Säkularer Buddhismus im Vergleich

  • Die 3-Leben-Teorie: (aus Wiki)


    " Die Glieder 1–2 gehören dem vorangegangenen Leben an, während die Glieder 3–10 die Bedingungen (3–7) und Früchte (8–10) des aktuellen Lebens darstellen. 11–12 gehören zum zukünftigen Leben. Damit wird der Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) erklärt."

    Stammt aus dem Visuddhi-magga


    Ach so, du meinst die 12 Glieder des anhängigen Entstehens. Ja, so wie es viele verstehen, entzieht es sich der Empirie. Man kann sie auch anders deuten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass diese 12 Glieder ursprünglich 8 waren, glaube ich. Müsste ich nochmal nachschlagen.


    Es gibt ja immer Varianten, wie man die alten Texte verstehen kann: wörtlich wie der evangelikale Christ seine Bibel, metaphorisch gedeutet auf das Heute zugeschnitten, aus Sicht der Textkritik, die versucht Überlieferungschichten zu identifizieren, um einem authentischen Kern auf die Spur zu kommen. Ich bevorzuge letztere beiden Variante . Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna / 塞翁失馬焉知非福

  • Könnte man durch unethisches Verhalten Dukkha ausreichend kompensieren, so bräuchte man den achtfachen Pfad nicht. Dann wäre eine hedonistische Lebensart ausreichend.

    Aber würde für eine nicht-hedonistische Lebensart nicht ein sechsfacher Pfad genügen? Wozu braucht der säkulare Buddhist einen achtfachen Pfad?

    Viele Grüße

    Elliot

  • Alle Pfade sind nur Abwege von dem einen Pfad. Es sollte darum gehen, den einen Pfad von den Verwässerungen durch alle anderen Pfade zu reinigen, ohne die Abweg zu versperren. Der eine Pfad wird erkannt, wenn man alle Diskrepanzen zwischen den anderen Pfaden erkennt als nicht zum Einen gehörend. Der eine Pfad ist frei von Meinungen.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Beispielsweise im Bewusstsein zu sterben, seinen Angehörigen Schulden zu hinterlassen, dürfte allerdings den Sterbevorgang - durch Unruhe im Geist - negativ beeinflussen, so dass die Wirkung der schlechten Taten, in so einem Fall, bis zuletzt, auch für den Täter, noch saure Früchte tragen kann ...

    Der Film "Didi und die Rache der Enterbten" zeigt den gegenteiligen Fall.

    Ein steinreicher Mann hinterlässt seinen charakterlich fragwürdigen Erben ein Millionenvermögen, was dazu führt, dass sie sich gegenseitig um die Ecke bringen.

    Nur der unbedarfte Didi überlebt, er symbolisiert in dem Film den Erwachten im zehnten Ochsenbild des Zen.


    Das gleiche Thema finden wir auch im Edgar-Wallace-Thriller "das indische Halstuch" mit einem grossartig spielenden Hans Clarin, der am Ende seine Mutterprobleme (Elisabeth Flickenschildt) auf karmisch fragwürdige Weise löst.


    :cry:

  • Aber würde für eine nicht-hedonistische Lebensart nicht ein sechsfacher Pfad genügen? Wozu braucht der säkulare Buddhist einen achtfachen Pfad?

    Paradoxerweise ist eine hedonistische Lebensweise oft der Trigger zum Erwachen, oder zumindest der Auslöser, den Buddhaweg in aller Konsequenz zu gehen.


    Der Hedonist (oder auch der von "den Armen" verachtete "Reiche") wird irgendwann an den Punkt geraten, an dem er an der Auswegslosigkeit seines Hedonismus verzweifelt, denn jedes Extrem kippt an seinem Kipp-Punkt ins Gegenteil.

    Der "Arme" träumt insgeheim immer davon, einst ein weltlich Reicher oder ein Hedonist zu werden, vielleicht praktiziert er deswegen sogar den achtfachen Pfad.

    Oder noch schlimmer, er träumt als künftiger Heiliger Groß-Inquisitor den Traum der Rache, in dem er der Welt endlich heimzahlt, was sie ihm angetan hat.


    Der achtfache Pfad wird so richtig wertvoll erst nach dem Erwachen, nach dem Stromeintritt.


    :?

  • Könnte man durch unethisches Verhalten Dukkha ausreichend kompensieren, so bräuchte man den achtfachen Pfad nicht. Dann wäre eine hedonistische Lebensart ausreichend.

    Aber würde für eine nicht-hedonistische Lebensart nicht ein sechsfacher Pfad genügen? Wozu braucht der säkulare Buddhist einen achtfachen Pfad?

    Auf welche pfadelemente könnte der säkulare Buddhismus aus deiner Sicht denn verzichten?

  • Zu den Früchten guter und unguter Taten.

    Das Erbe ist ein guter Anfang. Was hinterlässt ein Verstorbener?

    Eine Leiche und ein Erbe.

    Die Leiche ist offensichtlich Leiche, doch das Erbe ist auch seine Leiche.

    Ein Erbe ist kein Ergebnis der guten und unguten Taten, eine Leiche ist kein Verstorbener.

    Vergangen ist das Leben und vergangen, das Tun und die Taten schon bei ihrem Tun.


    Das etwas zum Erben bleibt, ist nur den Normen der sozialen Gemeinschaft geschuldet.

    Doch weder Erbe noch Leiche gehören zur Gemeinschaft, sonst würde sie diese ja nicht von sich weisen, auflösen. Keiner hat Anspruch auf Erbe oder Leiche, denn deren Besitzer ist nicht mehr, beide sind Dinge, die keinem gehören.

    Wer Ansprüche erhebt, wird darunter leiden.

    Wer mehr für Leiche, Erbe tut, als sie zu Grabe zu legen, wird darunter leiden.

    Wer glaubt, dass die Leiche ein Verstorbener ist, wird darunter leiden.

    Was ist dieses Leiden? Es ist das Festhalten an einem nicht mehr Lebenden und Ergebnissen guter und unguter Taten, die schon ewig vergangen sind.

    Menschen haben oft Schwierigkeiten, auf das Wesentliche reduzierte Menschen zu verstehen.

    Ein Mensch, der sich auf das Wesentliche reduziert, hat Schwierigkeiten, sich anderen Menschen verständlich zu machen.

    Ich werde den Weg des mich Reduzierens nicht mehr verlassen, kann ich auch nicht.

    Den gehe ich seit Jahrzehnten.

  • Auf welche pfadelemente könnte der säkulare Buddhismus aus deiner Sicht denn verzichten?

    Ein Hedonist könnte sogar mit einem vierfachen Pfad auskommen, meine ich:


    Auf Ansichten wird er wohl verzichten können. Aber Absichten wird er sicher verfolgen, er wird auf das Reden vermutlich nicht verzichten wollen, er wird wohl handeln und irgendeine Lebensweise wird er auch pflegen müssen.


    Die Frage ist: Braucht ein nicht-Hedonist mehr als diesen vierfachen Pfad?

    Viele Grüße

    Elliot

  • Habe ich irgendwo geschrieben dass säkularer Buddhismus vollständig als nicht-hedonismus zu definieren sei?

  • Verstehe die Wendung in der Diskussion nicht.
    Ein säkularer Buddhist ist doch Buddhist - warum sollte da mit weniger Pfadgliedern auskommen?

  • Ein säkularer Buddhist ist doch Buddhist - warum sollte da mit weniger Pfadgliedern auskommen?

    Wer mit weniger Lehrreden auskommt, kommt vielleicht auch mit weniger Pfadgliedern aus.

    Viele Grüße

    Elliot

  • Im zweiten Fall geht es um die Abgeschiedenheit von Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen und wie jeder, der schon mal längere Retreats erlebt hat, wird das als sehr wohltuend erfahren, wenn man es schafft auch den Körper damit zu durchdringen und auf diese Weise den ganzen Schmerz in Knien und Rücken aufzulösen.

    Damit beschreibst Du den für mich entscheidenden Punkt.

    Der über dem Alltagsbewusstsein stehende Bewusstseinszustand jenseits von Vergnügen und Schmerz, gegenständlichem Denken und Emotionen.

    Das "Hishiryo-Bewusstsein", in dem Körper und Geist abgefallen sind.

    Es ist die Grundlage für Vipassana (Prajna) im engeren Sinn, denn es ist hochintelligent und "beantwortet" zur rechten Zeit die notwendigen Fragen, und führt bald zum ersten Satori.

    So schnell wie möglich Zugang zu diesem Bewusstsein zu gelangen, war für mich absolute Prio Nummer eins. Ich wusste, relativ bald wird mein Körper nicht mehr in der Lage sein, die anstrengenden Sesshins mitzumachen. Wenn ich im gewöhnlichen Alltag, ohne erst in den vollen Lotus-Sitz wechseln zu müssen, in diesen Zustand wechseln kann, dann beginnt der achtfache Pfad erst wirklich.


    _()_

  • Wer mit weniger Lehrreden auskommt, kommt vielleicht auch mit weniger Pfadgliedern aus.

    Nicht zwingend. a) Die Lehrredensammlung ist bekanntermaßen redundant. b) mußt du schon ausführen, welches "Weglassen" bei den Suttas welches PFadglied obsolet machen sollte.

  • Vielleicht habe ich die Spielregeln des säkularen Buddhismus auch noch nicht richtig verstanden. Aber wenn Hendrik meint, mithilfe empirischer Methoden Lehrreden aussortieren zu können, dann würde es mich wundern, wenn er Pfadglieder ungeprüft übernehmen möchte.

    Viele Grüße

    Elliot

  • Aber wenn Hendrik meint, mithilfe empirischer Methoden Lehrreden aussortieren zu können, dann würde es mich wundern, wenn er Pfadglieder ungeprüft übernehmen möchte.

    Hat er das?

    Das würde Dich aber nicht davon entbinden zu zeigen, dass damit Pfadglieder obsolet würden.
    Ansonsten blieb das eine Unterstellung, die ernsten Zweifel an deinen eigenen Bemühungen aufkommen lassen könnte.

  • Vielleicht habe ich die Spielregeln des säkularen Buddhismus auch noch nicht richtig verstanden. Aber wenn Hendrik meint, mithilfe empirischer Methoden Lehrreden aussortieren zu können, dann würde es mich wundern, wenn er Pfadglieder ungeprüft übernehmen möchte.


    Das droht jetzt in die Polemik zu kippen. Du verstehst sicher sehr genau, was gemeint ist.


    Es geht nicht darum, beliebig Inhalte „auszusortieren“, sondern um eine redlich, von edlen Motiven getriebene Suche nach der Wahrheit. Wie ein Archäologe graben wir uns durch die Schichten der Jahrtausende, um zu dem einen Schatz zu gelangen: dem Dharma, das der historische Buddha gelehrt hat.


    Im Gegensatz dazu steht oft das, was die Traditionen daraus gemacht haben. Das ist aus religionswissenschaftlicher Sicht auch gar nicht besonders überraschend oder einer Kritik wert. Die Rezeption von Religion funktioniert nun einmal genau so. Am Ende ist da etwas anderes als zuvor.


    Dieser reformatorische Wille, diese reformatorische Kraft, die säkularer Buddhismus entfaltet, ist übrigens gar nicht neu. Xuanzang, der legendäre Pilger, der trotz kaiserlichen Verbots von China nach Indien reiste, um dem Buddhismus auf die Spur zu kommen, ist nur ein Beispiel aus der Geschichte. Er ist ein Bruder im Geiste.

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna / 塞翁失馬焉知非福

  • Hat er das?

    So habe ich ihn jedenfalls bisher wiederholt verstanden.


    Vielleicht verbleiben wir einfach so: Wenn er fertig ist und zum Beispiel die 152 Lehrreden des Majjhima Nikaya auf das seiner Meinung nach notwendige Minimum reduziert hat, dann schauen wir, welche Pfadglieder das abdeckt.


    Aber eigentlich habe ich das mit dem Anspruch an empirische Nachvollziehbarkeit so gemeint: Es sollte dann noch überprüft werden, ob das, was übrig bleibt, hinreichend und notwendig ist, um zum Aufhören von Dukkha zu führen.

    Viele Grüße

    Elliot

  • Vielleicht verbleiben wir einfach so: Wenn er fertig ist und zum Beispiel die 152 Lehrreden des Majjhima Nikaya auf das seiner Meinung nach notwendige Minimum reduziert hat, dann schauen wir, welche Pfadglieder das abdeckt.

    Du gehst aus mir unverständlich Gründen aus, dass er da eine Bringeschuld hätte. Was bildest du dir eigentlich ein?

    Es sollte dann noch überprüft werden, ob das, was übrig bleibt, hinreichend und notwendig ist, um zum Aufhören von Dukkha zu führen.

    Nein, wenn es deine These ist, oder du auch nur Zweifel hast, dass das "was übrig bleibt" nicht hinreichend zum Aufhören von Dukkha zu führt, dann ist es an dir und nur an dir, das zumindest zu illustrieren.
    Unbegründet etwas zu unterstellen, finde ich im höchsten Maße unethisch.

  • Es bleibt ein Muster in diesen Diskussionsfaden dass Elliot missversteht, das falsch verstandene Statement dann in Form einer Hyperbel ins lächerliche gezogen wird und zurückgespielt wird.


    Ob das Missverständnis nun absichtlich ist oder unabsichtlich ist? Mit scheint schon dass es eher am verstehen wollen liegt als am verstehen können. Denn lange Texte lesen kann Elliot ja offensichtlich schon.


    Damit ist auch dem religiösen Buddhismus nicht geholfen. Wer religiös praktiziert darf das ja, der säkulare Buddhismus nimmt keinem traditionellen Buddhisten etwas weg.

  • Wer religiös praktiziert darf das ja, der säkulare Buddhismus nimmt keinem traditionellen Buddhisten etwas weg.

    Ja, das denke ich auch nicht, dass ein nicht-säkularer Buddhist hieran Anstoß nehmen könnte:

    Könnte man durch unethisches Verhalten Dukkha ausreichend kompensieren, so bräuchte man den achtfachen Pfad nicht. Dann wäre eine hedonistische Lebensart ausreichend.

    Ich habe das eher aus aus der Sicht eines säkularen Nicht-Buddhisten gesehen, der versteht, dass der Buddhist etwas unerwünschtem namens Dukkha mit einer nicht-hedonistischen Lebensart begegnen will.

    Viele Grüße

    Elliot

  • Um Befreiung zu erlangen muß man die drei Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung überwinden.


    Um die "Vorstellung von Wiedergeburt"(VVW) einzuordnen, muß man erstens

    nach ihrer Funktion im Bezug bei der Überwindung der drei Geistesgifte fragen. Und dann zweites schauen, ob VVW nötig oder nur hilfreich erachtet wird.


    Was sind die Funktionen von VVW? Mir fallen folgende ein:

    1. Motivation für ethisches Verhalten führt zu rechten Handeln, da man positive Früchte erhofft
    2. Motivation für das Abstehen von da schädlichen Verhalten führt zu rechten Handeln, da man negative Früchte fürchtet.
    3. Die Vorstellung in endlosen Wiedergeburten gefangen zu sein, verleiht Motivation zum Beschreiten des Pfades.

    Die ersten beiden (Zuckerbrot und Peitsche) mögen helfen sind aber nicht notwendig. Ich muß an Albert Camus Buch "die Pest" denken wo sowohl der Pater als auch der atheistische Arzt selbstlos gegen die Pest kämpfen. Ethik geht immer auch intrinsische.


    Von daher bleibt 3. Hier gibt es die Vorstellung, dass säkulare Buddhisten ja glauben müssten das mit den Tod alles Leid vorbei ist, sie also keine oder zu wenig Motivation zur Erlangung von Befreiung haben. Das kann man diskutieren.


    Wenn damit die Funktion von VVW ausreichend beschrieben ist, dann sollte es doch auch bestimmt ohne gehen.

  • Um die "Vorstellung von Wiedergeburt"(VVW) einzuordnen,

    Es könnte aber auch sein, dass diese Vorstellung zu der Schlussfolgerung führt, ich hab ja noch mehrere Leben Zeit, Befreiung zu erlangen oder unter günstigeren Umständen wiedergeboren zu werden.

  • Von daher bleibt 3. Hier gibt es die Vorstellung, dass säkulare Buddhisten ja glauben müssten das mit den Tod alles Leid vorbei ist, sie also keine oder zu wenig Motivation zur Erlangung von Befreiung haben.

    Das ist nur ne Unterstellung.