Sexualität und Befreiung: Ist die kritische Sicht des Buddha auf Sexualität für heutige Praktizierende relevant?

  • Also erstens habe ich nur vermutet, Friede-und-Freude, und zweitens ist das längst nicht für alle buddhistischen Laien eine relevante Erkenntnis, dass der Palikanon ein ziemlich undifferenziertes und einseitig-negatives Bild von Sexualität und Erotik zeichnet.


    Für mich ist es weder negativ, noch undifferenziert, sondern klar und deutlich wegweisend. Mir fehlt bei Deinen Beiträgen immer wieder das Gleichgewicht bzw. Unterscheidungsvermögen. Aber vielleicht kann ich ja nicht richtig lesen - ich meine, aus einer falschen Perspektive.

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    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Also erstens habe ich nur vermutet, Friede-und-Freude, und zweitens ist das längst nicht für alle buddhistischen Laien eine relevante Erkenntnis, dass der Palikanon ein ziemlich undifferenziertes und einseitig-negatives Bild von Sexualität und Erotik zeichnet.


    Für mich ist es weder negativ, noch undifferenziert, sondern klar und deutlich wegweisend. Mir fehlt bei Deinen Beiträgen immer wieder das Gleichgewicht bzw. Unterscheidungsvermögen. Aber vielleicht kann ich ja nicht richtig lesen - ich meine, aus einer falschen Perspektive.

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    Liebe Monika, wenn Du bestimmte Behauptungen oder Argumente formulierst, ist es doch legitim und sinnvoll, auf diese Behauptungen und Argumente sachlich einzugehen. Eine Deiner Behauptungen halte ich für falsch, die Kritik daran bedeutet doch nicht, dass ich Dich persönlich kritisiere.

    Dein anderes Argument halte ich für zutreffend und habe es weitergeführt.


    Was ist daran mangelndes "Gleichgewicht bzw. Unterscheidungsvermögen"?


    Wenn es für Dich keine "relevante Erkenntnis ist, dass der Pali-Kanon ein einseitig-negatives Bild von Sexualität und Erotik zeichnet", akzeptiere ich das natürlich.

    Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass diese Erkenntnis für viele buddhistische Laien interessant und relevant sein kann?

  • Ich finde Buddhas Forderung, Sexualität zu überwinden, kein negatives Urteil über Sexualität. Sex ist ja nichts Böses - es ist eine Anhaftung. Tief im Menschen verankert, genau wie zB das Verlangen, Zucker zu konsumieren. Zucker war in der Steinzeit selten und ein wertvoller Energiebringer, die Gier danach evolutionär sinnvoll. Heute beim Überangebot in unserer Gegend ist es wichtig, diese genetisch verankerte Gier nach Zucker zu kontrollieren, sonst wird man dick, bekommt Karies und Diabetes. Aber Zucker ist nichts Böses, er ist immer noch lebensnotwendig.

    Ähnlich Sex. Eine ebenfalls genetisch sinnvollerweise tief verankerte Gier. Und der Weg Buddhas soll uns helfen, ALLE diese Anhaftungen zu überwinden.

    Nicht zuviel und nicht zuwenig essen. Nicht zuviel und nicht zuwenig schlafen etc. Das ist eben der Weg zur völligen Freiheit von Anhaftungen. Und zu den Anhaftungen, die nicht zum Überleben (des Einzelnen, als Spezies schon ;)) notwendig sind, gehört die Sexualität. Wie alle anderen Objekte der Gier - etwa Macht, Ansehen, Bestätigung - ist man nicht frei, solange die Begierden uns steuern.


    Klar schafft es nicht jeder, die Gier nach Sex zu überwinden. Ist ja kein Problem, dann halt zumindest keinen sexuellen Missbrauch treiben. Aber wer den Wunsch nach Sex fallen lassen kann, hat ein Stück Freiheit gewonnen - genau wie jemand, der bei einer Torte den Wunsch nach angenehmen Geschmack fallen lassen kann.


    Ich glaube, Buddha hat so deutlich gegen Sex gesprochen, weil es im Empfinden des Menschen eben etwas so Machtvolles, Selbstverständliches und Angenehmes ist. Dass man Habgier lassen soll, leuchtet schneller ein, als dass man den Genuss überwinden soll.

  • Kaffeebohne


    Dass diese gierig-süchtige Form von Sexualität ein Problem ist, darin sind wir uns doch alle einig.

    Doch es gibt eben auch reifere Formen partnerschaftlicher Beziehung, die neben sinnlicher Anziehung auch viel Metta enthalten.

    Meine Frage war: Warum wird das im Pali-Kanon ausgeblendet und stattdessen einseitig die gierig-süchtige Form von Sexualität als abschreckendes Beispiel betont?


    Die naheliegende Erklärung ist natürlich, dass sich Mönche dafür überhaupt nicht interessieren, denn sie wollen die Sexualität komplett überwinden. Und dafür ist es vielleicht nützlich, Sexualität in ganz schwarzen Farben zu malen.


    Für Laien wäre es dagegen nützlich, sich in der eigenen Entwicklung stärker in Richtung auf "liebevolle Sexualität" auszurichten. Also zunächst die "gierige" Form von Sexualität zu überwinden (bzw. zu "sublimieren"). Dazu ist leider offenbar nichts von dem Buddha überliefert.


    Sorry, wenn das manchen Leuten auf die Nerven geht, dass ich darauf herumbohre, aber für mich ist das ein spannendes Ergebnis.

  • Im Palikanon ist das geschrieben was geschrieben sein soll und da haben eben die Gewonnen die Sexualität als Das Böse selbst sehen. Punkt.

    Wie Buddha das gesehen hat oder hätte ist vollkommen unwichtig.

  • Liebe Friede-und-Freude,

    ich fühl mich nicht kritisiert. Wenn Du eine meiner Behauptungen falsch findest und ich sie nicht entkräften kann, dann muss ich das akzeptieren.


    Mit mangelndem Gleichgewicht bzw. Unterscheidungsvermögen meine ich Deine aus meiner Sicht eingeschränkte Perspektive und Argumentation. Du empfindest die Aussagen Buddhas im Palikanon streng. Da fehlt m.E. ein erweiterter Blickwinkel, und zwar unter Berücksichtigung des "allgemein Gewollten" Buddhas.


    Ich empfinde Deinen Fokus auf die Sexualität begrenzt. Der Buddha hat ja auch nicht von vielen leckeren und gesunden Speisen gesprochen, damit man sich damit laben darf, sondern empfohlen, Almosen so anzunehmen, wie sie gegeben werden. Auch der Schlaf wird ja nicht in aller Breite so dargestellt, als ob es gut ist, mindestens 8 Stunden und auch viel Träumen und genießen - und Sonntags ausschlafen.


    Es geht in jedem der Hindernisse um die Beachtung der Abhängigkeit. Und wie andere schon schrieben, sind Schlaf, Essen und Trinken usw. notwendig zum Über-Leben, Sex jedoch nicht. Sex hat als eigentlichen Sinn nur die Fortpflanzung. Das wir das (meistens) als schön empfinden, ist lediglich ein Lockmittel, damit wir's auch tun.


    Wenn Du das also weiterhin anders siehst, akzeptiere ich das, aber habe keine Lust mehr, weiter darauf einzugehen.


    Ansonsten können wir uns auf Deinen obigen letzten Satz einigen. :like:

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    Ayya Khema

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  • Nun ja, das ist doch das Thema der Diskussion: Es gibt unzählige Äußerungen des Buddha über Sexualität. Und da überrascht es doch schon, dass nicht wenigstens gelegentlich darauf hingewiesen wird, dass es Formen von erotischen Beziehungen gibt, die einen Metta-Aspekt enthalten und deshalb sozusagen auf einer höheren Stufe stehen.

    Man sollte doch eigentlich erwarten, dass dies gewürdigt und gewertschätzt wird.

    Nein, das würde mich sogar wundern, wenn dies in den Lehrreden gewürdigt und gewertschätzt würde, und zwar aus mehreren Gründen.


    Zum einen überschätzt Du den Metta-Aspekt. Genaugenommen ist die Zuneigung, die viele in einer erotischen Beziehung zueinander stehenden miteinander verbindet, gar nicht so sehr Metta. Denn Metta ist dadurch ausgezeichnet, dass es keinen Unterschied macht:

    "Er verweilte, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen, erfüllt von Liebender Güte, durchdrang, ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilte er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdrang, das von Liebender Güte erfüllt war, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen."

    Die Zuneigung zweier Liebender ist aber aufeinander bezogen, schließt Dritte normalerweise aus in der Intensität, es geht eben um den

    significant other.

    Und genau an dieser Stelle läuft die Zuneigung in erotischen Beziehungen im Gegensatz zum Metta auch viel eher Gefahr, zur Quelle von Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung zu werden:

    "Was meinst du, Majestät? Wenn Wandel und Veränderung in mir stattfänden, würden Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung in dir erscheinen?"


    "Wandel und Veränderung in dir würden eine Veränderung in meinem Leben bedeuten. Wie könnten Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung in mir nicht erscheinen?"


    "Es geschah in Bezug auf dieses, Majestät, daß der Erhabene, der weiß und sieht, der verwirklicht und vollständig erleuchtet ist, sagte: 'Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung sind von jenen geboren, die uns lieb sind, rühren von jenen her, die uns lieb sind.'"

    Und schließlich ist - wie schon gesagt wurde - das Hauptanliegen der Lehrreden im Pali-Kanon, den Weg zur Befreiung zu beschreiben. Und da kommt Sex als eines der größten Hindernisse auf dem Weg nun mal nicht wirklich gut weg. Ohne taṇhā (Begehren, Verlangen) gibt es keinen Sex, aber mit taṇhā gibt es früher oder später Dukkha und somit keine Befreiung:

    "Und was ist der Ursprung von Dukkha? Es ist das Begehren ( taṇhā ), das erneutes Dasein bringt, das von Ergötzen und Begierde ( nandī-rāga-sahagatā ) begleitet ist, und das sich an diesem und jenem ergötzt; nämlich Begehren nach Sinneslust ( kāma-taṇhā ) , Begehren nach Dasein und Begehren nach Nichtdasein. Dies nennt man den Ursprung von Dukkha.

    Und daran ändert sich auch nichts, wenn der Sex in noch so viel Zuneigung und Liebe eingebettet ist.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot


  • Vielen Dank für Dein interessantes Argument!


    Ja, das stimmt: Die Zuneigung zweier Liebender ist aufeinander bezogen, es ist also eine besondere Person gemeint.

    Insofern entspricht es nicht genau der Definition von Metta. Soweit stimme ich Dir zu.


    Es gibt allerdings im Suttapitaka einen ganz analogen Fall, der ebenfalls auf eine besondere Person bezogen ist und dennoch als hohes Ideal gefeiert wird: die spirituelle Freundschaft.


    Für die spirituelle Freundschaft gilt genau dasselbe, was Du bei der Beziehung zwischen zwei Liebenden bzw. Partnern kritisierst: Sie "macht einen Unterschied", sie ist auf eine (oder einige wenige) besondere Person(en) bezogen und kann somit eine "Quelle von Kummer" sein; eben dann, wenn der spirituelle Freund stirbt oder aus anderen Gründen eine Trennung von dem freundschaftlich Geliebten stattfindet.


    Obwohl also die spirituelle Freundschaft ebenso zum Leid führen kann wie eine Beziehung zwischen zwei Liebenden, bei der es zusätzlich noch sinnlich-erotische Anziehung gibt, gilt die spirituelle Freundschaft als hohes und erstrebenswertes Ideal.


    Dein Argument, dass das Element von freundlicher Zuwendung in reifen Liebesbeziehungen von mir überschätzt wird und zurecht im Pali-Kanon ignoriert wird, weil es sich auf eine besondere Person bezieht, ist also nicht haltbar. Denn dann dürfte auch die spirituelle Freundschaft nicht als Ideal hervorgehoben werden.


    Ob wir das Element von liebender Güte, das sich in der spirituellen Freundschaft oder in reifen Liebesbeziehungen findet, nun "Metta" nennen, ist eine Definitionsfrage, die ich weniger wichtig finde. Denn es kommt Metta zumindest hinreichend nahe, auch wenn man es vielleicht als unvollkommene Form von Metta betrachten kann.


    Darüber hinaus wirst Du vermutlich nicht bestreiten, dass eine Beziehung mit einem solchen Aspekt von liebender Güte, bei der der andere Mensch nicht ausschließlich als Mittel zur sexuellen Befriedigung gesehen wird, sondern zugleich als Zweck, gerade auch aus buddhistischer Sicht einer Beziehung vorzuziehen ist, bei der dieser Aspekt von liebender Güte fehlt. Ganz gleich, ob wir das nun als Metta bezeichnen oder nicht.

    Also auch dann, wenn man grundsätzlich jede Ausübung von Sexualität kritisch sieht, wird man doch zugestehen müssen, dass es Formen gibt, die heilsamer sind als andere.

    Genau das gesteht der Buddha ja auch zu, indem er eine entsprechende Übungsregel für Laien formuliert.


    Daher sollte man erwarten, dass die heilsameren Formen der Ausübung von Sexualität in den Lehrreden auch gewürdigt und gewertschätzt werden, und zwar besonders im Kontext der Übungsregel für Laien im Hinblick auf deren Ausübung von Sexualität.


    Diese Übungsregel, so wie sie überliefert wurde, ist leider fast völlig inhaltsleer:

    "Ich nehme mich der Übungsregel des Abstehens von sexuellem Fehlverhalten an."

    Hier wird ja bekanntlich nicht konkretisiert, was genau "sexuelles Fehlverhalten" bedeutet. Und deshalb wurde diese Regel im Laufe der Geschichte völlig unterschiedlich interpretiert.


    Darin sehe ich ein Defizit der Lehre zum Thema "Sexualität", so wie sie im Pali-Kanon überliefert wurde.

    Da der Buddha ja auch zu Laien gesprochen hat, ist zu erwarten, dass er ihnen die Übungsregeln für Laien auch erläutert und inhaltlich konkretisiert hat, was mit "Abstehen von sexuellem Fehlverhalten" gemeint ist.

    Dass diese Erläuterungen fehlen, liegt also vermutlich an der Überlieferungsgeschichte.


    Die zahlreichen generalisierenden Ausführungen zu den Gefahren von Sexualität, die Sexualität pauschal als etwas zu Überwindendes darstellen, sind jedenfalls nutzlos für diejenigen Laien, die sich an einer heilsameren Form von Sexualität orientieren wollen.

    • Offizieller Beitrag

    Nein, das würde mich sogar wundern, wenn dies in den Lehrreden gewürdigt und gewertschätzt würde, und zwar aus mehreren Gründen.


    Zum einen überschätzt Du den Metta-Aspekt. Genaugenommen ist die Zuneigung, die viele in einer erotischen Beziehung zueinander stehenden miteinander verbindet, gar nicht so sehr Metta. Denn Metta ist dadurch ausgezeichnet, dass es keinen Unterschied macht:

    Die Zuneigung zweier Liebender ist aber aufeinander bezogen, schließt Dritte normalerweise aus in der Intensität, es geht eben um den

    significant other.

    Ein wenig OT: Lange Zeit sah man das Hormon "Oxytocin" als ein Kuschelhormon weil es eben besonders in Momenten der Innigen Verbundenheit freigesetzt. Bei Mutter und Kind die miteinander schmusen, aber eben auch bei Liebenden. Es reduziert von Stress, dämpft Aggressivität und fördert Empathie und Vertrauen. Nach diesen Ergebnissen sah man das Hormon als so eine Verköperung von "Love und Peace" was einen so zum Blumenkind macht. Von daher war man überascht, als man feststellte, dass Oxytocin auch eine andere Seite hat:

    Neuere Experimente lassen sogar eine antisoziale Schattenseite des Kuschelhormons vermuten. So fanden israelische Psychologen eine oxytocinbedingte Verstärkung unschöner Emotionen wie Neid und Schadenfreude. Andere Studien legen nahe, dass sich die prosozialen Wirkungen des Stoffs nur unter vertrauten Gruppenmitgliedern zeigen, Fremde dagegen umso stärker ausgegrenzt werden.

    Und das ist denke ich kein Zufall, sondern es liegt in der natur der Sache, dass "Inniglichkeit" gleichzeitig eine aushgließende Wirkung hat.


    Ich will damit die Diskussion nicht vom Buddhismus zum thema Hormone und Wissenschaft wegführen, sondern bringe das nur, weil es eine Bestätigung der buddhitischen Sicht ist, in der ja ebenfalls die Schattenseiten der "partnerschaftlichen Inninglichkeit" betont werden

    .

  • Es gibt allerdings im Suttapitaka einen ganz analogen Fall, der ebenfalls auf eine besondere Person bezogen ist und dennoch als hohes Ideal gefeiert wird: die spirituelle Freundschaft.


    Für die spirituelle Freundschaft gilt genau dasselbe, was Du bei der Beziehung zwischen zwei Liebenden bzw. Partnern kritisierst: Sie "macht einen Unterschied", sie ist auf eine (oder einige wenige) besondere Person(en) bezogen und kann somit eine "Quelle von Kummer" sein; eben dann, wenn der spirituelle Freund stirbt oder aus anderen Gründen eine Trennung von dem freundschaftlich Geliebten stattfindet.


    Obwohl also die spirituelle Freundschaft ebenso zum Leid führen kann wie eine Beziehung zwischen zwei Liebenden, bei der es zusätzlich noch sinnlich-erotische Anziehung gibt, gilt die spirituelle Freundschaft als hohes und erstrebenswertes Ideal.


    Dein Argument, dass das Element von freundlicher Zuwendung in reifen Liebesbeziehungen von mir überschätzt wird und zurecht im Pali-Kanon ignoriert wird, weil es sich auf eine besondere Person bezieht, ist also nicht haltbar. Denn dann dürfte auch die spirituelle Freundschaft nicht als Ideal hervorgehoben werden.

    Eine spirituelle Freundschaft begründet sich ja gerade darauf, dass der achtfache Pfad von beiden anerkannt wird.

    Eine Liebesbeziehung im üblichen Sinne, selbst bei reifen, von Güte getragenen Menschen, beinhaltet nicht unbedingt die Einhaltung bzw. Übung dieses Pfades.

    Aber buddhistischen Laien ist sie ja auch nicht versagt, es wird nur auf die Gefahren hingewiesen! Weshalb also sollte Buddha sie empfehlen?


    Die spirituelle Freundschaft wird deshalb von Buddha hervorgehoben, weil ein spiritueller Wegbegleiter uns in unseren Bemühungen bestärken kann. Ein Geliebter wird uns u.U. sogar davon abbringen.


    Da der spirituelle Pfad für spirituelle Freunde den Mittelpunkt ihrer Beziehung darstellt, wird auch der Verlust einer dieser Personen ganz anders gesehen und bei fortgeschrittenen Laien oder Mönchen/Nonnen auch anders erlebt als bei Geliebten. Ganz abgesehen davon, dass Leid ohnehin nicht vollkommen verschwindet, bevor wir nicht völlig befreit sind.


    Aus rein medizinischer Sicht ist der Liebeskummer in einer Hirnregion beheimatet, die auch für den Drogenentzug zuständig ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Menschen sich bei Verlust der Liebesenergie das Leben nehmen (wollen) - s. auch Werther von Goethe.


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  • Kaffeebohne


    Dass diese gierig-süchtige Form von Sexualität ein Problem ist, darin sind wir uns doch alle einig.

    Doch es gibt eben auch reifere Formen partnerschaftlicher Beziehung, die neben sinnlicher Anziehung auch viel Metta enthalten.

    Meine Frage war: Warum wird das im Pali-Kanon ausgeblendet und stattdessen einseitig die gierig-süchtige Form von Sexualität als abschreckendes Beispiel betont?

    Deine Argumentation lautet mehr oder weniger: "Warum Sex negativ sehen? Mit Metta tut er doch mir und dem Partner/der Partnerin gut". Das Stimmt, aber sinnliche Anziehung ist nun mal Begierde, und der Mittlere Weg zielt darauf ab, Begierde hinter sich zu lassen. Wenn Du Sex mit Metta praktizierst, ist das sicher heilsamer als egoistischer Sex. Noch heilsamer ist es, Metta zu praktizieren, ohne sinnliche Anziehung zu empfinden. Dann bist Du frei von dieser Begierde. VÖLLIGE Freiheit ist das Ziel, das Buddha weist, nicht eine Reduktion des Anhaftens auf angenehme Bereiche.

  • Wenn ich Sex als Begehren sehe muss ich tatsächlich feststellen das Begirerde zu vermeiden ist. Begehren ist nach meiner Sicht normal. Begierde ist Anhaftung, Gier nach Sex ist ernstzunehmendes Leiden. Doch die Begierde nach Sex stört schon entscheidend das leben zu meistern. Das kann schon den ganzen Tag verderben wenn zugelassen wird das Begehren, zu Begierde wird die sich dann in Gier steigert und zu Hass wird wenn die Gier nicht befriedigt werden kann.

  • Für die spirituelle Freundschaft gilt genau dasselbe, was Du bei der Beziehung zwischen zwei Liebenden bzw. Partnern kritisierst: Sie "macht einen Unterschied", sie ist auf eine (oder einige wenige) besondere Person(en) bezogen und kann somit eine "Quelle von Kummer" sein; eben dann, wenn der spirituelle Freund stirbt oder aus anderen Gründen eine Trennung von dem freundschaftlich Geliebten stattfindet.


    Obwohl also die spirituelle Freundschaft ebenso zum Leid führen kann wie eine Beziehung zwischen zwei Liebenden, bei der es zusätzlich noch sinnlich-erotische Anziehung gibt, gilt die spirituelle Freundschaft als hohes und erstrebenswertes Ideal.


    Dein Argument, dass das Element von freundlicher Zuwendung in reifen Liebesbeziehungen von mir überschätzt wird und zurecht im Pali-Kanon ignoriert wird, weil es sich auf eine besondere Person bezieht, ist also nicht haltbar. Denn dann dürfte auch die spirituelle Freundschaft nicht als Ideal hervorgehoben werden.

    Du hast recht, die sprituelle Freundschaft wird als Ideal hervorgehoben:

    "Aber, Anuruddha, auf welche Weise weilt ihr so?"


    "Ehrwürdiger Herr, was das betrifft, wer von uns auch immer zuerst vom Dorf mit Almosenspeise zurückkehrt, bereitet die Sitze vor, stellt Wasser zum Trinken und Waschen bereit, und stellt den Abfalleimer auf seinen Platz. Wer von uns auch immer zuletzt zurückkehrt, ißt, was an Essen übrigblieb, falls er das wünscht; ansonsten wirft er es dort weg, wo nichts Grünes wächst, oder wirft es dort ins Wasser, wo nichts lebt. Er räumt die Sitze und das Wasser zum Trinken und Waschen weg. Er räumt den Abfalleimer weg, nachdem er ihn ausgewaschen hat, und er fegt den Speisesaal. Wer auch immer feststellt, daß die Behälter für das Trinkwasser oder das Waschwasser oder das Wasser für die Latrine fast oder ganz leer sind, kümmert sich darum. Wenn sie zu schwer für ihn sind, ruft er jemanden mit einem Handzeichen herbei, und mit vereinten Kräften bewegen sie diese, aber deswegen fangen wir nicht zu sprechen an. Aber alle fünf Tage sitzen wir die ganze Nacht hindurch zusammen und erörtern das Dhamma. Auf jene Weise weilen wir umsichtig, eifrig und entschlossen."

    Sie sollte möglichst alle Aspekte beinhalten, die einen Fortschritt in Richtung Befreiung fördern und möglichst alle Aspekte nicht aufweisen, die einen Fortschritt in Richtung Befreiung erschweren oder gar verhindern. Zu letzteren gehören neben Sex natürlich auch andere sinnliche Ausschweifungen, Streit, Missgunst, körperliche Gewalt, zuviel Zerstreuung, Ablenkung, Müßiggang usw.


    Wenn die Freundschaft nicht ganz auf Augenhöhe stattfindet, zum Beispiel in einem Mentor-Novize- oder Lehrer-Schüler-Verhältnis, dann kommt vielleicht sogar eine bestimmte Abhängigkeit dazu. Aber selbst die ist quasi als das geringere Übel in kauf zu nehmen, wenn der Fortschritt in Richtung Befreiung stattfindet:

    "Ihr Bhikkhus, da lebt ein Bhikkhu in Abhängigkeit von einer bestimmten Person. Während er dort lebt, wird seine noch nicht verankerte Achtsamkeit verankert, sein unkonzentrierter Geist wird konzentriert, seine noch nicht vernichteten Triebe werden vernichtet, die noch nicht erlangte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein wird erlangt; und auch die lebensnotwendigen Requisiten, die ein Hausloser erhalten sollte - Roben, Almosenspeise, Lagerstätte und krankheitsbedingte Medikamente - sind leicht zu beschaffen. Der Bhikkhu sollte folgendermaßen betrachten: 'Ich lebe in Abhängigkeit von dieser Person. Während ich hier lebe, ist meine noch nicht verankerte Achtsamkeit verankert worden, mein unkonzentrierter Geist ist konzentriert geworden, meine noch nicht vernichteten Triebe sind vernichtet worden. Ich habe die noch nicht erlangte höchste Sicherheit vor dem Gefesseltsein erlangt; und auch die lebensnotwendigen Requisiten, die ein Hausloser erhalten sollte - Roben, Almosenspeise, Lagerstätte und krankheitsbedingte Medikamente - sind leicht zu beschaffen.' Jener Bhikkhu sollte lebenslänglich weiterhin mit jener Person verkehren; er sollte nicht von ihr fortziehen, selbst wenn er fortgeschickt würde."

    Grundsätzlich hat aber auch sprituelle Freundschaft ihre Grenzen:

    "In der Tat, Ānanda, es ist nicht möglich, daß ein Bhikkhu, der Geselligkeit liebt, der sich mit Geselligkeit vergnügt, der sich der Vorliebe für Geselligkeit hingibt, der Gesellschaft liebt, der sich mit Gesellschaft vergnügt, der sich über Gesellschaft freut, jemals in die Herzensbefreiung, die zeitweilig und erfreulich ist, oder in die Herzensbefreiung, die anhaltend und unerschütterlich ist, eintreten und darin verweilen wird. Es kann aber erwartet werden, daß ein Bhikkhu, wenn er allein, von der Gesellschaft zurückgezogen lebt, in die Herzensbefreiung, die zeitweilig und erfreulich ist, oder in diejenige, die anhaltend und unerschütterlich ist, eintreten und darin verweilen wird.

    Und schließlich, da stimme ich Dir zu, birgt spirituelle Freundschaft die Gefahr des Verlustes und des Kummers:

    Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei den Vajjīnern nahe Ukka-Celāya am Ufer des Ganges mit einer großen Mönchsgemeinde, kurz nachdem Sāriputto und Moggallāno erloschen waren. Damals nun hatte der Erhabene inmitten der Mönchsgemeinde unter freiem Himmel Platz genommen. Und der Erhabene blickte über die still gewordene Mönchsgemeinde hin und wandte sich also an die Mönche:


    "Leer erscheint mir, ihr Mönche, diese Versammlung. Nachdem Sāriputto und Moggallāno erloschen sind, ist meine Versammlung, ihr Mönche, leer von ihnen. In welcher Gegend auch immer Sāriputto und Moggallāno weilten, da blieb nichts zu wünschen übrig. Die da, ihr Mönche, in vergangenen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte, waren, diese Erhabenen alle hatten solch ein vorzügliches Jüngerpaar wie ich in Sāriputto und Moggallāno. Die da, ihr Mönche, in künftigen Zeiten Heilige, vollkommen Erwachte sein werden, alle diese Erhabenen werden ein solches vorzügliches Jüngerpaar haben wie ich in Sāriputto und Moggallāno.


    Etwas Erstaunliches ist es, ihr Mönche, unter den Jüngern. Etwas Außerordentliches ist es, ihr Mönche, unter den Jüngern, etwas Außerordentliches ist es, ihr Mönche, unter den Jüngern, wie sie die Unterweisungen und Ermahnungen des Meisters erfüllten, wie sie der vierfachen Versammlung lieb waren, gern gesehen, wert gehalten und geschätzt von ihr. Erstaunlich ist es, ihr Mönche, außerordentlich ist es, ihr Mönche, daß es nach dem Erlöschen eines solchen Jüngerpaars im Vollendeten weder Kummer noch Jammer gibt. Wie wäre es auch möglich, ihr Mönche, daß, was geboren, geworden, zusammengesetzt, dem Verfall unterworfen ist, da doch nicht verfallen sollte? Ein solcher Fall findet sich nicht.

    Und trotz dieser Gefahr ist die spirituelle Freundschaft zu suchen, denn ohne sie ist der Weg zur Befreiung ungleich schwerer.


    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    Einmal editiert, zuletzt von Elliot ()

  • Da der Buddha ja auch zu Laien gesprochen hat, ist zu erwarten, dass er ihnen die Übungsregeln für Laien auch erläutert und inhaltlich konkretisiert hat, was mit "Abstehen von sexuellem Fehlverhalten" gemeint ist.


    Dass diese Erläuterungen fehlen, liegt also vermutlich an der Überlieferungsgeschichte.


    Die zahlreichen generalisierenden Ausführungen zu den Gefahren von Sexualität, die Sexualität pauschal als etwas zu Überwindendes darstellen, sind jedenfalls nutzlos für diejenigen Laien, die sich an einer heilsameren Form von Sexualität orientieren wollen.

    Es gab ja wie weiter oben schon beschrieben, auch Bhikkhus, die erkannten, dass ihnen eine spirituelle Freundschaft nicht genügen würde, dass sie es nicht schaffen würden, die Übungsregeln einzuhalten:

    Und sogar jene seiner Schüler, die sich von ihren Gefährten im heiligen Leben trennen und zum niedrigen Leben zurückkehren - sogar sie preisen den Lehrer und das Dhamma und die Sangha; sie geben sich selbst statt anderen die Schuld, indem sie sagen: >Wir hatten Pech, wir haben wenig Verdienste; denn obwohl wir in solch einem wohlverkündeten Dhamma, einer wohlverkündeten Disziplin in die Hauslosigkeit gezogen sind, waren wir nicht in der Lage, das vollkommene und reine heilige Leben bis zu unserem Lebensende zu leben.< Nachdem sie Klosterdiener oder Laienanhänger geworden sind, nehmen sie die fünf Übungsregeln auf sich und befolgen sie. Auf solche Weise wird der Mönch Gotama von seinen Schülern geehrt, respektiert, gewürdigt und verehrt, und seine Schüler leben in Abhängigkeit von ihm, während sie ihn ehren und respektieren.'"

    Und diesen Bhikkhus wurden schon auch Anregungen mitgegeben, wie sie ihr Leben als Laie so gestalten können, dass sie einen heilsamen Weg mit glücklicher Zukunft einschlagen:

    "Ihr Bhikkhus, ich werde euch einen Lehrvortrag darüber halten, was gepflegt werden sollte und was nicht gepflegt werden sollte. Hört zu und verfolgt aufmerksam, was ich sagen werde." – "Ja, ehrwürdiger Herr", erwiderten die Bhikkhus. Der Erhabene sagte dieses: ... "Und welche Art von körperlichem Verhalten verursacht die Zunahme unheilsamer Zustände und die Abnahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt? ... Er übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen; er hat Geschlechtsverkehr mit Frauen, die unter der Obhut der Mutter, des Vaters, von Mutter und Vater, des Bruders, der Schwester oder der Verwandten stehen, mit Frauen, die einen Ehemann haben, die vom Gesetz geschützt sind, und sogar mit jenen, die den Schmuck der Verlobten tragen. Solch körperliches Verhalten verursacht die Zunahme unheilsamer Zustände und die Abnahme heilsamer Zustände in einem, der es pflegt." ...


    "Sāriputta, wenn alle Adeligen die nähere Bedeutung meiner Äußerung, die ich in Kürze vorbrachte, so verstünden, würde es lange zu ihrem Wohlergehen und Glück gereichen. Wenn alle Brahmanen die nähere Bedeutung meiner Äußerung, die ich in Kürze vorbrachte, so verstünden, würde es lange zu ihrem Wohlergehen und Glück gereichen. Wenn alle Händler die nähere Bedeutung meiner Äußerung, die ich in Kürze vorbrachte, so verstünden, würde es lange zu ihrem Wohlergehen und Glück gereichen. Wenn alle Arbeiter die nähere Bedeutung meiner Äußerung, die ich in Kürze vorbrachte, so verstünden, würde es lange zu ihrem Wohlergehen und Glück gereichen. Wenn die Welt mit ihren Göttern ihren Māras und ihren Brahmās, diese Generation mit ihren Mönchen und Brahmanen, ihren Prinzen und dem Volk die nähere Bedeutung meiner Äußerung die ich in Kürze vorbrachte, so verstünde, würde es lange zum Wohlergehen und Glück der Welt gereichen."

    Viele Grüße

    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

    Einmal editiert, zuletzt von Elliot ()

  • Hi,

    ich bin wieder da und kann endlich schreiben, was ich schon die ganze Zeit schreiben wollte. Ja, Sexualität wird auch als als Geschlechtswahn bezeichnet und wird nicht als förderlich für das Voranschreiten auf dem Achtfachen Weg erachtet.

    Aber, da gibt es noch ein kleines Hintertürchen, mit der Aussage: Falls es dich fast zerreißt, kannst du mit einer Frau Sex haben aber bitte nicht mit einer verheirateten Frau. Gotamo Buddho hatte 40 Konkubinen und dann noch etliche Lieblingsfrauen dazu, natürlich in seiner Fürstenzeit.

  • Hi,

    ich habe zu meinem obigen Beitrag, vergessen zu sagen, dass die Frau, mit welcher der Mönch Sex hat, bitte nicht

    verheiratet sein soll. Der Treppenwitz lässt grüßen.

  • Dass jedes Begehren (und damit natürlich auch die Sexualität) Dukkha ist, habe ich nicht bestritten. Das trifft natürlich auch auf die Formen zu, die mit Metta verbunden sind.

    Da hast Du mich also missverstanden.

    Ich bin tatsächlich der Ansicht, dass eine Existenz ohne sexuelles Begehren selbst den wunderschönsten Beziehungen mit ganz viel liebevollem Sex vorzuziehen ist.


    Dass es sich so verhält, erlebe ich in bestimmten meditativen Zuständen. Der innere Frieden, wunschlos glücklich zu sein, zeigt deutlich, wie trügerisch sinnliche Befriedigungen sind.


    Daraus folgt nun aber nicht, dass wir uns für eine solche Existenz ohne sexuelles Begehren frei entscheiden könnten. Die Sexualität ist als biologisch angelegtes Bedürfnis bei vielen Menschen weder durch bewusste Entscheidung noch durch eine bestimmte spirituelle Praxis zu überwinden.


    In solchen Fällen ist auch der Verzicht auf sexuelle Handlungen kontraproduktiv: Das sexuelle Begehren verschwindet nicht einfach, wenn jemand auf sexuelle Handlungen verzichtet.

    Die Erfahrung - sowohl bei vielen Laien als auch bei nicht wenigen Mönchen - zeigt doch, dass es häufig umgekehrt ist:

    Das sexuelle Begehren nimmt bei äußerlich enthaltsamen Menschen oft sogar zu. Solche Menschen werden gequält durch ihr Verlangen, dem sie entsagen wollen. Das Ausmaß von Dukkha durch die Sexualität ist bei ihnen also größer, als wenn sie sich eine Ausübung von Sexualität gestatten.


    Diejenigen Menschen, denen es nicht allzu schwer fällt, auf Sexualität zu verzichten, sollten das aus buddhistischer Sicht auch tun. Dem stimme ich zu - und ich hätte das im Verlauf der Diskussion deutlicher aussprechen sollen, um Missverständnisse zu vermeiden.


    Nun ist es allerdings so, dass es nach meiner Erfahrung und Wahrnehmung nur wenige Menschen sind, denen es nicht allzu schwer fällt, auf Sexualität zu verzichten. Das betrifft sowohl Laien als auch Mönche.

    Bei meinem letzten Aufenthalt in einem Theravada-Kloster habe ich ausführlich mit einem jungen Mann gesprochen, der sich darauf vorbereitet, Mönch zu werden und seit längerer Zeit in verschiedenen Klöstern gemäß den 8 Silas praktiziert. Dieser junge Mann war sehr motiviert und eifrig bestrebt, jede Regel gewissenhaft zu befolgen, doch aufgrund seiner sexuellen Enthaltsamkeit so stark unter Druck, wie man sich das kaum vorstellen kann. Er fand keinen Augenblick Ruhe, auch nicht in der Meditation. Wenn eine Frau kam, um Essen zu offerieren, konnte er die Gegenwart der Frau kaum ertragen und verhielt sich sonderbar. - Und das ist kein Einzelfall, viele Mönche leiden erheblich unter dem Verzicht auf jede Form von Sexualität, bis hin zu psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten.


    Soweit ich sehe, gibt es nur wenige, für die ein Leben in völliger sexueller Enthaltsamkeit zum inneren Frieden führt.


    Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass:


    1. eine maßvolle Lockerung der Keuschheitsregel auch in Theravada-Klöstern sinnvoll wäre und auch durchaus vinaya-konform praktiziert werden könnte, indem man medizinisch begründete Ausnahmeregelungen schafft. Dafür dass Ordensregeln aus medizinischen Gründen eingeschränkt oder in bestimmten Situationen aufgehoben werden können, gibt es viele Beispiele, das ist also keine Unmöglichkeit. Wenn eine Praxis zu psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten führt, könnte man einen solchen medizinischen Ausnahmetatbestand anführen und dem betreffenden Mönch oder Novizen gelegentliche Selbstbefriedigung gestatten. Dadurch kann viel überflüssiges Leiden vermieden und die psychische Gesundheit gefördert werden.


    2. eine liebevolle Ausübung der Sexualität bei Laien durchaus eine Praxis ist, die man würdigen und schätzen kann, im Vergleich zu bloßer Triebbefriedigung oder sexuellem Konsumverhalten.

    Es wäre zwar letztlich besser, ganz auf Sex zu verzichten, doch dieser Weg ist für die meisten Laien weder möglich noch vorgeschrieben.

    Eine solche liebevolle Form der Sexualität sollte man daher auch nicht negativ sehen!


    Leider fehlt im Pali-Kanon ein solcher differenzierter Blick auf erotische Praxis und liebevolle partnerschaftliche Beziehungen.

    Die entsprechende Übungsregel für Laien ist fast vollständig inhaltsleer und besagt nur, man dürfe nicht mit verheirateten Frauen schlafen oder mit Frauen, die noch in der Obhut ihrer Familie sind. (Danke Elliot für das Zitat!)


    Dass über diesen formalen Punkt hinaus nicht unterschieden wird zwischen heilsameren und weniger heilsamen Formen der Ausübung von Sexualität, halte ich für ein Defizit der Überlieferung im Pali-Kanon.


    Ich hoffe, ich konnte meine Position jetzt verständlicher darstellen.

  • Dass über diesen formalen Punkt hinaus nicht unterschieden wird zwischen heilsameren und weniger heilsamen Formen der Ausübung von Sexualität, halte ich für ein Defizit der Überlieferung im Pali-Kanon.


    Ich hoffe, ich konnte meine Position jetzt verständlicher darstellen.


    Nein, denn ich verstehe Deine Position nicht.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ich hoffe, ich konnte meine Position jetzt verständlicher darstellen.

    Nein, denn ich verstehe Deine Position nicht.

    Was genau verstehst Du nicht, liebe Monika?

    Es wäre hilfreich, wenn Du das ein wenig erläuterst.


    Ich habe anhand Deiner letzten Beiträge leider nicht verstanden, was Du genau an meiner Position kritisieren möchtest.

  • Ich verstehe Deinen Wunsch nicht, den Palikanon sozusagen vervollständigen zu wollen. Es war offenbar nicht die Absicht des Buddha, sich positiv über (mögliche heilsame) sexuelle Betätigung zu äußern.


    Ich habe noch nie begriffen, wieso Menschen auf die Idee kommen, z.B. den Kommunismus gesellschaftsfähig hinzubiegen oder das Christentum auf die Bedürfnisse junger Menschen zuzuschneiden, so dass sie sich auch dafür interessieren. Die Lehren sind wie sie sind. Und wer damit nicht zurecht kommt, der lässt das eben bleiben oder gründet eine eigene Religion oder politische Gruppe.

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  • Ich verstehe Deinen Wunsch nicht, den Palikanon sozusagen vervollständigen zu wollen. Es war offenbar nicht die Absicht des Buddha, sich positiv über (mögliche heilsame) sexuelle Betätigung zu äußern.


    (...) Die Lehren sind wie sie sind. Und wer damit nicht zurecht kommt, der lässt das eben bleiben oder gründet eine eigene Religion oder politische Gruppe.

    Liebe Monika, in dem längeren Beitrag heute Abend habe ich versucht, sowohl die Gründe als auch meine Motive verständlich darzustellen.

    Ich weiß nicht, ob Du die Gründe und Motive, die ich ausdrücklich genannt habe, nicht verstehst oder ob Du einfach anderer Meinung bist. "Nicht verstehen" kann ja bedeuten, dass man etwas nicht nachvollziehen kann oder auch, dass man es nicht nachvollziehen will.


    Wenn Du anderer Meinung bist, könntest Du dafür Argumente vorbringen.

    Wenn Du keine Argumente vorbringen möchtest, akzeptiere ich natürlich dennoch Deine andere Meinung.


    Lediglich zu sagen: "Die Regeln sind so wie sie sind" oder "Es war offensichtlich nicht die Absicht des Buddha, dass ..." sind dagegen lediglich dogmatische Behauptungen. Also im Grunde eine Diskussionsverweigerung.

  • Lieber Frieden-und-Freude,

    ich habe Deinen Beitrag noch einmal gelesen und komme zu dem Schluss, dass Dein Wunsch liebender Güte entspringt, aber aus meiner Sicht nicht erfüllbar ist aus all den Gründen, die bereits vorgetragen wurden.

    Es gibt keine Reform der Lehre Buddhas, es gibt höchstens andere Formen wie z.B. im japanischen Zen oder auch in der Geheimlehre des tibetischen Tantra.

    Ich verstehe Dich jetzt. Ich wünsche Dir eine gute Nacht.

    _()_

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  • Liebe Monika,


    vielen Dank für Dein Verständnis!


    Dass Du das so siehst, respektiere ich natürlich.

    Es hat in der Geschichte des Buddhismus viele "Reformen" und Veränderungen geben, das Ergebnis sind die zahlreichen Formen von Buddhismus, die es in der Gegenwart gibt.

    Die Geschichte ist allerdings immer im Fluss. Nichts bleibt so, wie es ist. Also sind auch die gegenwärtigen Formen niemals endgültige.


    Was die Interpretation der Vinaya-Regeln betrifft, steht jedes Theravada-Kloster vor der Aufgabe, diese Regeln vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lebensbedingungen und Situationen zu interpretieren.

    Das ist auch gar nicht anders möglich, da Regeln ja immer vor einem historischen Hintergrund entstehen und sich darauf beziehen.

    Deshalb bleibt auch kein Regelwerk dauerhaft konstant.

    Anicca.


    Das entweder komplett anders zu sehen oder Dich gegen eine mögliche "Aufweichung" von Regeln in der von mir angeregten Form zu wenden, ist selbstverständlich legitim. Wie gesagt, ich respektiere das und es kann dafür auch gute Gründe geben.


    Ich wünsche Dir eine gute Nacht!

  • Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass:

    1. eine maßvolle Lockerung der Keuschheitsregel auch in Theravada-Klöstern sinnvoll wäre und auch durchaus vinaya-konform praktiziert werden könnte, indem man medizinisch begründete Ausnahmeregelungen schafft. Dafür dass Ordensregeln aus medizinischen Gründen eingeschränkt oder in bestimmten Situationen aufgehoben werden können, gibt es viele Beispiele, das ist also keine Unmöglichkeit. Wenn eine Praxis zu psychischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten führt, könnte man einen solchen medizinischen Ausnahmetatbestand anführen und dem betreffenden Mönch oder Novizen gelegentliche Selbstbefriedigung gestatten. Dadurch kann viel überflüssiges Leiden vermieden und die psychische Gesundheit gefördert werden.

    Meinst du nicht dass das de facto ohnehin mehr oder weniger toleriert wird? Ich weiss nicht wie es in einem Theravada-Kloster zugeht, aber es wird wohl kaum jeden Abend kontrolliert ob alle Mönche die Hände über der Bettdecke haben.