Was unterscheidet den Buddhisten vom Materialisten ?

  • Hm, mir scheint, es fällt Dir schwer, ohne Ablehnung und Abwertung hier zu diskutieren.

    Ist doch nicht böse gemeint ... sei halt nicht so bierernst ;) ... is ja wie bei den Anthroposophen, wo ein Augenzwinkern schon als Sakrileg gilt :roll: ... mach dich mal locker ...

    • Offizieller Beitrag

    Damit unterstellst du, dass Religion und Weltanschauung - also ein System von Ideen und Ideologien - Menschen freier und freundlicher machen kann.

    Dies ist weder das, was man unter Weg versteht, noch das, was Buddha oder Christus als Lehrer verstanden haben.

    Hallo Leonie.


    Diese Abneigung gegenüber Systemen, Ideologien und Religionen ist mir bekannt. Für Dich haben diese Begriffe vielleicht eine negativ geprägte Konnotation, die ich nicht in jedem Fall teile. Wenn ich Religion gesagt habe, meinte ich damit zunächst, das, was im Zentrum der jeweiligen kulturellen Struktur steht: die Lehre. Was dazu kommt, ist, dass diese Lehre über die Jahrtausende der Nachfolge, Reflexion, Deutung und kulturellen Assimilation verschiedene Formen der Vermittlung und Praxiswerdung hervorgebracht haben – zielführende, weniger zielführende und schädliche, die den Menschen unfrei und unglücklich gemacht haben. All das sind Teile dessen, was ich mit Religion meine.


    Das Zen-Kloster, in dem ich immer wieder Retreats mache, ist eine Institution, in der spezifische Formen der Vermittlung der ZEN-buddhistischen Lehre und der Praxis gelehrt werden. Dass es Menschen sind, die diese Vermittlung und Praxiswerdung begleiten und fördern, ist selbstverständlich. Jede Institution besteht aus Menschen.


    Ich habe Weltanschauung von Religion unterschieden, weil es auch Wege gibt, die nicht auf das abzielen, was den Religionen innerster Kern ist. Es gibt säkulare Formen der Ethik, die ich nicht als minderwertig betrachte. Diese Formen der säkularen Ethik, der Buddhismus, wie auch das Christentum oder der Islam sind zudem auch Systeme von Ideen, wie auch nicht? Ideologien können daraus erwachsen, müssen aber nicht. Ich würde das nicht in einen Topf werfen.


    Ohne das Buddhistische Lehrsystem, hätte ich keine Idee davon entwickeln können, was der WEG ist. Ich bin z.B. den in der Institution des tibetischen Zentrums organisierten und engagierten Menschen sehr dankbar, dass sie mir die buddhistische Lehre nahegebracht haben, denn diese Lehre hat meine Weltanschauung komplett verändert. Dass ich schließlich beim Zen gelandet bin, in dessen der Praxis der Körper eine so wesentliche Rolle spielt, ändert nichts daran. Da ich aber zugleich auch Christen kenne, die ähnliche Erfahrungen in ihrer kulturellen Stuktur, mit ihrer Lehre, in ihrer Institution und den Menschen, die sich darin organisieren, gemacht haben, würde ich den buddhistischen Zugang zum "Heiligen" nicht als den einzig möglichen bezeichnen wollen. Viele Wege gibt es. Und, wenn ein Weg dazu führt, dass Menschen freier und glücklicher werden, dann ist es nach meinem Verständnis ein guter Weg.


    Was "man", Buddha oder Christus unter dem Weg verstehen oder verstanden haben, kann ich leider nicht beurteilen.


    Liebe Grüße


    Thorsten


  • Bitte Aravind erkläre einmal das Missverständnis dem Korx angeblich aufgesessen ist. Wenn du es nicht erklären magst, dann sage ich unter Vorbehalt: kein Missverständnis.


    Hier die Lehrrede nochmal: Samyutta Nikaya 15


    Es sieht für mich eher so aus als würdest du und Helmut einem Missverständnis aufsitzen was den Widerwillen gegen die Gestaltungen (das hätte nichts mit Leben zu tun) angeht.


    Anbei ein Zitat


    Zitat

    14. Was aber, ihr Bhikkhus, sind Gestaltungen? Die drei Arten Gestaltung,

    • die Gestaltung des körperlichen Tuns,
    • die Gestaltung der Rede,
    • die Gestaltung des Denkens

    das, ihr Bhikkhus, heißt Gestaltungen.

    Samyutta Nikaya 12 .01-10


  • Es geht ja nicht darum, dass man sich gegenseitig Vorschläge macht, in den Wald zu gehen und unter Mönchen zu leben. Dass weltliches Glück unbeständig ist, und dass das Anhängen daran zu neuerlichem Werden führt und nicht zu dem was der Buddha lehrt, könnte man aber (trotzdem man sich selber für anderes entschieden hat) sagen.

  • Alephant


    Danke für das Zitat und die Anmerkung dazu!

    Das ist auch der Grund, warum ich gerade die persönlichen Kommentare in diesem Forum sehr schätze und Verweise auf Links, die man doch bitteschön so zu verstehen hat wie der Absender, eher problematisch finde.

    Es geht ja nicht darum, dass man sich gegenseitig Vorschläge macht, in den Wald zu gehen und unter Mönchen zu leben. Dass weltliches Glück unbeständig ist, und dass das Anhängen daran zu neuerlichem Werden führt und nicht zu dem was der Buddha lehrt, könnte man aber (trotzdem man sich selber für anderes entschieden hat) sagen.

    Da das mit dem "neuerlichen Werden" für mich im Bereich der Spekulation liegt, hilft mir tatsächlich wohl nur die Praxis ...

  • Ach.Von der Sache her doch ganz anständig.Man könnte 0,5 Milliarden Buddhisten fragen,ab wann sich einer nicht mehr ganz so arg an die Materie(xyz) verliert.

    Wobei wir was das hier betrifft,nochmal was spezielles dabei haben:Visuell/Virtuell.Die virtuelle Materie.Sozusagen.

  • Oha! Ich muss noch viel lernen, um mitreden zu können :eek:...

    Ich hoffe es langt, wenn ich die Terminologie irgendwann auf Deutsch drauf habe ?

  • Das wir dauern. Ich komm mir vor, wie damals in der 1. Klasse :doubt::)

  • Zunächst danke ich dir, dass du meinen Vorschlag nachgekommen bist und die zitierweise entsprechend anwendest. So finden sich die Beiträge für mich einfacher.

    Ohne das Buddhistische Lehrsystem, hätte ich keine Idee davon entwickeln können, was der WEG ist.

    Was "man", Buddha oder Christus unter dem Weg verstehen oder verstanden haben, kann ich leider nicht beurteilen.

    Man - das sind diejenigen, die den Buddha-Weg oder Christus-Weg gehen und verstehen, wie z.B. Dôgen oder der Evangelist Johannes. Beides hat mit einem Lehrsystem nichts zu tun. Ausgangspunkt ist dukkha - das schwer zu ertragende - das erfährt jeder Mensch und dazu braucht es kein System, keine Religion und keine Lehre. Ausgangspunkt ist die Erfahrung von dukkha.

    Und die Suche nach Erlösung oder Befreiung führt dich zum WEG, der gegangen werden muss. Die Gestaltung(en) des Weges unterscheidet sich dann, je nach persönlichen und sozio-kulturellen Voraussetzungen bzw. Bedingungen. Da kommt dann so was wie Institutionen und Lehre ins Spiel. Und da haben wir heute ein großes globales Angebot aus dem jeder sich das passende Bausteinchen heraus nehmen kann. Aber was der Weg (für einen selbst) ist und ob er zur Befreiung führt, das entscheidet sich lokal, im Gehen selbst und im Erfahren selbst. Dann lässt man das bekannte Floß am Flußufer liegen, d.h. die Lehre braucht es nicht mehr. Wenn ich das ganz genau betrachte, so braucht es weder am Anfang, noch am Ende, noch in der Mitte die Lehre. Es braucht einen guten Menschen, der sich in der Gegend gut auskennt und dem man sich anvertrauen kann. Genau so hat auch Buddha das mal gesagt, in AN.X. 61-62


    Anguttara Nikaya X.61-70

    Zitat

    Doch auch das Hören der Guten Lehre hat eine es ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung des Hörens der Guten Lehre? »Der Umgang mit edlen Menschen«, hätte man zu antworten.



    Und da bin ich wieder bei meinem Eingangsargument von den freien und freundlichen Menschen - der gute Weg kommt durch gute Menschen zustande. Wie Augustinus es mal meinte: seid ihr gut, sind auch die Zeiten gut.

    :zen:


  • Neuerliches Werden - damit meinte ich nicht spezifisch neuerliche Geburtserfahrung. Werden von Vorurteilen, Gewöhnungen zB. Aber klar, dass du an Geburt denkst, ist ja in verschiedenen Darstellungen des Entstehens in Abhängigkeit "Werden" als Bedingung direkt für und vor "Geburt" genannt.


    Es ist wie schon einmal geschrieben mit allen Theorien so, dass ihre Vorhersagen Zukünftiges betreffend, empirisch natürlich nur in einer Zukunft überprüft werden können. Die Erfahrung zeigt, dass es zuverlässige Theorien gibt, die ziemlich sicher Auskunft über Zukünftiges geben können.


    Was den nicht einfachen und unterschiedlich gedeuteten Begriff Gestaltungen angeht. Eigentlich ging es dir ja um einen "Widerwillen gegen das Leben". Da ist es normal, dass Leute wachsamer werden und nachfragen. "Widerwille gegen das Leben" haben ja auch Selbstmörder. Um so einen Widerwillen geht es in der BuddhaLehre nicht. Anhaften an Widerwillen ist nicht die Idee. Konsequenz des Handelns schon. In dem Fall dann Entsagung.


    Widerwille gegen das Lügen zB. Widerwille gegen das Begehren im besten Licht dazustehen ...

    Einmal editiert, zuletzt von Alephant ()

  • Und da bin ich wieder bei meinem Eingangsargument von den freien und freundlichen Menschen - der gute Weg kommt durch gute Menschen zustande.


    Aber man findet freie und freundliche Menschen doch auch in Institutionen, Vereinen, Gemeinschaften, die einer systematisierten Lehre folgen und gemeinsam praktizieren.

    Wenn man sich einer bestimmten institutionalisierten Religion anschließt hat man viel mehr Chancen, den persönlich richtigen Lehrer zu finden als ohne diese Institutionen, welche im Grunde eine Gemeinschaft von Menschen ist, die nicht so locker und sich schnell wieder auflösend ist.

    Es mag auch Menschen und Lehrer in Institutionen geben, die sind nicht frei, nicht genügend geistig frei. Die gibt es außerhalb der Institutionen aber auch auch.

    Ich halte meinen Lehrer, den ich in einem religiösen Verein kennengelernt habe für frei und freundlich und bin dankbar, dass dieser Verein diesen Lehrer aus Tibet vor vielen Jahren eingeladen hatte, bei Ihnen ständiger Lehrer zu werden. Sonst hätte ich ihn nicht kennengelernt.


    Ein System, eine Institution kann man als Grundlage oder als Rahmen betrachten, innerhalb dessen man seinen persönlichen WEG gehen kann Es wäre nur unrealistisch zu denken es gelte "Dieses System = mein WEG"

    :rainbow:

  • Leonie


    So.Mal so.Meine letzte "Lehrerin"hat sich dann mal durch die Blume als ziemlich "edel"(und von Motiv wegen)gegeben.Ich musste dann einfach gehen.Ausserdem glaube ich,dass selbst ein sg.edler Freund, in gewisserweise,"gewöhnlich" ('gut') daher kommt.

    • Offizieller Beitrag

    der gute Weg kommt durch gute Menschen zustande.

    Hallo Leonie.


    Es wäre fatal, wenn dieser Satz zutreffen würde. Ich kenne nur Menschen – – manche sind so andere so, aber alle sind in verschiedenen Formen des Leidens gefangen, mal mehr mal weniger. "Gute" oder "böse" Menschen habe ich nie kennengelernt, Du? Dann würde nie ein Weg zustande kommen.


    Liebe Grüße


    Thorsten

  • Ja, sie sind mal mehr mal weniger im Leiden gefangen, Thorsten.

    Aber ich denke doch, dass es böse Menschen gibt. Das sind aus meiner Sicht jene, die intelligent genug sind, sich anders zu entscheiden, aber doch den grausamen Weg wählen.


    Wozu sollte es sonst eine Hölle geben in Buddhas Terminologie der karmischen Folgen?

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Monika.


    Die Höllenphantasien, wie man sie z.B. in tibetischen Schriften findet, sind – meiner Ansicht nach – reine Erfindungen, mit denen Vertreter der jeweiligen religiösen Institutionen simplen oder ungebildeten Gemütern und kleinen Kindern Angst einzujagen versuchen, um Kontrolle auszuüben und die eigene Macht zu festigen. Realen Höllen indes gibt es genug. Derzeit zum Beispiel im Sudan – oder in der Massentierhaltung. Ich bezweifle allerdings stark, dass man den Menschen oder Tieren, die dort leiden und sterben, karmische Verantwortung dafür zuschreiben kann, was mit ihnen geschieht.


    Im Palikanon hingegen gibt es die Beschreibung einer Hölle, die darin besteht, dass man nirgendwo und in keiner Weise Genügen finden kann. Das ist die einzige Hölle, der ich neben anderen auch karmische Ursachen zusprechen würde. Aber selbst diese Hölle ist sicher kein Ort, sondern ein Zustand, der in unserem Daseinsbereich nicht sonderlich selten sein dürfte. Aber das Thema Karma ist hier in diesem Forum sicherlich schon hundertfach besprochen worden. Vielleicht sollten wir es hier nicht fortsetzen.


    Viele Grüße


    Thorsten

  • Da kommt dann so was wie Institutionen und Lehre ins Spiel.


    Und damit Lehrer und Schüler.


    Zitat

    S.35.150 Schüler - 6. Antevāsika Sutta


    "Ohne Schülertum, ihr Mönche, wird dieser Brahma-Wandel geführt, ohne Meistertum. Wer als Mönch, ihr Mönche, ein Schüler ist und einen Meister hat, der fühlt sich leidend, nicht wohl; wer als Mönch, ihr Mönche, kein Schüler ist und keinen Meister hat, der fühlt sich glücklich und wohl.


    Wie aber, ihr Mönche, fühlt sich der Mönch als ein Schüler mit einem Meister leidend und nicht wohl? Da hat, ihr Mönche, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehen, mit dem Ohre einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Körper einen Gegenstand getastet, mit dem Geiste ein Ding gedacht - und es steigen ihm böse, unheilsame Dinge auf, Erinnerungen und Entschlüsse fesseln ihn, sie machen ihn zu ihrem Schüler: 'Sie schulen ihn ein, die bösen unheilsamen Dinge', darum wird er 'eingeschult' genannt; sie bemeistern ihn: 'Es bemeistern ihn die bösen, unheilsamen Dinge', darum wird er 'bemeistert' genannt. Also, ihr Mönche, fühlt sich der Mönch schülerhaft und bemeistert leidend und nicht wohl.


    Wie aber, ihr Mönche, fühlt sich der Mönch nicht als ein Schüler und ohne Meister glücklich und wohl? Da hat, ihr Mönche, ein Mönch mit dem Auge eine Form gesehen, mit dem Ohr einen Ton gehört, mit der Nase einen Duft gerochen, mit der Zunge einen Saft geschmeckt, mit dem Körper einen Gegenstand getastet, mit dem Geiste ein Ding gedacht - und es steigen ihm keine bösen, unheilsamen Dinge auf, keine Erinnerungen und Entschlüsse fesseln ihn, sie können ihn nicht mehr zu ihrem Schüler machen: 'Sie schulen ihn nicht mehr ein, die bösen, unheilsamen Dinge', darum wird er 'nicht eingeschult' genannt; sie können ihn nicht mehr bemeistern: 'Es bemeistern ihn nicht mehr die bösen, unheilsamen Dinge', darum wird er 'nicht bemeistert' genannt. Also, ihr Mönche, fühlt sich der Mönch uneingeschult und unbemeistert glücklich und wohl.


    Ohne Schülertum, ihr Mönche, wird dieser Brahma-Wandel geführt, ohne Meistertum. Wer als Mönch, ihr Mönche, ein Schüler ist und einen Meister hat, der fühlt sich leidend, nicht wohl; wer als Mönch, ihr Mönche, kein Schüler ist und keinen Meister hat, der fühlt sich glücklich und wohl!"

    Samyutta Nikaya 35.131-150

  • Gegen Institutionen habe ich nichts, aber sie sind in den wenigsten Fällen demokratisch legitimiert. Gerade in religiösen Einrichtungen wird vieles durch Spenden überhaupt erst aufgebaut und möglich, doch die Spender, sieht man mal von Großspender ab, haben nichts zu melden. Sie haben noch nicht mal Teil am Besitz und Vermögen. Dabei lässt sich vieles als Genossenschaft z.B. organisieren.

    Daher sollte sich jeder auch mal genauer ansehen - wer finanziert es und wem gehört es.

    :zen:

  • Beobachte zwei Käfer, die miteinander kämpfen oder zwei Raben, die miteinander streiten, dann weißt Du wie die beiden sich unterscheiden ;)

  • Das war doch meine Frage.

    Da kann ich dir keine Antwort geben - da musst du dich an Thorsten Hallscheidt wenden, der hat das mit dem Lehrsystem und der Religion und dem anderen institutionellen Zeug eingebracht.

    Ich versuche immer deutlich zu machen, dass der WEG was Lebendiges ist, aber da scheine ich mich nicht verständlich machen zu können.

    :zen:

    2 Mal editiert, zuletzt von Leonie ()