Tenzin Palmo über Fleisch-essende (Laien), was haltet ihr davon?

  • Nein, denn "Leid" ist nicht quantifizierbar, wenn man "Mitgefühl praktiziert". Dann nämlich fühlt man mit allem, was lebt, und macht sich keine Illusionen mehr über dieses Leidvermindern durch Fleischverzicht - weil man ja anderswo Leid schafft, da man sich von Lebendigem ernähren muss. Es soll auch noch einmal klar gesagt werden, dass so selbst der Buddha der Überlieferung nicht argumentiert hat, sondern der schloss nur bestimmte Fleischarten für Mönche aus, wohl aus kulturellen Erwägungen. Das sind eher romantische Vorstellungen der Moderne. Gerade in buddhistischen Ländern wird neben einer hohen Toleranz gegenüber Tieren auch mächtig Fleisch inkl. Fisch konsumiert.


    Was Leiden ist, wurde doch vom Buddha klar definiert, und auch, wie es zu überwinden ist. Da gibt es keine Chance für Tiere. Dieser Weg steht ihnen nicht offen. Es bleibt aber die Frage, ob sie unter dem überhaupt leiden, wofür der Buddha einen Ausweg zeigte. Ich glaube nicht. Insofern werden hier Kategorien durcheinandergeworfen.

    Ich klinke mich doch nochmal ein, weil mich eine Sache interessiert.


    Wenn es so sein sollte, dass Buddha nur den Konsum bestimmter Tierarten "untersagte" und es "keine Chance für die Tiere" gibt, Leid zu vermeiden...weshalb verzichten so viele Buddhisten auf den Konsum von Fleisch? Weshalb gibt es bei Retreats (die ich kennengelernt habe) nie Fleisch zu essen und sogar fast immer veganes Essen? Wieso argumentieren langjährig praktizierende Nonnen/Mönche wie Thich Nhat Hanh und Tenzin Palmo dafür, den Verzehr von Fleisch bzw. Tierprodukten zu unterlassen?


    Wieso machen Menschen bzw. Buddhisten das? Haben sie alle die Lehren Buddhas "falsch" verstanden bzw. missinterpretiert?


    Im Verlauf der Diskussion kam irgendwo das Argument auf, dass Thich Nhat Hanh und Tenzin Palmo solche Äußerungen aufgrund von Popularität tätigen. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich solche Aussagen für das Image der beiden unbedingt positiv auswirkt. Wieso sollte sich ein Thich Nhat Hanh, der - wie ich vermute - ein Großteil seines Lebens der Lehre Buddhas und deren Interpretation gewidmet hatte, gegen den Verzehr von Tieren aussprechen, wenn der Dharma dies in keiner Weise befürwortet oder unterstützt?


    Weshalb das ganze?

  • Es gibt Buddhisten, die sich vom Buddhismus leiten lassen und sich nicht vom Fleisch trennen wollen, dann welche das Fleischessen vermindern und auch ganz darauf verzichten.

    Buddhisten die als Mönche und Nonnen leben richten sich nach ihren Ordensregeln.

    Da gibt es eben auch den Unterschied, mit Fleisch oder ohne Fleisch.

    Wenn also jemand ein Retreat machen möchte, wird er sich diesen Regeln anpassen müssen.


    Buddha trifft keine Entscheidungen für das Leben eines anderen. Er lässt dem Menschen die Wahl.

    Er stellt keine Dogmen auf, wenn das so erscheint, ist das die Entscheidung von Menschen, die meinen das Buddha genau das gesagt hat.


    Aber ein Befreiter erkennt automatisch das er nur noch Möglichkeiten zeigen kann, wählen oder nicht wählen überlässt er dem, dem er zeigt.

    Leiden/Bedrängungen kann nur der Leidende/Bedrängte lösen.

    Will ich unnötiges Töten vermeiden kann ich mich einfach so verhalten ohne großes Gerede.

    Nicht verteidigen, nicht anklagen, sich nicht wichtig nehmen.

  • Mr. Gaga, zu deiner Frage, warum so viele Buddhisten das so handhaben und auf Fleisch verzichten. Ein Argument wurde hier schon ins Spiel gebracht, nämlich ahimsa, die Vorstellung, dass ein Buddhist sich im Vermeiden von Gewalt üben soll, wozu man die ganze Kette zählen kann, die man als Konsument von Fleisch auslöst. Hier lässt sich also das Motiv auf den Übenden zurückführen. Manche glauben einfach, es würde ihrem Karma schaden, also Folgen in dieser oder weiteren Existenzen haben, manche glauben, es würde ihrem Erwachen im Weg stehen.


    Bei den genannten Lehrern, die zweifellos populär sind, lässt sich sehr gut zeigen, dass sie populistisch vorgingen. TNH hat einen Haufen Bücher in der ganzen Welt vertreiben lassen, in denen er versucht hat, Buddhismus möglichst einfach und verständlich auf einer Gefühlsebene Menschen zu vermitteln, die ein gewisses Unbehagen am modernen Leben empfinden (TV, Fleischkonsum, Umweltzerstörung). Schau dir nur mal seine Buchtitel an, dann erkennst du die Marketingstrategie. TNH beruft sich vor allem aufs Lankavatarasutra, wenn er gegen Fleichkonsum argumentiert. Es gibt jedoch auch andere Aussagen in anderen Sutren, d. h. er trifft einfach eine Auswahl, die man nicht teilen muss. Buddhologisch lässt er sich also widerlegen. Er ist eben einfach jemand mit einer Meinung unter vielen, so wie du und ich.


    Ich komme ja vom Zen, und da war es stets üblich, dass man um den Dharma rang und auch kräftig gegen andere Lehrer austeilte. Wenn TNH da ggf. einen anderen Eindruck erweckt, dann eben auch, weil er nur einen Teil der Tradition gut kannte oder für sich annahm.


    Nun zu den von mir beispielhaft oben genannten Motiven, es gibt natürlich viel mehr, wie dieser Thread zeigte. Meine Hauptkritik besteht darin, dass TNH und andere nicht ernst machten mit der Erkenntnis universeller Leere bei gleichzeitiger Erfahrung eines Einsseins, was ich als wesentliches Kriterium eines Erwachens ansehe. Ihre Argumentation ist im Grunde die jedes gewöhnlichen Übenden und fällt deshalb auch auf so breiten fruchtbaren Boden bei den Zuhörern. Das wäre also ein Anbiedern, wenn Palmo und TNH tatsächlich woanders anzusiedeln wären (was sie in meinen Augen aber nicht sind, sie kennen diese andere Ebene offenbar nicht hinreichend). Ich muss jetzt wohl etwas vorsichtig sein, auch wenn wir hier im Praxis-Forum sind, nicht in einem schulspezifischen, sonst gehörte das wohl in die Kritik-Rubrik.


    Wenn du erwachst, ist das Tier für dich befreit. Wenn du das Tier töten lässt oder selbst tötest, ist da kein Anhaften oder Abwerten des Tieres, es ist lediglich eine Entscheidung für ein Nahrungsmittel auf der gleichen Ebene wie wenn du dich für ein anderes entscheidest und einen Salatkopf abtrennst und dir einführst. Kannst du das nicht, musst du so argumentieren wie TNH und Palmo, denn wenn sie es könnten, warum würden sie ihren Zuhörern diese Ebene des erwachten Daseins vorenthalten? Sie wurde von zig Meistern beschrieben, warum also von ihnen nicht? Mit anderen Worten, du erzeugst weder Karma noch steht dir das Essen von Fleisch (oder Salat) im Weg noch sonstiges. Es steht dir jedoch im Weg auf dieser dualistischen Ebene, wo TNH und Palmo argumentieren. Das ist noch die Ebene des achtfachen Pfades, wo man dies und das soundso tun soll, um da und da hinzukommen. Was aber, wenn du schon da bist oder anders dahinkamst? Wie könnte es dir möglich sein, auf dieser gewöhnlichen Ebene über das Essen zu denken?


    Diese Lehrer gemahnen also an eine Übungspraxis, die sie selbst, wenn sie meisterlich wären, nicht mehr nötig hätten, weil sie stets über die Erfahrung der Leere das manifestieren (und lehren) könnten, was dieser "letzten Wahrheit" entspricht. Zwar könnten sie sagen: ICH esse kein Fleisch mehr. Aber sie könnten nicht lehren: DU solltest kein Fleisch mehr essen, weil ... Da ist der Unterschied. Das müssten sie begriffen haben. Sie müssten verstehen, dass ihr eigenes Karma und das anderer in letzter Instanz nicht davon abhängt, ob diese Fleisch essen oder Tiere töten, sondern ob sie Leere erkannt haben und manifestieren können. Dieser letztere Aspekt wird dann manchmal mit kosmischem Einssein wiedergegeben, d.h. auch ein Einssein mit allem, was auf der dualistischen Ebene abgewertet wird (Verfall, Tod, die Schattenseiten des eigenen Daseins). Gegen diese Dinge haben TNH und Palmo noch Abneigungen, da ungefähr sind sie in ihrer Übung steckengeblieben, und das passiert häufig.


    In meiner Argumentation besteht nun der Fehler darin zu behaupten, dass man - so man diesen erwachten Zustand in dieser Form für möglich und erstrebenswert hält - über den achtfachen Pfad usw. hinkommt, dass es also doch am Ende richtig sei, Übenden es so zu verklickern. Denn man kann ja nun gerade im Umkehrschluss, so meine Argumentation, am Weg von TNH und Palmo erkennen, dass sie SO nicht dorthin gelangt sind (und nochmal, dass ist meine Art, um den rechten Dharma zu ringen, mit dem Finger frech auf die zu deuten, die als Erwachte gelten und es nicht sind/waren, und dies aus der Tradition heraus zu begründen). Dieses Argument zieht also auch nicht. Das ist kein "geschicktes Mittel" - was aus der Sicht des Erwachtseins dann alle Konzepte werden, der achtfache Pfad, die Karmalehre usw. - sondern die tatsächliche Überzeugung dieser Lehrer. Wenn man genau hinschaut, erkennt man bei anderen Lehrern der Tradition, wie das aussieht, wenn mit den geschickten Mitteln gespielt wird und diese durchschaut sind, man sich nicht mehr auf sie stützt (die Koan-Schulung hat diesen Zweck, da bleibt nichts übrig an Konstrukten). Aber das sind m.E. nur relativ wenige.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Wo genau hast du denn das gelesen. Du hast doch bestimmt eine Quelle

    Nein void, weiß nicht mehr wo ich das gelesen habe, ist schon Jahrzehnte her. Ganz am Anfang meiner eigenen Suche habe ich ein Menge Bücher verschlungen und die Sache ist mir wegen ihrer Eindrücklichkeit in Erinnerung geblieben.

    Diskussionen wie diese kenne ich unzählige und sie verlaufen alle ähnlich - fast gleich.

    Die Lehre des Buddha und die Frage der Ernährung - speziell der Fleischverzicht - scheinen mir eine Gemeinsamkeit aufzuweisen:

    Um herauszufinden, ob etwas dran ist, gibt es nur einen Weg, man muß es praktizieren. Wer das nicht kann oder will, wird nie zu eigenen Erfahrungen kommen und ewig anderer Meinungen, Ansichten und Vorurteile bedürfen. Und das gilt ebenso für viele der sogenannten Ernährungsberater, von denen jeder eine andere Weisheit vertritt.

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

  • Zitat

    Um herauszufinden, ob etwas dran ist, gibt es nur einen Weg, man muß es praktizieren.


    Das ist ja genau das Problem. "Praktizieren", ein sehr dehnbarer Begriff. Jedenfalls kann man eben auch dann, wenn man etwas macht, zu gegenteiligen Schlüssen kommen wie andere, die es machen. Es gibt eben nicht den einen Weg, um zu bestimmten Erkenntnissen zu gelangen. So wie der achtfache Pfad nicht zwingend zu einem bestimmten Ergebnis führt (Erwachen), so kann auch praktizierter Vegetarismus dazu führen, dass man ihn wieder sein lässt. Das Praktizieren ist nicht dazu da, einen Zirkelschluss zu begünstigen oder nur wishful thinking, also genau das zu bestätigen, was man anfangs erwartete. Sondern es soll die Möglichkeit bieten, das Angenommene ggf. auch falsifizieren zu können, also für sich zu widerlegen. Das sollte offen bleiben, so wie bei guter Wissenschaft.

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  • Hallo Bebop

    In diesem Faden geht es um die Frage des Fleischverzichts, bzw. ob ein Fleischesser gleichzeitig ein guter Buddhist sein kann.

    Fleischverzicht zu praktizieren ist wohl eher kein dehnbarer-, sondern ein relativ konkreter Begriff. Entweder esse ich Fleisch oder eben nicht.

    Die Praxis, um dahin zu kommen, kann zweierlei Ausgang haben, entweder schaffe ich es zu verzichten oder nicht. Weniger davon zu verzehren und/oder bewußter auszuwählen ist sicher gut und begrüßenswert aber es ist kein Verzicht. Insofern kann ich im Praktizieren keinen dehnbaren Begriff erkennen, entweder ich praktiziere oder ich theoretisiere. Daß auf Grund seiner Praxis jeder zu anderen Schlüssen kommen kann, ist ganz klar, jeder macht andere Erfahrungen. Um aber die eigene Erfahrung einer fleischlosen Lebensweise zu machen gibt es nur eine Möglichkeit, ich muß (wenigstens versuchsweise) Fleischverzicht praktizieren - oder gibt es noch eine andere?


    Natürlich ist das Praktizieren nicht dazu da, genau das zu bestätigen, was man ursprünglich erwartete und soweit ich sehen kann, hat das auch niemand behauptet? Ich meine auch nicht, daß Theorie nutzlos ist, denn um z.B. den Weg des Buddha zu gehen, muß ich zunächst Informationen darüber besitzen, daß dieser Weg überhaupt existiert und all das Drum und Dran der Lehre. Aber selbst wenn ich den ganzen Palikanon auswendig wüßte und alle Kommentare dazu, sowie die Meinungen und Erfahrungen anderer Buddhisten, was würde es nützen? Um zu wissen, wie es mir auf dem Weg ergeht und ob all die Dinge, über die der Buddha lehrt, wirklich und wahr sind, muß ich den Weg gehen, ich muß praktizieren und eigene Erfahrungen machen - oder nicht?


    Über die Frage, ob ein fleischessender Buddhist ein guter Buddhist sein kann oder nicht, will ich mir kein Urteil erlauben. Außerdem ist es in meinen Augen eine unwichtige Frage, denn in dem Maße, wie man auf dem Weg voran kommt, beantwortet sich die Frage ganz von selbst und führt zu entsprechenden Konsequenzen. Daß der Buddha dieses Thema nicht explizit erläutert hat, war sicher kein Versehen, sondern hat vermutlich mit eben diesem Umstand zu tun._()_

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  • Aber das hatte ich doch schon anfangs gesagt: Ich habe den fleischlosen Weg selbst praktiziert und verworfen. Da bin ich nicht der einzige. Und ich habe einige der damit verbundenen Erkenntisse aufgeführt. Die Argumentation, die ahimsa in den Mittelpunkt stellt und nicht die Leere (shunyata), befindet sich auf der Ebene der relativen Wahrheit, um es mit Mahayana-Termini zu beschreiben. Man sagt dann also, dass ein "geschicktes Mittel" (ich bilde mir ein, Leiden eines Tieres zu verringern, indem ich kein Fleisch esse) das Hauptmotiv des Handelns ist. Dagegen setze ich ein Handeln auf der Grundlage einer "absoluten Wahrheit" - ich benutze diese Begriffe nur behelfsweise, denn man sollte mit der Vorstellung solcher Wahrheiten natürlich vorsichtig sein. Hier ist wesentlich, dass ich das Einssein von allem in seiner Leer-haftigkeit erkannt habe und deshalb weiß, dass ich zwar Leid HIER verhindern kann, aber immer auch DORT erzeuge (indem ich etwas anderes esse als das "Verschonte"). Von daher KANN ich zwar vegetarisch oder vegan leben, MUSS es aber nicht, denn die Ebene relativer Erkenntnis im Sinne einer dualistischen Abwägung kann ich nun auch verlassen und von einer umfassenderen Sicht auf das Leben blicken.


    Um es noch anders zu formulieren: Es gibt keine Möglichkeit für mich, mich nicht "schuldig" zu machen, wenn ich überleben will. Lediglich ein eigens dafür geschaffenes Gedankenkonstrukt, das z.B. eine Wertung einschließt, Tiere mit Augen hätten einen höheren individuellen Lebenswert und ihr Schutz sei damit ethisch wertvoller, macht es möglich, dass ich wie Palmo oder TNH gewisse Schlüsse ziehe. Dabei wird übersehen, dass es in der buddhistischen Praxis ganz wesentlich darum geht - jedenfalls im Zen und in anderen Mahayana-Richtungen - diese wertenden Gedankengebäude zu durchschauen und aufzulösen.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Aber das hatte ich doch schon anfangs gesagt: Ich habe den fleischlosen Weg selbst praktiziert und verworfen.

    OK und wo ist dann das Problem? Wen Du diesen Weg gewählt hast, dann ist es eben so.

    Um es noch anders zu formulieren: Es gibt keine Möglichkeit für mich, mich nicht "schuldig" zu machen, wenn ich überleben will. Lediglich ein eigens dafür geschaffenes Gedankenkonstrukt, das z.B. eine Wertung einschließt, Tiere mit Augen hätten einen höheren individuellen Lebenswert und ihr Schutz sei damit ethisch wertvoller, macht es möglich, dass ich wie Palmo oder TNH gewisse Schlüsse ziehe. Dabei wird übersehen, dass es in der buddhistischen Praxis ganz wesentlich darum geht - jedenfalls im Zen und in anderen Mahayana-Richtungen - diese wertenden Gedankengebäude zu durchschauen und aufzulösen.

    Gewiß leiden Pflanzen ebenso, wenn wir sie als Nahrung benutzen, das ist gar keine Frage. Ich vermute allerdings, daß der Anteil von Fleischverzichtern erheblich größer wäre, wenn jeder gezwungen wäre, den Spender selber um die Ecke zu bringen. Jedes Tier wehrt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, wenn es merkt, daß es getötet werden soll. Ich habe noch nie erlebt, daß mich der Salat im Garten gebissen hätte, wenn ich mir ein paar Blätter nahm oder die Gurkenpflanzen schreiend davon gelaufen wären, wenn es darum ging, eine Gurke zu ernten.

    Was ich sagen will: Die Frage läßt sich auch ohne Budhismus ganz einfach und praktisch zu betrachten.

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

    • Offizieller Beitrag

    Regelmäßig Fleisch zu essen ist unter derzeitigen Bedingungen nicht unmoralisch oder unbuddhistisch, sondern schlicht irrational, schädlich für die Ökosphäre und global gesehen zunehmend gefährlich, weil es zu Hunger und Elend und in der Folge zu Instabilität und Radikalisierung der politischen Systeme im globalen Süden führt. Kriege, Flüchtlingsströme und Terrorismus sind die Folge. Zudem werden wegen des globalen Fleischkonsums zunehmend Waldflächen gerodet, die wir dringend zum Überleben brauchen, nur um die für den Fleischkonsum notwendigen Futtermittel anzubauen. Das ist einfach vollkommen selbstmörderisch, ineffizient und kurzsichtig. Da muss man auch nicht drum herumreden.


    Darum ist es auch absurd, zum einen globales Mitgefühl mit allen Wesen in der Metta-Meditation zu üben, zum anderen aber als Konsequenz aus dieser Form der Meditation den Fleischkonsum nicht radikal und zeitnah zu reduzieren oder sogar einzustellen. Das betrifft aber genau so jede andere Handlung, die uns, unsere Nachfahren, die Mitlebewesen auf diesem Planeten bewusst schädigt (z.B. Fliegen, beheizte Pools, unnötige Autofahrten, unnötig hohe oder niedrige Temperaturen in Innenräumen, you name it), weil man auf lieb gewordene Gewohnheiten nicht verzichten kann, oder weil es "zu anstrengend" oder "unangenehm" ist, das Verhalten zu ändern. Da kann man sich Metta sparen, zumindest dann, wenn die Praxis von Metta nicht mittelfristig zu einer Veränderung des Verhaltens führt. Denn das ist die andere Seite der Medaille: Metta-Meditation wird ja genau deshalb praktiziert, um mehr Mitgefühl zu entwickeln. Daher ist es gut, sich immer wieder mal zu fragen, ob diese Meditation bei einem selbst zu einer Veränderung des Verhaltens führt oder nicht. Wenn nicht, ist das ein guter Anlass, die Praxis zu überdenken. Kurz: Wenn Metta-Meditation nicht mittelfristig zu ökologisch bewussterem Verhalten und nachhaltigerem Konsum führt, ist sie sinnlos.

  • Im Wesentlichen geht es darum, die zweite der (nach Kant) vier Grundfragen der Philosophie zu beantworten: Was soll ich tun? Für die Philosophie ist dies das Problemfeld des Ethos. Für den Buddhismus ist dies der Übungsbereich sīla, der gleichwertig neben den Übungsbereichen samādhi und prajñā steht - wobei sich diese Aspekte der 'dreifachen Übung' (triśikṣā) in wechselseitiger Bedingtheit entfalten.


    Der Übungsbereich sīla wird für buddhistische Laien traditionell in fünf Übungswege (śikṣāpada) gegliedert. Zu jedem dieser Übungswege wird ein Gelübde abgelegt, ihm zu folgen, ihn zu entwickeln. Diese fünf Gelübde sowie die dreifache Zufluchtnahme definieren, was ein Buddhist / eine Buddhistin ist: Jemand, dessen persönlicher Lebensweg den 'drei Juwelen' (triratna) Buddha, Dharma und Saṅgha als Richtung der Zuflucht folgt, an ihnen ausgerichtet ist. Und Jemand, dessen / deren Verhalten gegenüber seinen / ihren Mitwesen dabei durch die Bemühung, den fünf Übungswegen zu folgen, gekennzeichnet ist.


    Der erste dieser fünf Übungswege findet im ersten Gelübde seinen Ausdruck: "Ich nehme den Übungsweg auf mich, vom Zerstören von Lebewesen Abstand zu nehmen."


    Natürlich kann man das nun intellektuell zerpflücken und relativieren, mit allen möglichen schlauen Argumenten - vom simplen "Pflanzen sind auch Lebewesen" bis hin zu philosophischen Śunyatā-Spitzfindigkeiten. Wer Gründe braucht, findet immer welche. Nur geht es darum gar nicht - um eine Art Ordnungswidrigkeiten-Katalog und einer quasi juristisch-kasuistischen Abwägung von 'Übertretungen' oder 'Nicht-Übertretungen'.


    Es geht vielmehr darum, für sich selbst offenzulegen, welche Folgen das Interagieren mit der scheinbar uns gegenüber stehenden Welt hat und dabei den Blick über das 'Ich' hinaus zu weiten - letzlich die Ich-Perspektive aufzugeben. Es geht darum, für dieses Interagieren und seine Folgen Verantwortung anzunehmen - was nicht zuletzt bedeutet, sich der eigenen Antriebe und Motive des Interagierens bewusst zu sein. Dies verweist deutlich auf die oben angesprochene Wechselbeziehung zu den beiden anderen Übungsfeldern: entwickeln lässt sich der Übungsbereich sīla in diese Richtung nicht ohne korrespondierende Entwicklung im Übungsbereich samādhi, insbesondere von Achtsamkeit (smṛti). Dass die Übung von sīla durch die 'Vier Unermesslichen' (apramāṇa), insbesondere karuṇa, gestützt und gestärkt wird, dürfte unmittelbar nachvollziehbar sein. Auch (um den Bereich prajñā nicht außer Auge zu lassen), sich etwas damit zu beschäftigen, wie Buddha 'Nahrung' definiert und welchen Umgang er damit empfiehlt, ist sinnvoll. Dazu (zu prajñā) gehört etwa auch, vor den hier angesprochenen Konsequenzen einer für den Markt der Fleischesser produzierenden Industrie nicht die Augen zu verschließen.


    Der Geist geht den Dingen voran. Ist dieser geübt, folgen 'die Dinge' entsprechend. Da braucht man sich dann auch nichts zu 'versagen'.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Hajobo, die Tatsache, dass jemand nur auf Flucht und Augen oder "Bisse" reagiert, zeigt mir nur, dass das Mitempfinden noch nicht über die illusionären Sinneswahrnehmungen hinausgeht. Deshalb sprach ich am Anfang auch von unzureichender Übung. Erst wenn man das Leiden der Pflanzen wahrnehmen kann, ändert sich diese Abwägung.


    Zitat

    Metta-Meditation zu üben

    (Thorsten)


    Siehe oben. Die Meditation ist flach, wenn sie nicht mehr als das Tierleid sieht.


    Das Problem ist, da wiederhole ich mich, die Überbevölkerung, also der Mensch. Demnach auf Probleme von Menschen zu verweisen, die sie durch ihre übermäßige Vermehrung verursachen, und damit zu begründen, dass diejenigen, die daran z.B. nicht teilhaben, indem sie sich nicht vermehren, auf Fleisch verzichten sollen, damit die sich übermäßig Vermehrenden besser versorgt sind, ist für mich absurd. Denn diese Überbevölkerung verursacht ja zig andere Probleme, die weit über den Fleischkonsum hinausgehen, ist also die Wurzel eines größeren Übels. Glücklicherweise sieht es so aus, dass diese Entwicklung sich einem Ende nähert. Gleichzeitig wird ja an künstlichem Fleischersatz gearbeitet.


    Für die gegenwärtige Realität ist für mich das ökologische Argument das treffendste. Mit "Anstrengung" und dergleichen hat das aber wenig zu tun, denn die meisten Vegetarier kaufen sich ihr Zeug auch irgendwo ein und stellen es nicht selbst her. Der Vegetarier oder Metta-Meditierende (die Frage ist ja überhaupt, was damit gemeint ist) strengt sich nicht per se mehr an als andere Praktizierende. Eine Gemüsepfanne mache ich mir genauso schnell wie ein Fleischgericht.


    Die Aussagen von Sudhana sind nur ein altes Dogma und damit ein Zirkelschluss. Er beginnt mit der Festlegung, wer sich wann als Buddhist bezeichnen könne, die willkürlich ist (in Thailand können Buddhisten z.B. bei Reuetreffen einfach die Rezitation der sila auslassen, die sie nicht einhielten, und bleiben Teil der Laiensangha). Danach werden dann verschiedene Übungen als voneinander abhängig bezeichnet, die es nicht sind. Im Zen gehen Weisheit und Versenkung Hand in Hand, und daraus ergibt sich ein Handeln, nicht jedoch aus einer Übung von Regeln die Weisheit (wie man an vielen Beispielen sieht) und auch nicht Versenkung. Während man sich hingegen versenkt, kann man schlecht sila üben, weil es gar keine Herausforderung gibt, eine Regel zu verletzen (man sitzt ja z.B. in Zazen). Das sind weder gleichzeitige noch gleichrangige Übungen.

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    Das Problem ist, da wiederhole ich mich, die Überbevölkerung, also der Mensch.

    Nö. Das Problem ist, dass wir z.B. hier in Deutschland einen Pro-Kopf-CO2 Ausstoß haben, der 30 Mal so hoch ist wie in Kenia oder in Nepal, dass hier 60 kg Fleisch pro Jahr und Kopf gegessen werden, dass hier noch immer eine Wirtschaft des ständigen Wachstums bei offensichtlich bestehenden planetaren Grenzen gepflegt wird, und und und


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  • Wenn es den Kenianern so gut ginge wie uns, würden sie den gleichen Ausstoß haben. Die Illusion besteht ja darin, dass man meint, man könne den Entwicklungswillen der anderen zu genau dem Zustand, in dem sich die Erste Welt befindet, verhindern. Aber das Beispiel China zeigt, was trotz des Versuchs der Eindämmung von Vermehrung mit der Umwelt geschieht, wenn man schnell zu Wohlstand kommen will. D. h. Kenianer und Nepalesen sind nicht bescheidener oder anständiger, sondern nur auf dem Weg dorthin, wo wir sind. Unser Fleischverbrauch ist z.B. nur etwa 5,5 x so hoch wie der Kenias, und das, wenn ich mich nicht verrechnet habe, bei 40 x so hohem Bruttoinlandsprodukt. Der CO2-Ausstoß hat also noch ganz andere und erheblichere Gründe. Wenn ich diese Zahlen in ein Verhältnis setze, sieht es so aus, als schnitte Kenia im Schnitt - d.h. Erwartungshaltung des Ausstoßes gemäß BIP - schlechter ab.

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    Wenn es den Kenianern so gut ginge wie uns, würden sie den gleichen Ausstoß haben.

    Wenn sie den gleichen falschen Weg einschlagen wie wir, mag das sein. Der Fehler besteht ja gerade darin, dass Menschen glauben, ihr Wohlbefinden hinge von Fleischkonsum oder Autos oder einem hohen Lebensstandard ab. (Unter uns: Da besteht keine notwendige Verbindung!) Das Gegenteil ist ja der Fall. Allen, wirklich ALLEN geht es besser, wenn wir auf diese Dinge verzichten. Hier wird dann Intelligenz und Kreativität zu einer Weiche der Evolution: Aussterben oder Anpassen.

  • Darum ist es auch absurd, zum einen globales Mitgefühl mit allen Wesen in der Metta-Meditation zu üben, zum anderen aber als Konsequenz aus dieser Form der Meditation den Fleischkonsum nicht radikal und zeitnah zu reduzieren oder sogar einzustellen. Das betrifft aber genau so jede andere Handlung, die uns, unsere Nachfahren, die Mitlebewesen auf diesem Planeten bewusst schädigt... Da kann man sich Metta sparen... Wenn Metta-Meditation nicht mittelfristig zu ökologisch bewussterem Verhalten und nachhaltigerem Konsum führt, ist sie sinnlos.

    Der erste dieser fünf Übungswege findet im ersten Gelübde seinen Ausdruck: "Ich nehme den Übungsweg auf mich, vom Zerstören von Lebewesen Abstand zu nehmen."

    Natürlich kann man das nun intellektuell zerpflücken und relativieren, mit allen möglichen schlauen Argumenten - vom simplen "Pflanzen sind auch Lebewesen" bis hin zu philosophischen Śunyatā-Spitzfindigkeiten. Wer Gründe braucht, findet immer welche.

    Besser kann man es kaum ausdrücken. Ich bin solcher Diskussionen überdrüssig, sie führen zu nichts - habe, wie schon erwähnt, unzählige miterlebt und bin es einfach leid. Wer in Mitgefühl und dem Töten von Tieren keinen Widerspruch sieht, den werden keine Argumente überzeugen, seien sie auch noch so eindrücklich. Und wozu auch, jeder muß seine Erfahrungen selber machen.

    Ich weiß nicht, was ich bin; ich bin nicht, was ich weiß: Ein Ding und doch kein Ding, ein Pünktchen und ein Kreis. (Angelus Silesius)

  • In der Argumentation mancher hier sehe ich, dass sie glauben, andere müssten allesamt gleich empfinden. Das verstehe ich nicht. Mir ist klar, dass ich häufig anders empfinde als andere. Demnach ist der Gedanke "Verzicht wird ALLEN guttun" absurd und widerspricht meiner Erfahrung mit anderen Menschen. Das ist eine reine Wunschvorstellung, mit der man die Empfindungen zahlreicher verschiedener Wesen mit der buddhistischen Lehre - so wie man sie versteht - in Einklang bringen will. Es wird Menschen geben, denen der Verzicht nicht gut tut, und da sind die Allergiker, die überzeugt sind, dass ihr fast ausschließlicher Fleischkonsum sie heilt, nur der Anfang. Es gibt ja auch Theravada-Asketen, die meinen, der Verzicht auf Sex würde bestimmt allen gut tun. Das lässt sich aber nicht verifizieren.


    Und wie man die Regeln versteht, ist auch so eine Sache.


    Im Zen haben sich die Bodhisattva-Gelübde aus dem Brahmanetzsutra durchgesetzt. Was auch immer man davon hält, diejenigen, die sich hier auf Dogmen beziehen, sollten zur Kenntnis nehmen, was hier auch schon in Abrede gestellt wurde: Bei der Übung des Vermeidens von Töten wird sogar unabsichtliches Töten erwähnt (T.1813.40:613a29)*. Soweit die Definition. Daraus wird schon klar, dass es unmöglich ist, NICHT zu töten. Ein Ausschluss aus der Sangha - also ein parajika-Vergehen (diese Regeln wurden ja zu Mönchen gesprochen, also streng genommen gar nicht zu den meisten Zennies, die sie annehmen) - findet allerdings nur statt, wenn beim Tötungsakt Vergnügen empfunden wird. Nicht beim Essen, sondern beim Töten wohlgemerkt. Ansonsten wird lediglich festgestellt, was als Töten gilt, wie es zu vermeiden sei und dass Mitempfinden zu üben sei.


    Es ist von daher kein Wunder, dass wahlweise auch auf Laiengelübde ausgewichen wird, zumal die meisten Zennies ja wie gesagt Laien sind, selbst wenn sie Bodhisattvagelübde annehmen. Hier gilt jedoch das Gleiche. Es handelt sich um Vorsätze. Wenn jemand Fleisch ist, dann tut er dies in unserer modernen Gesellschaft in aller Regel ohne das Gegenteil, also ohne jeden Vorsatz des Tötens. Aus diesem Grund wurde ja schon vom Buddha vor allem der Schlachter selbst bedauert, denn wie könnte der ohne Vorsatz töten? Allerdings wird man feststellen, wenn man Metzger oder Schlachter befragt, dass die Mehrheit selbst dieser Zunft kein wirkliches Vergnügen beim Töten zu empfinden scheint. Selbst von diesen verletzen also die meisten diese Regel letztendlich nicht so, dass sie "vollständig" verletzt wäre, also im Falle dass sie Mönche wären, zum Ausschluss führte (nur um die Relation zu verdeutlichen). Alle anderen übertreten diese Regel gar nicht. Eine Regel des Übens im Nicht-Essen von Fleisch existiert nicht.


    Das sind also Ableitungen, und die sind diskussionswürdig, und darum sind diese Diskussionen "endlos" und auch nicht durch Verweise auf die Schriftüberlieferung oder Tradition lösbar.


    * "this holds true even for the accidental killing" (Übers. von Prof. Muller)

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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    Das verstehe ich nicht. Mir ist klar, dass ich häufig anders empfinde als andere. Demnach ist der Gedanke "Verzicht wird ALLEN guttun" absurd und widerspricht meiner Erfahrung mit anderen Menschen. Das ist eine reine Wunschvorstellung, mit der man die Empfindungen zahlreicher verschiedener Wesen mit der buddhistischen Lehre - so wie man sie versteht - in Einklang bringen will. Es wird Menschen geben, denen der Verzicht nicht gut tut, und da sind die Allergiker, die überzeugt sind, dass ihr fast ausschließlicher Fleischkonsum sie heilt, nur der Anfang. Es gibt ja auch Theravada-Asketen, die meinen, der Verzicht auf Sex würde bestimmt allen gut tun. Das lässt sich aber nicht verifizieren.


    Mir scheint, Du willst nicht verstehen. Es ist doch eine völlig klare Rechnung: Wenn wir als industrieller Wohlstandsteil der globalen Gemeinschaft weiterhin ohne Rücksicht auf die planetaren Grenzen handeln, konsumieren und uns vergnügen, wird es im Laufe der Zeit ALLEN schlechter gehen – zuerst denen, die die geringste Verantwortung an dem Raubbau und Zerstörung tragen – im globalen Süden und den Entwicklungsländern – dann aber auch uns, indem wir immer größerer Hitze, indem wir Kriegen, Wasserknappheit, Extremwetterereignissen, sterbenden Wäldern, schwindender Biodiversität ausgesetzt sind mit allen negativen Konsequenzen, die das hat.


    Wenn wir hingegen die Bedingungen begrenzter Ressourcen, ökologisch und klimatisch sensibler und lebensnotwendiger Zusammenhänge respektieren lernen, werden wir ALLE in einer gesünderen Umwelt leben können, also wird es ALLEN* besser gehen, als wenn wir das nicht tun. Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Zurzeit ist es so, dass immer mehr Lebewesen (auch Menschen) ihre Lebensgrundlage verlieren, weil global gesehen ein kleiner Teil der Gesellschaft weit über den Verhältnissen lebt, die für alle angemessen wären.


    Verzicht auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe, Verzicht auf die Rodung der letzten Urwälder, Verzicht auf die Versauerung der Ozeane, Verzicht auf weiteres Artensterben sind längst keine Frage der individuellen Wahl mehr, es ist eine Frage des Überlebens, die ALLE betrifft.


    Bizarr ist, dass diese Informationen wirklich schon lange bekannt sind und längst wissenschaftlich eindeutig belegt, und dennoch tust Du hier so, als wäre Verzicht auf die Zerstörung unserer Lebenswelt eine Zumutung, die irgendwelchen individuellen Freiheitsrechten im Weg stehen würde. Christian Lindner könnte Deine Argumentation gefallen. ;)


    *Mit ALLEN meine ich wirklich alle Wesen – nicht nur uns "intelligenten" Affen: sei es das Plankton, dessen Kalkskelett von dem sauren Wasser der Meere aufgelöst wird, seien es die Insekten, die durch extensive Landwirtschaft zunehmend zurückgedrängt werden, seien es die Buchen, die in unseren Wäldern gerade zu hunderttausenden absterben, weil die ganzen Dürreperioden in Folge ihnen den gar ausmacht. Dieses Feld ist es doch, in das bei der Metta-Meditation die grenzenlose Liebe und Verantwortung ausgebreitet wird.


    Zur Erinnerung:


  • Da hier mit den Bodhisattva-Gelübden nach dem Brahmajala Sutra argumentiert wird, ist es sicher nützlich, sich die entsprechenden Gelübde mal anzuschauen, damit wir wissen, wovon die Rede ist.

    1. Hauptgelübde - Über das Töten

    Zitat

    Ein Schüler des Buddha soll nicht selbst töten, andere zum Töten ermutigen, mit zweckdienlichen Mitteln töten, das Töten loben, sich darüber freuen oder durch Beschwörungen oder schädliche Mantras töten. Er darf nicht die Ursachen, Bedingungen, Methoden oder das Karma des Tötens schaffen und er darf kein Lebewesen absichtlich töten.

    Als Schüler Buddhas sollte er einen Geist des Mitgefühls und kindlichen Respekts [wie gegenüber seinen Eltern] pflegen und stets zweckmäßige Mittel zur Rettung und zum Schutz aller Wesen ersinnen. Wenn er sich stattdessen nicht zurückhält und fühlende Wesen ohne Gnade tötet, begeht er ein Parajika-Vergehen [das zum Ausschluss aus der Gemeinschaft führt].

    Bemerkenswert, dass mit diesem Gelübde nicht nur direktem / unmittelbarem Töten entsagt wird, sondern ausdrücklich auch dem Schaffen von Ursachen und Bedingungen des Tötens, wozu sicherlich auch der Kauf getöteter fühlender Wesen gehört.


    3. Nebengelübde - Über das Essen von Fleisch

    Zitat

    Ein Schüler des Buddha darf nicht absichtlich Fleisch essen. Er sollte nicht das Fleisch eines fühlenden Wesens essen. Der Fleischesser

    verwirkt den Samen des Großen Mitgefühls, durchtrennt den Samen der Buddha-Natur und veranlasst die Wesen, ihn zu meiden. Diejenigen, die dies tun, machen sich unzähliger Vergehen schuldig. Deshalb sollte ein Bodhisattva nicht das Fleisch von irgendwelchen Lebewesen essen, welcher Art auch immer. Wenn er stattdessen absichtlich Fleisch isst, begeht er ein sekundäres Vergehen.

    OM MONEY PAYME HUNG

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt allerdings auch folgenden Text: Anrüchig


    Darin gibt es folgende Zeilen:


    Zitat

    Lebendiges töten, schlagen, es misshandeln, fesseln, Diebstahl und Lügenwort, Betrug und Hintergehung, Heuchelnde Hinterlist und Ehebruch, - Anrüchig ist wohl dies, nicht aber Fleischgenuss!


    [...]


    Solch Menschen, welche rücksichtslos sind zu den Wesen, Die andere berauben und auf Schaden sinnen, Die herzlos, rauh und grob und ohne Freundlichkeit, - Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!


    [...]


    Nicht Fisch und Fleisch vermeiden, nicht das Fasten, Nicht Nacktheit, Kahlheit, Haar in Flechten tragen, Nicht Schmutz und raues Fell, nicht Dienst am Feueropfer Und vielerlei Kasteiung um Unsterblichkeit; Nicht Sprüche, Weihegabe, große Opferspenden, Auch nicht die Jahreszeiten für Askese nutzen, - Dies alles macht den Sterblichen nicht rein, Der sich vom Zweifel noch nicht losgelöst.


    Bewachend, was da einströmt; gut beherrscht die Sinne; Fest in der Lehre sein und Geradheit lieben wie auch Milde; Fessel-entledigt dann und allem Leid entgangen. Bleibt unbefleckt der Weise durch Gesehenes, Gehörtes.



    Klar ist nach diesem Sutra, dass zwar Fleisch-Essen an sich nicht anrüchig ist, wohl aber, wenn man damit Bedingungen zulässt, die Leid für die Wesen bedeuten. Das reine Fasten, das Veganertum hingegen, macht allein auch noch keinen guten Buddhisten aus. Wichtig ist dies:

    Bewachend, was da einströmt; gut beherrscht die Sinne; Fest in der Lehre sein und Geradheit lieben wie auch Milde; Fessel-entledigt dann und allem Leid entgangen. Bleibt unbefleckt der Weise durch Gesehenes, Gehörtes.

  • Thomas, in deinen ganzen Ausführungen sehe ich nicht, dass man deshalb buddhistisch begründet auf Fleisch verzichten soll, sondern das ökologische Argument, dem ich ja im Großen und Ganzen schon zustimmte. Dieses Argument stammt aber nicht vom Buddha, denn damals herrschten andere Bedingungen.


    Das Hautpgelübde richtet sich also an Mönche. Wer es also eng auslegt, der kann sich dann beliebig auch andere Mönchsregeln zu eigen machen. Für Laien wurden die Regeln schon damals offenbar so formuliert, dass man da einen Ausweg fürs alltägliche Fleischessen ließ. Die Umdeutung findet also HEUTE statt. Hier die Regel übersetzt nach Muller:


    "Meine Schüler, wenn ihr selbst tötet, andere dazu anstiftet, an der Planung des Tötens teilhabt oder es lobt, wenn ihr Genuss empfindet beim Zuschauen oder durch magische Sprüche tötet, dann habt ihr die Ursachen des Tötens, die Bedingungen des Tötens, die Methode des Tötens, den Akt des Tötens, dies gilt auch für unabsichtliches Töten jeder (!) Lebensform. Bodhisattvas sollten eine fortwährende Haltung des MItempfindens entwickeln ... und geschickte Mittel, um alle fühlenden Wesen zu retten und zu beschützen. Eine parajika liegt vor, wenn ein Bodhisattva eine lebende Kreatur tötet und daran Freude hat."


    Klingt schon anders. Das ist die Messlatte für Mönche, wohlgemerkt, nicht für Laien. Bereits hier lässt sich erkennen, dass es ganz auf die Übersetzung ankommt, denn was Sudhana behauptet, steht dort nicht. Für mich gelten diese Regeln nicht, ich bin kein Mönch, ich schätze, dass dies auf die meisten hier zutrifft. Für mich gilt also bestenfalls die Laienversion, bei denen sogar Theravada-Mönche kein Problem mit dem Fleischgenuss haben.


    Aus der obigen Übersetzung lässt sich jedenfalls nicht ableiten, dass der Kauf oder Genuss der von anderen getöteten Tiere darunter zwingend zu fassen ist. Es wird aber zu geschickten Mittel der Tierrettung und des Tierschutzes aufgefordert. Wenn dies jemand auf Schlachtvieh bezöge, möchte ich von ihm wissen, wie sein geschicktes Mittel aussieht. Mit anderen Worten, er wird sehr wahrscheinlich keines haben, also an dieser Übung scheitern, denn er kann nicht alternativ alle Kühe, Schweine etc. aus allen Ställen retten, sondern er wird in diesem Bemühen (Vorsatz - "ich übe mich ..." usw.) immer nur eine kleine unbedeutende Teilmenge retten, vielleicht einen im See eingefrorenen Schwan oder so etwas. Etwas anderes kann bei vernünftiger Betrachtung auch damals nicht gemeint gewesen sein, dass "alle" ist also ein Ideal und heißt "möglichst viele" oder "bei jeder guten Gelegenheit". Wenn man es anders gemeint hätte, dann hätte dort einfach stehen können: Man befreie eingesperrte Tiere. Oder: Man kaufe kein Fleisch (spätestens im Nebengelübde hätte es so stehen können, denn schon damals wurde mit Fleisch gehandelt). Das steht da aber nicht. Aus dem Nebengelübde lässt sich also z.B. nicht mal klar ableiten, ob man nicht vielleicht Fleisch für einen Laien mitbringen (etwa sich schenken lassen) könnte.


    Weiter zu diesem Nebengelübde. Hier wird in Mullers Übersetzung ein klarer Zusammenhang behauptet, der ganz leicht falsifiziert werden kann. Das heißt, dieses Gelübde wird sich in der Praxis als unstimmig herausstellen:


    "(...) wann immer dich fühlende Wesen sehen, werden sie dich meiden. Darum (!) können Bodhisattvas kein Fleisch essen."


    Darauf ging ich schon ein, weil es ein Argument ist, dass gern in solchen Fäden auftaucht. Es stimmt nicht. Ich habe das bereits geschildert, Fleischesser können den besten Draht zu fühlenden Wesen haben. Der Buddha oder wer auch immer hat sich hier also getäuscht. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Täuschungen ständig zu wiederholen, das ist lächerlich.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    2 Mal editiert, zuletzt von Bebop ()

    • Offizieller Beitrag

    in deinen ganzen Ausführungen sehe ich nicht, dass man deshalb buddhistisch begründet auf Fleisch verzichten soll, sondern das ökologische Argument, dem ich ja im Großen und Ganzen schon zustimmte. Dieses Argument stammt aber nicht vom Buddha, denn damals herrschten andere Bedingungen.

    Die buddhistische Lehre führt in ihrer Konsequenz unmittelbar zu ökologischem und nachhaltigem Handeln, vor allem die Sichtweise, die durch Metta repräsentiert wird.

  • Was soll das denn konkret sein, was verstehst du denn unter Metta-Meditation? Das, was im 20. Jh. erfunden wurde? Wer hat das denn effektiv vorgemacht?

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    • Offizieller Beitrag

    Was soll das denn konkret sein, was verstehst du denn unter Metta-Meditation


    Ich hatte ein Sutra verlinkt, das zu den ältesten buddhistischen Schriften gehört: Das Metta-Sutra. Lies das mal. Es ist nicht lang.


    Hier wird gelehrt, welches Verhältnis ein Schüler des Buddha zur Welt und den Mitlebewesen einnimmt. Wenn man sich also heute als Buddhist bezeichnet, ist die Sichtweise, die das Metta-Sutra einnimmt, sicherlich bestimmend, wenn nicht entscheidend.

  • Aber wie liest du das denn? Es steht doch schon in der Einleitung, dass es ein "Schutz"-Sutra für Mönche war. Bist du ein Mönch? Glaubst du an die "Baumgeister", vor denen es schützen sollte? Damit haben wir doch schon geklärt, dass du nicht der Adressat des Sutras bist.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Hallo allerseits,


    habe die bisherigen Beiträge gelesen und bin beeindruckt von dem hohen Niveau der Argumentationen.

    Für Menschen, die sich Tieren (besonders) verbunden fühlen, ist es ja ein sehr emotionales Thema und der Buddhismus ist, meines Wissens, so ziemlich die einzige Religion, die auch Tieren "Liebende Güte" und Mitgefühl entgegenbringt. Gleichzeitig ist der Fleischverzehr nicht explizit "verboten", wofür ja unterschiedlichste Gründe ursächlich sein können....

    Tatsache ist jedoch, dass der Mensch auch ein "Gewohnheitstier" ist, dem es schwer fällt, neue Ernährungsweisen zu übernehmen. Man hält fest und findet 1000 Gründe und Rechtfertigungen, um sich nicht ändern zu müssen.

    Mir leuchten die Worte von Tenzin Palmo ein, mögen sie auch Fleischliebhaber verunsichern - das Leid der Schlachttiere ist unsäglich groß und jeder Kauf von Fleisch heizt die weitere "Produktion" an. Die "relative" Wahrheit ist, dass ein Säugetier (oder andere "höhere" Tiere) vergleichsweise mehr leidet, als ein Insekt oder eine Mikrobe, geschweige denn ein Salatkopf!

    Leben lebt von Leben, das ist ein Naturgesetz, aber der Mensch ist in der Lage zu erkennen, wie er Leid vermeiden/vermindern kann und gerade ein Buddhist sollte sich darum bemühen. Nicht zuletzt, wegen einer Vorbildfunktion....

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)