Buddhismus: Missbrauch im Namen der Erleuchtung

  • Zitat

    Speziell zu dieser Frage würde ich mir hier eine Frauenperspektive wünschen.

    Es gibt nicht DIE Frauenperspektive. Ich rede auch mit Frauen und habe eine Menge Literatur zu dem Thema gelesen. Aus dem allen bilde ich mir meinen Eindruck. Genau wie es Frauen gibt, die das Pendel mit MeToo und Cancel Culture zu weit ausschlagen sehen. Dazu gehören auch die ständigen rhetorischen Phrasen wie "Victim Blaming"usw., mit denen man die Gegenargumente vom Tisch wischen will, als sei man in der moralisch besseren Position.


    Ich kenne auch die Schilderungen aus Mount Baldy anders. Eine ganze Zeitlang wurden die Schülerinnen vorher über Sasakis Verhalten durchaus aufgeklärt und sind trotzdem rein. Ich glaube, Du vereinfachst zu sehr. Es gibt a) Frauen, die so etwas suchen (wenn auch wohl eine Minderheit), b) solche, die es nicht schreckt und die damit umgehen können. Die sind doch weiterhin gekommen, als das bekannt war.


    Zitat


    Allerdings denke ich, dass Du an Deiner Armut dann selber Schuld sein wirst, wenn Du weiter nur olle Sachen von ihm rausbringst

    Ob ich etwas neben den frei zugänglichen Teisho (in Buchform) "rausbringe", weiß ich nicht, das werde ich mal mit seiner Sangha klären, zumal ich der Version, er habe das kurz vor seinem Ende so gewollt, skeptisch gegenüber stehe. Aber die Teisho kann man auf Englisch eh im Netz finden, und ich sehe das genau so: Es wird den ein oder anderen geben, der dadurch etwas lernen kann. Allerdings werden viele aufgrund ihrer Vorurteile (die sich wesentlich aus seinem Sexualverhalten ergeben) diese Chance verpassen.


    Dass man Erwachen auch sexuell besser manifestieren kann als Sasaki sehe ich genauso. Nur wie gesagt bin ich kein Puritaner, ganz im Gegenteil, insofern ist ein Versagen auf diesem Gebiet nicht wesentlich, da ich z.B. von Sexualwissenschaftlern und Psychologen darüber viel gelernt habe, die wiederum nicht unbedingt zen-typische Erkenntnisse wie Sasaki hatten. Ich leite mal über zu Leonie:


    Zitat


    ob es die "rechte Einsicht" ist oder war, erkennt man nur daran, wie einer fähig geworden ist, sich bei der Übung des Weges und da besonders der Silas immer weiter zu vertiefen. Die Silas sind deshalb von so großer Bedeutung, weil sie der einzige sichtbare Ausdruck des authentischen Erwachens sind.

    Erstmal, Du hast Recht, "Ausgangspunkt" ist nicht das ideale Wort für die Zeit ab dem Erwachen. Natürlich gibt es auch viele Schritte. Aber für mich ist das Schlüsselerlebnis von Bedeutung. Leider kommt dann der Allgmeinplatz von den sila, und da widerspreche ich erneut heftig. Das ist eine reine Floskel. In anderen Beiträgen, wie zum Brahmanetzsutra, habe ich ausführlicher diese sila beleuchtet. Es handelt sich um Dinge, die der Otto Normalverbraucher unabhängig von irgendeinem Verständnis des (Zen-)Weges gemeinhin zu verwirklichen trachtet. Es ist eben nicht typisch fürs Erwachen, dass einer nicht lügt, stiehlt oder tötet. Ich kenne Deinen Lehrer nicht, aber diesen Unsinn attackiere ich seit Jahrzehnten, und er ist nur allzu offensichtlich. Auch sind die Beispiele für das Versagen bekannter Zen-Lehrer dann sehr zahlreich, Dogen log über seinen Lehrer Ju-Ching, Ikkyu ging zu Huren, Linji prügelte usf. Man müsste eine lange Diskussion erst mal darüber führen, was einer denn mit sila meint und wer bitteschön sie denn beispielhaft verwirklicht. Da sind wir wieder bei der Illusion des perfekten Menschen, die da immer im Hintergrund schwelt und garantiert immer wieder zu Enttäuschungen führen wird.


    Ich möchte mal wissen, wie Du sila "vertiefst".


    Was Sasaki angeht, hast Du auch nichts Konkretes gesagt, aber wahrscheinlich meinst Du Ehebruch. Ich habe die Details nicht auf dem Schirm, bei Shimano war es so, aber ich denke, es waren auch Fälle bei Sasaki dabei, zumal er selbst verheiratet war (obwohl das streng genommen nicht in der sila drinsteckt). Allerdings habe ich dazu auch schon lange Ausführungen gemacht. Wenn Du sila nur wörtlich nimmst und das als Vertiefen verstehst, wirst Du vlt. keiner Mücke was zuleide tun und auch nicht akzeptieren, dass es Menschen gibt, die in ihrer Beziehung den Ehebruch zulassen oder die dadurch weitergekommen sind. Denn diese Geschehnisse sind viel komplexer als die sila.

    Und dann mangelt es in der Praxis an Weisheit, die, wie ich oft aufzeigte, im Zen den sila stets übergeordnet war, und nicht neben- oder gleichrangig, wie oft behauptet. Es gibt etliche klassische Zenlehrer (inklusive der frühen Chantexte), die das ebenso verdeutlichen.


    Darum ist es falsch, das Kriterium sila über das Kriterium Weisheit zu stellen, wenn man sich fragt, ob jemand als Zenlehrer etwas zu sagen hat. Das Problem ist, dass die sila relativ verständlich sind und die Menschen sich mit der Einschätzung von Weisheit schwer tun bzw. sie subjektiven Wertungen stärker ausgesetzt ist.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Das lässt sich mit dem authentischen Zen vergleichen - da geht es nicht um Erkenntnisse, die entweder wahr oder falsch sind, unabhängig vom Subjekt, sondern um "wahres Wissen als Gegenstück zur Unwissenheit" MN 44 . Deshalb drückt sich in den Taten eines Menschen, gleich ob er Lehrer oder Schüler ist, immer seine Gesinnung aus - und die erkennt man, sofern man das erkennen will, bereits in den Worten.

    Und im Falle etwa von Shimano oder Sasaki, deren Worten (bzw. Titel) eventuell verführerischer für gewisse Suchende klingen können als diejenigen eines Zernickow, sollten deren Taten dann doch etwaige Zweifel an die entsprechende innere Gesinnung ausräumen.

  • Dass man Erwachen auch sexuell besser manifestieren kann als Sasaki sehe ich genauso.

    Dann lassen wir die Sache mal so stehen. Ich finde wir haben jetzt genug gezeigt, dass man hier durchaus unterschiedliche Positionen bei einem heiklen Thema auch vernünftig diskutieren kann.

  • Zum Thema Wörter bin ich gerade zufällig auf diese Passage gestoßen:


    Aber wo ist die Mitte? Hier setzt das Daishin Zen an. Das Ziel ist, die Geige so lange zu spannen, bis die Saite im Ton der Stille klingt. Die Mitte ist der Maßstab, der auf dem individuellen Weg zwischen Schüler und Meister abgestimmt wird.

    Was für ein Schwachsinn :)

  • Zitat

    Und im Falle etwa von Shimano oder Sasaki (...) sollten deren Taten dann doch etwaige Zweifel an die entsprechende innere Gesinnung ausräumen.

    Ich einige mich mit Christopher darauf, dass wir in gegenseitigem Respekt unsere Standpunkte erläutert haben (und bin natürlich dankbar, dass er den Rechtsstreit mit Zernickow erfolgreich und mit seitenlangen Schriften austrug, und nicht ich das tun musste, oder Matthias der Unbuddhist oder Tenzin Peljor).


    Trotzdem erlaube ich mir hier mal einen etwas tieferen Einblick in Sasakis Lehre als weiter oben, wo ich sie eher salopp zusammenfasste. Ich bin im Laufe meiner Praxis selbst zu einigen Erkenntnissen gekommen (oder hab sie mir von anderen angeeignet, wer weiß das nach all den Jahren noch?), die ich dann in Sasakis Teisho widerfand, als ich aus bestimmten Gründen mich näher mit ihm zu beschäftigen begann. In einem Teisho zu Rinzais "Wahrer Person ohne festen Ort, die stets ein- und ausgeht" erläutert er nicht leicht verständlich die Bedeutung des Punktes zwischen Ein- und Ausatmen - jener Pause, die ich auch als wesentlich erkannte. Es geht hier um das persönliche Selbst und das "wahre" Selbst. Das Teisho schließt:


    "Ihr müsst dieses Selbst, das von der Persönlichkeit befreit ist, manifestieren. Wenn ihr glaubt, das tun zu können, und alles hineinwerft, dann könnt ihr es z.B. manifestieren, indem ihr in einen Pool springt: Werdet nackt und springt!"


    Das Verhalten von Sasaki kann man m.E. nur verstehen, wenn man das, was er im Teisho beschreibt, selbst erlebt hat. Eine Verbindung zu den Dingen eingehen ohne den Umweg über die Sinnesorgane. Wie ist das möglich? Ich räume gern ein, dass Wissenschaftler dies widerlegen mögen, entscheidend ist für mich die Sicherheit, die der Adept bei dieser Erfahrung gewinnt, dass sie sich von alltäglichen Sinneserlebnissen unterscheidet.


    In Thailand, wo ich in den letzten 10 Jahren einen großen Teil meiner Zeit verbrachte, begegnet man etlichen Menschen, die vom Sex besessen sind. Sie sind von einer gewissen Unruhe getrieben, und oft auch von Zweifeln. Ich habe mir das Archiv zu Sasakis Vergehen genau angeschaut, und mir fiel folgendes auf: Er tat diese Dinge irgendwie, ohne an ihnen zu hängen (trotz der Wiederholung, aber wenn das entscheidend wäre, müsste man tatsächlich allen regelmäßig Zazen-Übenden auch eine Zwangsneurose unterstellen). Ebenso ging er mit der Kritik gelassen um und ging den Zen-Weg weiter (natürlich, dass kann man auch als Ignoranz auslegen). Die Tatsache, dass man seine Bedürfnisse offenbar nicht mit Freudenmädchen erfüllen konnte, sagt mir auch, dass er einen anderen Bezug zu den Frauen brauchte.


    In meiner Deutung ist es so, dass Menschen, die den Zustand dieser Manifestation des Selbst kennen, desöfteren ohne jegliche eigene Zweifel oder "Gewissensbisse" Dinge tun werden, die denjenigen, die ihn nicht kennen, unverständlich bleiben oder gegen den Strich gehen. Der Unterschied zu den anderen "Besessenen", die ich beschrieb, ist, dass es kein wirkliches Anhaften an dieses Verhalten gibt. Anhaften sieht so aus wie bei Leuten, die keine tiefe Einsicht hatten, wie der genannte Z., die gehen dann vor Gericht und wollen sich reinwaschen. Oder wie bei Genpo Merzel, der sich gewissermaßen nach Reuegeständnis vom Acker machte. Ich will damit nicht sagen, dass man sich genau so verhalten wird wie Sasaki, aber dass das manifestierte (Ur-)Selbst sich möglicherweise genau dort prägnant ausdrückt, wo das persönliche Selbst gewisse Macken (in den Augen anderer) hat, oder nicht gesellschaftsfähig ist. Ich möchte Sasaki von daher aus dieser Sicht beurteilen, genau wie ich auch auf den Achtfachen Pfad und Dogmen heute nur noch als geschickte Mittel schauen kann. Ich kann nicht so tun, als wüsste ich es nicht anders oder als hätte mir meine Praxis das nicht gezeigt. Aus diesem Grund zweifle ich auch an der Erkenntnistiefe von Leuten wie Malone, die die Archive von Shimano und Sasaki betrieben, oder sogar von Aitken, der im Hintergrund fleißig Material sammelte und sich selbst ja offenbar auch als Ethik-Experten sah, wie ein Buch von ihm zeigte.


    Weisheit kann nicht vom Standpunkt der sila aus beurteilt werden. Die sila sind vom Standard her unseren in Gesetzen verankerten Vorstellungen ähnlich, und neuerdings gehen Forderungen in der buddhistischen Szene ggf. noch darüber hinaus, wenn es um Sexualmoral geht. Es ist nicht viel damit gewonnen, wir haben solche sila bereits von Kindheit an verinnerlicht. Die Blickrichtung sollte genau anders herum sein. Dafür spricht das Herzsutra, das Shinjinmei, das Plattformsutra ("Verehrte Zuhörer, Meditation (ding) und Weisheit (hui) sind die Grundlagen meiner Lehre." //zitiert nach Wong Kiew Wit)

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

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  • Das Verhalten von Sasaki kann man m.E. nur verstehen, wenn man das, was er im Teisho beschreibt, selbst erlebt hat. Eine Verbindung zu den Dingen eingehen ohne den Umweg über die Sinnesorgane. Wie ist das möglich? Ich räume gern ein, dass Wissenschaftler dies widerlegen mögen, entscheidend ist für mich die Sicherheit, die der Adept bei dieser Erfahrung gewinnt, dass sie sich von alltäglichen Sinneserlebnissen unterscheidet.

    Es gibt keinen Umweg bei den Sinnesorganen. Stellvertreten für die anderen Sinne: Die gesehene Farbe des Außen, „Objekt“ des Sehens wird eine Erscheinung im Auge, Sinnesobjekt und wird über die Netzhaut zum Sinnesbewusstsein gebracht. Jedes Bewusstsein der Sinne funktioniert so. Das kann man nicht umgehen, genauso nicht das Gefühl, die Wahrnehmung, die Handlungsgestaltung und das erinnernde Bewusstsein. Das ist Skandha. KörperGeist. Selbst. Mein Selbst kann das glauben, dass es einen Umweg ohne die Sinnesorgane gibt, aber warum sollte es das tun, wenn nicht mein persönliches Ego es nicht dazu bringt, das zu glauben.

    „Ihr müsst dieses Selbst, das von der Persönlichkeit befreit ist, manifestieren. Wenn ihr glaubt, das tun zu können, und alles hineinwerft, dann könnt ihr es z.B. manifestieren, indem ihr in einen Pool springt: Werdet nackt und springt!“

    Das Selbst, das kein persönliches mehr an sich duldet, erlaubt dem Persönlichen persönliches im Kontakt mit anderen Menschen/Personen.

    Genau wie ich einfach das hier schreibe und nicht daran interessiert bin, was es bewirkt, denn ich bin ja nicht mit Dir in direkten Kontakt. Warum sollte ich nicht nackt, wie ich bin springen? Warum sollte ich springen, hat keinen Sinn, ich bin hier.

    Das alltägliche Selbst ist die Wirklichkeit und nicht das mit persönlichen Dingen behängte Ich.

    Auch wird bei Durchschauen der Lehre das Selbst nie wieder mit persönlichem verbunden, das macht, dass Ich, die Person weiterhin. Macht dem Selbst nichts aus. Ist nur eine Persona, Maske, ein Kleiderständer.


    Warum kann Sasaki nicht tun, was Sasaki macht? Sasaki ist nicht sein Selbst und sein Selbst nicht Sasaki. Wenn sein Selbst der alltägliche Geist ist, kann Saaki tun, was immer er tut.

    Infragestellen können das nur Personen, die nicht Sasaki sind und ihr Selbst nicht sein können oder es überhaupt nicht kennen.

    Ich als Person kann Sasaki als Erleuchteten Befreiten erkennen, doch das ist für mich: Selbst, lächerlich. Warum sollte ich einen bekleideten Kleiderständer als erleuchtet bezeichnen?

    Wir sehen uns an und erkennen: Selbst. Reicht mir.


    Missbraucht worden sein können also nur Menschen, die Personen sind, die erkennen wollten, was Selbst ist, eine Sehnsucht, und eben vom „Meister“ abhängig sind, der nicht Selbst erkannt hat.

    Der Missbrauchte wird doppelt missbraucht, erstens durch eine Person und von jemandem, der überhaupt nichts hat, um zum Selbst zu führen.

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  • Die Silas sind deshalb von so großer Bedeutung, weil sie der einzige sichtbare Ausdruck des authentischen Erwachens sind.

    Dem kann ich nur von Herzen zustimmen!

    Es gibt (m.E. leider) auch die Sichtweise, dass nur das "Schlüsselerlebnis" zählt, die tiefe Erkenntnis, das Durchschauen der Leere, der "All-Einheit" - und dann "erfreut" man sich daran....Auch Buddha Shakyamuni soll ja - zunächst! - auf sein "Erwachen" so reagiert haben, bevor er beschloss, seine Einsichten, den Dharma - zum Wohl aller - zu lehren.


    Deshalb drückt sich in den Taten eines Menschen, gleich ob er Lehrer oder Schüler ist, immer seine Gesinnung aus - und die erkennt man, sofern man das erkennen will, bereits in den Worten.

    Ja, an was soll man sich - als Schüler - sonst orientieren? Hätte man Buddha Shakyamuni vertraut, wenn er sich unethisch verhalten hätte? Oder unweise gesprochen?

    genau wie ich auch auf den Achtfachen Pfad und Dogmen heute nur noch als geschickte Mittel schauen kann.


    Es handelt sich um Dinge, die der Otto Normalverbraucher unabhängig von irgendeinem Verständnis des (Zen-)Weges gemeinhin zu verwirklichen trachtet.

    Warum diese "Abwertung" der Silas?

    Schön wär's, wenn der "Durchschnittsbürger" danach streben würde, die Silas zu verwirklichen - dann wäre unsere Welt wohl in vielen Bereichen eine bessere....

    Darum ist es falsch, das Kriterium sila über das Kriterium Weisheit zu stellen, wenn man sich fragt, ob jemand als Zenlehrer etwas zu sagen hat. Das Problem ist, dass die sila relativ verständlich sind und die Menschen sich mit der Einschätzung von Weisheit schwer tun bzw. sie subjektiven Wertungen stärker ausgesetzt ist

    Die Silas sind eine FRUCHT der Weisheit, vielleicht die schönste.

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Die Silas sind eine FRUCHT der Weisheit, vielleicht die schönste.

    Das fälllt mir sofort ein.

    Die Weisheit gebärt schon die Silas. ( die ist schon! drin).

    Im TB , ich meine die Tradition, es gibt so wie zwei Flügel. Weisheit und Leerheit. ( "Die Vereinigung von Methode und Weisheit"-DL). Ein-S-ich-t und das Mit-Gefühl. Die rehte ( richtige ) Einsicht ( über die Phänomene) trägt schon das Sillas in dich, die nicht aufgezwungen werden sollten, aber entstehen spontan.

    Auf die normale Sprache übersetzt, man kann nichts den anderen verletzen, schlagen, denn es gibt keine Trennung, keine Dualität im diesem Zustand. Du bist wie alles.

    Leider, in der Realität es sieht manchmal umgekehrt aus. Wie es auf diesem Thread war schon genug beleuchtet.

    Man kann das als OT zulassen ( betrachten).

    _()_

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Zitat

    Hätte man Buddha Shakyamuni vertraut, wenn er sich unethisch verhalten hätte? Oder unweise gesprochen?

    Ja. Ich hatte da mal das Beispiel "Himmelstor" genannt, weil jeder sich dadurch, und sei es nur durch Filmkomödien, etwas vorstellen kann. Da steht Petrus und zieht Gesamtbilanz. Plötzlich steht der Shakyamuni nicht besser da als ein Sasaki, mit all seinen Huren aus dem Palast, und vlt. gefällt Petrus auch nicht, dass er Frau und Sohn zurückließ. Die Biografie Buddhas ist also - in diesem Sinne - auch mit "unethischem" Verhalten gespickt, wenn man mal die Perspektive wechselt. Und da er auch Unsinn redete (das würde zu weit führen, aber ich gebe ja hin und wieder Beispiele) sprach er auch nach seinem Erwachen m.E. zuweilen "unweise". Auch eine Frage der Perspektive. Zumindest ist es so, dass man einem noch traute, der sich mal irgendwie deutlich danebenbenahm (wobei man das damals womöglich gar nicht so sah).


    Bleibt das Thema Ethik. Hat er denn NACH seinem Erwachen sich noch unethisch verhalten? Und hier kommt der berühmte Zirkelschluss zum Tragen. Denn wenn ich jemanden nur an seinen eigenen Maßstäben messe, dann vielleicht nicht. Der Buddha hielt ein, was er selbst an Regeln predigte. Allerdings gilt das m.E. auch für Sasaki, denn wie ich aufzeigte, predigte der bei genauem Hinschauen nichts anderes als das, was man ihm vorwarf, nämlich - im Gegensatz zum Buddha - die FEHLBARKEIT AUCH NACH DEM ERWACHEN. Insofern sind Lehrer wie Sasaki - den ich nur exemplarisch nenne - dann für mich auch tiefer in ihrer Menschenkenntnis, realistischer als der legendenhafte Buddha Shakyamuni. Und das ist so wichtig, weil immer wieder Schüler zu Lehrern gehen, um in ihnen ein ethisches Vorbild zu finden, anstatt den fehlbaren Menschen und in ihm die eigene Fehlbarkeit und das eigene Scheitern gespiegelt zu sehen. Sie fallen auf die typische Erzählung jeder Religion herein (der unfehlbare Gott oder sein Sohn, der moralisch saubere Buddha und seine Stellvertreter usw.).


    Wenn die silas eine "Frucht der Weisheit" sind, ist es mit der Weisheit nicht weit her. Die ersten fünf sind Allgemeingut in den meisten Gesellschaften, und in den nächsten fünf sind einige durchaus fragwürdige, die z.B. den Spaß an Tanz und Musik untersagen (was ich nicht als weise betrachte). Erweiterte sila beziehen sich zudem ausdrücklich auf die buddhistische Religion (nicht den Dharma schmähen), betreffen also Andersgläubige nur wenig und schränken deren Meinungsfreiheit ein, was rückständig ist (siehe umgekehrt die Debatten um Mohammed-Karikaturen und die Aktionen aus einer anderen Religion).


    Leonie hat auch noch nicht gesagt, wie sie diese sila "vertieft". Meines Erachtens sind das alles rhetorische Versatzstücke, die unhinterfragt immer wieder auftauchen.


    "Unabänderlich wird das vollständige Sein, also das Absolute, ein unvollständiges Selbst entstehen lassen und die zahllosen Dinge in dieser Welt. Und unabänderlich nährt es diese Dinge, bis sie eine vollständige Persönlichkeit erlangt haben. Dann jedoch muss es einen Schritt weiter gehen und sich von dieser Persönlichkeit befreien. Es befreit sich vom Denken: 'Ich muss an meiner Persönlichkeit arbeiten, ich muss sie vervollkommnen.'" (Joshu Sasaki)


    Das letztgenannte Denken ist m.E. typisch für den Weg der sila-Adepten. Wenn er nicht irgendwann überwunden wird, ist genau dies das Kennzeichen für fehlendes Erwachen. Es zeigt sich in zahlreichen aktuellen Zenlehrern, die genau das Gegenteil lehren, in meinen Augen deshalb, weil sie diesen Zustand fürchten.

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

    Einmal editiert, zuletzt von Bebop ()

  • Aber für mich ist das Schlüsselerlebnis von Bedeutung. Leider kommt dann der Allgmeinplatz von den sila, und da widerspreche ich erneut heftig. Das ist eine reine Floskel. In anderen Beiträgen, wie zum Brahmanetzsutra, habe ich ausführlicher diese sila beleuchtet. Es handelt sich um Dinge, die der Otto Normalverbraucher unabhängig von irgendeinem Verständnis des (Zen-)Weges gemeinhin zu verwirklichen trachtet. Es ist eben nicht typisch fürs Erwachen, dass einer nicht lügt, stiehlt oder tötet. Ich kenne Deinen Lehrer nicht, aber diesen Unsinn attackiere ich seit Jahrzehnten, und er ist nur allzu offensichtlich. Auch sind die Beispiele für das Versagen bekannter Zen-Lehrer dann sehr zahlreich, Dogen log über seinen Lehrer Ju-Ching, Ikkyu ging zu Huren, Linji prügelte usf. Man müsste eine lange Diskussion erst mal darüber führen, was einer denn mit sila meint und wer bitteschön sie denn beispielhaft verwirklicht. Da sind wir wieder bei der Illusion des perfekten Menschen, die da immer im Hintergrund schwelt und garantiert immer wieder zu Enttäuschungen führen wird.


    Ich möchte mal wissen, wie Du sila "vertiefst".

    Die drei Übungsfelder Sittlichkeit, Geistesschulung und Weisheit enthalten den achtfachen Pfad, d.h. es gibt auch Ethik, Geistestraining und Weisheit, die nicht dem achtfachen Pfad entsprechen. Vielleicht ist es das, was du bei "Otto Normalverbraucher" bemerkt hast.

    Diese drei Übungsfelder sind nicht getrennt und auch nicht trennbar. Sie bilden eine Einheit und wenn, wie bei einem Rad, die eine Speiche kürzer ist, als die anderen sieben, dann gibt es Unwucht und das Rad eiert.


    Das Übungsfeld Sittlichkeit enthält ja nicht nur deine üblichen Trigger-Themen, die offensichtlich auch bei Sasaki zu bemerken sind. Im übrigen ist mir dessen Verhalten völlig schnuppe. Ich bin erst durch Shimano und die Webseite darüber auf ihn aufmerksam geworden.


    Was meine Lehrer anbetrifft, so hatte ich einfach eine persönliche Bedingung, die es verhinderte, dass ich da auf die Persönlichkeitsschiene abgefahren bin. Mir ist es nicht möglich andere zu bewundern - da bewundert man sich letztlich ja selbst, wie vor einem Spiegel. Ich habe für Leute wie Merzel u.a. noch nicht mal mehr Verachtung - aber ich habe eine Ahnung davon, wie man in so ein "rabbit whole" fallen kann. Deshalb finde ich immer den Ausgang aus einer Situation.


    In meinem Fall gibt es vor allem die Zen-Übung als Lehrer und im Rinzai lässt es sich dann eben nicht umgehen, wenn man Koanschulung betreiben soll, dass da auch einer einem gegenüber sitzt und man "Von Angesicht zu Angesicht" regelmäßig vortreten soll. Ich bin da so zufällig reingeraten und habe nicht gewählt. Weder die Tradition, noch der Lehrer waren mir wichtig. Mir ging es immer nur um Zazen und darum, dass es möglichst in meiner Wohnort-Nähe war. Ich bin schon immer ökonomisch-praktisch ausgerichtet - und deshalb habe ich auch Zen für mich passend gefunden, weil ich da nichts dafür brauche, außer dem, was ich eben schon bin und es überall, unauffällig ausüben kann.

    Nun - später habe ich In Foren dann jede Menge Lehrer entdeckt und sehr viel über die Lehre erfahren.


    Wie oben gesagt sind es drei Übungsfelder und wie das bei Übungen so ist, sie werden ausgeübt, praktisch angewendet und dann kann einer selbst erfahren, wie das wirkt - ob es Erregung und Aufregung erzeugt oder zu Frieden und Gleichmut führt.


    Wenn ich da nochmal auf MN 44 zurück komme, dort sind die drei Übungsfelder so aufgezählt:

    Zitat

    Richtige Rede, Richtiges Handeln, Richtige Lebensweise - diese Zustände sind im Übungsfeld der Sittlichkeit enthalten. Richtige Anstrengung, Richtige Achtsamkeit und Richtige Konzentration - diese Zustände sind im Übungsfeld der Geistesschulung enthalten. Richtige Ansicht, Richtige Absicht - diese Zustände sind im Übungsfeld der Weisheit enthalten.


    Sittlichkeit umfasst also Rede - der angemessene Gebrauch von Worten - Handeln und Lebensweise. Das kann jeder sehen, sofern es öffentlich ist. Die Ergebnisse der Geistesschulung sind nicht unmittelbar sichtbar und bei dem Feld Weisheit lässt sich lediglich über Rechte Ansicht erkennen, ob jemand die Lehre versteht.


    Mit Vertiefung dieser Übungen meine ich, die Entfaltung einer intuitiven Einsicht in das, was der Situation angemessen ist UND dem Ergebnis Frieden und Gleichmut entspricht. Das gelingt ja nicht einfach mal so, sondern braucht je nach Vorbedingungen seine Zeit.

    :zen: