Umgang mit Sexualität

  • Hallo zusammen, ich habe ehrlich gesagt große Schwierigkeiten mit diesem Thema.


    Mit meinen Mitte 20 ist es vielleicht in gewisser Hinsicht normal, die eigene Partnerin oder andere Frauen im gleichen Alter attraktiv zu finden. Doch verwehre ich mir das häufig, weil ich Angst habe, durch das Anhaften schlechtes Karma zu erzeugen, meine buddhistische Praxis zu ruinieren und als Tier oder Preta (Hungergeist) wiedergeboren zu werden. Ich habe alle Arten von Sexualität (auch die Selbstbefriedigung) aufgegeben und auf Abstand gehalten, was mir bisher jedoch immer nach einiger Zeit um die Ohren flog, weil es sich dann irgendwie seine Bahn brach. Wenn ich dann nach Wochen "rückfällig" wurde (Träume, Gedanken, Begehren), habe ich mich immer zutiefst geschämt und gehasst. Selbst vor meinen Hausaltar wage ich dann kaum noch zu treten wegen diesen "Unwürdigkeitsgefühlen".


    Ich bin kein Mönch, möchte es aber eventuell in einigen Jahren werden und will keine Familie, Kinder, Haus, etc. Ich möchte mich vollkommen der Praxis widmen und für die Befreiung aller fühlenden Wesen arbeiten, bis ich sterbe. Morgens und abends sind das meine ersten/letzten Gedanken.


    Wie kann ich Sexualität auflösen bzw. so drosseln, dass ich nicht mehr davon bewegt werde? Ich habe das Gefühl, ein miserabler Praktizierender zu sein, solange ich das nicht unter Kontrolle habe. :nosee:

  • Wieso denn solch übertriebene Selbstkasteiung? Die hilft dir ganz sicher nicht weiter.


    Mein Rat wäre: Es akzeptieren und gelassen nehmen. Wenn du mal einen "Rückfall" kriegst, schnell abhaken und weiterleben.


    Wenn alle Menschen die ihren Sexualtrieb nicht vollständig überwinden als Hungergeister wiedergeboren werden, dann gibt es in der Hungergeister-Welt definitiv eine Bevölkerungsexplosion epischen Ausmaßes. ;)

  • Der Dalai Lama wurde mal gefragt, was er über Selbstbefriedigung denke. Er antwortete mehr als 5 Mal am Tag wäre eher nicht zu empfehlen.


    Ich kann nur sagen, dass es nicht gut ist, die Sexualität in solchem Maße, wie Du es beschreibst, zu unterdrücken. Sex ist eine der schönsten Beschäftigungen der Welt, und nicht ohne Grund zählt nur das sexuelle Fehlverhalten (z.B. Machtmissbrauch durch sexualisierte Gewalt) zu den 10 unheilsamen Handlungen, nicht aber der Sex selbst. Sex gehört wie Atmung, Essen und Trinken zu den grundlegenden Funktionen des Menschseins. Endecke, erkunde, akzeptiere, lebe und liebe Deine Sexualität, statt sie zu unterdrücken, denn dadurch lernst Du auch sehr viel mehr über Dich und über Dukkha. Erkennen der Funktionsweise des Geistes ist stets besser als die Unterdrückung der natürlichen Gegebenheiten Deines karmisch bedingten Körpers. Das führt nur zu noch mehr Leiden, wie auch der Buddha erfahren musste:


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.


    Vor seiner Erleuchtung kasteite er sich als Asket über viele Jahre selbst, indem er gegen seinen Körper und dessen Bedürfnisse Krieg führte, bis er schließlich fast bis zum Skelett abgemagert war. Das war der falsche Weg. Das Bild oben zeigt seinen Zustand, als er die strenge Askese aufgab, weil sie ihn in die Irre führte. Einer Legende nach sollen ihm Tänzerinnen erschienen sein, die folgendes Lied sangen:


    Einfach geht der Tanz, wenn die Sitar richtig gestimmt ist,

    Stimme uns die Sitar, weder zu tief noch zu hoch,

    Und wir werden die Herzen der Menschen weg tanzen.

    Die überspannte Saite reißt, und die Musik verstummt,

    Die schwach gespannte Saite ist zu schwach und die Musik verstummt,

    Stimme uns die Sitar, weder zu tief noch zu hoch.


    Diese Zeilen machen ziemlich klar, wie wir mit unserem Menschsein umgehen sollten.



    Hier ist ein schöner und wertvoller Text zu Sexualität und Moral im Buddhismus


    Buddhistische und westliche Sichtweisen auf Sexualität
    Mit dem Partner einer anderen Person Sex zu haben bringt unweigerlich Probleme mit sich und ist etwas, das es zu vermeiden gilt.
    studybuddhism.com

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • In wohl den meisten Religionen wird das sinnliche Begehren als Hindernis auf dem Weg zum Ziel betrachtet. Allerdings besteht aus meiner Perspektive das Problem beim Buddhismus darin, dass der achtfache Pfad letztendlich auf dem Selbst-Willen gründet und also die Entsagung der Sinne auf der Kraft des Selbst-Willens. Aus psychotherapeutische Sicht ist das problematisch, weil aufgrund der Natur des Menschen häufiges Versagen wahrscheinlich ist, wenn das Gelingen ausschließlich vom Selbst-Willen abhängt (denn dieser Selbst-Wille will ja nicht nur entsagen, sondern erfindet auch die Gründe, warum ein Nachgeben hie und da ggf. tolerabel bzw gerechtfertigt erscheint) und als Folge des Versagens sehr oft Selbst-Vorwürfe resultieren. Wird dagegen das Begehren "umgelenkt" auf Objekte, die Teil oder Ziel des Weges sind und die auch eine erfahrbare Belohnung bieten (denn das sinnliche Begehren basiert ja auch auf der erfahrbaren Belohnung der temporären Befriedigung der Sinne), ist die Rolle des Selbst-Willens für die Entsagung uU unbedeutend und max. sekundär, weil das spirituelle Begehren und die erfüllende Belohnung und die damit verbundene Vorfreude oder Erwartung/Hoffnung die vormals begehrenswert erscheinenden weltlichen Sinnesobjekte "verblassen" lassen. Du solltest dir also begehrenswerte spirituelle Objekt suchen und dich darin "vertiefen", wobei das Wort "vertiefen" bereits auf ein potentiell begehrenswertes Objekt des buddhistischen Pfades ('rechte Konzentration') hindeutet, welches bei Erlangen nachhaltig belohnen kann. Aber ich hoffe doch, dass sich noch weitere begehrenswerte spirituelle Objekte im Buddhismus finden lassen.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Wie kann ich Sexualität auflösen bzw. so drosseln, dass ich nicht mehr davon bewegt werde? Ich habe das Gefühl, ein miserabler Praktizierender zu sein, solange ich das nicht unter Kontrolle habe. :nosee:

    Das Problem hatte ich auch bis ich dahintergekommen bin dass es vor allem gilt Geduld zu entwickeln während man so voranschreitet wie man eben kann, wie lange das auch immer dauern mag. Auch Nachsicht und Verständnis für sich selber finde ich besser als Hass gegen sich selber. Und die Einsicht dass es wieder nur das Ego ist das sich für einen miserablen Praktizierenden hält. Man muss sich nicht überschätzen und keine Illusionen machen ein spiritueller Superman zu sein und die Latte zu hoch legen: Ich will in ein paar Monaten befreit sein. Besser man stellt sich der Realität dass es ein langer Prozess ist und achtet mehr auf die Erfolge als auf die Misserfolge während man die Richtung und das Ziel nie aus den Augen zu verliert. Sonst kann es sogar geschehen dass man resigniert die Praxis aufgibt weil man den Eindruck hat dass man es sowieso nie schaffen wird. Aber langsam, Schritt für Schritt schafft man es.


    Ich bin kein Mönch, möchte es aber eventuell in einigen Jahren werden und will keine Familie, Kinder, Haus, etc. Ich möchte mich vollkommen der Praxis widmen und für die Befreiung aller fühlenden Wesen arbeiten, bis ich sterbe. Morgens und abends sind das meine ersten/letzten Gedanken.

    In einer Mönchsgemeinschaft ist Enthaltsamkeit leichter zu praktizieren. Man kann ja erst mal Klöster besuchen und eine Weile als Gast dort verbringen dann stellt sich mit der Zeit heraus ob das der passende Lebensweg für einen ist.


    Jedenfalls gibt es verschiedene Menschentypen und dementsprechend ist der Fortschritt:


    Zu welcher Kategorie ich auch gehöre, was soll's, so ist das eben. Mit Geduld und Beharrlichkeit lässt sich die Triebversiegungl irgendwann erreichen. Die meisten Menschen haben diese Perspektive nicht und interessieren sich gar nicht für die Lehre des Buddha.

  • LobsangDargye wovon möchtest du dich (und auch andere) befreien? Von der Sexualität, die außerhalb von religiösen Gelübden schadfrei lebbar ist, oder von den „Unwürdigkeitsgefühlen“, von Scham und Hass?

  • Wie ich es verstehe, ist in der Praxis nach Buddha die Befreiung von Anhaftungen zugleich ein Erwachen. Diese Gleichsetzung davon, sich von etwas in der Erleuchtung zu befreien, ist hier der entscheidende Schlüssel. Wenn die Befreiung von Anhaftung kein gleichzeitiges Erwachen ist, dann handelt es sich nach meinem Verständnis dabei auch nicht wirklich um buddhistische Praxis im strengeren Sinne.


    Es sieht für mich ein bisschen so aus, als ob deine Versuche, dich von Anhaftungen an sexuelle Freuden zu befreien, zu vielfältigen anderen Formen der Anhaftungen führten und zwar so schwerwiegenden, dass du dich am Ende "zutiefst schämst und hasst", dich "unwürdig" fühlst und "kaum noch vor den Hausaltar traust".


    Wichtig ist, dass im Buddhismus sexuelle Freuden nicht als etwas Schlechtes oder Sündhaftes verstanden werden. Ebenso wie z.B. die Freude, sich Tagträumen oder anderen Gedankenergüssen hinzugeben, sind auch sexuelle Freuden ganz natürliche menschliche Bedürfnisse; sie sind als solche keineswegs verdammenswürdig. Allerdings stehen sie dem augenblicklichen Erwachen im Weg, denn solange ich mich diesen Genüssen hingebe, bin ich gefangen in Dualität, Vorlieben und Abneigungen, Enstehen und Vergehen, also letztlich vielfältigen Formen des Leidens. Mindestens ebenso gefangen in all dies bin ich aber auch, während ich mich schäme, selbst hasse und unwürdig fühle. Die Ablehnung der Sexualität ist aus buddhistischer Sicht eine mindestens ebenso verhängnisvolle Anhaftung wie die Anhaftung an lustvolle sexuelle Hingabe. Denn beide stehen dem Erwachen im Wege.


    Welchen Raum deine dir angeborene Sexualität in deinem Leben als praktizierender Buddhist letztendlich einnimmt, ist letztlich eine Frage deines persönlichen Weges. Ich würde dir da gar nicht reinreden wollen. Du wirkst auf mich, wie ein Mensch mit großer Entschlossenheit und bringst damit eine für einen Schüler des Buddha ganz wichtige Eigenschaft mit. Wichtig ist aber auch, diese Entschlossenheit in die richtige Richtung zu lenken.


    Als Buddhist möchte ich dir daher raten, einen Weg zu suchen, der sowohl übermäßige Anhaftung an den sexuellen Genuss als auch Anhaftung durch Ablehnung vermeidet. Letztlich geht es nicht darum, wie lange es dir gelingt, auf der körperlichen Ebene sexuell enthaltsam zu bleiben, sondern darum, in deiner geistigen Haltung möglichst frei zu bleiben von dualitären Verstrickungen.


    _()_

    Tai

  • LobsangDargye wovon möchtest du dich (und auch andere) befreien? Von der Sexualität, die außerhalb von religiösen Gelübden schadfrei lebbar ist, oder von den „Unwürdigkeitsgefühlen“, von Scham und Hass?

    Sehr gute Frage, ich danke dir für den Gedankenanstoß. Wenn ich so in mich gehe, dann sind es eher die Unwürdigkeitsgefühle. Sie entstehen dann in besonderem Maße, wenn ich diesen mir gesetzten Ansprüchen nicht gerecht werde

  • Wie kann ich Sexualität auflösen bzw. so drosseln, dass ich nicht mehr davon bewegt werde? Ich habe das Gefühl, ein miserabler Praktizierender zu sein, solange ich das nicht unter Kontrolle habe. :nosee:

    Es ist recht einfach.

    Man nimmt eine scharfe Klinge und trennt es ab.

    Nur dann gibt es kein zurück mehr.


    Was davon möchtest du?

    Was würdest du anderen raten?

  • Ich kann nur sagen, dass es nicht gut ist, die Sexualität in solchem Maße, wie Du es beschreibst, zu unterdrücken.


    Dem schließe ich mich an!

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Sexualität unterdrücken zu wollen, ist ein sicheres Zeichen für ein sehr übersteigertes Ego.

    Verdammung jeder Natürlichkeit, Vernichtungsglauben.

  • Hallo zusammen, ich habe ehrlich gesagt große Schwierigkeiten mit diesem Thema.


    Mit meinen Mitte 20 ist es vielleicht in gewisser Hinsicht normal, die eigene Partnerin oder andere Frauen im gleichen Alter attraktiv zu finden. Doch verwehre ich mir das häufig, weil ich Angst habe, durch das Anhaften schlechtes Karma zu erzeugen, meine buddhistische Praxis zu ruinieren und als Tier oder Preta (Hungergeist) wiedergeboren zu werden. Ich habe alle Arten von Sexualität (auch die Selbstbefriedigung) aufgegeben und auf Abstand gehalten, was mir bisher jedoch immer nach einiger Zeit um die Ohren flog, weil es sich dann irgendwie seine Bahn brach. Wenn ich dann nach Wochen "rückfällig" wurde (Träume, Gedanken, Begehren), habe ich mich immer zutiefst geschämt und gehasst. Selbst vor meinen Hausaltar wage ich dann kaum noch zu treten wegen diesen "Unwürdigkeitsgefühlen".


    Ich bin kein Mönch, möchte es aber eventuell in einigen Jahren werden und will keine Familie, Kinder, Haus, etc. Ich möchte mich vollkommen der Praxis widmen und für die Befreiung aller fühlenden Wesen arbeiten, bis ich sterbe. Morgens und abends sind das meine ersten/letzten Gedanken.


    Wie kann ich Sexualität auflösen bzw. so drosseln, dass ich nicht mehr davon bewegt werde? Ich habe das Gefühl, ein miserabler Praktizierender zu sein, solange ich das nicht unter Kontrolle habe. :nosee:

    Hi, LobsangDargye .

    Darf ich dich fragen, warum du im deinem Alter so macht? So wäre wie die innere "Selbst-Kastration", sorry, tausenmal...

    Warum um Gottes willen, man sollte das unterdrücken, was wir als die lebendige Wesen ausgestattet ( von der Natur, der Evolution, Vom Gott, usw...) sind?

    Das wäre doch der pure Masochismus, aber kein Buddhismus.

    Warum du solltest den absolut normalen Trieb "drosseln"? :?:

    Wozu? Wenn man sich dagegen ankämpft, es würde sowieso im deinem Geist ( deiner Psyche) manifestieren.

    Man kann es sehr gut geniessen, wie die schöne Blume oder den Sonnenuntergang, nur weil es alles ver-welk-t und verganglich ist.

    Nichts dran klammern, nichts dran anhaften sind genau deswegen möglich, weil man niemals den gegenwärtigen Augenblick einfrieren kann.

    Die Sexualität kann ( könnte) auch sehr schön sein, und ich persönlich, nichts! darin abwegieges finde. Wenn Sex als der Ausdrück der echten Liebe , als die Verbundbeheit sich ausdrückt.

    Wenn man es versucht abzuwürgen, dann man bekommt auf der personalen Ebene sehr unerträgliche Schatten-Symptomatik, ( Bis zur Psychose, tja, das sage ich dir als der ehemailge Medizin-Student und der Praktiker von Kundalini-Yoga, also du kannst glauben, dass ich es nichts nur aus den Bücher weiss).

    aber auf der gesellschaftlicher Ebene die krasse Beispiele von dem Sexualllen Missbrauch, wie es im TB hier man finden kann.

    Warum , mein Gott, willst du keine Familie? Kinder? Das ist normal, aber nichts normal als Asket zu leben, gegen sich sebst und deine eigene gefühle kämpfen??? Das ist absolut kontraproduktiv und würde sich rächen, also nach hinten losgehen.

    Lies, bitte, "Siddhartha" von Hermann Hesse. Dann denke darüber nach.

    Alles Gute . Mache es nichts, denn du würdest dir selbst nur massiv in allen Bedeutingen schaden, mehr nichts.

    Der Mittlere Weg, keine Extreme.

    Viel Leibe und Sex ( wegen der Liebe), so wünsche ich dir. :heart:

    LG. :rose:

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Sex ist eine der schönsten Beschäftigungen der Welt, und nicht ohne Grund zählt nur das sexuelle Fehlverhalten (z.B. Machtmissbrauch durch sexualisierte Gewalt) zu den 10 unheilsamen Handlungen, nicht aber der Sex selbst. Sex gehört wie Atmung, Essen und Trinken zu den grundlegenden Funktionen des Menschseins. Endecke, erkunde, akzeptiere, lebe und liebe Deine Sexualität, statt sie zu unterdrücken, denn dadurch lernst Du auch sehr viel mehr über Dich und über Dukkha.


    [...]


    Vor seiner Erleuchtung kasteite er sich als Asket über viele Jahre selbst, indem er gegen seinen Körper und dessen Bedürfnisse Krieg führte, bis er schließlich fast bis zum Skelett abgemagert war. Das war der falsche Weg.

    Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Buddha nach seiner Abkehr von der Selbstkasteiung zwar wieder mit Atmen, Essen und Trinken angefangen hat, aber eben nicht mit sexuellen Aktivitäten. Von daher behaupte ich mal, er hätte den ersten Teil dieses Zitates vermutlich nicht unterschrieben.


    Selbstkasteiung und Schuldgefühle sind Unsinn, aber unreflektierte Loblieber auf die Sexualität sind jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss.


    Just my two cents. :)

  • Sexualität unterdrücken zu wollen, ist ein sicheres Zeichen für ein sehr übersteigertes Ego.

    Verdammung jeder Natürlichkeit, Vernichtungsglauben.

    Ich wundere mich nicht über diese Tendenz, da ich so etwas (wenn auch in anderer Form, aber mit Drama) aus der Familie kenne. Bislang hatte ich immer geglaubt, ich würde eher unter einem unterentwickelten Ego "leiden", wegen der enormen Zurücknahme. Es erscheint mir der Vernichtsglauben doch sehr extrem, wenn ich es so betrachte..

  • Als Gautama den Palast verließ versuchte er sich in verschiedene Extreme, nachdem er als Prinz das Extrem des totalen Luxus genießen durfte. Erst als er völlig kraftlos aufgegriffen wurde und sich unter einem Naum setzte, wurde er erleuchtet und lehrte den Weg der Mitte. Also weder absichtlich extrem hungern noch sich mästen. Also sollte der Weg der Mitte uns als Beispiel dienen.

    Ich mag Sex, aber nur, wenn es auch meine Partnerin mag. Das ist leider nicht so oft. Aber damit bin ich völlig zufrieden, denn niemand muss hier leiden oder zwingt sich selber zu etwas: Anhaftung eines selbst auferlegten Dogmas.

  • Hallo Igor07, danke sehr für all die Eindrücke. Bei mir stellt es sich so dar, dass ich bereits vor dem Kontakt mit der Lehre des Buddha festgestellt habe, wie viele Defizite ich mitbringe. Da sind (trotz mehrjähriger Therapien, Supervision, etc.) so viele Ängste, Tendenzen, Glaubenssätze..einfach Samen der Unvollkommenheit. Der Gedanke, diese "Erbe" an meine potenziellen Kinder weiterzugeben oder der Welt ein weiteres Bindeglied generationenübergreifender Muster zu bieten, ist für mich sehr unangenehm und nicht das, was ich mit diesem Leben "anstellen" möchte. Stattdessen möchte ich - bis zum Ende - alles Erdenkliche tun, um mich auf den Weg zur Befreiung zu begeben bzw. heilsame Ursachen zu setzen. Deshalb meine Ernsthaftigkeit, die gleichwohl gemäßigtere Züge annehmen dürfte. Mich treibt ständig der Gedanke um, zu wenig Zeit zu haben, um noch "die Kurve" in diesem Leben zu bekommen.

  • Ich hätte fast spontan geantwortet "aber das ist doch zu extrem"..dann fiel es mir selbst auf. Ja.. danke 🙏

  • Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass der Buddha nach seiner Abkehr von der Selbstkasteiung zwar wieder mit Atmen, Essen und Trinken angefangen hat, aber eben nicht mit sexuellen Aktivitäten. Von daher behaupte ich mal, er hätte den ersten Teil dieses Zitates vermutlich nicht unterschrieben.

    Ach, er war der Prinz zuerst, und er hatte genug davon. Wenn du zuviel Schokolade isst, dann dir würde übel.

    Die goldene Mitte, es gäbe denn kein Lob-Lied.



    Selbstkasteiung und Schuldgefühle sind Unsinn, aber unreflektierte Loblieber auf die Sexualität sind jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

    Nein, klar, aber man kann wie im Kundlini-Tantra aus der Yoga-Tradition so auch von TB diese universalle Energie transmutieren, transzendieren, in die pure Kreativität verwandeln, das hat nichts mit der "Lob-Lieder" zu tun.

    Alles, was wir als die Menschen besitzen, man kann eher als die Herausforderung sehen ( um das "Göttlische" in userem Innerem zu verwirklichen), also das alles einfach unterdrücken und abzumurksen bringt keien innerem Wachstum und den Fortschritt auf den" spirituellen" Weg .

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • aber unreflektierte Loblieber auf die Sexualität sind jetzt auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

    Das ist richtig. Darum habe ich auch geschrieben:

    Endecke, erkunde, akzeptiere, lebe und liebe Deine Sexualität, statt sie zu unterdrücken, denn dadurch lernst Du auch sehr viel mehr über Dich und über Dukkha.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • ... denn dieser Selbst-Wille will ja nicht nur entsagen, sondern erfindet auch die Gründe, warum ein Nachgeben hie und da ggf. tolerabel bzw gerechtfertigt erscheint ...

    Genau diese Polarität spiegelt sich in den Beiträgen wider, wobei die erfundenen Gründe erst gar nicht benannt werden, denn der Selbst-Wille fühlt sich im Gefolge eines vermeintlichen "common sense" oder "Zeitgeistes" sehr sicher, sicherer als im Gefolge der Worte des Gautama, der ja alles andere als "common sense" predigte. Auf der anderen Seite ist's ja die übliche Anmaßung des Selbst-Willens zu glauben, dass man zwar die Ziele des buddhistischen Pfades erreichen könne, dabei aber die Entsagungen nicht auf sich nehmen müsse. Folgt man der Doktrin so darf man auf eine günstige Wiedergeburt hoffen, wenn man zwar nicht entsagt, dabei aber Maß hält und die Sphäre anderer achtet.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

    2 Mal editiert, zuletzt von SteFo ()

  • Sexualität unterdrücken zu wollen, ist ein sicheres Zeichen für ein sehr übersteigertes Ego.

    Verdammung jeder Natürlichkeit, Vernichtungsglauben.


    Wenn es nur so wäre, dass man ein Ding Sexualität unterdrücken könnte.


    So ists wie in vielen nicht ausgelebten richtigen oder unrichtigen Stimmungen nur eine Fantasie.


    Mir tötet das Wort allein schon was ab. Etwa so: Sexualitöt :D Das tut es aus sich Hochhaus. In dem Fall aber -passend evtl im Kontext- umgekehrt.

  • Sexualität unterdrücken zu wollen, ist ein sicheres Zeichen für ein sehr übersteigertes Ego.

    Verdammung jeder Natürlichkeit, Vernichtungsglauben.


    Mal ernsthafter. Den evtl bei den meisten Menschen 'ziemlich kräftigen' Trieb wird man in einem so gepolten Umfeld nicht zur Abkühlung bringen können/so wird die Entwöhnung davon schwer, erst Recht wohl nicht ohne entsprechende vertiefte, ich sage mal: buddhistische Betrachtungen (beispielsweise? in anatta, annica, dukkha).


    Also es ginge um eine allmähliche Auflösung dieser vielleicht körperlichsten (Trieb-)Energie, nicht um eine permanente Unterdrückung. Die wäre ja nur nötig, wenn man ständig wieder angefixt ist sozusagen, diese Triebe also immer wieder auftauchen. So ein Zustand (eigentlich) scheint mir unbefriedigend in Bezug auf das erwünschte Ziel: Sexualtrieb soll sich legen.


    Ich glaube, Buddha erklärte zu allen Trieben, dass ein Mittel auch das 'Niederringen' ist - ein wohl allen bekanntes Mittel in bestimmten Triebäusserungswünschen (damit meine ich auch andere Triebe) - allerdings in einem Umfeld mit begleitender Praxis die auf die Vernichtung aller Triebe ausgerichtet ist.


    Wie du in dieses Thema 'Vernichtungsansicht' und 'übersteigertes Ego' hineinbekommst ist mir kein Rätsel, vielleicht löst du es auch :idea:

  • LobsangDargye : Ich fürchte, Du gehörst zu den Menschen, die sehr begeisterungsfähig für eine Sache sind, aber es dann auch gleich übertreiben und sich Hals über Kopf auf die 'Sache' stürzen. Was den Buddhismus angeht, so ist mE empfehlenswert darauf zu achten, dass die Theorie der Praxis nicht davonläuft. Die Theorie soll Dein Verständnis Deiner Praxis vertiefen, nicht sie (und Dich) in ein Regelkorsett zwängen.


    Die Praxis hat Priorität - sowohl die ethische wie auch die der Geistesschulung. Was spricht dagegen, erst einmal als Laie zu praktizieren? Also, was die ethische Praxis angeht, sich darum zu bemühen, Sexualität nicht zu mißbrauchen. Freude – in welcher Form auch immer – mit Anderen zu teilen, als Mitfreude, ist neben liebevoller Freundlichkeit, Mitgefühl und Gleichmut eine Übung mit hohem Anspruch hinsichtlich ethischer Verantwortung und Nicht-Anhaftung. Versuch's doch erst mal damit ... ^^

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Letztendlich geht es um die relative Wertigkeit von Zielsetzungen und die Frage: kann ein spirituelles Ziel (erfolgreich) verfolgt werden, wenn den weltlich-irdischen-nicht_spirituellen Sinnen Gleichwertigkeit eingeräumt wird dadurch, dass sie zeitweilig AUCH verfolgt werden, wobei das "AUCH" bedeutet, dass die Kognition sich von der spirituellen Zielsetzung abwendet und sich "Anderem" (nämlich weltlichem-irdischem-nicht_spirituellem) widmet? Es scheint unmöglich zu sein, ein spirituelles Zeil zu verfolgen und gleichzeitig Raum zu lassen für Weltlich-Irdisches-Nicht_spirituelles, weil das spirituelle Ziel jenseits von Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit und Nicht-Nachhaltigkeit zu liegen scheint, das Weltliche-Irdische-Nicht_spirituelle aber eben vergänglich und unzulänglich und kurzlebig ist.

    mankind ... must act and reason and believe; though they are not able, by their most diligent enquiry, to satisfy themselves concerning the foundation of these operations, or to remove the objections, which may be raised against them [Hume]

  • Ich hab es gelöst. Ich suche keinen mehr und wenn er sich ergibt, warum sollte ich nicht mitmachen. Der Trieb wird seit Jahren vom gut bekannten Partner ausgelöst. Solange jemand mich begehrt, kann ich doch zufrieden sein. So jemanden zu finden kann ganz schön nervig sein, wenn man glaubt, dass Sex unbedingt zum Leben gehört.