Verheiratete Mönche

  • Wieso sind eigentlich nahezu alle Zen-Mönche in Japan verheiratet und haben Kinder? Ist das in den anderen Traditionen dieser Linie (Chan/Thien/Seon) auch so? Und inwiefern kann man dann überhaupt noch von "Mönchen" sprechen, wo doch die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit - zumindest nach meinem Verständnis - das Grundmerkmal des Mönchtums ist?

  • Gute Frage, ich bin auf die Antworten aus dieser Richtung gespannt.


    Arthur1788 würdest Du uns (mir) erklären, worauf Deine Interpretation des Mönchstums aufbaut?
    Was sind für Dich die bestimmenden Momente für 'Mönch sein', ganz besonders in buddhistischem Zusammenhang.

  • Arthur1788:

    Wieso sind eigentlich nahezu alle Zen-Mönche in Japan verheiratet und haben Kinder? Ist das in den anderen Traditionen dieser Linie (Chan/Thien/Seon) auch so? Und inwiefern kann man dann überhaupt noch von "Mönchen" sprechen, wo doch die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit - zumindest nach meinem Verständnis - das Grundmerkmal des Mönchtums ist?



    Zitat

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Danke für die Info, Festus! Ich muss gestehen dass mich die Sache mit dem Edikt 133 schon ein wenig verwirrt. Wie soll das umgesetzt werden? Wird ein Mönch in den Knast geworfen, wenn er sich weigert zu heiraten und die Ehe zu vollziehen? 1872 mag das noch möglich gewesen sein, aber heute doch wohl nicht mehr. Gibt es keine Bestrebungen seitens der Mönche, dieses Edikt rückgängig zu machen?


    Ich habe ja prinzipiell gar nichts gegen das Heiraten und Kinderzeugen, aber dass man sich dann noch als "Mönch" darstelllt ist doch schon irgendwie Etikettenschwindel. Ich assoziiere das Mönchtum mit einer gewissen Weltabgewandtheit, um die obige Frage noch zu beantworten. Dazu gehört nach meinem Verständnis die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen. (Ob Zen und Mönchtum demnach überhaupt zusammenpassen, ist ein anderes Thema.) Mir ist schon klar dass das jetzt arg idealisiert klingen mag, aber meiner Meinung nach kann man eben ein Hausvater oder ein Mönch sein - nicht beides.

  • Nett, wie Aussagen aus einer Zeit vor 2500 Jahren "jetzifiziert" werden.
    Nebenbei ist das "Zölibat" für Priester (anderer Kulturen) Jahrtausende älter.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • und warum sollte Zen und Zenmönche weltabgewandt sein??

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • jianwang:

    Nett, wie Aussagen aus einer Zeit vor 2500 Jahren "jetzifiziert" werden.
    Nebenbei ist das "Zölibat" für Priester (anderer Kulturen) Jahrtausende älter.


    Bitte etwas genauer. Wer "jetzifiziert" hier was und wie?


    Horin: Ich habe ja extra hinzugefügt, dass ich bezweifele, ob Zen und Mönchtum überhaupt zusammenpassen. Vielleicht sollte man ehrlich sein und diesen Begriff völlig streichen. Dass die ursprüngliche Intention der Klöster - buddhistischer wie christlicher - die Weltflucht war wird wohl niemand ernsthaft bestreiten können.

  • Arthur1788:

    inwiefern kann man dann überhaupt noch von "Mönchen" sprechen, wo doch die Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit - zumindest nach meinem Verständnis - das Grundmerkmal des Mönchtums ist?

    Das ist grundsätzlich ein Übersetzungsproblem und es ist etwas eigenartig, dass gerade Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit (wobei ich mal vermute, dass Du hier speziell sexuelle Enthaltsamkeit meinst) "Grundmerkmal des Mönchtums" sein sollen. Schließlich trifft dieses "Grundmerkmal" in der größten christlichen Denomination, der katholischen Kirche, auch auf die sog. Weltgeistlichen zu - vor allem die Diözesanpriester. Nach katholischem Verständnis ist "Ehelosigkeit und Enthaltsamkeit" zumindest kein exklusives "Grundmerkmal" für Mönche.


    Grundsätzlich ist es problematisch, einen Begriff wie 'Mönch', dessen Bedeutungsraum eng mit Formen christlicher Religiosität verbunden ist, einfach auf Angehörige einer völlig anderen Religion zu übertragen. Ein nach dem Vinaya ordinierter Bhikshu / Bhikku etwa legt - neben vielen anderen - auch das Gelöbnis sexueller Enthaltsamkeit ab (streng genommen nicht jedoch das der Ehelosigkeit, des Zölibats). Er legt einige Gelübde ab, die grundsätzlich mit dem Armutsgelübde eines Mönchs vergleichbar sind - etwas, das dem Gehorsamsgelübde von Mönchen entspräche, gibt es jedoch nicht. Damit ist auch das "Grundmerkmal des Mönchtums" angesprochen. Es ist ein dreifaches Merkmal, nämlich die Verbindung von Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam - den sog. Evangelischen Räten. Wir haben also selbst bei ehelosen Bhikshus / Bhikkus lediglich (wohlwollend betrachtet) eine Zweidrittel-Übereinstimmung mit dem "Grundmerkmal" des Mönchtums. Was wiederum bedeutet, dass man den Begriff "Mönch" entweder nicht auf Angehörige nichtchristlicher Religionen anwenden sollte oder dass man ihn inhaltlich deutlich weiter definieren muss als im christlichen Ursprungskontext.


    Der Irritation, die die Verwendung des Begriffs 'Mönch' für japanische buddhistische Kleriker, die häufig verheiratet sind, auslöst, wird vor allem im englischen Sprachraum dadurch Rechnung getragen, dass diese als 'priest' oder 'cleric' bezeichnet werden. Was sicher auch etwas damit zu tun hat, dass in Großbritannien und den USA der Katholizismus eine Minderheitenreligion ist und dort der (anglikanische, methodistische usw. usf.) 'Priester' in der Regel nicht dem Zölibatsgelübde unterworfen ist. Das ist auch insofern sinnvoll, als japanische buddhistische Kleriker in aller Regel keine Bhikshu (biku), also nicht nach dem Vinaya ordiniert sind. Vielmehr haben sie (je nach Denomination unterschiedliche) 'Sets' von Bodhisattva-Gelübden empfangen / abgelegt. Nun gibt es für diese Kleriker im Japanischen keine einheitliche Bezeichnung, sondern verschiedene - Sōryo, O-bōsan und Bōzu (aus dem das Lehnwort 'Bonze' entstand) sind die häufigsten. Etwas eingeschränkter in der Bedeutung sind Jūshoku (ein 'Priester', der einen Tempel leitet) bzw. Hōjō (wenn es ein Zen-Tempel ist).


    Dazu ein kleiner geschichtlicher Abriss. In China und Korea wurden Bodhisattva-Gelübde (in der durch das Mahayana-Brahmajalasutra überlieferten Form) zunächst zusätzlich zu den Vinaya-Gelübden von Bhikshus, also Vinaya-Ordinierten, abgelegt. In Japan kam es mit der Gründung der Tendai-Shū zu einer grundsätzlichen Änderung, da deren Gründer Saichō die Ordination alleine auf den Bodhisattva-Gelübden beruhen und die Vinaya-Gelübde entfallen ließ. Im Jahr 822 (eine Woche nach Saichōs Tod) wurde diese Ordinationspraxis durch kaiserliches Edikt legalisiert und sie wurde nach und nach von allen japanischen Mahayana-Schulen übernommen - insbesondere natürlich von den in der Kamakura-Zeit (1184-1333) neu entstandenen Schulen: Hōnens Jōdō-Shū, Shinrans Jōdo-Shinshū (die jegliches religiöses Spezialistentum ablehnt) , Nichirens Nichiren-Shū und natürlich Zen - Dōgens Sōtō-Shū und Eisais Rinzai-Shū. Alle deren Gründer kamen ursprünglich aus Saichōs Tendai-Shū und übernahmen bzw. modifizierten deren Ordinationspraxis ohne Vinaya-Gelübde.


    Am grundsätzlichen 'Zölibat' buddhistischer Kleriker änderte sich dadurch zunächst nicht viel; das war in den 'Klöstern' (Ausbildungsstätten für 'Priester') und in den örtlichen Tempeln nach wie vor die Regel, seit der Tokugawa-Ära sogar gesetzlich vorgeschrieben. Trotzdem gab es schon sehr früh (schon in der Heian-Zeit) verheiratete Priester. Dieser Trend verstärkte sich seit der Kamakura-Ära (vor allem in der Jōdo-Shinshū), so dass verheiratete Priester von der Bevölkerung nicht als etwas Ungewöhnliches wahrgenommen wurden.


    Der große Umschwung kam dann während der Meiji-Zeit und hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Das hing mit der Abschaffung des danka-Systems zusammen. Ein danka war eine bestimmte Anzahl von Haushalten / Familien, die einem bestimmten Tempel zugeordnet waren und diesen zu finanzieren hatten. Die Tempel selbst erfüllten dafür auch staatliche Verwaltungsaufgaben als eine Art Einwohnermeldeämter. Die Meiji-Regierung löste die danka auf und 'privatisierte' die Tempel - was hieß, dass die Priester sich fortan selbst um eine wirtschaftliche Grundlage für ihre Tempel kümmern mussten.


    Das hier:

    Zitat

    Schließlich wurde 1872 das Edikt 133 erlassen, das das Zölibat und das Fleischverbot für Mönche aufhob (nikujiku saitai 肉食妻帯) Dadurch wurden Mönche und Nonnen praktisch dazu genötigt zu heiraten, weil man davon ausging, dass familiäre Verpflichtungen sie an anderen Aktivitäten hindern würden und es ihren Sonderstatus untergrub.

    ist natürlich Quatsch. Mit dem Nikujiku Saitai von 1872 verzichtete die Regierung auf jegliche Aufsichtsbefugnisse über den Lebenswandel von Priestern. "Genötigt" zu heiraten wurde damit niemand. Es war nur konsequente Trennung von Staat und Religion; die staatliche Aufsicht über die Priester leitete sich ja aus deren Funktion als staatliche 'Beamte' ab.


    Statt fester Einkünfte war man nun also auf Spenden angewiesen, die natürlich deutlich geringer als die danka-Einkünfte ausfielen. Also war man in vielen Tempeln auf wirtschaftliche Aktivitäten angewiesen, um den Tempel weiter unterhalten zu können. Die entsprechende 'Marktlücke' war und ist das Bestattungswesen. Es erwies sich, dass sich solch ein Tempel unter den neuen Bedingungen am besten als Familienbetrieb führen ließ; ein traditionell japanisches Modell. Die sog. 'Tempel-Ehefrauen' haben wichtige Funktionen in der Gemeinde und mittlerweile (spät genug) werden Fragen wie etwa deren Altersversorgung, falls sie verwitwen, diskutiert. Den Tempel an einen Sohn oder Schwiegersohn weiter geben zu können ist wiederum eine Altersversorgung des Priesters - er kann dadurch im Tempel wohnen bleiben, wenn er für die Arbeit zu alt geworden ist. Das führte dazu, dass heute ca. 90% der buddhistischen Tempelpriester in Japan verheiratet sind. Umfragen haben übrigens gezeigt, dass die meisten buddhistischen Laien eine 'Tempelfamilie' der Leitung ihres Tempels durch einen unverheirateten Priester vorziehen - was vor allem etwas mit dem (sozialen und karitativen) Engagement der 'Tempel-Ehefrauen' etwas zu tun hat.

    Arthur1788:

    Ist das in den anderen Traditionen dieser Linie (Chan/Thien/Seon) auch so?

    Wie hoffentlich deutlich wurde, hat das nicht speziell etwas mit Zen zu tun, sondern mit Buddhismus in Japan allgemein. Von dieser spezifisch japanischen Entwicklung war allerdings Korea durch die Annexion durch Japan von 1910 - 1945 stark mitbetroffen. Dort wurde das japanische Modell weitgehend übernommen, was dann allerdings später als Merkmal der Kolonisierung bezeichnet und bekämpft wurde - innerhalb des Sangha, wobei die (deutlich kleinere) zölibatäre Fraktion unter Führung von Yi Chǒngdam (1902 - 1971) sich mit dem Staat bzw. Präsident (und Diktator) Syngman Rhee (1948 - 1960) in der Kampagne der 'Reinigungs-Bewegung' (Chǒnghwa Undong) verbündete. Auftakt war die Anordnung Syngman Rhees vom 20.05.1954, alle verheirateten Kleriker hätten zurückzutreten und den Sangha zu verlassen, wobei er sie als Kollaborateure Japans denunzierte. Flankierend erklärte die zölibatäre Fraktion diese Angelegenheit zu einem "heiligen Dharma-Krieg" (Pǒpchǒn). Zu diesem Zeitpunkt gab es in Südkoreas Chogye-Orden (dem mit Abstand bedeutendsten koreanischen buddhistischen Orden) ca. 7.000 verheiratete buddhistische Priester und 600 unverheiratete, was prozentual ziemlich genau japanischen Verhältnissen entspricht. Die (z.T. blutigen) Auseinandersetzungen dauerten bis 1962 und die zölibatären Mönche setzten sich durch und übernahmen die Kontrolle des Ordens (konkret: der Klöster). Um den Preis der Unterwerfung unter die politische Kontrolle der Regierung und den der Abspaltung des Taego-Ordens, dem sowohl verheiratete wie zölibatär lebende Priester angehören. Dem Taego-Orden gehören heute ca. 8.000 Priester an, dem zölibatären Chogye-Orden ca. 10.000.


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  • Arthur1788:

    ...Ich habe ja prinzipiell gar nichts gegen das Heiraten und Kinderzeugen, aber dass man sich dann noch als "Mönch" darstelllt ist doch schon irgendwie Etikettenschwindel. Ich assoziiere das Mönchtum mit einer gewissen Weltabgewandtheit, um die obige Frage noch zu beantworten. Dazu gehört nach meinem Verständnis die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen. (Ob Zen und Mönchtum demnach überhaupt zusammenpassen, ist ein anderes Thema.) Mir ist schon klar dass das jetzt arg idealisiert klingen mag, aber meiner Meinung nach kann man eben ein Hausvater oder ein Mönch sein - nicht beides.


    Hier treffen deine Vorstellungen von "Mönch sein" auf andere Vorstellungen von "Mönch sein". So lange man das weiß und aus seinen Vorstellungen keine Religion macht, ist alles ok. Vorstellungen wandeln sich; mal so, mal so.
    Ich bin übrigens auch verheiratet, habe Kinder und gehe einem Beruf nach. Und doch bin ich als Mönch ordiniert.
    Für mich ist das kein Problem. Und ich kann auch gut damit leben, das es für andere ein Problem ist.
    Wie sagte mein Flötenlehrer nicht einmal so schön: "Du spielst nicht, damit es anderen gefällt." :)

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Arthur1788:

    Ich habe ja prinzipiell gar nichts gegen das Heiraten und Kinderzeugen, aber dass man sich dann noch als "Mönch" darstelllt ist doch schon irgendwie Etikettenschwindel.

    Vielleicht definierst Du einfach mal den Begriff 'Mönch' - was genau Du darunter verstehst. Wie Festus schon anmerkte, gibt es da verschiedene mögliche Definitionen. Im Wikipedia-Artikel zu 'Mönchtum' findest Du z.B.: "Der Begriff Mönchtum bezeichnet die Gesamtheit der von Mönchen und Nonnen praktizierten geistlich geprägten Lebensformen. Das Mönchtum ist eine von asketischen Idealen bestimmte Lebensweise, um in Abkehr von der Welt den weltlichen Zielen zu entsagen und das eigene Leben einem spirituellen Ziel zu widmen. [...] Der Mönch oder die Nonne ist ein asketisch lebendes Mitglied einer Ordensgemeinschaft, das sich auf Lebenszeit oder auch für eine bestimmte Zeit in den Dienst seines Glaubens stellt." Ich für meinen Teil sehe da keinen Widerspruch zu der Lebensweise, zu der man im Zen mit der Ordination (shukke tokudo) Zuflucht nimmt. Damit ist man ein Sōryo oder genauer Zensō bzw. als Frau eine Nisō. Ob man das nun als Mönch / Nonne oder Priester / Priesterin übersetzen will, ist einzig und allein das Problem von Menschen einer christlich geprägten Kultur, die sich mit neuen Begriffen schwer tun. Die kleben aus purer Bequemlichkeit einer Sache, die sie gerade mal oberflächlich wahrgenommen haben, das Etikett von etwas auf, das sie schon kennen. Das ist "Etikettenschwindel".

    Arthur1788:

    Ich assoziiere das Mönchtum mit einer gewissen Weltabgewandtheit, um die obige Frage noch zu beantworten. Dazu gehört nach meinem Verständnis die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen.

    Ich assoziiere shukke tokudo nun gerade nicht als Weltabgewandtheit. Und ich hatte Gelegenheit, einen Franziskaner und einen Dominikaner (letzterer sogar ein Pater, kein einfacher Frater) näher kennen zu lernen, die sich selbst gewiss auch nicht als "weltabgewandte" Menschen verstanden haben - sondern im Gegenteil, als weltzugewandt. Da gibt es einen feinen Unterschied zwischen "weltabgewandt" und "weltlichen Zielen entsagen". Wobei Letzteres eben nur eine "Abkehr von der Welt" hinsichtlich solcher Ziele ist. "Weltabgewandt" kann man keine brahmavihara üben.


    Was "die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen" angeht, so geht es zumindest im Buddhismus nach meinem Verständnis nicht um Geringschätzung, sondern darum, solche Dinge so wahrzunehmen, wie sie sind und nicht an ihnen anzuhaften. Das heisst, ohne Hass und ohne Begierde mit ihnen umzugehen. Das verstehe ich unter "Askese" im Sinn des Mittleren Weges. Was nun das "Fleischliche" angeht, das Dich dermaßen umtreibt, so gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, hier "Askese" zu üben. Die eine ist, dem Gelübde zu folgen, auf Sexualität gänzlich zu verzichten (fu in kai) - die andere, dem Gelübde zu folgen, auf unheilsame Sexualität gänzlich zu verzichten (fu ja in kai). Wobei die zweite Form durchaus der höhere Anspruch an die eigene Übung sein kann. Dass Sexualität per se unheilsam ist - das ist nun wiederum eine stark im Christentum wurzelnde Idee. Unheilsam ist die Verbindung von Sexualität mit Begierde und Anhaftung - dies voneinder zu trennen, mag für einen nicht zölibatär lebenden Menschen schwierig sein. Oftmals ist es aber umgekehrt für Zölibatäre noch schwieriger - und womöglich Auslöser eines neurotischen Verhaltensmusters. Es hängt von den persönlichen Ausgangsbedingungen ab, welche Form für einen selbst angemessener ist.


    In Japan - um auf das Thema im engeren Sinn zurück zu kommen - wird (nicht nur) begrifflich kein Unterschied zwischen zölibatär lebenden Sōryo und verheirateten Sōryo gemacht. Wenn Du deswegen die Übersetzung 'Mönch' für Sōryo für irreführend hältst, dann such Dir halt eine andere aus. Ich mag die Übersetzung auch nicht besonders und benutze - wenn es denn unbedingt eine Übersetzung sein muss - lieber 'Priester'. Wegen Leuten wie Dir :) . Das liegt nun aber nicht daran, dass ich da den Umgang mit Sexualität als ein entscheidendes Kriterium ansehe.

    Arthur1788:

    Mir ist schon klar dass das jetzt arg idealisiert klingen mag, aber meiner Meinung nach kann man eben ein Hausvater oder ein Mönch sein - nicht beides.

    Man kann Zaike ('Laie') oder Sōryo sein - shukke tokudo macht da den Unterschied. Aber das ist nur ein theoretischer Unterschied. Es gibt "Hausväter", die wie "Mönche" leben und es gibt "Mönche", die wie "Hausväter" leben.


    ()

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  • Festus:


    Ich bin übrigens auch verheiratet, habe Kinder und gehe einem Beruf nach. Und doch bin ich als Mönch ordiniert.

    [/quote]


    Interessant mal selbst mit einem Ordinierten zu kommunizieren, dieses Vergnügen hatte ich bisher nicht. Wie unterscheidet sich denn das Leben als Zen-Mönch von dem eines gewöhnlichen Praktizierenden? Ich nehme ja mal an dass du nicht in einem Kloster lebst? Und an deinem Arbeitsplatz wirst du auch nicht in der Mönchsrobe rumlaufen? Verzeiht mir bitte wenn ich so sehr an meinen Klischees hänge. :grinsen:

    Einmal editiert, zuletzt von Arthur1788 ()

  • Sudhana:


    Was "die Geringschätzung des Materiellen, auch des Fleischlichen" angeht, so geht es zumindest im Buddhismus nach meinem Verständnis nicht um Geringschätzung, sondern darum, solche Dinge so wahrzunehmen, wie sie sind und nicht an ihnen anzuhaften. Das heisst, ohne Hass und ohne Begierde mit ihnen umzugehen. Das verstehe ich unter "Askese" im Sinn des Mittleren Weges. Was nun das "Fleischliche" angeht, das Dich dermaßen umtreibt, so gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, hier "Askese" zu üben. Die eine ist, dem Gelübde zu folgen, auf Sexualität gänzlich zu verzichten (fu in kai) - die andere, dem Gelübde zu folgen, auf unheilsame Sexualität gänzlich zu verzichten (fu ja in kai). Wobei die zweite Form durchaus der höhere Anspruch an die eigene Übung sein kann. Dass Sexualität per se unheilsam ist - das ist nun wiederum eine stark im Christentum wurzelnde Idee. Unheilsam ist die Verbindung von Sexualität mit Begierde und Anhaftung - dies voneinder zu trennen, mag für einen nicht zölibatär lebenden Menschen schwierig sein. Oftmals ist es aber umgekehrt für Zölibatäre noch schwieriger - und womöglich Auslöser eines neurotischen Verhaltensmusters. Es hängt von den persönlichen Ausgangsbedingungen ab, welche Form für einen selbst angemessener ist.


    Sexualität ohne Begierde, wie soll das funktionieren? Für mich klingt das paradox, schon allein auf der biologischen Ebene. Wenn ich nicht begehre will (und kann) ich auch keinen Sex haben.


    Man kann natürlich den - ich nenns mal "protestantischen" - Weg gehen, die Sexualität in die Institution Ehe zu verlagern, damit sie nicht mehr unheilsam (der Christ würde sagen "sündhaft") ist. Ob das nun die "richtige" Antwort gemäß des "Mittleren Weges" ist muss jeder selbst entscheiden. Aus meiner Sicht macht es aber kein Sinn, warum beispielsweise Theravada-Mönche (deren Ordensregeln wohl am ehesten denen der Urgemeinde entsprechen dürften) derart rigorose Regeln für den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht auferlegt bekommen, wenn Sexualität grundsätzlich kein "Problem" darstellt.


    Desweiteren danke ich dir für die kleine Geschichtsstunde, war sehr lehrreich. :)

    • Offizieller Beitrag

    Die Grundidee eines Bhikkus war es ja, dem weltlichen Leben zu entsagen und sich ganz einem Ziel - nämlich Befreiung zu erlangen - zu witmen. Ich denke nicht, dass Zen da einen Bruch damit beabsichtigte.


    Dennoch kam es historisch zu einer Abschaffung des Zölibats. Derzeit ist es so, dass die meisten die in Japan eine Zenausbildung machen, nicht solche sind, die Befreiung erstreben sondern junge Männer die den Familientempel übernehmen wolle, wo dann als Ritualdienstleister tätig sind.


    Ich habe gehört, dass der Zenlehrer Shōdō Harada Roshi idas als einen Misstand betrachtet, weil es dazu führt, dass die Ausbildungstempel nicht für diejenigen da sind, die ihr leben dem Dharma witmen wollen, sondern für Leute die einen "Schein" brauchen. Nach meinem Wissen hat er in seinem Tempel - dem Sogenji - erstens dafür gesorgt, dass keine solche Bescheinigungen mehr ausgestellt werden und zweitens, dass die Ordinierten dort zölibatär leben.


    Ich weiss nicht wie es diesem Experiment geht. Ist er damit eine grosse Ausnahme oder machen das noch mehr?

  • Arthur1788:

    Aus meiner Sicht macht es aber kein Sinn, warum beispielsweise Theravada-Mönche (deren Ordensregeln wohl am ehesten denen der Urgemeinde entsprechen dürften) derart rigorose Regeln für den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht auferlegt bekommen, wenn Sexualität grundsätzlich kein "Problem" darstellt.

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat? Das ist übrigens noch heute in Indien bei Hindus ein gängiges Verhalten - in die Hauslosigkeit geht man in der Regel erst, wenn man seine Verpflichtungen gegenüber der Familie erfüllt hat (wozu es - wie bei Buddha - gehört, eine neue Familiengeneration zu zeugen). Gerade bei vielen der Bhikkus der "Urgemeinde" dürfte genau dies ebenfalls so gewesen sein - häufig erfahren wir in den Sutten ja beispielsweise, welchen Beruf ein Bhikku in seinem "weltlichen" Leben ausgeübt hat. In Thailand z.B. ist das heute natürlich umgekehrt. Da lässt man sich als Adoleszenter (zumeist unter Druck der Eltern) zum Bhikku ordinieren und entrobt dann nach zwei oder drei Jahren wieder, um selbst eine Familie zu gründen ...


    Buddhas grundsätzliche Einstellung zur Sexualität kann man seinen diesbezüglichen Verhaltensempfehlungen für Haushälter entnehmen. Zeit- und kulturentsprechend geht es da vor allem um Respektierung rechtlicher Beziehungen. Wobei Frauen grundsätzlich unter der Vormundschaft eines Mannes standen. Dieses Vormundschaftsrecht war zu respektieren - d.h. Geschlechtsverkehr durfte ein Mann nur mit Frauen ausüben, deren Vormundschaft er übertragen bekommen hatte. Anders gesagt: in der Ehe. Ganz wesentlich geht es auch bei dieser Sila um ahimsa - das Nicht-Verletzen sozialer Beziehungen.


    Was nun den Mönchsorden angeht - das war ein Bettelorden und den Bhikkus war lediglich erlaubt, den eigenen Lebensunterhalt der Gemeinschaft der arbeitenden Menschen zur Last zu legen, um sich, von der Notwendigkeit zu arbeiten befreit, der Übung des achtfachen Pfades widmen zu können. Dieses Prinzip wäre durch die Notwendigkeit, darüber hinaus noch für Frauen und Kinder sorgen zu müssen, durchbrochen worden und hätte sich auch negativ auf die Akzeptanz des Bettelns ausgewirkt. Ansonsten: natürlich stellt Sexualität grundsätzlich ein "Problem" dar. Ob man sie nun ausübt oder ob man es sich verkneift. Mit beiden Arten dieses Problems kann man lernen, umzugehen. "Bei beiden lobe ich den guten Wandel, beim Hausvater und beim Hauslosen. Der Hausvater oder der Hauslose, wenn er einen guten Wandel führt, hat eben infolge seines guten Wandels Erfolg in der heilsamen Pfadlehre." (A.II.41)


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  • void:

    Derzeit ist es so, dass die meisten die in Japan eine Zenausbildung machen, nicht solche sind, die Befreiung erstreben sondern junge Männer die den Familientempel übernehmen wolle, wo dann als Ritualdienstleister tätig sind.

    Daran stört sich nicht nur ein Shōdō Harada Roshi, das ist unter dem Schlagwort "Bestattungsbuddhismus" (soshiki bukkyo) seit den 60ern Gegenstand wachsender Kritik in Japan.

    void:

    Nach meinem Wissen hat er [...] dafür gesorgt, [...] dass die Ordinierten dort zölibatär leben.

    Das ist in den Klöstern völlig normal - sowohl für die auszubildenden Unsui wie auch für die Ausbilder. Letztere oft Leute, die (noch) keinen Tempel "erben" (und daher auch keine Familie ernähren) können und deswegen im Kloster bleiben und dort "Karriere" machen. Der Großteil der Ordinierten allerdings übernimmt nach der Ausbildung einen Tempel (idR erst einmal als Assistent). Viele davon üben dann nie wieder Zazen - Andere wiederum bieten in ihrem Tempel auch Laien Unterweisung in Zazen an. Nicht nur Bestattungen. Wobei sich auch da die Zeiten unaufhaltsam ändern. Wohin die Reise (evt.) geht, konnte man auf der Life Ending Industry EXPO 2017 in Tokyo sehen: http://video.dailymail.co.uk/v…4_1061671922732351357.mp4


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  • Hallo, Ihr Lieben,


    danke für diese kompakte Fortbildung in Sachen Zen-Realität und Japan. Für mich als Nicht-Zennie sehr spannend!


    _()_

  • Sudhana:

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat?


    Aber nicht als Buddha (Erwachter), sondern in der Zeit davor. Sex gehört den Suttas im PK zufolge ausdrücklich zu den Unmöglichkeiten für einen Erwachten, und selbst Haushältern empfahl der Buddha, darauf zu verzichten, sofern sie dazu imstande sind (Sex innerhalb moralisch vertretbarer Grenzen ist daher auch für Hausleute nur "zweite Wahl"). Diejenigen Laienanhänger (beiderlei Geschlechts), die er als "Maßstab und Richtschnur" für seine Laienanhänger bezeichnet, waren "Nicht-Wiederkehrer" (= kein Sex).

  • Gedanke:
    Sudhana:

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat?


    Aber nicht als Buddha (Erwachter), sondern in der Zeit davor.

    Wobei es ihm offensichtlich nicht geschadet oder ihn daran gehindert hat, noch im selben Leben zum Buddha zu werden. Was, nebenbei angemerkt, in Theravada-Diktion bedeutet, dass er als Anagamin (Nicht-Wiederkehrer) zur Welt kam. Die ja angeblich keinen Sex haben, wenn man Dir glauben soll.


    Wenn Dich das Thema so umtreibt, stelle es doch (wieder) mal im Allgemeinen Forum zur Diskussion. Das Zen-Forum ist jedenfalls nicht der geeignete Ort, um darüber zu diskutieren, was da nun angeblich in den Sutten des Palikanon stehen soll oder was man da so alles herausliest.


    ()

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  • Sudhana:

    Was, nebenbei angemerkt, in Theravada-Diktion bedeutet, dass er als Anagamin (Nicht-Wiederkehrer) zur Welt kam.


    Geborene Nicht-Wiederkehrer gibt es laut den Suttas nur unter Göttern.

  • Arthur1788:
    Festus:


    Ich bin übrigens auch verheiratet, habe Kinder und gehe einem Beruf nach. Und doch bin ich als Mönch ordiniert.


    Interessant mal selbst mit einem Ordinierten zu kommunizieren, dieses Vergnügen hatte ich bisher nicht. Wie unterscheidet sich denn das Leben als Zen-Mönch von dem eines gewöhnlichen Praktizierenden? ...


    Ich würde die Frage nicht so verallgemeinern. Den "Zen-Mönch" und den "gewöhnlichen Praktizierenden" gibt es nicht.


    Mein Leben wird sich von deinem, so du denn kein Zen Mönch bist, z.B. dadurch unterscheiden, dass ich hin und wieder eine Robe trage und du nicht. Evtl ist auch unser Haarschnitt unterschiedlich. Außerdem habe ich dann auch andere Gelübde genommen.
    Aber das sind alles Äußerlichkeiten.
    Ich kenne dich nicht. Also kann ich nicht sagen, wo sich unser Leben unterscheidet.


    Aber sag doch mal, um was geht es dir wirklich bei deinen Fragen Arthur1788?

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Gedanke:
    Sudhana:

    Dir ist aber schon klar, dass Buddha selbst verheiratet war und einen Sohn gezeugt hat?


    Aber nicht als Buddha (Erwachter), sondern in der Zeit davor. Sex gehört den Suttas im PK zufolge ausdrücklich zu den Unmöglichkeiten für einen Erwachten, und selbst Haushältern empfahl der Buddha, darauf zu verzichten, sofern sie dazu imstande sind (Sex innerhalb moralisch vertretbarer Grenzen ist daher auch für Hausleute nur "zweite Wahl"). Diejenigen Laienanhänger (beiderlei Geschlechts), die er als "Maßstab und Richtschnur" für seine Laienanhänger bezeichnet, waren "Nicht-Wiederkehrer" (= kein Sex).


    Für mich stellt sich ehre die Frage, ob die völlige Enthaltsamkeit nicht zuwider der menschlichen Natur ist. Ob das menschliche Gehirn nicht irgendwann, nach langer Enthaltsamkeit, "durchdreht" und dann zu Missbrauch über geht. Beispiele gibt es. Ich konnte leider mit niemanden sprechen, der seit langer Zeit zölibatär lebt und mich mit ihm über seine Erfahrungen austauschen.
    Wobei für mich noch ein Unterschied zwischen Mann und Frau und Alt und Jung zu machen ist. Frauen fällt es unter Umständen leichter?! Völlige Enthaltsamkeit schließt natürlich auch die Masturbation aus und den Samenerguss nachts. Dieser ist auch zu unterdrücken, sonst hat man ja im Schlaf Sex.
    Da stellt sich wirklich die Frage, was ist heilsamer? Der mittlere Weg oder völlige Entsagung?

    :buddha: Es geht immer darum, sich in die Unannehmlichkeiten des Lebens hineinzulehnen und sich diese ganz genau anzuschauen. :buddha:

  • Lucky:

    Für mich stellt sich ehre die Frage, ob die völlige Enthaltsamkeit nicht zuwider der menschlichen Natur ist.


    Völlige Enthaltsamkeit mag den meisten Menschen "zuwider" sein, ist aber durchaus Teil des "natürlichen" menschlichen Handlungsspielraums, wenn auch kaum beachtet.



    Lucky:

    Ob das menschliche Gehirn nicht irgendwann, nach langer Enthaltsamkeit, "durchdreht" und dann zu Missbrauch über geht.


    Es geht um freiwillige Enthaltsamkeit im Rahmen einer auf Befreiung/Erwachen ausgerichteten Lebensweise. Da ist Missbrauch schon vorher keine Option.



    Lucky:

    Völlige Enthaltsamkeit schließt natürlich auch die Masturbation aus und den Samenerguss nachts. Dieser ist auch zu unterdrücken, sonst hat man ja im Schlaf Sex.


    Zu "unterdrücken" sind ausschließlich Handlungen. Ein Orgasmus/Samenerguss als solcher ist keine Handlung. Das Darauf-Hinarbeiten dagegen schon.

  • Gedanke:

    Diejenigen Laienanhänger (beiderlei Geschlechts), die er als "Maßstab und Richtschnur" für seine Laienanhänger bezeichnet, waren "Nicht-Wiederkehrer" [...]


    Mit dieser Aussage (bezogen auf die Nicht-Wiederkehr) bin ich über das hinausgegangen, was ich gegenwärtig anhand von Suttas eindeutig begründen könnte. Dafür bitte ich um Entschuldigung.

  • So gesehen wird es deutlich warum es möglich ist im Westen ein Zen-Kloster zu gründen
    und dort als Mönch in der Gemeinschaft den spirituellen Glauben des Abgewandseins zu praktizieren.
    Da es vor allem um Lebenskunst geht und nicht um das Einhalten von Vorgaben, ist das Mönchsleben
    im Zen-Buddhismus ein Weg in die Freiheit und weniger materieller Wohlstand und Konsum.
    Man ist nicht vorrangig dadurch Mönch weil man äußeren Regeln folgt, sondern weil man im
    Bewusstsein eine bestimmte geistige Lebensform hat, die nicht das Zölibat und die sexuelle
    Enthaltsamkeit als Bedingung stellt, das ist auch nicht so wichtig, wichtig ist die eigene innere
    Haltung zu Buddha, dem Buddhismus und dem Dharma, somit zu sich selbst und den Mitmenschen.

  • Namaste!


    Hallo sati-zen,


    Ich glaube das ist eine etwas zu einseitige Sichtweise.


    Zunächst sollte man bedenken, dass das Phänomen "Zen-Mönch" ja eigentlich ein aus Japan stammendes ist. Ursprünglich gab es im Buddhismus die Vierfache Sangha aus Bhikkhus, Bhikkhunis, männlichen und weiblichen Laien.
    Während im chinesischen Zen/Chan (und wohl auch im koreanischen Zen/Seon und im vietnamesischen Zen/Thîen) die vollständige Ordination als Bhikkhu und Bhikkhuni erhalten blieb und sogar noch um die Brahmanetz-Gelübde erweitert wurde (als sogenannte "Dreifache Ordination" aus Noviziat, Vinaya und Bodhisattva-Gelübde), ersetzten in Japan die Gelübde des Brahmanetz-Sutras (jap. "Bonmokyô") nach dem Tod Saichô's (Dengyô Daishi) immer mehr den Vinaya, bis er als Ordinationsgrundlage faktisch keine Bedeutung mehr spielte. Auch die Ordination nach dem Bonmokyô wurde über die Jahrhunderte vereinfacht, so dass nur noch die Zehn Hauptgelübde übertragen wurden, und mit der Meji-Zeit fiel dann auch das Zölibat weg.
    Außerhalb Japans ist der monastische Anhänger des Zen also zumeist ein Novize(in), ein Bhikkhu oder eine Bhikkhuni (es mag Ausnahmen geben, z. B. der koreanische Taego-Orden). Den "Zen-Mönch" im Unterschied zum nach dem Vinaya lebenden Vollordinierten kennt man dort also gar nicht!


    Aber in allen Traditionen, selbst in Japan nach der Meji-Zeit (!), ist dem "Zen-Mönch" (natürlich auch der Zen-Nonne!) immanent, dass er Gelübde nimmt und es unternimmt, diese als Aspekt seines Zen-Weges zu befolgen. [Natürlich gab es immer auch Zen-Meister, die ihre Umgebung und ihre Konkurrenten für die strikte Auslegung der Gelübde/Regeln kritisierten, aber an der Institution der Gelübde selbst rüttelte, soviel ich weiß, niemand.]


    Sogar die später als Zen-Meister anerkannten Mönche, die sich selbst ordinierten, machten das, indem sie Gelübde ablegten - also ein "Regelwerk" [hier in Ermangelung eines besseren Terminus!] annahmen. Zumeist waren das dann auch die Gelübde aus dem Bonmokyô, vielleicht auch die aus dem Srîmala-Sutra...?


    Festzuhalten ist also, dass der Titel "Zen-Mönch" die Annahme von buddhistischen Gelübden impliziert. Der WEG des Zen ist ein ganzheitlicher Weg - im Einklang mit dem Edlen Mittleren Achtfachen Pfad und bestehend aus Ethik, Praxis und Weisheit, und wesentlicher Teil der Ethik sind nun einmal die Gelübde.


    Es mag richtig sein, dass man "nicht vorrangig Mönch ist, weil man äußeren Regeln folgt". Aber "äußere Regeln" sind de facto Teil des Mönch-Seins, und in gewisser Hinsicht sind sie ja auch "Standard" und für den Laien auf der Suche nach einem Lehrer "Qualitäts-Merkmal". Denn der Laie, der die Gelübde kennt, kann an der Lebensweise und am Verhalten seines potentiellen Lehrers schon versuchen abzuschätzen, inwieweit sich dieser an den genommenen Gelübden orientiert und insoweit ein "authentischer Nachfolger des Buddha" ist.
    [Auch Buddha nahm seinerzeit ja die Menschen in seine Vierfache Sangha auf, indem er sie Zuflucht nehmen und geloben ließ, die Pancasîla bzw. das, woraus sich später der Vinaya entwickelte, anzunehmen und einzuhalten.]


    Einige werfen den Zennies ja vor, "amoralisch" zu sein. Aber das ist einfach nicht der Fall!
    Wenn man sich solche grundlegenden Texte wie das "Shushôgi" (Sôtô Shû) oder auch Hakuin's "Zazen-Wasan" (Rinzai Shû) ansieht, dann werden dort immer die "Regeln" oder "Gelübde" angeführt, und es scheint mehr als selbstverständlich zu sein, dass sich die Zen-Übenden daran orientieren.


    Ich denke also, dass ohne "äußere Regeln" gar kein Zen-Mönchtum möglich ist!
    Ein Leben als "Zen-Praktizierender" vielleicht... [ist wahrscheinlich schwierig - keine Ahnung!], aber darum geht es hier ja auch nicht.


    Ein schönes Wochenende!
    < gasshô >


    Benkei

    Namu-kie-Butsu,
    Namu-kie-Hô,
    Namu-kie-Sô.

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin