Sind die klassischen Texte insgesamt für jeden Buddhisten verbindlich?

  • Was macht man mit diesen Texten, die so einen Schmarrn vertreten?

    1. Man legt sein Vorurteil, dass sie einen Scharrn sind, mal für längere Zeit beiseite.
    2. Man studiert unvoreingenommen die Lehrrede, um die Intention Buddha Sakyamuni zu erfassen und zu verstehen.
    3. Es ist hilfreich, weitere Lehrreden Buddha Sakyamuni dafür heran zu ziehen. Allein in den Lehrreden des Majjhima Nikaya behandelt Buddha Sakyamuni in 30 von den 150 Suttas das Thema Kamma.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Was macht man mit diesen Texten, die so einen Schmarrn vertreten?

    1. Man legt sein Vorurteil, dass sie einen Scharrn sind, mal für längere Zeit beiseite.
    2. Man studiert unvoreingenommen die Lehrrede, um die Intention Buddha Sakyamuni zu erfassen und zu verstehen.
    3. Es ist hilfreich, weitere Lehrreden Buddha Sakyamuni dafür heran zu ziehen. Allein in den Lehrreden des Majjhima Nikaya behandelt Buddha Sakyamuni in 30 von den 150 Suttas das Thema Kamma.


    Ich persönlich halte es mit der Empfehlung an die Kalamer: "Geht, Kalamer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftsgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kalamer, selber erkennt: Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann o Kalamer, möget ihr sie aufgeben.“ Das gilt für mich auch und gerade für die klassischen Texte, die eben NICHT autoritatives Buddhawort sind, sondern Ausdruck des Glaubens und des Erkenntnisstands der Väter, dem ich mich anschließen kann oder auch nicht.


    Das Wort Buddhist wird von vielen Lehrern nicht verwendet, stattdessen sagen sie, sie sind Anhänger oder Übende des Buddha- Dharmas. Als solcher gehört der Glauben an ein Leben im Jenseits dazu, auch das mit dem Karma, alles was in den Schriften steht. Sonst ist man kein Anhänger des Buddha- Dharmas. Denn dieses Religiöse gehört zu der Lehre dazu.

    Das ist nicht richtig. Was dazugehört und was nicht, wird in den verschiednen Traditionen sehr unterschiedlich gesehen. Wenn Du mit "den Schriften" den Pali-Kanon meinst, was ich vermute, dann ist das erstmal nur der verbindliche Kanon EINER Tradition, des Theravada.



    Warum hältst du das den für einen Schmarrn? Solltest nicht gerade du als Globaler Moderator die tiefe dieser Lehren erkennen und ein Vorbild sein?

    Na, das mit dem Vorbild sehe ich lediglich in der Frage des Umgangs hier: wertschätzend und tolerant. Ich versuche darauf zu achten, dass diese Werte in Kommunikation hier Beachtung finden.


    Ich bin kein Guru, der irgendwas besser wüsste als andere. Das maße ich mir nicht an. Ich bin auch kein Verteidiger eines „wahren“ Buddhismus. Ich weiss auch gar nicht, was das sein sollte. Ich habe meine eigenen Überzeugungen, wie jeder andere auch, die ich auch vertrete. Ich erkenne dabei an, dass meine Ansichten im fluss sind und sich ändern, dass ich dazu lerne und andere vielleicht doch recht haben. Frage mich also morgen nochmal, ob ich dies oder das immer noch als "Schmarrn" bezeichnen würde. Derzeit tue ich dies.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann o Kalamer, möget ihr sie aufgeben.“ Das gilt für mich auch und gerade für die klassischen Texte, die eben NICHT autoritatives Buddhawort sind, sondern Ausdruck des Glaubens und des Erkenntnisstands der Väter, dem ich mich anschließen kann oder auch nicht.

    1. Warum sind die überlieferten Lehrreden Buddha Sakyamunis kein autoratives Buddhawort, sondern nur ein Ausdruck des Glaubens?
    2. Warum glaubst du denn, dass wir heute besseres Wissen über die Themen, die Buddha Sakyamuni gelehrt hat, besitzen?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

    Einmal editiert, zuletzt von Helmut ()

  • Warum sind die überlieferten Lehrreden Buddha Sakyamunis kein autoratives Buddhawort, sondern nur ein Ausdruck des Glaubens?

    Ich bin über diese Frage an Hendrik erstaunt.


    In meiner Wahrnehmung ist es im größten Teil der buddhistischen Bewegung Konsens, dass es immer um den eigenen Weg und das Erforschen geht.


    Deswegen ist auch das Begriff "Buddhismus", den es so auch nur im Westen gibt, völlig falsch. Es gibt eben keine abgeschlossene Lehre, sondern eine 2500-jährige gemeinsame Forschungsreise.


    Nur sektenartige Randgruppen benutzen m.W. historische Texte als angebliche Quelle letztgültiger Wahrheiten, die zu glauben und denen blind zu folgen wäre.

  • Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden‘, dann o Kalamer, möget ihr sie aufgeben.“ Das gilt für mich auch und gerade für die klassischen Texte, die eben NICHT autoritatives Buddhawort sind, sondern Ausdruck des Glaubens und des Erkenntnisstands der Väter, dem ich mich anschließen kann oder auch nicht.

    1. Warum sind die überlieferten Lehrreden Buddha Sakyamunis kein autoratives Buddhawort, sondern nur ein Ausdruck des Glaubens?
    2. Warum glaubst du denn, dass wir heute besseres Wissen über die Themen, die Buddha Sakyamuni gelehrt hat, besitzen?


    Danke für die Fragen. Es ist sicher wichtig, das einmal zu erörtern.


    Die akademische Buddhologie ist sich weitgehend darüber einig, dass die uns heute vorliegenden Texte NICHT wie eine Mitschrift original Buddhawort sein können. Zwischen gesprochenem Wort und Niederschrift sind 400 oder 500 Jahre vergangen. Es hat mehrere Übersetzungsszenarien gegeben, viel Interpretationsarbeit, bei der Mönche das vorliegende Matarial an die Bedürfnisse ihrer Zeit angepasst haben und die Texte redaktionnell bearbeiteten.


    Der Oriantalist Johannes Bronkhorst z.B. schreibt, die klasssichen Texte seien sicher nicht Buddhawort aber sie enthalten Buddhawort.


    Nun finden wir auch Widersprüchliches in den klasssichen Texten. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie zum Teil Spiegel der vielen alten Schulen sind, die alle bis auf das Theravada untergingen. Die bud. Tradition hat mit viel Aufwand versucht, diese in ein einheitliches System zu quetschen - und sind (nicht nur meiner Meinung nach) gescheitert.


    Der Indologe Jens-Uwe Hartmann schreibt: "Gelehrte Mönche trugen nicht nur ihre eigene Auslegung der Lehren des Buddha vor, sondern zitierten gleichzeitig abweichende Lehrmeinungen anderer Gelehrter, mit denen sie sich auseinandersetzten. Aus diesen Schriften tritt uns das Bild einer lebendigen Gelehrtengemeinschaft entgegen."


    Man kann das an den Texten auch linguistisch zeigen, dass Elemente um ein Buddhawort herum arrangiert wurden, immer wieder was hinzugefügt und abgeändert wurde. Es gibt ein paar aufschlussreiche Fussnoten in der Übersetzung der Mittleren Sammlug von Kurt Schmidt dazu, die man sich als Einstieg mal ansehen kann. Die Suttas sind späte Kompositionen. Die Lebensbeschreibung Buddhas reine hagiografische Fantasie.


    In einer der ältesten Schriftsammlungen der Pali-Literatur, dem Sutta Nipata, den frühbuddhistischen Lehrdichtungen, begegnet uns dann auch ein ganz anderer Buddha als in den späteren Sutten-Sammlungen. Im Muni-Sutta etwa finden wir lediglich einen Asketen und keinen erleuchteten Königssohn, der Adelige und Könige zur Belehrung empfängt, und der Vorsteher einer großen Mönchsgemeinde ist.


    Das alles sind nichtmal irgendwelche neueren Thesen in der Buddhologie, sondern seit Jahrzenten anerkannt, Mainstream quasi. Nur die bud. Community liest die Texte noch wie ein evangelikaler Christ seine Bibel: Als wörtliches Zeugnis des Religionsgründers.


    Das bedeutet, wir finden in den Texte, was die frühe Gemeinde für das Dharma hielt, was ihr wichtig war – und da waren sich nicht immer alle einig. Deshalb sind die Texte nicht weniger wertvoll. Im Gegenteil. SIe sind ja das früheste Zeugnis, das wir haben.


    Und das bedeutet nicht, dass wir "besseres Wissen" über die Buddhalehre haben. Wir haben einen anderen Zugang. So wie alle Menschen vor uns einen eigenen Zugang hatten.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Hilfe! Hendrik


    Anscheinend wurde das wo abgetrennt. Um welchen Text geht es denn?


    Schon mal danke, Aravind.

    Ganz allgemein. Kein spezieller Text. Aber Ausgangspunkt war MN135, in dem man lesen kann, dass wer zum Beispiel an einer Krankheit leidet, selbst Schuld ist, weil er in seinem früheren Leben irgendwas tat, was heute diese Krankheit bedingt.

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    Nagarjuna

  • Hendrik ? Solltest nicht gerade du als Globaler Moderator die tiefe dieser Lehren erkennen und ein Vorbild sein?

    Soweit kommt es noch! ;)


    Moderatoren sollen hier moderieren, und nicht die Lehre oder Praxis auslegen, und sie müssen auch keine leuchtenden Vorbilder sein. Sie sind keine Lehrer, und sollen es auch gar nicht sein.



    Liebe Grüße, Aravind.

  • Moderatoren moderieren in Grünen Kästchen. Ansonsten sind sie als User zu akzeptieren.

  • Zitat

    Sind die klassischen Texte insgesamt für jeden Buddhisten verbindlich?

    Aber sicher, auf Zuwiderhandlung stehen mindestens 2 Jahre Zwangsmeditation.


    Ernsthaft(er) - ich würde niemanden, der bestimmte zentrale (ganz egoistisch für mich zentral) Inhalte des Buddhawortes nicht akzeptiert als Buddhisten bezeichnet.

    In diesem Sinne halte ich einige klassische Texte für verbindlich. Das ist unabhängig davon, wie die Übertragung dieser Texte erfolgt ist.


    Andererseits kann ich Gedanken, die in anderen Beiträgen hier geäußert wurden, gut verstehen - Buddhismus mehr als Prozess, als Entwicklung denn als einmal definierter Zustand macht Sinn für mich. Wir als Menschheit entwickeln uns weiter (technisch, sozial, wissenschaftlich), damit verändern sich auch unsere Möglichkeit Leiden zu erfahren und wir müssen darauf reagieren.


    Im 30jährigen Krieg sind hier in Nord/Zentraleuropa 40% aller Menschen getötet worden, trotzdem hatte niemand die Möglichkeit, mit ein paar Schreibtischentscheidungen Millionen auf der anderen Seite der Erde zu töten...


    Die Kalamer Rede - ich komme immer wieder darauf zurück!

  • Viele Texte hören auf, "Schmarrn" zu sein, wenn Lehre und Praxis Früchte zeigen. Daher ist am Anfang sehr viel "Schmarrn" in den klassischen Texten zu finden, aber der wird weniger, da "Schmarrn" einem zunehmenden Verstehen Platz macht. Allerdings macht die voreilige Wertung "Schmarrn" einiges sehr schwer, was mit anfänglichem Vertrauen weit besser funktioniert: Ich verstehe zwar nicht genau, was gemeint ist, aber ich lasse es erst einmal stehen. Vielleicht erschließt sich mir die Bedeutung später.


    Die Leute damals waren im Zweifelsfalle nicht dümmer als wir heute, wenn es um buddhistische Lehre und Praxis aus der Binnenperspektive heraus geht. Eher muss man vom krassen Gegenteil ausgehen. Sie wussten wahrscheinlich sehr genau, was, wie und warum sie etwas taten und vertraten. Und da es auch nach Buddha noch viele Erwachte gegeben hat, sind Bedeutung und Inhalt, wie sie im Palikanon dargestellt wird, eher der Lehre des historischen Buddha entsprechend, als dass sie es nicht sind, weil sie zumeist aus der Perspektive des Erwachens heraus zusammengestellt, aufgeschrieben und übersetzt wurden.


    Die Frage, die ich mir immer stelle, ist die, warum Menschen bestimmte Texte als so wichtig erachteten, dass sie über Jahrhunderte tradiert wurden. Vielleicht geht es oft gar nicht darum, ob etwas widerspruchsfrei sich in das andere fügt oder ob es faktisch wahr ist. Vielleicht geht es manchmal auch darum, dass ein spezielle Aspekt in einem Text, einem Bild oder einer Metapher besonders gut zum Ausdruck kommt.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

    5 Mal editiert, zuletzt von Thorsten Hallscheidt ()

  • Andererseits kann ich Gedanken, die in anderen Beiträgen hier geäußert wurden, gut verstehen - Buddhismus mehr als Prozess, als Entwicklung denn als einmal definierter Zustand macht Sinn für mich. Wir als Menschheit entwickeln uns weiter (technisch, sozial, wissenschaftlich), damit verändern sich auch unsere Möglichkeit Leiden zu erfahren und wir müssen darauf reagieren.

    Ich dachte die Vier Edlen Wahrheiten sind zeitlos - immer gültig. :? Warum sollten diese sich ändern ? Nicht mehr gültig sein. Ich dachte sie sind universell- zeitlos gültig. Naja. Also ich verstehe dieses mit dem Prozess nicht. Es ist die Buddha- Lehre, diese ist zeitlos.

    Der Weise, der, auf Sittlichkeit gestützt,

    Den Geist entfaltet, sich in Weisheit übt,

    Ein solch entschlossener und weiser Jünger

    Mag dieses Lebens Wirrsal einst entwirren.


    (Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya).

  • Ich dachte die Vier Edlen Wahrheiten sind zeitlos - immer gültig.

    Schon da geht es doch los. Gibt es ein Leben ohne Leiden? Was ist Leiden überhaupt? Und wie sieht die Befreiung aus ... ?


    Ich könnte dir da einige Ordinierte vorstellen, die sich beim Thema 4EW lieber noch Mal ein neues Bier holen gehen ;)

  • Nur die bud. Community liest die Texte noch wie ein evangelikaler Christ seine Bibel: Als wörtliches Zeugnis des Religionsgründers.

    Autsch! :eek: Nee, mal im Ernst - die Sutten des Palikanon halten im Westen wohl nur noch wenige beinharte Theravadin allen Ernstes für authentisches buddhavacana - 'Wort Buddhas'. Nicht zuletzt dank textgeschichtlicher Untersuchungen von Theravada-Ordinierten wie etwa Bhikku Anālayo.


    Natürlich ist blanke Textgläubigkeit und Fundamentalismus das, was Mahāyāna-Texte als Śrāvakayāna bezeichnen und selbst in diesem Śrāvakayāna gibt es den eindringlichen Hinweis, nicht an Regeln und Riten zu haften - erst recht sollte man dies nicht an mehr oder weniger zuverlässig tradierten Texten. Jedenfalls setzt dieses Fahrzeug eine Kanonisierung von Texten voraus, auch, wenn das Ergebnis (der Textkorpus) nicht immer widerspruchsfrei ist. Was wiederum auf Differenzen in der ihre Textüberlieferung kanonisierenden Gemeinschaft bzw. auf unterschiedliche Überlieferungsstränge schließen lässt.


    Dessenungeachtet gibt es ja einen gewissen Konsens, was als 'buddhistisch' gilt und was nicht und der DBU war da seinerzeit mit ihrem 'Buddhistischen Bekenntnis' eine mE brauchbare Definition gelungen, die in wenigen Sätzen aufzeigt, was 'Buddhismus' ist bzw. welche Grundaussagen Gemeinschaften, die sich als Teil des vierfachen Sangha verstehen, teilen. Einen vergleichbaren Ansatz muss es auch etwa bei der Rezeption indischer bzw. zentralasiatischer buddhistischer Texte in China gegeben haben. Also Kriterien, welche Texte 'buddhistisch' sind und welche nicht.


    Die kanonischen Texte sowohl des Palikanon wie des deutlich umfangreicheren chinesischen Tripitaka und des vergleichsweise schmalen tibetischen Kanon sind das Produkt der Sangha, dessen Aufgabe es ist, den Buddhadharma zu übertragen - ein Prozess, den Buddha in Gang setzte. So wirken die 'drei Juwelen' zusammen als Zufluchtsobjekt.


    Eine praktische Anmerkung. Grundsätzlich halte ich das Thema 'karma' in solchen Diskussionszirkeln für toxisch; Diskussionen über diesen Begriff im buddhistischen Kontext leiden nach meiner Erfahrung regelmäßig an heftigen beiderseitigen Missverständnissen, was dieser Begriff (der sich nebenbei bemerkt, im 'Buddhistischen Bekenntnis' nicht findet) im buddhistischen Kontext tatsächlich bedeutet - speziell unter den Implikationen 'bedingten Entstehens' pratītyasamutpāda und 'Nicht-Identität' anātman - beides Aspekte von Leere, śūnyatā.


    Was das Thema kompliziert: vulgäre Missverständnisse des buddhistischen karma-Begriffs lassen sich, wenn man gründlich genug sucht, auch in kanonischen Schriften finden; und das ist ja auch Dein Problem, Hendrik . Im Saddharmapuṇḍarīkasūtra (2. Kapitel) wurde dieses Problem mit einem Modell unterschiedlicher hermeneutischer Level angegangen; der Doktrin von den upāya kauśalya, deren logische Konsequenz das Konzept des 'Einen Fahrzeugs' Ekayāna ist.


    Ansonsten im Anklang an eine andere aktuelle Diskussion ein persönlicher Rat (so er mir erlaubt ist): für ein tieferes Verständnis des buddhistischen karma-Begriffs halte ich es für sinnvoll, die ganze Befrachtung mit hinduistischen und jainistischen (ātman-lastigen) Ideen und erst recht diversen esoterischen Wiedergeburtsfantasien über Bord zu werfen und ihn mit Schopenhauers Willensbegriff zu vergleichen. Die Brücke stellt hier Buddhas überlieferter Verweis auf cetanā, den Willen / die Absicht, als treibenden Impuls des Handelns (= wörtl. karma) dar. Wobei ich freilich Nyānatiloka Mahātheras Interpretation von cetanā als einem bewussten Willen für abwegig bzw. von theistischem Schuld - Denken infiziert halte (irgendwer muss an karma ja wohl schuld sein ... :roll: ). Ich sehe das eher triebgesteuert, durch avidyā bestimmt. Schopenhauers blinder Wille trifft es mE besser.


    OM MONEY PAYME HUNG

  • Nur die bud. Community liest die Texte noch wie ein evangelikaler Christ seine Bibel: Als wörtliches Zeugnis des Religionsgründers.

    Autsch! :eek: Nee, mal im Ernst - die Sutten des Palikanon halten im Westen wohl nur noch wenige beinharte Theravadin allen Ernstes für authentisches buddhavacana - 'Wort Buddhas'.


    Wie schade, denn das Buddhawort ist meiner Beobachtung nach in den wesentlichen Erklärungen erhalten. Es lohnte sich, davon auszugehen und mit vertrauen anzunehmen.


    Aber letztlich muss man sich ein eigenes Urteil bilden. Bloss nach Hörensagen gehen ist nicht das wozu Buddha aufforderte.

  • Ansonsten im Anklang an eine andere aktuelle Diskussion ein persönlicher Rat (so er mir erlaubt ist): für ein tieferes Verständnis des buddhistischen karma-Begriffs halte ich es für sinnvoll, die ganze Befrachtung mit hinduistischen und jainistischen (ātman-lastigen) Ideen und erst recht diversen esoterischen Wiedergeburtsfantasien über Bord zu werfen


    Welche 'Fantasien' meinst du denn damit konkret?

  • Ich dachte die Vier Edlen Wahrheiten sind zeitlos - immer gültig.

    Schon da geht es doch los. Gibt es ein Leben ohne Leiden? Was ist Leiden überhaupt? Und wie sieht die Befreiung aus ... ?


    Ich könnte dir da einige Ordinierte vorstellen, die sich beim Thema 4EW lieber noch Mal ein neues Bier holen gehen ;)

    Aber dann sind die jenigen doch bei weitem nicht bereit ordiniert zu sein, oder verstehe ich da etwas falsch? Davon abgesehen das selbst Laien-Buddhisten auf berauschende Mittel verzichten sollen.

  • Zitat

    Der Buddhismus ist eine der fünf großen Weltreligionen mit geschätzten 450 Millionen Anhängern. Besonders stark ist er in Asien verbreitet, in Österreich bekennen sich mehr als 20.000 Menschen zum Buddhismus. Im Zentrum stehen die Lehren des Buddha.

    Lexikon der Religionen

    Was wir von der Lehre des Buddha haben ist die Überlieferung, z.B. der Palikanon. Darin sind viele Lehrreden enthalten in denen es eindeutig um das fortgesetzte Dasein (Wiedergeburt) gemäß der Handlungen (Karma) geht. Diese Lehre wird von den meisten Buddhisten, hunderte Millionen, anerkannt.


    Ob sie stimmt oder nicht, darüber lässt sich ja diskutieren. Was mich betrifft, so halte ich es für wahrscheinlicher dass sie stimmt als dass sie nicht stimmt. Dafür gibt es zu viele Gründe als dass ich sie in einer Diskussion ausführen könnte, weshalb es mir kaum sinnvoll erscheint, mich an einer solchen zu beteiligen.


    Schon gar nicht wenn sie mit Herabsetzungen Andersdenkender verbunden ist.

    Das vor allem deshalb weil ich es auch für sehr wahrscheinlich halte, dass niemand in diesem Forum die Wirklichkeit in dieser Hinsicht tatsächlich wahrnehmen kann. Ein respektloser Kleinkrieg der Ansichten ist mir aber zutiefst zuwider.

  • Nur die bud. Community liest die Texte noch wie ein evangelikaler Christ seine Bibel: Als wörtliches Zeugnis des Religionsgründers.

    Autsch! :eek: Nee, mal im Ernst - die Sutten des Palikanon halten im Westen wohl nur noch wenige beinharte Theravadin allen Ernstes für authentisches buddhavacana - 'Wort Buddhas'. Nicht zuletzt dank textgeschichtlicher Untersuchungen von Theravada-Ordinierten wie etwa Bhikku Anālayo.

    Das, mein lieber Sudhana, nehme ich komplett anders wahr. Es wäre ja schön, wenn es breit durchgedrungen wäre.


    Beispiele:


    In der Diskussion um Frühbuddhistische Texte bezeichnen Bhikkhu Sujato und Bhikkhu Brahmali alle Texte, denen ein "So habe ich gehört" vorangestellt ist, als authentisches Buddhawort. Bhikkhu Bodhi und viele andere sehen das meines Wissens ebenso. An dieser Wendung erkenne man authentisches Buddhawort.Tatsächlich sind gerade diese Lehrreden komponiert.


    Die Vier Edlen Wahrheiten stellen eine spätere Systematisierung der Lehren dar und wurden von Buddha niemals in dieser Weise gelehrt. Ist das allen hier im Forum und in den Sanghen klar?


    Die gesamte Bio Siddhartha Gautamas (Königssohn, isoliert von der Welt aufgewachsen, die Gründe für seinen Aufbruch in die Hauslosigkeit, seine Suche, das spätere Erwachen unter dem Bodhibaum) ist hagiografische Erfindung. Ist das allen hier im Forum und in den Sanghen klar?


    Es heißt in Diskussionen in 99,99% der Fälle "Buddha hat gesagt", dabei müsste es redlich heißen: "Man sagt, Buddha habe gesagt..." oder, "In den klassischen Texten heißt es, Buddha habe gesagt..." oder "Die Alten sagen, Buddha habe gesagt...". Ist das allen hier im Forum und in den Sanghen zum klar?


    Würde man letzeres praktizieren, manche Diskussion um Inhalte würde höflicher verlaufen, weil sich die Beteiligten darüber im klaren sind, dass wir über Gehörtes aus dritter, vierter usw. Hand sprechen, über eine Interpretation der Lehre und nicht über authentisches Buddhawort.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • (...)

    Würde man letzeres praktizieren, manche Diskussion um Inhalte würde höflicher verlaufen,

    (...)

    Ohne abwertende Begriffe wie "Schmarrn" würden Diskussionen auch höflicher verlaufen, wenn das deine Motivation hinter dieser Unterhaltung hier ist.

  • Ist das allen hier im Forum und in den Sanghen klar?

    Ist Dir klar, dass all diese Konzepte für die Praxis völlig irrelevant sind?

    :grinsen:


    Spätestens seit dem Mahayana ist mit Buddha auch nicht mehr unbedingt der historische Buddha gemeint. Buddha bezeichnet einen erwachten Menschen, einen, der auf der anderen Seite angekommen ist, jemanden, der die Geistesgifte überwunden hat. Aus dieser Perspektive und von solchen Menschen sind die Texte gesammelt und verfasst. Zumindest kann man das annehmen. Da es aber nur Worte sind, gibt es natürlich Diskussionen. Das ist ja auch gut. Dadurch vertieft sich das theoretische Verständnis. Aber erst die Erfahrung kann das Geschriebene verifizieren. Und ich gehe davon aus, dass die Texte als wichtig für den Buddhismus gelten, gerade weil sie von vielen Menschen verifiziert werden konnten. Verifiziert im Sinne von hilfreich für die Praxis. Dabei ist es völlig egal, ob die Aussagen von Siddhartha Gautama, einem Zen-Meister, Nagarjuna, Buddhaghosa oder von den Mainzelmännchen stammen, sofern eines von ihnen erwacht ist.


    Die zentrale Diskussion sollte nicht sein: Hat der historische Buddha das wirklich gesagt? Sondern die Frage muss sein: Ist es hilfreich für Erkenntnis und Praxis.


    Und bei letzterem zeigen es oft erst die Zeit, die Ausdauer und die Intensität der Praxis, ob eine Aussage hilfreich ist oder nicht. Ich jedenfalls habe häufiger Sutren im Laufe der Zeit als immer hilfreicher empfunden, als dass das Gegenteil der Fall gewesen wäre.


    Buddha hat gesagt bedeutet: Aus der Sicht eines erwachten Menschen stellt sich die Realität folgendermaßen dar.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

    3 Mal editiert, zuletzt von Thorsten Hallscheidt ()

  • Würde man letzeres praktizieren, manche Diskussion um Inhalte würde höflicher verlaufen,

    Mir gefällt die Formulierung "gemäß der Überlieferung", das klingt so schön altmodisch und getragen.


    Leibe Grüße, Aravind.

  • (...)

    Würde man letzeres praktizieren, manche Diskussion um Inhalte würde höflicher verlaufen,

    (...)

    Ohne abwertende Begriffe wie "Schmarrn" würden Diskussionen auch höflicher verlaufen, wenn das deine Motivation hinter dieser Unterhaltung hier ist.

    Es ging ja um die Aussage in MN135. Die dort ausgebreitete Vorstellung müsste man mit noch viel stärkeren Worten als "Schmarrn" zurückweisen, weil sie – buddhistisch gesprochen und damit sehr sehr zurückhaltend kritisiert – "unheilsam" sind.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • (...)

    Würde man letzeres praktizieren, manche Diskussion um Inhalte würde höflicher verlaufen,

    (...)

    Ohne abwertende Begriffe wie "Schmarrn" würden Diskussionen auch höflicher verlaufen, wenn das deine Motivation hinter dieser Unterhaltung hier ist.

    Es ging ja um die Aussage in MN135. Die dort ausgebreitete Vorstellung müsste man mit noch viel stärkeren Worten als "Schmarrn" zurückweisen, weil sie – buddhistisch gesprochen und damit sehr sehr zurückhaltend kritisiert – "unheilsam" sind.

    Man kann die meisten Wörter und fast alle Sätze auf viele Weise interpretieren. Vielleicht hilft es konkrete unheilsame Interpretationen in konkreten Situationen in Frage zu stellen (und ich würde jedem raten, ein Auge darauf zu haben, wie was wirkt, und von - im Moment - Unheilsamen die Finger zu lassen. Im Verlauf meiner Praxis ist es mir aber auch schon begegnet, dass ich ehemals Fragwürdigem mittlerweile sorgsam angewendet einiges abgewinnen kann).

    Ich hab diese Emotionalität der Karma-Diskussion verstanden, als ich gelesen habe, wie er in Walddorfschulen benutzt wurde, als Rechtfertigung für‘s Schlagen von Kindern. Gegen die Handlung und gegen die Rechtfertigung diskutier ich dir so viel du willst.