Ein Frage, die mich schon länger beschäftigt, ist die, welchen Stellenwert im Buddhismus beziehungsweise in den verschiedenen Spielarten des Buddhismus, die aktive Nächstenliebe hat. Im Christentum gibt es ja die caritas als eine zentrale Tugend, die sich in aktiver Hilfe und Dienst an den kranken und schwachen Mitgliedern der Gesellschaft ausdrückt. Gibt es im Buddhismus etwas vergleichbares? Ich habe mal gehört, dass in vielen Gesellschaften in Asien die buddhistischen Klöster auch Aufgaben im Gesundheitssystem übernehmen etwa bei der Betreuung und Rehabilitation von psychisch kranken Menschen. Das fand ich sehr beeindruckend.
Ich habe manchmal in den buddhistischen Kreisen hier in unserer Gesellschaft den Eindruck, dass die Motivation zur eigenen Erleuchtung, dem Beenden des Daseinskreislaufs, so im Mittelpunkt steht, dass die aktive Nächstenliebe gar nicht so eine große Rolle spielt. Auch bei dem Bodhisattva-Weg geht es darum, die eigene Erleuchtung zu erlangen, um alle Lebewesen zur Erleuchtung zu führen. Aber so lange man die Erleuchtung selbst noch nicht erlangt hat, kann man da vermeintlich wenig ausrichten. Mal etwas provokant gefragt: Erschöpft sich die tätige Nächstenliebe für uns in einer außerweltlichen Askese und Praxis? Wie seht und erlebt ihr das?