Es gibt natürlich im Zen Ausprägungen, die mir nicht entgehen (und für die wohl auch Sudhana stehen möchte), die sich auf Sutren beziehen, also den Text, und von dort eine Ethik herleiten.
Warum nicht Klartext? Wobei es schon ein wenig komplexer ist. Das hat durchaus etwas mit der Thematik 'Überlieferung außerhalb der Schriften' zu tun - Danke übrigens für Piya Tans Arbeit; ich habe sie bislang nur überflogen und werde ihr bei Gelegenheit mehr Zeit widmen. Einer der entscheidenden Punkte ist natürlich nicht neu: dass die 'Überlieferung außerhalb der Schriften' eine Fabrikation des nachklassischen Chan der Song ist und in Japan vom Rinzai rezipiert wurde und das offensichtlich gut zur Kultur (und Ethos) einer den Staat beherrschenden, brutalen Militärkaste passte. Im Sōtō hingegen (vgl. z.B. Shōbōgenzō Bukkyō) wird Überlieferung / Übertragung nicht-dualistisch aufgefasst: die Übertragung innerhalb und die Übertragung außerhalb von Worten sind nicht verschieden, nicht-zwei. 'Soheit' manifestiert sich auch in den Schriften. Konventionelle Wahrheit ist nur die kommunizierbare Form absoluter Wahrheit.
Wobei sich die Ethik nur provisorisch auf Sūtren und Bodhisattvagelübde stützt - sie stützt sich auf die hinter diesen Worten stehende und im Zazen nachvollzogene dezentrale Vernetztheit allen Seins, die Interdependenz alles Seienden. Mit Huineng zu sprechen: Manifestation des Geistgrundes ohne Irrtum, ohne Torheit, ohne Verwirrung - die dreifache formlose Übung von Śīla, Prajńā und Dhyāna. Dieser Übung entspringt als Motivation der Praxis das Prinzip fusesshō - Enthaltung von Leben-Nehmen über das für diese Praxis Erforderliche hinaus.