Fundamentalkritik

  • Doris Rasevic-Benz:
    Sunu:


    Der Mensch wäre nicht da, wenn die Natur den Menschen nicht " brauchen" würde.


    Das halte ich für eine verwegene These. Sehr christlich. Die Theodizee des homo sapiens.



    Für mich ist es eher eine christliche Einstellung wenn man sich als "outständing" homo sapiens wahrnimmt, anstatt als " dazu-." bzw. "zusammengehörig".

  • Sunu:

    ...
    Der Mensch wäre nicht da, wenn die Natur den Menschen nicht " brauchen" würde. In diesem Moment ist er aber da und somit gehört er dazu und ist unverzichtbar...Die Evolution führt nicht am Menschen vobei.
    ...


    Wie, was, wo? Habe ich da einige Forenbeiträge übersprungen?


    Also - die Natur (was immer das auch sein mag) braucht den Menschen nicht. Vielleicht ist in Deinem Bild von Natur so etwas wie Mensch als äußerste Spitze der Evolution notwendig, ich brauche es nicht unbedingt.


    Die "Natur" auf unserem kleinen Planeten würde auch ohne uns noch einige Milliarden Jahre weiter laufen, bis sich unsere Sonne zu einem Gasball aufbläst, der uns verschlingt...


    Um zu verstehen, wie wertvoll unser eigenes Leben ist - der ganze Unfug ist Nebensache :clown:


  • Das hat nichts mit einer Spitze der Evolution zu tun....sondern mit Augenhöhe....
    Das ist bedingtes Entstehen....der Mensch ist bedingt entstanden durch das was er "Natur" nennt und die "Natur" entsteht bedingt durch den Menschen. Eine Natur ohne Menschen ist reine Spekulation...da es das nicht gibt.... Und wenn du sagst, früher gab es keine Menschen....dann gab es aber dort genau die Bedingungen, die im hier und jetzt zum Menschen geführt haben. Ich glaube kaum jemand ist bereit Verantwortung zu übernehmen für das was ist....deshalb separiert man sich, bzw. distanziert man sich lieber....

  • Sunu:


    Für mich ist es eher eine christliche Einstellung wenn man sich als "outständing" homo sapiens wahrnimmt, anstatt als " dazu-." bzw. "zusammengehörig".


    Ich denke, ich verstehe auf was Du hinauswillst.
    Aber trotzdem hinkt das. Auch ohne die Tierart homo sapiens wird es weiterhin Leben auf der Erde geben. Die Erde wird etwas anders aussehen und teilweise wird es zu Katastrophen ungeahnten Ausmaßes kommen, weil die Brennstäbe die Umgebung verseuchen werden, und zwar an sehr vielen Orten der Erde, Dämme werden brechen und viele andere unserer Hinterlassenschaften werden der Nachwelt Probleme berieten, aber das Ökosystem wird sich einpendeln. Wie immer. Nach jeder globalen Katastrophe. Und, so leid es mir tut, ich empfinde unsere Art momentan als eine solche. So wie Algen in einem See, die ungehemmt wachsen und dann zur Eutrophierung führen. Der See ist dann biologisch tot. Zumindest für eine längere Zeit.


    https://www.youtube.com/watch?v=w3vEMUC4Eb0

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Sunu:

    ...
    Eine Natur ohne Menschen ist reine Spekulation...da es das nicht gibt.... Und wenn du sagst, früher gab es keine Menschen....dann gab es aber dort genau die Bedingungen, die im hier und jetzt zum Menschen geführt haben. Ich glaube kaum jemand ist bereit Verantwortung zu übernehmen für das was ist....deshalb separiert man sich, bzw. distanziert man sich lieber....


    Nimm's mir nicht übel, aber ich halte das für Unfug.


    Eine Natur ohne Menschen (oder andere halbwegs bewußte) Wesen ist die Normalität für so ungefähr 99.9999999999999999999999982 % des bisher untersuchten Universums :rofl: Oder vielleicht für noch für viel weniger.


    Daß wir beiden uns hier im Buddhaland austauschen können mag für uns nett sein. Woanders bedeutet es einfach - nichts!


    Und ja! Ich bin bereit für mich und für das, was um mich herum ist Verantwortung zu übernehmen. Für ein paar Jahre noch. Ich bin alt und kann meine Kraft nicht mehr einschätzen.

  • Doris Rasevic-Benz:
    Sunu:


    Für mich ist es eher eine christliche Einstellung wenn man sich als "outständing" homo sapiens wahrnimmt, anstatt als " dazu-." bzw. "zusammengehörig".


    Ich denke, ich verstehe auf was Du hinauswillst.
    Aber trotzdem hinkt das. Auch ohne die Tierart homo sapiens wird es weiterhin Leben auf der Erde geben. Die Erde wird etwas anders aussehen und teilweise wird es zu Katastrophen ungeahnten Ausmaßes kommen, weil die Brennstäbe die Umgebung verseuchen werden, und zwar an sehr vielen Orten der Erde, Dämme werden brechen und viele andere unserer Hinterlassenschaften werden der Nachwelt Probleme berieten, aber das Ökosystem wird sich einpendeln. Wie immer. Nach jeder globalen Katastrophe. Und, so leid es mir tut, ich empfinde unsere Art momentan als eine solche. So wie Algen in einem See, die ungehemmt wachsen und dann zur Eutrophierung führen. Der See ist dann biologisch tot. Zumindest für eine längere Zeit.


    https://www.youtube.com/watch?v=w3vEMUC4Eb0


    Naja, ehrlich gesagt, kann ich nicht wissen ob es keine Natur ohne den Menschen gäbe ( obwohl es sie ja erst durch den Menschen als solche wahrgenommen wird). Aber du kannst auch nicht wissen, dass es ohne den Menschen eine Natur gäbe. Das sind alles rein spekulative Ansichten. Fakt ist doch, wir sind da und das nich ohne Ursache...Hätte wenn und aber gibt es einfach nicht...


  • Die Realität, ist das was ist....und egal wie relativ winzig etwas erscheint..wenn es ist, dann ist es....ein Universum indem auch nur ein Staubkorn fehlen würde, ist, wenn es nicht ist...rein spekulativ...

  • Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Wenn man an dem Punktangelangt ist, an dem sogar eine Fundamentalkritik der Fundamentalkritik denkbar wird, was soll man dann tun?

    Nun - wenn man schon dahin gelangt ist, sollte man eine solche Kritik auch leisten.


    Wurde und wird sie ja vielfach. Das Problem scheint mir doch eher, dass viele sie nicht wollen. Man verwechselt sie regelmässig mit Ablehnung von irgendwas. Abgelehnt wird aber von Seiten der Kritik lediglich das Naiv-Unkritische, das einfach so Gegebenes akzeptiert und womöglich noch, wenn mit dem Segen eines Heiligen aufgeblasen, diesem wie dem goldenen Kalb frönt.


    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Die Hände in den Schoß legen und seufzen?

    Das interpretiere ich jetzt mal als Metapher für Resignation. Wobei das Versagen von Fundamentalkritik, das Problem der Leidhaftigkeit der Existenz des Kritikers zu lösen, ja nicht unbedingt in eine fundamentale Resignation führen muss, sondern lediglich in eine hinsichtlich der begrenzten Tauglichkeit von Kritik.


    Ja Resignation. Wobei vielleicht eine aufgeklärte "fundamentale" Resignation nicht die schlechteste Möglichkeit ist. Wobei die intellektuelle Fundamentalkritik allein, wie sie jetzt in diesem Thread angeklungen ist, nicht zu einem Ende von dukkha führen kann. Nicht jedenfalls in einem ernsthaft buddhistischem Sinn. Ein solches Ende steht aber hier nicht zur Diskussion, jedenfalls nicht meinerseits.


    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Eine halbe Stunde die Wand ansehen?

    Auch dies ist eine Metapher (jedenfalls habe ich sie in diesem Sinn eingeführt). Sie steht für ein zeitweiliges Einstellen diskursiven Denkens, das an seine Grenzen gestoßen ist. Das wiederum ist nun keine Resignation, sondern ein anderer Modus mentaler Aktivität. Dazu muss man nun nicht einmal unbedingt auf wu nian / mushin (無念) oder fei si liang / hishiryō (非思量) verweisen, man kann hier auch etwa auf Sartres nicht-thetisches Bewusstsein zurückgreifen. Wobei Sartres "conscience (de) soi" sich natürlich von beispielsweise Dōgens hishiryō insofern unterscheidet, als er dieses nur als Komplement thetischen Bewusstseins, genauer: dessen Existenzweise (mode d'existence) begriff. Schlicht, weil ihm die Möglichkeit einer Reduktion des Bewusstseins auf das präreflexive Cogito des nicht-thetischen Bewusstseins bzw. das dazu führende mentale Training nicht bekannt war.


    Heikles Terrain hier. Ich würde zustimmen wenn du sagst, es gibt Möglichkeiten zur Ruhe zu kommen. Völlig entspannt und völlig wach. Und ich würde auch sagen, dass es sich dabei um eine Art Aufhebung des Urteilens, Bewertens, Folgerns usw. handelt. Dass es sich dabei um eine 'gereinigte' Form der Beobachtung handelt, in der vielleicht sogar die die Dichotomie zwischen Wahrgenommenen und Wahrnehmenden zusammen bricht.


    In wie weit jedoch das nicht-thetisch ist, prä-reflexiv, vor-sprachlich, evtl. sogar unverwässertes und reines Bewusstsein und dergleichen mehr ist, das ist die Frage. Das Begriffspaar reflexiv/prä-reflexiv wirft z.B. Probleme auf. Man muss zunächst "reflexiv" genau beschreiben. Nehmen wir reflexiv als Nachdenken über das Nachdenken – als das Philosophische überhaupt –, als Nachdenken überhaupt über Fragen wie: was macht mein Denken aus, was bestimmt es, welche Voraussetzungen hat es usw.? Das Prä, das Vor also, würde dann das bedeuten, um was es gerade diesem Denken geht: seine eigenen Grundlagen zu bestimmen. Wie aber weiter oben anklang, führt das in einen endlosen Regress – in eine wichtige Erkenntnis also.


    Wenn das Präreflexiv aber die Ruhe sein soll, die diesen endlosen Regress unterbricht, um auf ihm auf einer Art Floss sich treiben zu lassen, dann ist es, wenn man vom Reflexiven her kommt, nur eine Art künstliche (wenn auch evtl. hilfreiche) Position.


    Man könnte auch einwenden, dass man individuell nicht weiss, was eigentlich an kognitiven Prozessen dieser scheinbaren präreflexiven Haltung vorausgeht. Wir wissen nämlich – und Yogacaradenker hatten da auch schon Einwände in der Richtung –, dass unseren bewussten Kognitionen unbewusste vorausgehen müssen. Ein so einfacher Prozess wie das Aufwachen, macht das klar. Was sorgt dafür, dass, nach Tiefschlaf und Traumphase, sich unser übliches Tagesbewusstsein wieder konfiguriert? Das passiert gewiss nicht, indem wie uns bewusst darum bemühen.


    Man muss also skeptisch sein beim Präreflektiven. Auch wenn es, wie auch immer man es versteht, hilfreich sein mag – davon abgesehen, dass ich mich mit ihm auch in eine Art Stupor bewegen kann, in dem ich stundenlang halbbewusst vor mich hin meditiere. Soll's ja auch geben.


    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Solche Kritik zum Firlefanz erklären?

    Das ist sie sicher nicht. Sie ist notwendig im Hinblick auf ihre Funktion der Desillusionierung.


    Da wären wir uns also einig.


    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Der Einfachheit halber eine Erleuchtung postulieren, die schlicht jenseits allen menschlichen Denkens liegt?

    Nun - bevor man dies tut, sollte man sich zunächst einmal klar sein, was man da eigentlich postuliert. Was also "Erleuchtung" ist. Im Kontext buddhistischen Denkens ist dies nur eines, nämlich der Status, in dem das existentielle Problem der Leidhaftigkeit bewältigt ist. Dieses Postulat verweist auf eine Bewusstseinsebene, die thetisches Bewusstsein ("menschliches Denken") und damit auch die personale Ebene transzendiert. Insofern ist es ein Remedium gegen das, was ich oben im Zusammenhang mit dem Scheitern des (kritischen) Denkens an seinen Grenzen "fundamentale Resignation" genannt habe und was Du selbst in Deinem vorletzten Posting ja auch angesprochen hattest. Mehr würde zumindest ich da nicht hineingeheimnissen....


    Da stimme ich dir wieder zu. Ich meinte damit aber die Haltung, die eine übermenschliches, jenseitiges, transzendentes Bewusstsein postuliert. Eines jenseits allen menschlichen Denkens, wie es, so oder so ähnlich, in diesem Thread genant wurde. Im buddhistischen Kontext aber, den wir vermutlich meinen, ist "der Status, in dem das existentielle Problem der Leidhaftigkeit bewältigt ist" nicht übermenschlich. Er ist gerade, würde ich sagen, die Erkenntnis zu der wir fähig sind, weil wir Menschen sind und denken können. Er bedeutet eben nicht eine, wie auch immer geartete, Abkehr vom, wie auch immer gedachten, Menschlichen.


    Die Probleme die der Vajrayana z.T. hat, die die dir wir gerade sehen, kommen aus einer Verübermenschlichung des Gedankens des Erwachens. Oder anders ausgedrückt: Es wird nicht verstanden was die Grundlage des Mahayana ausmacht, dass Bedingtes Entstehen, Leerheit und sprachliche Konvention alles ist was Existenz ausmacht (MMK 24:18) und nicht etwa verdinglichte, essentialisierte Phantasmen.


    Sudhana:

    Der kapitalistische Weltuntergang ist mE nicht aufzuhalten. […] Trotzdem sollte man nicht darauf verzichten, eine Kerze zu entzünden, um wenigstens die Ecke der Welt, in der man steht, ein wenig zu erhellen. Wem es hilft, der mag sich im Sinne Hölderlins ("Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch") mit Hoffnung behelfen - wenn man denn nicht Nietzsches Diagnose zustimmt, Hoffnung sei "in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert". […] Ansonsten - so wild wird das mit dem Weltuntergang schon nicht werden. Zumindest die Kakerlaken werden ihn als Spezies überleben.


    Begriffe wie Weltuntergang, Katastrophe etc. sind mir da zu viel. Es ist aber gewiss, wenn man sich z.B. die Zahlen zum CO2-Ausstoß anschaut: Eine Änderung ist nicht in Sicht und ein Ende des Zeitalters der fossilen Brennstoffe bis 2050 oder so ist eine idiotische, politisch motivierte Infantilität.


    Ich denke, dass grosse Veränderungen auf uns zu kommen. Dass aber gleichzeitig der Kapitalismus in der einen oder anderen Form global weiter bestehen wird. Es wird immer mehr Verteilungskämpfe geben. Die so genante strukturelle Gewalt wird zunehmen usw. Der Begriff Katastrophe ist für das aber mAn nicht zutreffend. Das wäre ein plötzlicher Schlag. Meteorit, Atombomben, Magnetsturm ungeheuren Ausmasses, Vulkan etc. Alles möglich. Das Zuschlittern auf die physischen Grenzen des Planeten im Kapitalismus ist eher Evolution, die zwar im Vergleich rasant verläuft, den Planeten und seine Biossphäre aber schlussendlich nicht umbringen wird.


    Im Zusammenhang diese Threads hätte ich da aber noch zwei Punkte.


    Erstens wie verhält man sich, welche Position nimmt man ein, wenn man sich als ernsthafter Buddhist begreift? D.h. wenn man vom Mahayana à la Nagarjuna ff. ausgeht? (Für die Älteren kann ich nicht sprechen.) Zum einen ist da nämlich diese in Bezug auf den Buddhismus völlig neue Situation, die angesprochene der globalen Miesere. Zum anderen ist da die klare ethische Haltung, die sich auf MMK 24:18 gründet (beziehe mich auf Jay Garfield). Welche politische Haltung kann man daraus ableiten, wenn überhaupt eine – inklusive derjenigen, die dem Staat und dem Politischen mit Nichtbeachtung begegnet?


    Zweitens, und das steht im Zusammenhang mit dem Glauben an das Original (egal ob das Wort des Buddha oder original schweizer Käse): Bei vielen Menschen, die Natur schützen wollen, gibt es den Gedanken von der Natur als einer vom Menschen getrennten Spähre, die irgendwie in einen originalen Zustand (zurück)versetzt werden müsse. Dabei muss man sich aber klar machen, dass Natur als der Begriff wie wir ihn heute verwenden, so auch erst in der Neuzeit entstanden ist. In Abgrenzung vom Menschen und seiner Welt ist er ein Kunstbegriff in den vieles hinein projiziert wird – z.B. ein Heilsversprechen, dass z.B. suggeriert der Klimawandel sei noch aufzuhalten, das Artensterben sei noch einzudämmen, der Kipppunkt des Säurebasen-Verhältnisses in den Ozeanen sei noch zu vermeiden, das Plastik sei aus den Ozeanen wieder rauszukriegen, der CO2-Gehalt in der Atmosphäre, den wir seit nur Mitte des 19. Jdht verursachen, hätte keine Auswirkungen über Jahrhunderte oder Jahrtausende hinweg. Der Naturbegriff suggeriert, dass das alles nicht so schlimm sein wird, da doch die Natur, wenn sie nur wieder zu ihrem Recht käme, schon alles regeln würde. Das ist ein schöner Glaube. Tatsächlich, wenn schon "Natur" sind wir Teil einer im christlichen Sinne gnadenlosen Natur, die sich, um das mal so zu sagen, in uns ausprobiert, und die sich, wenn die evolutionäre Sackgasse offensichtliche Wirkungen zeitigt, sich unserer Machenschaften auch wieder entledigen wird. Für Umkehr, Rettung, radikale Aktion sowieso, ist es längst zu spät.


    Wobei das aber, mit Hölderlin, gerade der Witz an der Sache sein könnte: das Rettende ist nicht das Zurück, es ist das Hindurch. Da muss man hindurch. Und was wird, wird sich zeigen. Ein Licht zu sein, in seinem lokalen Umfeld, kann man dabei allemal versuchen.


    Sudhana:
    Der Unbuddhist:

    Die Frage ist auch, ob der infinite Regress, wirklich ein solcher ist, oder ob dieser nicht vielleicht auf einer kulturspezifischen Syntax des Denkens aufbaut? Vielleicht hat diese Syntax sogar mit dem zu tun was Magaret Thatcher mal sagte, und was alle Kapitalisten heute sowieso sagen: There is no alternative?! Ach wirklich?

    Nun - die "Syntax des Denkens" ist die Logik, und die wiederum halte ich nicht für "kulturspezifisch" (wenn man auch nichtklassische logische Systeme einbezieht), sondern für eine evolutionär stabile Strategie der Gattung Homo - also gattungsspezifisch...


    Einspruch Euer Ehren. Man muss da wieder auf z.B. die Foucault'sche Episteme zurück... aber für heute ist's genug.


    Auf ein ander Mal.

  • Der Unbuddhist:


    Erstens wie verhält man sich, welche Position nimmt man ein, wenn man sich als ernsthafter Buddhist begreift? D.h. wenn man vom Mahayana à la Nagarjuna ff. ausgeht? (Für die Älteren kann ich nicht sprechen.) Zum einen ist da nämlich diese in Bezug auf den Buddhismus völlig neue Situation, die angesprochene der globalen Miesere. Zum anderen ist da die klare ethische Haltung, die sich auf MMK 24:18 gründet (beziehe mich auf Jay Garfield). Welche politische Haltung kann man daraus ableiten, wenn überhaupt eine – inklusive derjenigen, die dem Staat und dem Politischen mit Nichtbeachtung begegnet?


    Erstmal Akzeptanz der Gegenwärtigen Situation...und dann wäre eine konsequenz für mich, die Auswüchse des extremen Persönlichkeitsglaubens entgegenzuwirken. So z.b. die Aberkennung von Körperschaften bzw. Zurückweisung des Status einer " juristischen Person", in so fern es sich dabei nicht um fühlende Wesenheiten handelt, sondern eben um eine sogenannte Körperschaft.

  • Der Unbuddhist:

    Ja Resignation. Wobei vielleicht eine aufgeklärte "fundamentale" Resignation nicht die schlechteste Möglichkeit ist.

    Nun - Resignation ist die mittlere Deutung des Sprungs des Empedokles. Irgendwo zwischen Apotheose und Betrug. Gewissermaßen der mittlere Weg ... :)

    Der Unbuddhist:

    Wobei die intellektuelle Fundamentalkritik allein, wie sie jetzt in diesem Thread angeklungen ist, nicht zu einem Ende von dukkha führen kann. Nicht jedenfalls in einem ernsthaft buddhistischem Sinn. Ein solches Ende steht aber hier nicht zur Diskussion, jedenfalls nicht meinerseits.

    Die Kritik selbst natürlich nicht - sie hat ja lediglich die Funktion, einen solchen Weg zu weisen. Die Kritik der Kritik wiederum zeigt auf, dass Kritik eine solche Wegweisung nur ein Stück weit leisten kann. Da ist man dann an einem Punkt angelegt, wo auch der Bereich des Kommunizierbaren endet. Und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. Insofern steht "ein solches Ende" auch meinerseits nicht zur Diskussion.

    Der Unbuddhist:

    Heikles Terrain hier.

    In der Tat - heikel auch insofern, als auf diesem Terrain diverse Zweifel (deren Berechtigung ich gar nicht in Abrede stellen will) nicht argumentativ behoben werden können.

    Der Unbuddhist:

    Das Prä, das Vor also, würde dann das bedeuten, um was es gerade diesem Denken geht: seine eigenen Grundlagen zu bestimmen. Wie aber weiter oben anklang, führt das in einen endlosen Regress – in eine wichtige Erkenntnis also.

    Hier wäre ein 'meta' mE angebrachter als ein 'prä' ...

    Der Unbuddhist:

    Wenn das Präreflexiv aber die Ruhe sein soll, die diesen endlosen Regress unterbricht, um auf ihm auf einer Art Floss sich treiben zu lassen, dann ist es, wenn man vom Reflexiven her kommt, nur eine Art künstliche (wenn auch evtl. hilfreiche) Position.

    Nun - wenn man sich abmüht und sich dann einfach mal ein halbes Stündchen oder so ruhig hinsetzt, empfinde ich dies als durchaus natürlich. :)

    Der Unbuddhist:

    Das Zuschlittern auf die physischen Grenzen des Planeten im Kapitalismus ist eher Evolution, die zwar im Vergleich rasant verläuft, den Planeten und seine Biossphäre aber schlussendlich nicht umbringen wird.

    Auch, wenn ich sinngemäß dieselbe Position vertreten habe - dazu habe ich diese Woche einen interessanten Artikel gelesen, der mich hinsichtlich der Plausibilität meiner Annahme dann doch etwas verunsichert hat. Wenn auch nicht so sehr, dass das nun zusätzlichen Handlungsbedarf bei mir auslösen würde. Hoffe, das macht jetzt keine schlaflosen Nächte ...

    Der Unbuddhist:

    Im Zusammenhang diese Threads hätte ich da aber noch zwei Punkte.


    Erstens wie verhält man sich, welche Position nimmt man ein, wenn man sich als ernsthafter Buddhist begreift? D.h. wenn man vom Mahayana à la Nagarjuna ff. ausgeht? (Für die Älteren kann ich nicht sprechen.) Zum einen ist da nämlich diese in Bezug auf den Buddhismus völlig neue Situation, die angesprochene der globalen Miesere. Zum anderen ist da die klare ethische Haltung, die sich auf MMK 24:18 gründet (beziehe mich auf Jay Garfield). Welche politische Haltung kann man daraus ableiten, wenn überhaupt eine – inklusive derjenigen, die dem Staat und dem Politischen mit Nichtbeachtung begegnet?

    Zunächst denke ich, ist aus buddhistischer Perspektive "die angesprochene globale Misere" keine "völlig neue Situation", allenfalls eine neue Dimension von duhkha. Was Du mit der "klare(n) ethische Haltung, die sich auf MMK 24:18 gründet" meinst, ist mir nicht ganz klar. Garfields Kommentar, der die dreifache Relation von pratiyasamutpada, sunyata und prajnapti als konventionelle Realität etabliert, finde ich da auch wirklich hilfreich. Einen Bezug zur Ethik sehe ich hier allerdings nur in Bezug auf die konventionelle Wahrheit der arya satya, insbesondere der vierten mit ihren Sila-Praxisfeldern - wozu man natürlich MMK 24:18 auf MMK 24:8 beziehen muss. D.h. die buddhistische Ethik ist nicht nur bloße Konvention; diese Konvention ist "weltliche, verhüllte Wahrheit" (samvrtisatya) insofern sie auf die "ultimate Wahrheit" (paramarthasatya) verweist.


    Aus der wechselseitigen Bedingtheit des abhängig Entstandenen lässt sich problemlos eine Haltung universeller Solidarität als deren Ausdruck ableiten, die sowohl eine ethische als auch eine politische Haltung ist. Die Realisierung der Interdependenz des Seienden findet ihren Ausdruck beispielsweise in den brahmavihara, die ihrerseits ein entsprechendes Handeln motivieren. Ein Handeln (um auch Deinen zweiten Punkt noch kurz aufzugreifen), das damit nicht an der Umsetzung einer (sozialen, politischen, ökologischen ...) Utopie orientiert und entsprechend auch nicht konsequentialistisch begründet ist, sondern als 'Tugendethik' auf Wohlwollen, Mitgefühl, Mitfreude und Duldsamkeit basiert.


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  • Sudhana:

    Was Du mit der "klare(n) ethische Haltung, die sich auf MMK 24:18 gründet" meinst, ist mir nicht ganz klar.


    Sorry dass es gelegentlich so lange dauert, bis ich reagiere. Habe nicht die Zeit.


    Zu dem obigen Punkt nur. Ich hab mich da nicht sehr klar ausgedrückt. Was ich meinte ist, dass Nagarjuna, in der Interpretation von Garfield, z.B. die 4 Wahrheiten der Edlen für gültig erklärt eben weil sie im Bedingten Entstehen, in der Leerheit und in der sprachlichen Konvention begründet werden können – und dass nicht stimmt was Nagarjunas Opponent erklärt, dass sie vor diesem Hintergrund nicht gültig seien.


    Das würde sicher mehr als ein paar Sätze dieser Art in diesem Forum erfordern... Vielleicht müsste man nur mal Auszüge aus den entsprechende Passagen übersetzen um einem weiteren Publikum klarzumachen, um was es hier geht....

  • Nagarjuna 24.18
    Alle formalen (begrifflichen) Ursachen erzeugen (jedoch) Erscheinungen, von denen ich erkläre, daß sie leer sind, auch daß sie künstliche Beziehungen (der begrifflich-formalen Ursachen) sind, und daß dies auch der Sinn des mittleren Wegs ist.
    Nagarjuna 24.19
    Noch nie gab es eine einzige Erscheinung, die nicht infolge formaler Ursachen entstand.
    Deshalb gibt es bei allen Erscheinungen keine, die nicht etwas Leeres ist.



    Damit bin ich wieder bei den Skandha die wenn sie alle da sind beim Menschen "begriffliche Erscheinungen erzeugen Können" bewirkt, denen er mehr Wirklichkeit gibt als dem Bewusstsein in den Skandha.
    Und das dieses, den begrifflichen Erscheinungen Wahrheit geben, die Ursache allen Leidens ist. Den von den Skandha getrennten Begriffen wird Bestand gegeben obwohl klar erkennbar ist das sie leer sind. Das Bestand geben erzeugt einen Widerspruch zu den 4 Wahrheiten und ist nur lösbar durch konsequentes Mittesein. Zwischen Skandha und Geist.
    Dieses Bestand geben wird zum sogenannten Karma wenn sie mit den Geistesgiften ausgeführt werden, erst dann entstehen Verpflichtungen und Bindungen an die Wertvorstellungen eines anderen Menschen.


    Ein erkannter Unterschied: Erscheinungen sind Geistig, Wahrnehmungen sind die der Skandha.



  • Ich bin zwar neu im Forum, aber da fühle ich mich doch auch sehr angesprochen.


    Von Hause aus bin ich Religionswissenschaftler und habe in dem Kontext Buddhismus immer mit entsprechenden Methoden erforscht. D.h. Quellenstudium und Sprachenkunde, aber auch besonders Religionsgeschichtliche Entwicklungen, sowie auch soziohistorische Ansätze und war dabei stets kritisch.


    Was mich evtl etwas untypicher in meiner Perspektive macht ist, dass ich meinen Bezug zum Buddhismus als meine eigene präverierte Religion eher von östlich sozialisierten Menschen gelernt habe und ansonsten einen ganz gutes kritisch-akademisches Denken mit einbeziehe.


    Ich kann diesen Kritikpunkt sehr gut verstehen, denn aus der historischen Perspektive ist es vollkommen vermessen bei dem heute gerade im Westen praktizierten Buddhismus von einer "reinen Lehre" auszugehen. Egal wo er hinkam wurde er mit einer enormen Vielzahl an kulturellen Symbolen und Praktiken aufgeladen und lag synkretisch vor. Zwar gab es stets das starke Bemühen darum Schriften des Tripitaka möglichst in Gänze und authentisch zu tradieren, aber religionsgeschichtliche Entwicklungen sind nieals linear.


    Ich meine betrachten wir einfach mal Vajrayana als Einzelfall. Noch deutlicher kann die Lehre garnicht synkretischer sein - eine bunte Mischung aus Tantrismus, bestimmten Bön Symboliken und Praktiken, die einfach "buddhistisiert" wurden bzw. nachträglich dahingehend korrigiert wurden.
    Das gleiche gilt für bestimmte Zen-Schulen - eigentlich fast alle vorhandenen buddhistischen Traditionen, die sich im Laufe der letzten ca. 2400 Jahren entwickelt haben.


    Und ganz gleich wie die Rezeption des Westens seit dem 18 Jhd. verlaufen ist - heute speisen sich die Quellen der westlichen Buddhisten kaum aus der Quellenlektüre, sondern geht meiner persönlichen Meinung nach einen eher bequemen Weg und nimmt bestimmte vermessene Interpretationen (siehe Anagarika Dharmapala und die theosophische Gesellschaft) einfach auf, ohne sie kritisch zu hinterfragen. So kommen dann Ideen zustande wie, dass man ja einen "authentischen Buddhismus nach Buddha Shakyamuni" praktiziert, obwohl da seit jahrhunderten lebende Traditionen eher die Stirn drüber runzeln wie das denn möglich sein soll.


    Ich habe wirklich einige Zentren der verschiedensten Traditionen hier in der BRD kennengelernt und alle sagen von sich sie würden "die authentische Lehre Buddhas" praktizieren. Bzw. damit wurde oft geworben. Wenn man dann nachhakt woraus sich dieser Anspruch bezieht wird oft entweder auf einen Lama im Fall des Vajrayana und eine Übertragungslinie verwiesen, einen Guru, einen Yogi oder einen Lehrer - aber selten auf Quellenstudium oder kritische Hernagehensweise an die Übertragunslinien.


    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann. Ein Teil meiner Praxis stellt die Suche und Meditation über die festgehaltenen Schriften dar und wie das im Kontext der Lebenszeit verstanden und praktiziert wurde. Und diese Reise und suche nach dem Kern könnte wenn ich meinen jetzigen Kenntnisstand betrachte wohl noch einige Kalpas andauern ;)

    Wir sind das, was wir denken.
    Alles was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken.
    Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
    Sprich und handle mit heilsamer Gesinnung
    Und Glück wird dir folgen
    Gleich deinem unteilbaren Schatten.

  • Ellviral:

    Nagarjuna 24.18
    Alle formalen (begrifflichen) Ursachen erzeugen (jedoch) Erscheinungen, von denen ich erkläre, daß sie leer sind, auch daß sie künstliche Beziehungen (der begrifflich-formalen Ursachen) sind, und daß dies auch der Sinn des mittleren Wegs ist.


    Hi, die Übersetzung die du bringst ist von Lutz Geldsetzer. Habe ihn erst neulich zum ersten mal gelesen. Damit wir über das Selbe reden, müssten wir über Garfields Nagarjuna reden. Deswegen habe ich das betont, "in der Interpretation von Garfield". Geldsetzer geht ganz anders vor als Garfield. Insbesondere die "formale Ursache" scheint da sehr wichtig. Habe aber seinen Kommentar erst nur einmal überflogen. Interessant aber nur alleine schon, dass er meint Nagarjuna beziehe sich auf Aristoteles (in puncto Ursache(n)).


    Was ich ihn Bez. auf Ethik meinte ist, dass von Garfields Nagarjuna ausgehend man eine Ethik aufbauend auf einer Bodenlosigkeit entwickeln kann. Bei Geldsetzer geht das glaub ich nicht. Aber wie man sieht, da sind wir schon im Irrgarten der Nagarjuna-Interpretationen angekommen...

  • Geldsetzer aus dem Chinesischen
    Garfield aus dem Tibetischen
    Weber-Brosamer/Back aus dem Sanskrit.


    Das sind schon 3 unterschiedliche Paar Schuhe.
    Geldsetzer hat schon ne Mission :) aber interessant allemal.

  • Moosgarten:

    Geldsetzer aus dem Chinesischen
    Garfield aus dem Tibetischen
    Weber-Brosamer/Back aus dem Sanskrit.


    Das sind schon 3 unterschiedliche Paar Schuhe.
    Geldsetzer hat schon ne Mission :) aber interessant allemal.

    Wenn Du noch Kalupahana hinzunimmst, hast Du schon ein viertes Paar - gewissermaßen eine Vibhajjyavada-Lesart. Gibt sicher noch einige mehr.


    Kommt immer drauf an, welcher Schuh einem passt. Das merkt man erst, wenn man sein eigenes Verständnis von Nagarjuna in eine Lebenspraxis einbringt - da gehört es hin. Da merkt man, wo der Schuh passt und wo er drückt. Ansonsten bleibt man darin stecken, Interpreten von Nagarjuna zu studieren statt Nagarjuna selbst.


    ()

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  • Ja, dass denke ich auch...allerdings irgendwo braucht nan ja eine Grundlage für diese Lebenspraxis und da macht es schon Sinn mal auf die verschiedenen Perspektiven zu gucken...so erkennt man auch, dass eben alles nur bedingt entstanden ist.


    Hier ist eine ganz interessante Gegenüberstellung der verschiedenen Übersetzungen des ersten Kapitels zu finden. Auch da natürlich wieder kommentiert vom Zusammensteller und somit aus dessen Perspektive dargestellt.


    http://www.dharma-university-p…en-zum-mittleren-weg.html

  • Ayudha:

    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann.

    Das hängt davon ab, was man unter "authentisch" versteht bzw. verstehen möchte. Da macht es Sinn, sich zunächst zu verdeutlichen, was Buddhismus eigentlich ist. In erster Linie ist Buddhismus eine bestimmte Praxis des Lebens und Sterbens (das ist seine praktische Seite), die auf einer fundamentalen Kritik des eigenen Seins (dessen, was wir als 'Selbst' wahrnehmen) beruht. Einer Kritik, die wiederum ihrerseits exoterisch auf diskursivem Denken und esoterisch auf Erfahrungen und 'Einstellungen' beruht, die in nicht-diskursiven Bewusstseinszuständen zugänglich werden (das ist seine theoretische Seite, wobei das 'theoretisch' hier gewiss sehr weit gefasst ist). Das bedeutet wiederum, dass sich 'authentischer Buddhismus' in wechselseitiger Beziehung von Orthodoxie und Orthopraxie manifestiert. Damit ist 'authentischer Buddhismus' einerseits nicht fixiert im Sinne eines historischen, unveränderlichen Modells (was dem Prinzip 'anitya' widerspräche), andererseits steht er in einer Tradition von Theorie und Praxis und ist bedingt durch diese.


    Welches Denken nun wiederum als orthodox und welches Handeln als orthopraktisch im buddhistischen Sinne gelten kann, darüber kann (und darf) man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Das zeigt gerade dieses Forum hier immer wieder.

    Ayudha:

    Ein Teil meiner Praxis stellt die Suche und Meditation über die festgehaltenen Schriften dar und wie das im Kontext der Lebenszeit verstanden und praktiziert wurde.

    Die von Dir beklagte Theorieferne hinsichtlich der schriftlichen Überlieferungstradition ist mE ein typisches Inkulturationsproblem. So löffelt jeder die Suppe, die im schmeckt. Der eine studiert die schriftlich fixierte Tradition, der andere zeitgenössische Erbauungsliteratur buddhistischer Medienstars (oder solcher, die man für 'authentisch buddhistisch' hält). Entscheidend ist doch, was einem persönlich hilft. :) Was nun wiederum bedeutet, dass das Verstehen, wie eine Schrift "im Kontext der Lebenszeit" des Verfassers "verstanden und praktiziert wurde" nur die halbe Miete ist. 'Authentisch' wird das erst, wenn dieses Verständnis in den Kontext der eigenen Lebenszeit 'übersetzt' wird. Dieses Geschäft des Übersetzens kann man sich abnehmen lassen - Anbieter dafür gibt es genug. Dass man da die schlechten von den guten unterscheiden kann, ist natürlich ein Argument dafür, sich, so weit es einem möglich ist, seine 'Übersetzungen' in ein zeitgenössiches Denken und Handeln selbst zu besorgen.



    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Moosgarten:
    Sunu:


    Schade


    Was soll das heissen? War dein Link falsch? Wo hast du die Gegenüberstellung gelesen?


    Bei mir geht der Link...vlt. hast du eine andere Vorstellung der Bedeutung einer Gegenüberstellung der verschiedenen Übersetzungen...


    http://www.dharma-university-p…en-zum-mittleren-weg.html


    Das ist für mich eine Gegenüberstellung....



    Wenn man weiter liest, stellt der Autor auch seine Sichtweise zu der ein oder anderen Übersetzung dar.

  • Zitat

    Ayudha hat geschrieben:
    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann.


    Ich finde den Begriff 'authentisch' im Zusammenhang mit Buddhismus problematisch. Griechisch: 'authenticos' = echt, glaubhaft verbürgt. 'Authentischer Buddhismus' wird dabei oft auf eine Übertragungslinie zurückgeführt. Hier zeigt sich noch die früher hinreichende Begründung durch Berufung auf Autoritäten. In der modernen Gesellschaft wird soetwas aus guten Gründen hingegen kaum noch akzeptiert.


    Niemand würde heute die Meinung vertreten, bezüglich der Mathematik sei alles das, was nicht von Adam Ries gelehrt wurde, keine authentische Mathematik. Nach Ries kamen viele große Mathematiker. Manche Weiterentwicklung hätte Adam Ries vielleicht selbst abgelehnt. Ob das später Beigesteuerte tatsächlich 'reine' Mathematik ist, entscheidet die Gemeinschaft der Mathematiker heute anhand fachspezifischer Vereinbarkeitskriterien und nicht nach der Rückführbarkeit auf den Gründer.


    Ebenso sollte der Buddhismus von uns Westlern nicht mit Authentizitätszuschreibungen begrenzt werden, sondern damit, ob Aussagen/Praktiken vereinbar sind mit einem akzeptierten Kanon von Aussagen, wie z.B. dem Buddhistischen Bekenntnis der DBU.


    Adam Ries Beitrag ist 'reine' Mathematik, aber späteres eben auch.
    Buddha Shakyamunis Beitrag ist 'reiner' Buddhismus, aber späteres (nichtauthentisches) eben auch.

  • Sudhana:
    Ayudha:

    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann.

    Das hängt davon ab, was man unter "authentisch" versteht bzw. verstehen möchte. Da macht es Sinn, sich zunächst zu verdeutlichen, was Buddhismus eigentlich ist. In erster Linie ist Buddhismus eine bestimmte Praxis des Lebens und Sterbens (das ist seine praktische Seite), die auf einer fundamentalen Kritik des eigenen Seins (dessen, was wir als 'Selbst' wahrnehmen) beruht. Einer Kritik, die wiederum ihrerseits exoterisch auf diskursivem Denken und esoterisch auf Erfahrungen und 'Einstellungen' beruht, die in nicht-diskursiven Bewusstseinszuständen zugänglich werden (das ist seine theoretische Seite, wobei das 'theoretisch' hier gewiss sehr weit gefasst ist). Das bedeutet wiederum, dass sich 'authentischer Buddhismus' in wechselseitiger Beziehung von Orthodoxie und Orthopraxie manifestiert. Damit ist 'authentischer Buddhismus' einerseits nicht fixiert im Sinne eines historischen, unveränderlichen Modells (was dem Prinzip 'anitya' widerspräche), andererseits steht er in einer Tradition von Theorie und Praxis und ist bedingt durch diese.
    ()


    Das ist im Endeffekt die funktionale religionswissenschaftliche Definition einer Religion - ein Kontingenzbewältigungsmodell.
    Ich würde das ähnlich betrachten. Ich verweise da nochmal auf die Synkretismen, denn wäre der Buddhismus historisch wie du so schön formuliert hast "fixiert", dann gäbe es nicht eine solche Vielzahl an Schulen, Traditionen etc. und buddhistische Gesellschaften hätten sich uniformer entwickelt.


    Die Schriftkenntnis sehe ich z.b. auch in diesem akademischen Feld der Religionswissenschaft. Als Urquelle kann ich anhand dieser erforschen was sich wo und wie in den Kulturen manifesitert, adaptiert etc hat. Das hilft mir persönlich z.b. rauszufinden was ich für mich in meiner Praxis für relevant erachte und was nicht. Das stelle ich dann ggbf zur Diskussion mit anderen und die können dann selbst bewerten, ob das für sie von gleicher Funktion sein kann.
    Mal ein Beispiel:
    Adinnādānā veramani sikkhāpadam samādiyāmi
    Ich versuche das auf unsere westliche Gesellschaft auch auf Konsummuster von Nahrungsmittel zu verstehen, weil wir eine bestimmte Weltwirtschaftsstruktur haben mit Werbung etc. D.h. ob man mir bestimmte Begierden nach Dingen zukommen lässt, die tatsächlich nicht gegeben sind. Aber das ist wirklich ein privates Nachsinnen. Ich will damit nur aufzeigen, dass ich wie du schon sagtest eine Übertragung ins Hier und Jetzt, christlicher Terminus wäre hier Exegese, versuche und das mittels Schriftstudium.


    Aber ich versuche nicht den damaligen Zeitgeist und die Umstände als Fixpunkt anzunehmen und daran meine Praxis im Hier und Jetzt auszulegen - das wäre klassischer Fundamentalismus, dass ich eine "Urzeit" herbeisehne und alles andere als "Irrwege" bezeichne. Das wäre auf gut deutsch "unsinnig".

    Wir sind das, was wir denken.
    Alles was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken.
    Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt.
    Sprich und handle mit heilsamer Gesinnung
    Und Glück wird dir folgen
    Gleich deinem unteilbaren Schatten.

  • K-Dorje:

    ...
    Adam Ries Beitrag ist 'reine' Mathematik, aber späteres eben auch.
    Buddha Shakyamunis Beitrag ist 'reiner' Buddhismus, aber späteres (nichtauthentisches) eben auch.


    Ob man jetzt ausgerechnet den Pedanten Ries (der nichts zur Mathematik beigetragen hat) so parallel zu Buddha darstellen sollte :?


    Buddhas Beitrag zur Lehre ist die Lehre Buddhas.