Kontemplation über das Nicht Ich

  • Eigentlich lässt es sich intellektuell relativ einfach erklären, dass es kein "aus sich selbst heraus existierendes Ich" gibt. Ein festes Ich ist nirgends zu finden, weder in einem Körperteil noch in einem anderen der 4 Skhandas. Was genau ist es aber, das jeden morgen seinen Körper müde aus dem Bett schleppt, frühstückt, zur Arbeit geht u.s.w. ? Es ist zwar nichts festes, aber eine "Summe aus sich wandelnden Skhandas" existiert definitiv. Sonst könnte diese "Summe" sich auch nicht im Forum beteiligen oder Mitgefühl haben mit anderen Wesen, die leiden u.s.w.

    Warum könnte man diese Summe nicht als Ich beschreiben? Zwar kein festes Ich, aber immerhin besser wie ein Nicht -Ich. Oder ist es lediglich eine Frage der Benennung? Ist dieses abhängige Ich eigentlich nichts anderes wie das Nicht - Ich, nur hat sich die Bezeichnung "Nicht-Ich" durchgesetzt?


    Der Thread steht bewusst unter "buddhistischer Praxis", denn letztendlich muss jeder selbst meditativ herausfinden, was es mit dem Nicht Ich auf sich hat.

  • Nicht-Ich ist nach meinem Verständnis lediglich Nicht-Identifikation. Es gibt kein unabhängiges Selbst, kein Selbst, das über den Tod hinaus existiert oder vor meiner Geburt bestimmt hat, wo und von wem ich geboren werde.

    Dies bin ich nicht, das ist nicht mein ...

    Das Ich, das Du oben beschreibst, ist eine Funktionsweise, die auch bei Tieren und sogar bei Pflanzen lebensnotwendig ist.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ich verbessere mal deinen Sinnspruch. Evtl wirds damit klarer


    Zitat

    "Wenn der Bodhisattva erkennt, dass die Illusionierte Sicht nicht ohne die 5 Skhandas ist,

    die Illusionen aber nicht durch die 5 Skhandas hervorgebracht werden,

    .....dann ist dies eine Übung der Weisheit, die höchste Vollkommenheit."


    Es ist mit Nicht-ich nicht eine Sache die ist gemeint. Es ist damit gemeint, dass alle Erscheinungen (alle!) unpersönlich und leer von dem sind, was ein sich an die Erscheinungen klammerndes Begehren rechtfertigen könnte.


    Alles woran angehaftet wird ist vergänglich. Weswegen das sich daran klammern leidbringend ist. Denn das Anhaften bedingt Gefühl und Begehren nach diesem Gefühl.





    :earth:

  • Anhaftung findet im Alltag schon statt. Und solange bis NichtWissen komplett überwunden wurde. Aber man kann achtsam mit dem Gefühl und dem Begehren (und Ablehnen) was durch Kontakt aufkommt, umgehen.


    Man könnte sagen, dass es gewissermassen im Alltag darum geht, die Dinge befreiter wahrzunehmen. Was eine schöne Sache sein kann. In solchen Momenten oder Zuständen erkennt man oft Neues. Auch an anderen Personen.





    :earth:

  • Ich habe das nur vorsichtshalber geschrieben. Nicht dass man aus Versehen denkt, es würde darum gehen, etwas zu ignorieren. Im Gegenteil sind auch kurze, bewusste Ertastungen eines Gefühl, was einem bestimmten Eindruck zugrundeliegt, oder Besinnungen auf ein Gefühl was man mit sich herumträgt, aus meiner Erfahrung eine gute Sache, um momentan so bedingtes Anhaften abzumildern, um klarer (begehrungsloser im Sinne von: unheilsam begehrend) zu werden.





    :earth:

  • Es ist zwar nichts festes, aber eine "Summe aus sich wandelnden Skhandas" existiert definitiv.

    Genau.

    Warum könnte man diese Summe nicht als Ich beschreiben?

    Kann man ja; es hat nur nicht die Eigenschaften, die man dem "Ich" als "Laie" zuschreibt (wie Du ja schön beschrieben hast), und um die Eigenschaften geht es, wie Alephant oben geschrieben hat. "Ich" ist nur eine praktische Bezeichnung für das, was sich aus dem Bett schleppt. Es ist nicht fest, nicht beständig; seine Eigenschaften sind ständig im Wandel. Trotzdem spricht nichts dagegen, das für den Alltagsgebrauch "Ich" zu nennen, so lange man damit keine falschen Eigenschaften implizieren will.


    "Nicht-Ich" gibt es als "Ding" nicht, wie Alephant bereits geschrieben hat. "Nicht-Ich" ist ein Konzept (das hier beschriebene).


    Was ich noch wichtig finde, was damit verbunden ist:

    * Es gibt keinen zusätzlichen Macher und Fühler zusätzlich zu den Skandhas (beschreibst Du auch)

    * Es gibt so etwas wie ein Gedächtnis (im Geist und des Körpers), aber auch das ist nicht absolut.

    * "Man" kann das, was wir "Ich" nennen, beeinflussen, aber nicht kontrollieren.


    Der Thread steht bewusst unter "buddhistischer Praxis", denn letztendlich muss jeder selbst meditativ herausfinden, was es mit dem Nicht Ich auf sich hat.


    :!:


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Warum könnte man diese Summe nicht als Ich beschreiben?

    Wenn du es als Ich beschreiben möchtest, dann mach es doch. Die Frage, die sich mir hier stellt, ist, "will ich es beschreiben?". Und wenn ja, warum?


    Um mal mich als Beispiel zu nehmen.

    Wenn ich auf Klo muss, dann sage ich, "Ich muss auf Klo".

    Und ich kann mir sicher sein, in jedem buddhistischen Forum finde ich irgendeine pseudophilosophische Flachpfeife, die mir dann erklären will, das es mich nicht gibt.

    Und nun?:eek:

    Da ich ja ein sehr ein-und mitfühlender Mensch bin, lächle ich dann besonders meditativ. Das kann mann hier leider nicht so sehen.:grinsen::grinsen::clown:



    Oder ist es lediglich eine Frage der Benennung? Ist dieses abhängige Ich eigentlich nichts anderes wie das Nicht - Ich, nur hat sich die Bezeichnung "Nicht-Ich" durchgesetzt?

    Das ist eine rein philosophische Frage, ohne jede praktische Bedeutung. Hier kann man wieder darüber philosophieren, ob da nicht, durch die Hintertür, aus Anatta wieder Atta gemacht wird.

    Für einen Phiolsophen mit Sicherheit sehr wichtig zu ergründen. Also, freie Bahn dem Tüchtigen.


    Ich muss allerdings erst mal....siehe oben.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Oder ist es lediglich eine Frage der Benennung? Ist dieses abhängige Ich eigentlich nichts anderes wie das Nicht - Ich, nur hat sich die Bezeichnung "Nicht-Ich" durchgesetzt?

    Das ist eine rein philosophische Frage, ohne jede praktische Bedeutung. Hier kann man wieder darüber philosophieren, ob da nicht, durch die Hintertür, aus Anatta wieder Atta gemacht wird.

    Für einen Phiolsophen mit Sicherheit sehr wichtig zu ergründen. Also, freie Bahn dem Tüchtigen.


    Ich muss allerdings erst mal....siehe oben.

    Man könnte sich auch darauf einigen "Nicht-ich" als Buddhanatur zu bezeichnen :P.

    Einmal editiert, zuletzt von Sunu ()

  • Was genau ist es aber, das jeden morgen seinen Körper müde aus dem Bett schleppt,

    das muss man jeden morgen und eigentlich sogar in jedem Moment frisch raus finden, weil dieses spannende Ich jedes Mal anders ist. Aus einem unendlichen Schatz an Potential-Legosteinen hat sich eine Form heraus kristallisiert, und ständig werden Steine weg genommen oder hinzugefügt. Da kann man eigentlich bloß staunen und sich fragen, ob es schlimm ist, dass man nur sehr begrenzten Einfluss darauf hat welche Steine sich gerade wo befinden (wäre es dann noch spannend?). Manche Steine erkennt man wieder, andere sind irgendwie neu oder an einer anderen Stelle, aber in Summe ist es immer etwas nie-dagewesenes.


    Jetzt könnte man natürlich fragen, was das ist, das da staunen könnte, aber da gehen einem dann die Worte aus. Da staunt kein Ich, sondern da ist nur Staunen und keine Basis für Fragen.

  • Eine einfache Formel für praktisches Üben: Was ich wahrnehme kann ich nicht sein.

    Ich nehme einen Tisch wahr, aber ich bin nicht der Tisch. Ich nehme den Körper wahr, Gefühle, Gedanken, Wünsche usw., folglich bin ich das alles nicht. Das war's, beobachten, keine weitere Verstrickung in Gedankenkonstruktionen.
    Die Frage - wer bin ich, der dies alles wahrnimmt? - wird auch wahrgenommen. Es ist nicht erkennbar wer oder was ich bin, nur was ich nicht bin ist erkennbar. Es gibt keinen Grund auf dem ich stehen kann, kein Ich.


    Entweder du siehst es oder du bist es - aber Identifikationen sind tief eingeprägt aufgrund von Unwissenheit und anhaftender Begehrlichkeit. Ich bin das was wahrnimmt, das Bewusstsein in dem alles erscheint, ist die letzte vermeintliche Identität. Das ursprüngliche Bewusstsein sei ewig, ohne Anfang und Ende, allumfassend, der Urgrund, göttlich, ohne Ursache und Bedingung, sat-cit-ananda, das wahre Selbst - nur jetzt gerade reduziert, gebannt in eine einzelne Körper/Geist Vorstellung. Wieder etwas zum Anhalten, ein Grund auf dem ich mich finden kann, als ein beglückender Ausblick in ein freies Sein, aber eben auch nur eine Vorstellung.

  • Ich nehme einen Tisch wahr, aber ich bin nicht der Tisch. Ich nehme den Körper wahr, Gefühle, Gedanken, Wünsche usw., folglich bin ich das alles nicht. Das war's, beobachten, keine weitere Verstrickung in Gedankenkonstruktionen.

    Klingt ein bisschen wie die Neti Neti Übung aus dem Yoga / Advaita. Problem bei der Sache ist, dass da jemand ist, der behauptet, etwas nicht zu sein. Deshalb kanns auch nur eine nützliche Übung sein, die sich bestenfalls irgendwann überflüssig macht, weil der Haken an der Sache durchschaut wird und dann muss man sich doch wieder mit dem ganzen Zeug auseinander setzen. Es ist natürlich schön, sich von allem distanzieren zu können, aber das ist leider noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Diese Distanz kann nützlich sein um mit mehr Abstand Erkenntnisse zu gewinnen, aber irgendwann wird sie kontra-produktiv und man stumpft zu sehr ab. Das nimmt einem die Lebendigkeit.

  • Problem bei der Sache ist, dass da jemand ist, der behauptet, etwas nicht zu sein.

    Das Wahrgenommene bin ich nun mal nicht, auch nicht das Wahrnehmende. Da ist nur Bewusstsein das von seinem Inhalt abhängt, entweder mit oder ohne Identifikation.

  • Solange Nicht-Identifikation nicht in Verleugnung umschlägt ist es ja auch in Ordnung. Kann aber passieren.

    Wenn man erkennt, daß der Eimer leer ist, dann braucht man

    sich über die Verleugnung seines Inhalts keine Sorgen machen.

  • Das ist eine rein philosophische Frage, ohne jede praktische Bedeutung.


    Schade, dass du nicht zur Zeit des Buddha in Indien gelebt hast. Dann hättest du ihn darauf hinweisen können, dass seine häufigen Erklärungen zum Nich-Ich (die uns im Palikanon überliefert sind) für unser Praktizieren nichts taugen.

    Hat der Buddha doch häufig (z.B. mit dem Gleichnis des Kriegers, der von einem Pfeil getroffen wurde) gesagt, dass seine Lehre für die Praxis ist, um Leiden zu beenden. Daran hättest du ihn dann erinnern können.


    Es gibt da aber auch eindeutig andere Ansichten. Tsongkhapa z.B. erklärt in seinem großen LamRim dass auch die philosophischen Texte Anweisungen für die Praxis sind.

    Und Shantideva hat in Bodhicaryavatara am Anfang des philosophischen Kapitels gesagt: "All dies (Freigebigkeit, Ethik, Geduld, Tatkraft und Meditation) hat der Buddha um der Wiesheit willen gelehrt.


    Letztlich kann jeder selbst testen , ob häufiges Nachdenken und Meditieren über Ich und Nicht-Ich eine Auswirkung auf die eigene Praxis haben.

    :rainbow:

  • Schade, dass du nicht zur Zeit des Buddha in Indien gelebt hast. Dann hättest du ihn darauf hinweisen können, dass seine häufigen Erklärungen zum Nich-Ich (die uns im Palikanon überliefert sind) für unser Praktizieren nichts taugen.

    Ich meditiere manchmal über Sterben und Tod. Keine Ahnung wie man das richtig macht, aber ich weiß wie meine Eltern gestorben sind. Dann versuche ich mich in deren Situation zu versetzen und mich zu fragen, ob ich es schaffen könnte in dieser Situation loszulassen und friedlich sterben könnte.


    Wenn mir das mal ganz gut gelingt, habe ich für einen kurzen Moment den Eindruck, dass ich nun "beschwerdefrei" bin, d.h. das Gieren nach Lebensinhalt hat aufgehört und der Aufbau des großartigen eigenen Selbst hat für einen kurzen Moment aufgehört.

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn

    2 Mal editiert, zuletzt von Anandasa ()

  • Solange Nicht-Identifikation nicht in Verleugnung umschlägt ist es ja auch in Ordnung. Kann aber passieren.

    Wenn man erkennt, daß der Eimer leer ist, dann braucht man

    sich über die Verleugnung seines Inhalts keine Sorgen machen.

    Wer den vollen Eimer nicht lupfen kann kann ihn auch nicht ausleeren

  • Ich und Person sind nicht identisch … so einfach … und so schwer …

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Nicht-Ich ist nach meinem Verständnis lediglich Nicht-Identifikation. Es gibt kein unabhängiges Selbst, kein Selbst, das über den Tod hinaus existiert oder vor meiner Geburt bestimmt hat, wo und von wem ich geboren werde.

    Dies bin ich nicht, das ist nicht mein ...

    Das Ich, das Du oben beschreibst, ist eine Funktionsweise, die auch bei Tieren und sogar bei Pflanzen lebensnotwendig ist.

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    Hi, es gibt dieses unabhängige Selbst. In der buddh. Genesis wird es Licht-oder Leuchtwesen genannt.

  • Hi, es gibt dieses unabhängige Selbst. In der buddh. Genesis wird es Licht-oder Leuchtwesen genannt.

    Eine vergängliche Angelegenheit ein solches Selbst.

    Du solltest mal die erste Lehrrede in der längeren Sammlung

    in der Übersetzung von KEN lesen: "Das Priesternetz"

  • Eigentlich lässt es sich intellektuell relativ einfach erklären, dass es kein "aus sich selbst heraus existierendes Ich" gibt.


    Magst du dies einmal tun, @Sherab ? Gerne mache ich bei Bedarf auch einen neuen Faden dazu auf. _()_