie um die Ecke wohnen und man sie fast täglich sieht...Die Leiden für die Betroffenen sind ja identisch.)


    Die Vergänglichkeit anzunehmen ist m.E. ein längerer Prozess, der mit oft intellektueller Einsicht beginnt - die Vernunft hat das Wort - aber die Gefühle hinken nach...

    Hier hilft dann wieder die buddhistische Praxis, Anicca ganz zu durchdringen, was Ablehnung und Widerstand auflöst.

    Und die Vergänglichkeit hat auch sehr positive Komponenten: sich jetzt die Zeit zu nehmen, etwas zu genießen, was morgen vorbei seien kann. Einem geliebten Menschen im Zweifel jetzt zeigen, wie sehr man ihn schätzt.

    Danke, ja, sich der Vergänglichkeit bewusst zu sein, führt i.d.R. überhaupt zu einem bewussteren Leben im Hier und Jetzt und dazu, nicht alles Gewohnte als selbstverständlich anzusehen.


    Liebe Grüße, Anna :) :heart: _()_

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


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    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Liebe Anna, ich glaube nicht, dass Trauer verschwindet bzw. wenn sie nicht auftaucht, ein Zeichen für Befreiung ist. So wie selbst der Buddha noch Rückenschmerzen und Müdigkeit, sicher auch Hunger empfand, so war er sogar auch ungehalten und zunächst abgeneigt, Frauen zu ordinieren.


    Was sagt uns das?

    Befreiter als Buddha können wir wohl nicht werden. Ich bin überzeugt, dass Trauer, unpersönliche Liebe, Güte und Mitgefühl notwendige Begleiter bis ans Lebensende sein müssen.


    Insofern gebe ich Gurkenhut recht, dass es nur um den Widerstand gegen das, was gerade stattfindet und sich als gerade Seiend herausstellt, geht.


    _()_ :heart:

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  • Lieber void , vielen Dank für deinen Beitrag! _()_

    Das Hauptproblem wenn man sich Anicca vergegenwärtigt ist, dass es einen traurig macht und mit Angst erfüllt. Und Angst lähmt einen und führt zu festklammern. Von daher vermeidet und verdrängt man das, wenn immer es geht.

    Ja, so ist es, man verdrängt es gerne, u.a., weil es das "unbeschwerte, (hedonistische) Dahinleben" belasten kann.


    Meine Mutter, 83 Jahre, schwört auf die "Kopf-in-den-Sand-stecken" - Methode:

    Zeit ihres Lebens auf gutes Aussehen und Fitness "programmiert", ignoriert sie (soweit möglich) die Zeichen der Zeit und versucht mit einer erstaunlichen Energie, ihr Leben auch im Alter so zu führen, als gäbe es weder Alter, Krankheit, noch Tod. Sterben tun eh nur die Anderen... :nosee:


    (Mich forderte sie auf, mir jetzt mal endlich die Haare zu färben, sonst sähe ich ja demnächst älter aus als sie..... (: :erleichtert: Meinen Einwand, dass ich kein Problem mit meinen zunehmend grau-melierten Haaren hätte, wollte sie nicht gelten lassen ("Dann mach es für deinen Mann!"). )

    In dem Monty Python Film „Das Leben des Brian“ heißt es "Wir kommen aus dem Nichts und gehen ins Nichts.Also was haben wir verloren? Nichts."


    Was ich da rausziehe ist eine gewisse Symmetrie. Alles was wir verlieren haben wir bekommen. Und das Gefühl des Verlustes ist umso größer je mehr wir das nicht als Geschenk sehen sondern als normal. Leiden an der Vergänglichkeit hat viel mit Undankbarkeit zu tun

    Ein Problem besteht wohl darin, dass wir vieles, was wir "bekommen" haben, glauben, uns selbst "erarbeitet" zu haben, durch eigene Leistung - und das Andere wird als selbstverständlich angesehen. So entsteht eine gewisse, rasch gewohnheitsmäßige, Anspruchshaltung, die zu Leiden am Verlust führt und Dankbarkeit verhindern kann...

    Ich denke man müsste ein Leben in dauernder Dankbarkeit führen für das Gute das einem zufliegt. Dann ist man mit sich im Reinen falls es ( wie früher oder später unvermeidlich) wegfliegt.

    Ein schöner Gedanke: Dankbarkeit als (Grund-)Haltung :heart: ; erinnert mich an eine Äußerung des Zen-Meisters Muho, das Dasein in dieser Welt als Geschenk zu betrachten und sich klarzumachen: "Du hast das Recht auf gar nichts!"

    (Reines - unverdientes - Glück, dass wir hier im reichen Westen leben dürfen und nicht z.B. in einem Slum in Kairo unser Leben fristen müssen...- Muho glaubt offenbar nicht an "gutes Karma"- ;) ).


    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart:

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  • Liebe Monika, vielen Dank für deine Beiträge! _()_

    Ich kann mir derzeit auch nicht vorstellen, dass man keine Trauer oder zumindest ein Verlustgefühl nach dem Tod eines geliebten Menschen/Tieres, dem Verlust seiner Heimat oder anderen Dingen, die man - anhaftend - liebte und wertschätzte, empfindet.


    Wenn sich etwas ändert, bedeutet das Festhalten, zu leiden...und je älter man wird, umso mehr neigt mancher zum Festklammern, sogar an Gewohnheiten hängt man und diese Routinen verschwinden oft mit dem krassen Einschnitt, den der Tod eines nahen Angehörigen verursacht. Mithin betrauert man oft noch viel mehr, als den Verlust des Menschen....


    Buddha Shakyamuni versprach jedoch, dass seine Lehre zur Befreiung von Dukkha/Leiden führt und er zeigte - im Gegensatz zu Ananda (der ja "nur" Stromeingetretener war) - auch keine Trauergefühle, als seine hochgeschätzten Jünger, Sariputta und Moggallana, kurz hintereinander starben. Allerdings bemerkte er, dass sie "fehlen", es ohne sie "leer" sei.... :?:


    S.47.14. Celam - 4. Ukkacela Sutta


    "Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei den Vajjīnern nahe Ukka-Celāya am Ufer des Ganges mit einer großen Mönchsgemeinde, kurz nachdem Sāriputto und Moggallāno erloschen waren. Damals nun hatte der Erhabene inmitten der Mönchsgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen. Und der Erhabene blickte über die still gewordene Mönchsgemeinde hin und wandte sich also an die Mönche:


    "Leer erscheint mir, ihr Mönche, diese Versammlung. Nachdem Sāriputto und Moggallāno erloschen sind, ist meine Versammlung, ihr Mönche, leer von ihnen. In welcher Gegend auch immer Sāriputto und Moggallāno weilten, da blieb nichts zu wünschen übrig. Die da, ihr Mönche, in vergangenen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte, waren, diese Erhabenen alle hatten solch ein vorzügliches Jüngerpaar wie ich in Sāriputto und Moggallāno. Die da, ihr Mönche, in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte sein werden, alle diese Erhabenen werden ein solches vorzügliches Jüngerpaar haben wie ich in Sāriputto und Moggallāno. ........


    .......

    Gleichwie, ihr Mönche, wenn bei einem großen, kräftig dastehenden Baume seine größten Zweige abstürben ebenso nun auch, ihr Mönche, sind bei dem großen, kräftig bestehenden Mönchsorden Sāriputto und Moggallāno erloschen. Wie doch nur wäre es, ihr Mönche, möglich, daß, was geboren, geworden, zusammengesetzt, dem Verfall unterworfen ist, da doch nicht verfallen sollte? Ein solcher Fall findet sich nicht. .........."



    Man könnte unterstellen, dass in dieser Rede Trauer "mitschwingt", aber das wäre wohl eine Fehlinterpretation... :?

    Verlustgefühl ist DA, wird aber vom Buddha nicht ergriffen, sondern achtsam wahrgenommen und losgelassen, ohne sich damit zu identifizieren.


    Insofern gebe ich Gurkenhut recht, dass es nur um den Widerstand gegen das, was gerade stattfindet und sich als gerade Seiend herausstellt, geht

    Widerstand ist Ablehnung ("Hass") und damit eines der drei Geistesgifte und Ursache für Dukkha, also in jedem Fall unheilsam.

    Ich bin überzeugt, dass Trauer, unpersönliche Liebe, Güte und Mitgefühl notwendige Begleiter bis ans Lebensende sein müssen.

    "Müssen"?


    Trauer - über ein gewisses Verlustgefühl hinaus - bedeutet Ablehnung der (traurigen) Tatsachen und Festhalten an negativen Gefühlen, sowie (Wieder-) Habenwollen positiver Gefühle.

    Wozu sollte das "notwendig" sein?


    Liebe Grüße, Anna :) :heart: _()_

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    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

    3 Mal editiert, zuletzt von Anna Panna-Sati ()

  • Trauer - über ein gewisses Verlustgefühl hinaus - bedeutet Ablehnung der (traurigen) Tatsachen und Festhalten an negativen Gefühlen, sowie (Wieder-) Habenwollen positiver Gefühle.

    Wozu sollte das "notwendig" sein?


    Liebe Grüße, Anna :) :heart: _()_

    Krähen sind mit ihrem Partner über Jahrzehnte zusammen aber wenn er stirbt dann suchen sie sich innerhalb weniger Stunden einen neuen. Bei Menschen kann man sich das schlecht vorstellen.


    Das Wort "Trauer" ist mit dem Wort "treu" verwandt. Es zeigt von einer starken Verbindung. Natürlich ist diese mit Anhaftung verbunden aber ich weiß nicht, ob es darauf reduzierbar ist. Buddha hat ja mit Sariputta Jahrzehnte verbracht und zu sagen das sein Weggang eine Lücke hinterläßt zeugt von Respekt und Dankbarkeit. Die beide eines Buddhas nicht unwürdig sind.


    Aus deinen Beiträgen kommt rüber wie sehr du deine Eltern magst - auch in Schwäche und Schrulligkeit. Wenn so eine ne Liebe anhält und die Menschen die man liebt im Leben ihren Platz verhalten dann ist das ja die Treue die schon Trauer beinhaltet. Wäre man lieber eine Krähe?

  • Krähen sind mit ihrem Partner über Jahrzehnte zusammen aber wenn er stirbt dann suche. Sie sich innerhalb weniger Stunden einen neuen. Bei Menschen kann man auch das schlecht vorstellen.

    Tatsächlich gibt es auch Menschen, die sich nach dem Tod des Partners relativ schnell neu orientieren (natürlich nicht innerhalb von Stunden...).

    Nach dem Tod meiner Patentante ( gest. mit 55 J.) suchte sich mein Onkel (damals 59 J.) innerhalb weniger Monate eine neue Frau, die er - nach Ablauf des Trauerjahres - auch ehelichte. Seine verstorbene Frau wusste er - als gläubiger Katholik - ja "in besten Händen", die Ehe galt schließlich nur "bis dass der Tod sie scheidet"....


    Ich hatte damals Schwierigkeiten, das zu akzeptieren....


    Das Wort "Trauer" ist mit dem Wort "treu" verwandt. Es zeigt von einer starken Verbindung. Natürlich ist diese mit Anhaftung verbunden aber ich weiß nicht, ob es darauf reduzierbar ist. Buddha hat ja mit Sariputta Jahrzehnte verbracht und zu sagen das sein Weggang eine Lücke hinterläßt zeugt von Respekt und Dankbarkeit. Die beide eines Buddhas nicht unwürdig sind.

    Eine starke Verbindung, die einseitig gelöst wird (ob durch "Neuorientierung/Trennung des Partners oder dessen Tod), löst zwangsläufig Trauergefühle aus... Zum Verlustgefühl können auch noch andere Emotionen hinzutreten, wie z.B. Schuldgefühle, welche die Trauerphase/Leidensphase verlängern können.

    Trauern ist leidvoll, aber - zumindest für Unerleuchtete - unvermeidlich, vermeidbar wären aber Einstellungen und Haltungen, welche Trauergefühle ständig und zu langfristig aufrechterhalten.


    Im günstigsten Falle, bei gelungener "Trauerarbeit", bleiben am Ende beim Hinterbliebenen Gefühle der Verbundenheit/Liebe (ohne Anhaftung), Dankbarkeit und Erinnerungen.

    (Im Falle des Buddha Respekt und Dankbarkeit.)


    Aber es gibt halt auch andere, pathologische, Verläufe von Trauer:

    Eine langjährige Freundin verlor ihren 2. Ehemann, 5 Jahre nach der Heirat, urplötzlich durch einen Schlaganfall (55-jährig!).

    Ihr 1. Ehemann hatte sie, vor dieser Zweitehe, wegen einer anderen Frau verlassen gehabt und dieses "Doppel-Trauma" war dann zuviel für sie...


    Sie glaubte nach der Bestattung, den "Geist" ihres Mannes zu spüren, auch körperlich! (er "zwickte" sie- u.a....), und steigerte sich in den "Wahn" hinein, dass er - als Geist - weiterhin mit ihr zusammenlebe.

    Bis heute, 6 Jahre nach dem Ableben des Mannes, lebt sie allein mit dem "Geist", hat sich mit der Situation nicht nur "abgefunden", sondern fühlt sich - angeblich - wohl damit.

    Keiner merkt etwas, denn sie geht normal ihrer Arbeit nach und spricht nicht darüber. (Ein Facharzt wurde nie konsultiert.)
    Die Avancen anderer Männer wies/weist sie stets zurück und hält ihrem "Geistermann" die Treue...

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  • Und es gibt Tiere, die trauern, z.B. Elefanten verabschieden sich von sterbenden oder gestorbenen "Angehörigen" im wahrsten Sinne des Wortes, sie gehören ihnen an.


    Trauer bedeutet für noch nicht Anhaften. Anhaften tue ich z.B. an meinem Schuldgefühl. Aber auch daran arbeite ich, es immer wieder zu betrachten und weiter zu verabschieden.


    Die Trauer in meinem Herzen pflege ich nicht, aber sie ist sofort da, wenn ich an ihn intensiv denke. Das braucht seine Zeit. Neuerdings freue ich mich, wenn mich sein Foto anlacht, anstatt zu weinen.


    Trauer ist ein reines Gefühl für mich genauso wie Freude. Sie wird nicht künstlich erzeugt, sondern ist da oder nicht.


    :heart: _()_

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  • …Akzeptieren…


    Der Buddha lehrte

    begründetes Vertrauen‘.

    Begründetes Vertrauen benötigt Untersuchung um die „Verwirklichung mit dem Körper auch anzunehmen“.


    Annehmen zu können.

    Auf diese Weise erwacht man zur Wahrheit.

    Bemühen, genaues Prüfen, Anwendung des Willens, Eifer, reflektiertes Annehmen, sich die Lehren zu merken, das Dhamma zu hören, Respekt zu erweisen, LehrerIn besuchen, Vertrauen….


    Weisheit und Vertrauen fördern sich dabei gegensätzlich die Führung des Buddhas in richtiger Ansicht anzunehmen.


    In Metta🙏

  • Liebe Monika,


    ja, Emotionen/Gefühle werden unsere Begleiter bis ans Lebensende sein, entscheidend für das Wohlbefinden sind daher unsere kognitiven, (ggf. körperlichen) Reaktionen darauf, unser Umgang damit.

    Trauer bedeutet für noch nicht Anhaften.

    Verlust- und Trauergefühle entstehen ganz natürlich, weil man - zuvor - angehaftet hat, würde ich annehmen...

    Gefühle sind, wie alles andere auch, unbeständig - anicca - , was im Falle negativer Gefühle eine Leidverringerung/-verkürzung bewirken kann, wenn man nicht aus irgendwelchen Gründen an ihnen festhält....

    Die Trauer in meinem Herzen pflege ich nicht, aber sie ist sofort da, wenn ich an ihn intensiv denke. Das braucht seine Zeit. Neuerdings freue ich mich, wenn mich sein Foto anlacht, anstatt zu weinen.

    "Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon." (Jean de La Fontaine)


    Ich wünsche dir von Herzen, dass du zunehmend Freude und Dankbarkeit für die gemeinsamen Jahre fühlen kannst und die Erinnerungen dich beglücken.


    Alles Gute und liebe Grüße, Anna :heart: _()_ :)




    Habe den folgenden Link zum Thema "Buddhistische Ansätze in der Trauerarbeit" gefunden - vielleicht kannst du einen Nutzen daraus ziehen...:


    Buddhistische Ansätze in der Trauerarbeit - Mobiles Hospiz
    Bei einer Durchsicht von deutsch- und ­englischsprachiger Literatur zu Trauerbewältigung fällt auf, dass ein Großteil dessen, was über allgemeine, meist aus…
    www.hospiz-oebr.at

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    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)