Karma im Buddhismus

  • Zwischen Handeln und Handelndem besteht eine gegenseitige Abhängigkeit, aber keine Ursache-Wirkungs-Beziehung. Bei einer Ursache-Wirkungs-Beziehung gibt es eine zeitliche Abfolge: Zuerst gibt es die Ursache und dann zeitlich später die Wirkung. Zur Zeit der Ursache besteht die Wirkung noch nicht und zur Zeit der Wirkung besteht die Ursache nicht mehr. Bestünde zwischen Handeln und Handelndem eine solche kausale Beziehung, dann gäbe es zur Zeit des Handelns noch keinen Handelnden und zur Zeit des Handelnden keine Handlung mehr. Es gäbe in der Konsequenz also ein Handeln ohne Handelnden und einen Handelnden ohne Handlung. Das ist aber nicht der Fall.


    Handeln und Handelnder existieren, da sie mit gültiger Erkenntnis erfasst werden können. Sie bedingen sich gegenseitig, dass heißt sie existieren gleichzeitig. Kein Handeln ohne Handelnden und kein Handelnder ohne Handlung. Jemand ist ein Handelnder, weil er eine Handlung durchführt; und eine Handlung gibt es nur, wenn jemand handelt.


    Genauso ist es mit Karma. Es ist eine Handlung einer konkreten Person mit der sie sich auf eine andere Person bezieht. Die karmische Handlung hat, wie jede Handlung, also immer ein Objekt. Freigebigkeit zum Beispiel kann man nur gegenüber einer anderen Person ausüben. Diese Handlung der Freigebigkeit hat zwei Auswirkungen: zum einen erfährt die andere Person Glück / Zufriedenheit; zum anderen sammelt man selbst karmische Prägungen im eigenen Bewusstseinskontinuum an, die später, wenn sie mit geeigneten äußeren Umständen zusammentreffen, zur eigenen Erfahrung von Glück heranreifen.


    Da man den Handelnden mit gültiger Erkenntnis erfassen kann, ist er keine Illusion. Wenn Buddha Sakyamuni den Atman verneint, dann verneint er eine bestimmte Auffassung über die Bestehensweise des Ichs, aber nicht das Ich generell. Man muss also unterscheiden zwischen dem was Buddha Sakyamuni mit Anatman verneint und was er mit Anatman nicht verneint.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Also mindestes ein Teil, den man individuell unserer Persönlichkeit (oder wie du es sagst, unserem Bewusstseinskontinuum) zuordnen kann, überdauert den Tod und wird wiedergeboren. Das ist dann doch so eine Art Seelenkern.

    Warum ist das was in die nächste Existenz übergeht ein Seelenkern?

    Weil das die typischen Eigenschaften einer Seele sind. Es gibt etwas, das den Tod überdauert und das persönliche/individuelle Merkmale eines Menschen sind. Bei der christlichen Seele ist das alles, was einen Menschen ausmacht, und es ist unveränderlich, im Buddhismus ist das nur ein Teil und er kann sich entwickeln. Dieses Karma wirkt für mich wie eine Art Seele, nur halt nicht so strikt und starr.

  • Da man den Handelnden mit gültiger Erkenntnis erfassen kann, ist er keine Illusion. Wenn Buddha Sakyamuni den Atman verneint, dann verneint er eine bestimmte Auffassung über die Bestehensweise des Ichs, aber nicht das Ich generell. Man muss also unterscheiden zwischen dem was Buddha Sakyamuni mit Anatman verneint und was er mit Anatman nicht verneint.

    Das gefällt mir. Atman ist ja, so weit ich weiß, das Konzept von Seele im Hinduismus. Und da der Buddhismus ja starke Verbindungen zum Hinduismus hat, wäre es doch sinnvoll, dieses Seelenkonzept nicht völlig zu negieren, sondern es in Form von dem buddhistischen Karma einfach nur weiterzuentwickeln. Könnte man deshalb nicht sagen, dass dieses Karma einen Hauch von Atman hat, also schon ein bisschen so was wie eine Seele ist?

  • Du sagst ja selbst, dass es gar nicht sicher ist, ob es so ist. Warum dann nicht eher bei unserer normalen Denkweise bleiben?


    Ich finde auch, das hört sich bewusst spitzfindig an. Ein Handeln muss ja immer irgendein Ursprung haben, das ist ja wie bei Wirkung und Ursache, und diese Ursache muss man doch benennen können, auch wenn man sie nicht als Ich bezeichnen will.

  • Da man den Handelnden mit gültiger Erkenntnis erfassen kann, ist er keine Illusion. Wenn Buddha Sakyamuni den Atman verneint, dann verneint er eine bestimmte Auffassung über die Bestehensweise des Ichs, aber nicht das Ich generell. Man muss also unterscheiden zwischen dem was Buddha Sakyamuni mit Anatman verneint und was er mit Anatman nicht verneint.

    Das gefällt mir. Atman ist ja, so weit ich weiß, das Konzept von Seele im Hinduismus. Und da der Buddhismus ja starke Verbindungen zum Hinduismus hat, wäre es doch sinnvoll, dieses Seelenkonzept nicht völlig zu negieren, sondern es in Form von dem buddhistischen Karma einfach nur weiterzuentwickeln. Könnte man deshalb nicht sagen, dass dieses Karma einen Hauch von Atman hat, also schon ein bisschen so was wie eine Seele ist?

    Im Buddhismus wird die hinduistische Auffassung von Atman negiert und Anatman gelehrt, weil die Lehre vom Atman dem abhängigen Entstehen widerspricht.


    Karma hat nicht den geringsten Hauch von Atman. Karma hat nichts mit Seelenvorstellung zu tun. Wie in früheren Beiträgen von Usern gesagt wurde, bedeutet Karma (pali: Kamma) Handlung, Tat. Im Kontext des Buddhadharma hat Karma aber eine spezifische Bedeutung, denn Buddha erklärt:

    Zitat
    Zitat

    »Den Willen ihr Mönche, bezeichne ich als die Tat, denn mit dem Willen wirkt man die Tat in Werken, Worten und Gedanken . . .

    Aber der Geistesfaktor Wille, den der Buddha als die Tat bezeichnet, hat nun gar nichts mit irgendwelchen Seelenvorstellungen zu tun.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Karma hat nicht den geringsten Hauch von Atman. Karma hat nichts mit Seelenvorstellung zu tun.


    Das stimmt doch einfach nicht, denn wie ich schon sagte, hat Karma einen Einfluss auf die Wiedergeburt und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit einer Seele in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?


    Außerdem gibt es im Buddhismus doch mehrere Strömungen/Schulen, die Karma ziemlich direkt in Verbindung mit einer Seele bringen:


    "In der Vijnanavada-Schule wird Karma als eine Art von „Bewusstseinsstrom“ (vijnana-santana) verstanden, der eine Kontinuität zwischen verschiedenen Lebensformen bildet. Dieser Bewusstseinsstrom wird als eine Art von „Seele“ oder „Ich“ interpretiert, das von einem Leben zum nächsten wandert und von den Handlungen des Einzelnen geprägt wird."


    "Es gibt auch andere buddhistische Schulen, die ähnliche Konzepte entwickelt haben, wie zum Beispiel die Sa-skya-Schule des tibetischen Buddhismus. In dieser Schule wird das Konzept des „Bewusstseinsstroms“ (vijnana-santana) ebenfalls verwendet, um die Kontinuität zwischen verschiedenen Lebensformen zu erklären."


    "Besonders in der Yogacara-Schule wird das Konzept des Alaya-Vijnana (Speicherbewusstsein) entwickelt, das als eine Art „Bewusstseinsstrom“ oder „Boden des Bewusstseins“ beschrieben wird, in dem karmische Eindrücke gespeichert werden. Dieses Speicherbewusstsein könnte in gewisser Weise als eine Art Kontinuum betrachtet werden, das karmische Samen trägt und somit von einem Leben zum nächsten weitergegeben wird."


    Ich verstehe nicht, wieso man Karma nicht als eine besondere (nicht-christliche) Form von Seele sehen kann, wenn die Eigenschaften von Karma ganz offensichtlich darauf hindeuten und es solche Konzepte im Buddhismus sogar schon gibt ...

  • wie ich schon sagte, hat Karma einen Einfluss auf die Wiedergeburt und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit einer Seele in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Wie ich schon sagte, hat Handeln einen Einfluss auf die Zukunft, in der ich noch nicht geboren bin und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit Leben in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

  • Ich verstehe nicht, wieso man Karma nicht als eine besondere (nicht-christliche) Form von Seele sehen kann, wenn die Eigenschaften von Karma ganz offensichtlich darauf hindeuten und es solche Konzepte im Buddhismus sogar schon gibt ...

    Weil Karma ein Gesetz der Handlung ist und nicht Auskunft über die individuelle Wiedergeburt gibt. Das ist sozusagen das Alleinstellungsmerkmal des Buddhismus, dass es dort keine feststehende Seele gibt, die wiedergeboren werden könnte. Der Buddha hat von seiner Erleuchtung berichtet, das er das unendliche Werden und Entstehen im permanenten Wandel des Samsara gesehen hat. Alles, auch die Bewusstseinsströme, unterliegen diesem Wandel.

  • wie ich schon sagte, hat Karma einen Einfluss auf die Wiedergeburt und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit einer Seele in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Wie ich schon sagte, hat Handeln einen Einfluss auf die Zukunft, in der ich noch nicht geboren bin und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit Leben in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Das ist ja das wissenschaftliche Prinzip von Ursache und Wirkung, dafür braucht man kein Karma und keine Religion. Wenn ich mich nicht komplett irre, ist dieses profane Prinzip von Ursache und Wirkung durch den Buddhismus mit seinem Karma auf eine andere Ebene gehoben worden, und wenn man das machen will, braucht man halt etwas Seelenartiges, damit das funktioniert.

  • Ich verstehe nicht, wieso man Karma nicht als eine besondere (nicht-christliche) Form von Seele sehen kann, wenn die Eigenschaften von Karma ganz offensichtlich darauf hindeuten und es solche Konzepte im Buddhismus sogar schon gibt ...

    Weil Karma ein Gesetz der Handlung ist und nicht Auskunft über die individuelle Wiedergeburt gibt. Das ist sozusagen das Alleinstellungsmerkmal des Buddhismus, dass es dort keine feststehende Seele gibt, die wiedergeboren werden könnte. Der Buddha hat von seiner Erleuchtung berichtet, das er das unendliche Werden und Entstehen im permanenten Wandel des Samsara gesehen hat. Alles, auch die Bewusstseinsströme, unterliegen diesem Wandel.

    In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen. Außerdem rede hier ja auch nicht von einer feststehenden Seele, sondern von etwas Seelenartigem. Damit Karma mehr ist als der natürliche Lauf der Dinge ein einem deterministischen Universum, braucht man etwas Seelenartiges, wie sonst sollte das funktionieren? Und wie gesagt, das ist ja nicht mal ein un-buddhistisches Konzept, weil es diese Vorstellung im Buddhismus ja zu geben scheint.

  • In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen.

    Du hast ein paar Sätze in Anführungszeichen gesetzt - aber Belege hast du für diese Zitate nicht gebracht.

    Es wäre hilfreich, wenn du das noch nachträgst, dann wissen wir hier worüber du redest.

    :zen:



  • Wie ich schon sagte, hat Handeln einen Einfluss auf die Zukunft, in der ich noch nicht geboren bin und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit Leben in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Das ist ja das wissenschaftliche Prinzip von Ursache und Wirkung, dafür braucht man kein Karma und keine Religion. Wenn ich mich nicht komplett irre, ist dieses profane Prinzip von Ursache und Wirkung durch den Buddhismus mit seinem Karma auf eine andere Ebene gehoben worden, und wenn man das machen will, braucht man halt etwas Seelenartiges, damit das funktioniert.

    ^ hat Handeln einen Einfluss Wo bleibt dein Ursache/Wirkungsprinzip ohne Handeln/Karma? Wo ist eine Ursache oder eine Wirkung, wenn kein Karma/Handeln? Was denn Buddhismus angeht, irrst du dich nicht, doch was die Tatsachen angeht.

  • wie ich schon sagte, hat Karma einen Einfluss auf die Wiedergeburt und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit einer Seele in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Wie ich schon sagte, hat Handeln einen Einfluss auf die Zukunft, in der ich noch nicht geboren bin und ist für jeden Menschen individuell/persönlich, das sind doch schon mal zwei typische Eigenschaften, die man mit Leben in Verbindung bringen würde. Das bestreitest du doch auch gar nicht, oder?

    Das ist ja das wissenschaftliche Prinzip von Ursache und Wirkung, dafür braucht man kein Karma und keine Religion. Wenn ich mich nicht komplett irre, ist dieses profane Prinzip von Ursache und Wirkung durch den Buddhismus mit seinem Karma auf eine andere Ebene gehoben worden, und wenn man das machen will, braucht man halt etwas Seelenartiges, damit das funktioniert.

    Es gibt im Buddhismus aber die Einsicht in anatman und in Anicca , also kein-selbst und Vergänglichkeit. Ich glaube ich bin nicht die selbe Person die ich vor 10 Jahren war, warum sollte es also eine unveränderliche Seele geben die wieder geboren wird? Bzw was würde wieder geboren werden? Ich denke im Sinne des Buddhas gibt’s es eben ein Vergehen und ein werden. Keine Reinkarnationen.


    Es gibt natürlich schon buddhistische Strömungen deren Interpretation nahe an einer reinkarnationslehre ist, aber auch “storehouse consciousness” ist keine Seele, vielmehr der Versuch eine Modell zu bauen in dem nicht-unmittelbar wirkende Karma folgen erklärt werden können. Ich glaube nicht dass das eine richtige Interpretation.


    Ich empfehle die Lektüre von MN38 https://suttacentral.net/mn38/…hlight=false&script=latin

  • In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen.

    Je mehr ich den Buddhismus kennen lerne, um so mehr wird mir klar: Man kann sich aus den vielen Strömungen und Varianten des Buddhismus 2 oder mehr diametral gegensätzliche Buddhismen zusammensetzen, die sich alle in teilen widersprechen oder unvereinbar erscheinen. Entsprechend kann eine Diskussion in diesem Forum kaum zum Ziel haben "Das ist die gültige Definition von Karma im Buddhismus" herauszufinden, vielmehr "Was sind buddhistische Sichten auf karma und welche Auswirkungen haben sie auf buddhistische Praxis und aufs Leben von Buddhisten und ihrem Umfeld".


    Ob nun eine Seelenwanderung statt findet oder nicht ist für mich, da bin ich ganz pragmatisch, einfach nicht relevant, ich beobachte keine Seelenwanderungen, ich beobachte keine Reinkarnation, und im großen und ganzen blieben alle Fragen der Ethik und der spirituellen Praxis für mich unverändert, wenn Reinkarnation oder Seelenwanderung teil meiner Erfahrungswelt wären. Das kann ich sagen weil ich überzeugt bin, dass die Gruselbilder von Wiedergeburten in Höllenwelten, als Hungergeister etc. im besten Falle Metaphern sind, im schlimmsten Falle Schreck-Geschichten zur Ängstigung der Bauern.

  • In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen.

    Du hast ein paar Sätze in Anführungszeichen gesetzt - aber Belege hast du für diese Zitate nicht gebracht.

    Es wäre hilfreich, wenn du das noch nachträgst, dann wissen wir hier worüber du redest.

    Ich habe einfach mehrere KI Chatbots danach gefragt, und das waren deren übereinstimmende Antworten.


    Vielleicht könnte ein Profi ja mal die Frage klären, ob es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die in Karma etwas Seelenartiges sehen.

  • Es muss ja keine klassische Seele sein. Das Konzept von einer unveränderlichen Seele finde ich auch unvernünftig. Aber warum nicht etwas Seelenartiges, etwas, dass einen Teil mitnimmt und lernen und sich verändern kann. Ohne das macht Karma für mich einfach keinen Sinn.

  • In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen.

    Je mehr ich den Buddhismus kennen lerne, um so mehr wird mir klar: Man kann sich aus den vielen Strömungen und Varianten des Buddhismus 2 oder mehr diametral gegensätzliche Buddhismen zusammensetzen, die sich alle in teilen widersprechen oder unvereinbar erscheinen. Entsprechend kann eine Diskussion in diesem Forum kaum zum Ziel haben "Das ist die gültige Definition von Karma im Buddhismus" herauszufinden, vielmehr "Was sind buddhistische Sichten auf karma und welche Auswirkungen haben sie auf buddhistische Praxis und aufs Leben von Buddhisten und ihrem Umfeld".


    Ob nun eine Seelenwanderung statt findet oder nicht ist für mich, da bin ich ganz pragmatisch, einfach nicht relevant, ich beobachte keine Seelenwanderungen, ich beobachte keine Reinkarnation, und im großen und ganzen blieben alle Fragen der Ethik und der spirituellen Praxis für mich unverändert, wenn Reinkarnation oder Seelenwanderung teil meiner Erfahrungswelt wären. Das kann ich sagen weil ich überzeugt bin, dass die Gruselbilder von Wiedergeburten in Höllenwelten, als Hungergeister etc. im besten Falle Metaphern sind, im schlimmsten Falle Schreck-Geschichten zur Ängstigung der Bauern.

    Na ja, eine Seelenwanderung, wie du es nennst, würde halt so viel mehr Sinn ergeben. Es muss ja nicht so extrem wie im Christentum sein. Aber das komplett zu negieren, ist halt auch wieder so ein Extrem. Warum hier nicht einen Mittelweg gehen und Karma einen Hauch von Seele zugestehen? Das würde alles so viel einfacher und verständlicher machen.

  • Hallo flopsy, :)

    Ich würde gerne verstehen, wie man sich das Konzept Karma genau vorstellen kann.

    Das Konzept "Karma" ist im Buddhismus eng verknüpft mit der Erkenntnis des Buddha von "anatta"....

    Zitat

    Ein wahres Verständnis der buddhistischen Karmalehre ist nur dem möglich, der einen tiefen Einblick in die Unpersönlichkeit (siehe anattā), u. Bedingtheit (siehe paccaya, paticcasamuppāda) aller Daseinsphänomene getan hat.


    »Überall in allen den Daseinsformen zeigt sich einem solchen bloß das durch Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen im Gange befindliche Geistige und Körperliche. Keinen Täter sieht er außerhalb der Taten, keinen die Karmawirkung Erfahrenden außerhalb der Karmawirkung. Daß aber die Weisen sich nur einer bloßen konventionellen Bezeichnung bedienen, wenn sie mit Hinsicht auf das Stattfinden einer Tat von einem 'Täter' und beim Eintritt ihrer Wirkung von einem die karmische Wirkung 'Erfahrenden' sprechen: das hat er in rechter Einsicht klar erkannt.


    https://www.palikanon.com/wtb/karma.html

    Zitat

    Diese Lehre von anattā oder der Unpersönlichkeit besagt, daß es weder innerhalb noch außerhalb der körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen irgend etwas gibt, das man im höchsten Sinne als eine für sich bestehende unabhängige Ich-Wesenheit oder Persönlichkeit bezeichnen könnte.

    Es ist dies die Kernlehre des ganzen Buddhismus, ohne deren Verständnis eine wirkliche Kenntnis des Buddhismus schlechterdings unmöglich ist, die einzige wirklich spezifisch buddhistische Lehre, mit der das ganze buddhistische Lehrgebäude steht und fällt. Alle anderen buddhistischen Lehren mögen mehr oder weniger auch in anderen Philosophien und Religionen anzutreffen sein, die Anattā-Lehre aber wurde in ihrer vollen Klarheit nur vom Buddha gewiesen, weshalb auch der Buddha als der anattā-vādī, der Verkünder der Unpersönlichkeit, bezeichnet wird.


    https://www.palikanon.com/wtb/anatta.html


    Ich weiß, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn man beim Karma von der Seele spricht, aber könnte man mit viel gutem Willen nicht sagen, dass Karma so eine Art Seele light ist?

    Ich denke nicht, dass es einen Sinn machen und in irgendeiner Weise nützlich oder hilfreich wäre, das zu tun.

    Denn Karma und Seele sind eben sehr unterschiedliche Konzepte, die man nicht (oder nur schlecht) direkt miteinander vergleichen kann.


    Karma bezieht sich auf Handlungen/Taten und deren Folgen, basiert auf dem Prinzip Ursache und Wirkung - in Bezug auf ethisches/moralisches Handeln - und ist ein fortlaufender Prozess, keine Entität.

    ("Karma, ihr Mönche, erkläre ich, sind die ABSICHTEN (der WILLE/cetana).")


    Als Seele wird ja eine unveränderliche, "ewige" Essenz des Individuums verstanden, ein fester, permanenter "Wesenskern".



    Vorstellungen von "Seele" oder "Seele light" würden die buddhistische Praxis, meines Erachtens, eher behindern, könnten zu Irritationen, Zweifeln und Verwirrung führen.


    Der Buddha hat die Existenz einer unsterblichen, beständigen Seele oder eines festen Wesenskerns verneint

    (und dafür waren gute Gründe, vor allem Einsichten/Erkenntnisse durch seine Befreiung, die Erfahrung von Nibbana, ausschlaggebend).



    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart:


    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Es muss ja keine klassische Seele sein. Das Konzept von einer unveränderlichen Seele finde ich auch unvernünftig. Aber warum nicht etwas Seelenartiges, etwas, dass einen Teil mitnimmt und lernen und sich verändern kann. Ohne das macht Karma für mich einfach keinen Sinn.

    "Reinkarnation" ist ja ein westliches Wort und da gibt es die Idee einer Seelenwanderung (Metempsychose): Eine Seele sucht sich einen neuen Körper. Es gibt eine Kontinuität im Grundcharakter


    Im Buddhismus ist das nicht der Fall. Auch wenn es eine Kontinuität im Bewußtseinstrom gibt, bleibt sonst nichts erhalten: Geschlecht, Aussehen und Charakter sind vollkommen anders. Es gibt keinerlei Gemeinsamkeit.


    Es ist verständlich, wenn sich theosophische Ideen der Seelenwanderung befriedigender anfühlen , wo die Seele nach und nach nach dazulernt und reift und sich so weiterentwickeln kann. Dagegen wirkt die buddhistische Lehre, wo nicht erhalten bleibt und nur die Taten weiterwirken unbefriedigend, sinnlos und sperrig.


    Aber der Grund dieser Sinnlosigkeit liegt eher im eigenen Bedürfnis, sich selbst und sei es nur in seinem Wesenskern zu erhalten.

  • Zitat

    So wie ich das verstehe, ist Karma eine persönliche, individuelle Eigenschaft (ist Eigenschaft eine passende Beschreibung?), die unsterblich/unvergänglich ist und eine wichtige Rolle dabei spielt, wie der Mensch wiedergeboren wird. Ist das richtig?

    Karma ist zunächst ein Konzept, das sich ein Mensch ausgedacht hat. Damit ist es vergänglich und möglicherweise ein Irrtum. Gleicht man klassische buddhistische Behauptungen über Karma mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ab, kann man es bereits widerlegen. Es ist keinerlei allgemeine "Vergeltung" im Sinne einer Gerechtigkeit nachweisbar. Auch mit thermodynamischen Gesetzen oder Ähnlichem kann man es nicht gleichsetzen. Es ist eine Kopfgeburt religiöser Natur. Das gilt erst recht für das Konzept von "Wiedergeburt" und irgendeinen Zusammenhang mit diesem Karma.


    Was übrig bleibt und feststellbar ist: Karma ist ein gewohnheitsmäßiges Denken, Sprechen, Handeln, das zur Verfestigung und Wiederholung neigt. Da man solche Gewohnheiten durch verschiedene Methoden, spirituelle, psychotherapeutische usw., auflösen kann, ist dieses Karma "endlich".


    Im buddhistischen Zen, und hier spreche ich bereits im Einklang mit dem frühen Chan, ist es als eine dualistische Idee zu durchschauen und als Konzept abzulegen. Der Zen-Buddhist befreit sich vom Karma, indem er es - wie alle anderen Gedanken - als "leer" durchschaut: Es hat keine inhärente Substanz, es ist nur ein (mehr oder weniger) "geschicktes (Lehr)Mittel".


    In Verdrehung und Anlehnung ans Monopoly würde ich sagen: "Gehe direkt zum Erwachen (Freiheit). Gehe nicht über Karma (Gefängnis)."

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Ich begebe mich da auf knackend dünnes Eis, aber wissenschaftliche Erkenntnisse? Welche? Es gibt bisher kein Verständnis, wie unser Bewusstsein und Denken tatsächlich funktioniert und ob wir eine Seele haben. Das physikalische Weltbild ist unvollständig.


    Mein Gedanke dazu:


    Ich verstehe Karma nicht als moralischen Punktezähler. Die meisten Taten verändern mich nicht körperlich, aber geistig (und ich sage absichtlich nicht seelisch). Buddhismus kommt also nicht ohne eine geistige Komponente aus. Es wäre kein Problem, die mit dem Körper sterben zu lassen, aber was erzeugt sie dann zur Geburt von Kindern? Wird immer wieder viel geistiger Zustand aufgebaut, der dann verschwindet, ohne etwas zu hinterlassen? Das kann man plausibel sicher verschieden beantworten.


    Geht man davon aus, dass viel meiner Identität in Wahrheit nicht existiert, und das ist eine mögliche Folgerung daraus, dass dieser Teil Ergebnis der Konstruktion ist, die sich aus meiner nicht ausreichenden Selbstbeobachtung ergibt (ähnlich wie die obskuren Weltbilder des Mittelalters sich aus der Beobachtung von viel zu wenig Fakten ergaben), dann ist die Idee eines festen Wesenskerns tot. "Ich denke, also bin ich" wird zur Tautologie, wenn Ich und Denken identisch sind: "Ich denke, dass ich bin."


    Das Gegenteil ist ebenso denkbar: Das mentale Modell vereinfacht noch viel mehr, als man meint. Die Realität, wie wir sie sehen, ist die Illusion, die durch die Seele erzeugt wird, um die zu komplexe wahre Realität dahinter zu vereinfachen. Tatsächlich ist unser ganzes Denken stets auf Vereinfachung und Abstraktion ausgerichtet. Dann würde man die Wahrheit nicht erkennen können und wir könnten unser Denken und unser Gehirn nicht verstehen, weil es nur eine Art Avatar ist, aber nicht wirklich unsere Identität.


    Im einen Extremfall überlebt also nichts Geistiges und das Selbstbewusstsein ist eine Illusion, die evolutionäre Vorteile bringt. Im anderen Extremfall überlebt eine Seele und unsere Realität ist die Illusion, deren Erzeugung evolutionäre Vorteile bringt.


    In der Mitte läge eine geistige Komponente, die nicht stirbt, aber nur ein Teil dessen ist, was die Identität ausmacht. So etwas wie ein Zustand, der das Handeln beeinflusst und von der Wirkung beeinflusst wird.


    Spielt es eine Rolle? Solange ich lebe, habe ich es mit den Wirkungen meines Handelns auf meine geistige Komponente zu tun. Der Rest ist eine Frage der Neugier, aber für die Zeit des Lebens im Grunde nicht entscheidend.

  • Hast du die verlinkte Sutta denn gelesen?

  • In dem Beitrag oben habe ich doch Zitate gebracht, die belegen, dass es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die das anders sehen.

    Je mehr ich den Buddhismus kennen lerne, um so mehr wird mir klar: Man kann sich aus den vielen Strömungen und Varianten des Buddhismus 2 oder mehr diametral gegensätzliche Buddhismen zusammensetzen, die sich alle in teilen widersprechen oder unvereinbar erscheinen. Entsprechend kann eine Diskussion in diesem Forum kaum zum Ziel haben "Das ist die gültige Definition von Karma im Buddhismus" herauszufinden, vielmehr "Was sind buddhistische Sichten auf karma und welche Auswirkungen haben sie auf buddhistische Praxis und aufs Leben von Buddhisten und ihrem Umfeld".


    Ob nun eine Seelenwanderung statt findet oder nicht ist für mich, da bin ich ganz pragmatisch, einfach nicht relevant, ich beobachte keine Seelenwanderungen, ich beobachte keine Reinkarnation, und im großen und ganzen blieben alle Fragen der Ethik und der spirituellen Praxis für mich unverändert, wenn Reinkarnation oder Seelenwanderung teil meiner Erfahrungswelt wären. Das kann ich sagen weil ich überzeugt bin, dass die Gruselbilder von Wiedergeburten in Höllenwelten, als Hungergeister etc. im besten Falle Metaphern sind, im schlimmsten Falle Schreck-Geschichten zur Ängstigung der Bauern.

    Na ja, eine Seelenwanderung, wie du es nennst, würde halt so viel mehr Sinn ergeben. Es muss ja nicht so extrem wie im Christentum sein. Aber das komplett zu negieren, ist halt auch wieder so ein Extrem. Warum hier nicht einen Mittelweg gehen und Karma einen Hauch von Seele zugestehen? Das würde alles so viel einfacher und verständlicher machen.

    Das verwirrt mich jetzt, im mainstream Christentum gibt es keine Seelenwanderung. Worauf beziehst du dich?

  • Das Konzept von einer unveränderlichen Seele finde ich auch unvernünftig. Aber warum nicht etwas Seelenartiges, etwas, dass einen Teil mitnimmt und lernen und sich verändern kann. Ohne das macht Karma für mich einfach keinen Sinn.

    Die Frage nach Deiner Seele kannst Du auch höchstpersönlich beantworten (lassen), hierfür gibt es im Buddha-Dhamma das "Werkzeug" der Meditation, hier eine gängige Übung:


    Nimm eine bequeme, aber aufrechte Haltung ein, am besten mit leicht geöffneten Augen.

    Stell Dir einen Wecker auf etwa 25 Minuten.

    Entspann Dich vollständig wie eine Katze vor dem Mauseloch, sei entspannt aber hellwach.


    Und jetzt die wichtigtse Regel:

    Bis zum Läuten des Weckers darfst Du unter keinen Umständen an Flopsy denken.

    Du darfst Dich auch nicht mit anderen Gedanken oder künstlich erzeugten Gefühlen von dieser wichtigsten Regel ablenken. Bleib einfach wach und entspannt ohne zu denken.

    Es ist nur ein Spiel, ohne Erfolgsdruck.


    Nachdem der Wecker geläutet hat, hast Du die Antwort, sie kam "aus der Tiefe des Raumes".


    Der nahe Feind von "wach" ist aufgeputscht, durch Kaffee oder Sonstiges.

    Der nahe Feind von "entspannt" ist schläfrig, dumpf, dösend.


    Wenn es nicht auf Anhieb klappt:

    Nachts im Bett in der Shavasana-Stellung ist die Übung oft ein hervorragendes Schlafmittel.


    :angel:

  • Vielleicht könnte ein Profi ja mal die Frage klären, ob es im Buddhismus Strömungen/Schulen gibt, die in Karma etwas Seelenartiges sehen.

    Wir sind hier ja alle Profis. (: :D

    Aber die Idee ist gut. Man könnte an das Büro des Dalai Lamas, an die Deutsche Buddhistische Union, oder an den Zen Meister Muho diese Frage richten. Ich denke Du würdest dort sogar Antworten auf Deine Frage bekommen.

    Alles Gute!