QuoteSpeziell zu dieser Frage würde ich mir hier eine Frauenperspektive wünschen.
Es gibt nicht DIE Frauenperspektive. Ich rede auch mit Frauen und habe eine Menge Literatur zu dem Thema gelesen. Aus dem allen bilde ich mir meinen Eindruck. Genau wie es Frauen gibt, die das Pendel mit MeToo und Cancel Culture zu weit ausschlagen sehen. Dazu gehören auch die ständigen rhetorischen Phrasen wie "Victim Blaming"usw., mit denen man die Gegenargumente vom Tisch wischen will, als sei man in der moralisch besseren Position.
Ich kenne auch die Schilderungen aus Mount Baldy anders. Eine ganze Zeitlang wurden die Schülerinnen vorher über Sasakis Verhalten durchaus aufgeklärt und sind trotzdem rein. Ich glaube, Du vereinfachst zu sehr. Es gibt a) Frauen, die so etwas suchen (wenn auch wohl eine Minderheit), b) solche, die es nicht schreckt und die damit umgehen können. Die sind doch weiterhin gekommen, als das bekannt war.
Quote
Allerdings denke ich, dass Du an Deiner Armut dann selber Schuld sein wirst, wenn Du weiter nur olle Sachen von ihm rausbringst
Ob ich etwas neben den frei zugänglichen Teisho (in Buchform) "rausbringe", weiß ich nicht, das werde ich mal mit seiner Sangha klären, zumal ich der Version, er habe das kurz vor seinem Ende so gewollt, skeptisch gegenüber stehe. Aber die Teisho kann man auf Englisch eh im Netz finden, und ich sehe das genau so: Es wird den ein oder anderen geben, der dadurch etwas lernen kann. Allerdings werden viele aufgrund ihrer Vorurteile (die sich wesentlich aus seinem Sexualverhalten ergeben) diese Chance verpassen.
Dass man Erwachen auch sexuell besser manifestieren kann als Sasaki sehe ich genauso. Nur wie gesagt bin ich kein Puritaner, ganz im Gegenteil, insofern ist ein Versagen auf diesem Gebiet nicht wesentlich, da ich z.B. von Sexualwissenschaftlern und Psychologen darüber viel gelernt habe, die wiederum nicht unbedingt zen-typische Erkenntnisse wie Sasaki hatten. Ich leite mal über zu Leonie:
Quote
Erstmal, Du hast Recht, "Ausgangspunkt" ist nicht das ideale Wort für die Zeit ab dem Erwachen. Natürlich gibt es auch viele Schritte. Aber für mich ist das Schlüsselerlebnis von Bedeutung. Leider kommt dann der Allgmeinplatz von den sila, und da widerspreche ich erneut heftig. Das ist eine reine Floskel. In anderen Beiträgen, wie zum Brahmanetzsutra, habe ich ausführlicher diese sila beleuchtet. Es handelt sich um Dinge, die der Otto Normalverbraucher unabhängig von irgendeinem Verständnis des (Zen-)Weges gemeinhin zu verwirklichen trachtet. Es ist eben nicht typisch fürs Erwachen, dass einer nicht lügt, stiehlt oder tötet. Ich kenne Deinen Lehrer nicht, aber diesen Unsinn attackiere ich seit Jahrzehnten, und er ist nur allzu offensichtlich. Auch sind die Beispiele für das Versagen bekannter Zen-Lehrer dann sehr zahlreich, Dogen log über seinen Lehrer Ju-Ching, Ikkyu ging zu Huren, Linji prügelte usf. Man müsste eine lange Diskussion erst mal darüber führen, was einer denn mit sila meint und wer bitteschön sie denn beispielhaft verwirklicht. Da sind wir wieder bei der Illusion des perfekten Menschen, die da immer im Hintergrund schwelt und garantiert immer wieder zu Enttäuschungen führen wird.
Ich möchte mal wissen, wie Du sila "vertiefst".
Was Sasaki angeht, hast Du auch nichts Konkretes gesagt, aber wahrscheinlich meinst Du Ehebruch. Ich habe die Details nicht auf dem Schirm, bei Shimano war es so, aber ich denke, es waren auch Fälle bei Sasaki dabei, zumal er selbst verheiratet war (obwohl das streng genommen nicht in der sila drinsteckt). Allerdings habe ich dazu auch schon lange Ausführungen gemacht. Wenn Du sila nur wörtlich nimmst und das als Vertiefen verstehst, wirst Du vlt. keiner Mücke was zuleide tun und auch nicht akzeptieren, dass es Menschen gibt, die in ihrer Beziehung den Ehebruch zulassen oder die dadurch weitergekommen sind. Denn diese Geschehnisse sind viel komplexer als die sila.
Und dann mangelt es in der Praxis an Weisheit, die, wie ich oft aufzeigte, im Zen den sila stets übergeordnet war, und nicht neben- oder gleichrangig, wie oft behauptet. Es gibt etliche klassische Zenlehrer (inklusive der frühen Chantexte), die das ebenso verdeutlichen.
Darum ist es falsch, das Kriterium sila über das Kriterium Weisheit zu stellen, wenn man sich fragt, ob jemand als Zenlehrer etwas zu sagen hat. Das Problem ist, dass die sila relativ verständlich sind und die Menschen sich mit der Einschätzung von Weisheit schwer tun bzw. sie subjektiven Wertungen stärker ausgesetzt ist.