Der Karmapa, Missbrauchsvorwürfe, eine Initiativen von Karma Kagyüs

  • Man kann nur beiden Seiten die Möglichkeit geben, Stellung zu nehmen und dann versuchen, sich möglichst unvoreingenommen selbst eine Meinung zu bilden.

    Nicht ganz, denn die öffentliche Diskussion über einen Verdachtsfall bedeutet ja schon eine Schädigung für den, der solch eines Verbrechens verdächtigt wird, ist also nicht neutral. Daher ist es meiner Ansicht nach angemessener, nur über solche Fälle öffentlich zu diskutieren, die in juristischem Sinne bewiesen sind.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Man kann nur beiden Seiten die Möglichkeit geben, Stellung zu nehmen und dann versuchen, sich möglichst unvoreingenommen selbst eine Meinung zu bilden.

    Nicht ganz, denn die öffentliche Diskussion über einen Verdachtsfall bedeutet ja schon eine Schädigung für den, der solch eines Verbrechens verdächtigt wird, ist also nicht neutral. Daher ist es meiner Ansicht nach angemessener, nur über solche Fälle öffentlich zu diskutieren, die in juristischem Sinne bewiesen sind.

    Haben wir nicht bereits an anderer Stelle festgestellt, dass Missbrauch nicht erst da anfängt, wo er justiziabel ist? Wenn nicht, tue ich das hiermit. Wie sollte man mit solchen Fällen umgehen?

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Sich eine Meinung zu bilden, ohne alle Seiten gehört zu haben führt gerade bei solch einem Thema zu Problemen. Viel sinnvoller, als Fälle anzusprechen, die man nicht aufklären kann bzw. bei welchen die notwendigen Informationen fehlen, wäre doch Aufklärung als solche zu betreiben.

    • Was macht einen guten Lehrer aus?
    • Was ist alles im Sinne des Dharma?
    • Von welchen Praktiken sollte man Abstand nehmen?

    Hier, und im anderen Missbrauchs-Thread wird unglaublich viel vermischt, obwohl, in meinen Augen, diese Dinge getrennt betrachtet werden sollten.

    Es macht einen Unterschied, ob ein Missbrauch im rechtlichen Sinne stattgefunden hat, oder ob ein Lehrer ein Verhalten an den Tag lehrt, das man einfach nur als nicht angemessen empfindet. Entsprechend sollte das auch getrennt diskutiert werden. Auch ist es interessant zu sehen, wie hier manche einerseits die vermeintliche Vergötterung von Lehrer im (tib.) Buddhismus als Problem bezeichnen, aber gleichzeitig gottgleiches Verhalten von Lehrern erwarten. Entweder Gottgleiche Reinheit wird von Lehrern erwartet, und dann muss auch eine Sicherheit gegeben werden, dass diese unter wahren Lehrern vorhanden ist, was eine Gleichsetzung und ein Vertrauen ermöglicht, oder dem ist eben nicht so. Beides aber geht nicht.

    _()_

  • Wie sollte man mit solchen Fällen umgehen?


    Innerhalb der entsprechenden Institutionen das Problem benennen und angehen. Im Zweifelsfalle von außen auf eine Institution zugehen, um Aufarbeitung zu ermöglichen oder zu erzwingen. In jedem Fall aber nicht auf einen Verdacht hin eine öffentliche Debatte losschlagen, weil man damit unter Umständen mehr Schaden anrichtet als Nutzen entsteht. Die öffentliche Debatte ist (durch die derzeitige Kultur der Empörung) eine Waffe in diesen Fällen und sollte mit Bedacht und nur dann eingesetzt werden, wenn andere Mittel versagen.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Innerhalb der entsprechenden Institutionen das Problem benennen und angehen.

    Ja, aber leider hat das offenbar im vorliegenden Fall nicht funktioniert ("Protektion" durch "Gönnerin" und die anderen Lamas - wenn's denn stimmt...) und es steht zu befürchten, dass dies kein Einzelfall ist.

    In jedem Fall aber nicht auf einen Verdacht hin eine öffentliche Debatte losschlagen, weil man damit unter Umständen mehr Schaden anrichtet als Nutzen entsteht.

    Da stimme ich dir zu, allerdings finde ich es sinnvoll über das Thema ALLGEMEIN (und ggf. auch juristisch bewiesene Fälle) öffentlich zu debattieren, weil durch die erhöhte Aufmerksamkeit potenzielle Täter ev. abgeschreckt werden könnten (hoffentlich!).

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • einerseits die vermeintliche Vergötterung von Lehrer im (tib.) Buddhismus als Problem bezeichnen, aber gleichzeitig gottgleiches Verhalten von Lehrern erwarten.

    Da gilt es denn aber doch, "Gottgleichheit" zu definieren und zu differenzieren: Natürlich ist es keine menschliche Überforderung, sich an grundlegende ethische Regeln zu halten, deren Verletzung einen Straftatbestand erfüllen. Deren Einhaltung darf man m.E. von Dharmalehrern (als Minimum) erwarten.

    Es macht einen Unterschied, ob ein Missbrauch im rechtlichen Sinne stattgefunden hat, oder ob ein Lehrer ein Verhalten an den Tag lehrt, das man einfach nur als nicht angemessen empfindet.

    Genau, bei kleinen sogenannten "menschlichen Schwächen" sollte niemand "an den Pranger" gestellt werden, aber es sollte auch kein Tabu sein, es anzusprechen - allein schon wegen der Vorbildfunktion für die Schüler.

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  • Ja, aber leider hat das offenbar im vorliegenden Fall nicht funktioniert ("Protektion" durch "Gönnerin" und die anderen Lamas - wenn's denn stimmt...)

    genau: wenn`s denn stimmt. Das ist der entscheidende Punkt.


    Es gibt hier eine elegante Formulierung um das Problem zu beschreiben, ohne im Zweifelsfall ungewollt Schaden zu verursachen: Es gibt den bestätigten Fall A und B, es ist aber davon auszugehen, dass die Dunkelziffer höher ist, weil Abhängigkeiten, tradiertes Rollenverständnis, Hierarchien und Angst vor Gesichtsverlust strukturell Missbrauch, Verdrängung und Vertuschung fördern können. Daher ist es wichtig, dass die entsprechenden Institutionen diese Probleme durch unabhängige Gremien und tiefgreifende strukturelle Veränderungen (im Besonderen a), b) und c) ) in den Griff kriegen.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Es wird über Dinge gesprochen, sie schon seit tausenden Jahren ein Problem sind, vor hundert Jahren war das aber gar keins.
    Das Heute nur auf der Ignoranz und Eitelkeit der Täter zurückzuführen ist. Der Ordinierte ist ohnehin viel zu weit entfernt im Vergleich zu einem normalen Lehrer. Seine Sangha wird ihn schützen, der sind die Laien und Frauen vollkommen egal, je mehr die betteln um das, was sie ohnehin haben, je besser kann man sie ausbeuten.

    Es haben immer die sogenannten Lamas und Gurus und Meister schuld. Die können die Finger nicht von der Gier nach Sinneslüsten lassen.

  • Natürlich ist es keine menschliche Überforderung, sich an grundlegende ethische Regeln zu halten, deren Verletzung einen Straftatbestand erfüllen

    Richtig. Daher hatte ich darauf verwiesen, dass hier verschiedene Dinge (strafrechtlich Relevantes und nicht-Relevantes) wild vermischt wurde. Nicht zuletzt gilt zu beachten, dass jeder Lehrer ein Mensch ist und entsprechend es zu Fehlern und Missetaten kommen kann. Na klar erwartet man bei einem Dharma Lehrer oder einer Dharma Lehrerin, dass Ethik und Moral einen besonderen Stellenwert haben und es daher gar nicht oder zumindest weniger zu Vorfällen kommt. Auf Dharma-Basis ist aber auch die Frage wie jemand damit umgeht, wenn etwas passiert ist. Und damit ist sowohl der Umgang der Lehrenden Person, als auch der Betroffenen Sangha gemeint.

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  • Innerhalb der entsprechenden Institutionen das Problem benennen und angehen.

    Ja, aber leider hat das offenbar im vorliegenden Fall nicht funktioniert

    Im Zen hat das in den allermeisten Fällen nicht funktioniert. Bei Sasaki und Shimano zum Beispiel - um nur die Großskandale zu erwähnen - fand ein wirksames "Benennen und Angehen" nur dann statt, nachdem die Gerüchte öffentlich im Netz diskutiert worden sind. Und keine einzige Tatsache wurde bis heute irgendwie juristisch verarbeitet. Selbst bei Zernickow, dessen Fall ja sogar zweimal vor Gericht landete, sind die Taten per se immer noch nicht "bewiesen".


    Insofern kann man da lange warten und es wird also quasi immer nötig sein, Druck von Außen - eben durch die öffentliche Diskussion von nicht gerichtlich bewiesenen Gerüchten - auszuüben. Dass man dabei mit Gefühl und gesundem Menschenverstand handeln sollte, ist aber auch klar.

  • Insofern kann man da lange warten und es wird also quasi immer nötig sein, Druck von Außen - eben durch die öffentliche Diskussion von nicht gerichtlich bewiesenen Gerüchten - auszuüben.

    Das klingt fast so, als wäre eine ständige öffentliche nicht-buddhistische, säkulare Instanz, die Gerüchte und Verdachtsfälle bespricht und beurteilt, notwendig, um die Würdenträger der jeweiligen Institutionen von Ausschweifungen, Missbrauch und Korruption abzuhalten. Denkt ihr nicht, dass es auch sehr im ureigensten Interesse der Menschen dort liegt (Ehrenamtliche und Lehrende, die ihr ganzes oder einen großen Teil ihres Lebens der Weitergabe der Lehre widmen), die zehn unheilsamen Handlungen zu vermeiden, um den Buddhaweg zu gehen? Es mag naiv klingen, aber ich glaube, dass die allermeisten Praktizierenden, Helfenden und Lehrenden diesen Weg eingeschlagen haben, weil sie von seiner Bedeutung, heilsamen Kraft und Richtigkeit bis ins Tiefste überzeugt sind, sodass alle drei Gruppen von sich aus schon alles versuchen werden, Buddha, Dharma und Sangha vor inneren wie äußeren Gefahren zu schützen, auch ganz ohne öffentliche Kontrollinstanz.


    Hier entsteht aber etwas der Eindruck, als würden es in Dhamazentren nur so von liederlichen Lustmönchen und korrupten Geldhaien wimmeln, die sich gegenseitig dabei behilflich sind, die devoten Idioten aus dem Westen abzuziehen...


    Ich habe aber im Gegenteil selten freundlichere und friedlichere Menschen getroffen als in den diversen Zentren der verschiedenen Traditionen, die ich im Laufe meines Lebens besuchen durfte. Das bedeutet nicht, dass mir nicht auch immer wieder Dinge störend aufgefallen wären, oder dass es keine Skandale gegeben hätte – aber unter dem Strich bleibt doch für mich wenigstens der Eindruck, dass in so einem Zentrum eine Menge Menschen mit viel Engagement, Opferbreitschaft und Mühe zusammenkommen, um sich selbst und die Welt etwas besser zu machen. Ich sehe viel mehr redliches und begeistertes Tun als Missbrauch, Vertuschung oder Arroganz.


    Die Augen sollten wir keinesfalls verschließen, nicht vor den Fällen von Missbrauch und Gewalt, aber auch nicht vor den unzähligen Taten von den Vielen, die solche Zentren und deren positive Wirkungen überhaupt erst möglich machen.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Nicht ganz, denn die öffentliche Diskussion über einen Verdachtsfall bedeutet ja schon eine Schädigung für den, der solch eines Verbrechens verdächtigt wird, ist also nicht neutral.

    Grundsätzlich: um Verbrechen handelt es sich bei sexuellem Missbrauch in buddhistischen Gemeinschaften in aller Regel nicht. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§12 Abs.1 StGB). Was im Strafmaß darunter liegt, ist nach deutschem Strafrecht ein Vergehen - und selbst darum handelt es sich zumeist nicht. Nicht jede unmoralische Handlung (oder was man dafür hält) ist strafbar - so ist es beispielsweise zwar strafbar, wenn sich ein Therapeut bei der Beratung oder Therapie einer Klientin nicht (oder nicht ausschließlich) an deren Bedürfnissen orientiert, sondern die psychische Abhängigkeit der Patientin ausnutzt, um eigennützige Zwecke zu verfolgen. Wenn dies hingegen ein 'spiritueller Begleiter' mit einer erwachsenen Person tut, also ihre Leichtgläubigkeit, ihr Vertrauen missbraucht, dann ist es das in aller Regel nicht. Obwohl die psychologische Konstellation dieselbe ist: eine asymmetrische Beziehung, in der die schwächere Seite eine psychische Abhängigkeit entwickelt (deren Auflösung dann auch ein unverzichtbarer Teil einer fachgerechten Psychotherapie ist).


    Leider ist die strafrechtliche Behandlung unterschiedlich, was schlicht daran liegt, dass die Qualifikation eines Therapeuten eine staatlich anerkannte und sein berufliches Handeln daher auch staatlich reguliert ist; die eines Guru, Mönchs oder oder Priesters aber nicht - und das ist aus naheliegenden Gründen auch gut so. Um die Qualifikation und um die sachgerechte Ausübung religiöser Begleitung (die nur zu häufig auf 'Leitung' reduziert ist) haben sich die religiösen Institutionen selbst zu kümmern. Ob sie es auch tun, ist eine andere Frage. Die Erfahrung zeigt, dass so etwas fast nur auf öffentlichen Druck hin geschieht - also wenn der 'Spenden'fluss zu versickern beginnt und das Geschäftsmodell versagt.


    Richtig ist, dass ein ungerechtfertigter öffentlicher Druck eine "Schädigung" ist. Auch üble Nachrede (d.h. in Beziehung auf einen anderen eine nicht erweislich wahre Tatsache zu behaupten oder verbreiten, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, §186 StGB) ist ein Vergehen; wenn sie öffentlich geäußert wird möglicherweise sogar ein Verbrechen. Wer sich - um den genannten öffentlichen Druck auszuüben - zum Aufklärer oder gar Ankläger berufen fühlt, tut gut daran, sicherzustellen, dass die entsprechenden Tatsachenbehauptungen auch erweislich wahr sind. Insofern sind Thorsten Hallscheidt s Bedenken absolut nachvollziehbar. Wie ich hier in einem anderen Thread geschrieben hatte, sollte man sich, wenn man sich öffentlich zum Anwalt tatsächlicher oder vermeintlicher Opfer macht, sorgfältig absichern - also die Anschuldigung auch belegen können. D.h. man sollte sich im Fall des Falles auf mindestens eine eidesstattliche Erklärung eines Opfers oder Zeugen stützen können bzw. selbst Opfer oder Zeuge sein. Wie nun der Fall im Hamburger KK-Zentrum lief, weiss ich nicht - deswegen verkneife ich mir die in diesem Thread hier naheliegende Anmerkung, dass der Fisch vom Kopf her stinkt.


    Das Grundproblem ist in aller Regel selbstverschuldete Unmündigkeit. "Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen." Dies als nachgereichte Erläuterung meiner von Arthur1788 kritisierten Anmerkung "mein Mitgefühl und mein Verständnis für die Opfer und auch für diese Karma-Kagyü-Initiative hält sich in Grenzen." Wobei mir durchaus bewusst ist, dass das Mitgefühl eines Bodhisattva grenzenlos sein sollte; der Satz war durchaus auch selbstkritisch gemeint. Immerhin gelingt es mir, auch etwas Mitgefühl für die Täter aufzubringen - die persönliche Problematik Ogyen Trinleys, seine völlig verkorkste Erziehung, wurde hier ja schon angedeutet. Was selbstredend nichts rechtfertigt oder entschuldigt.


    Die freiwillige / selbstverschuldete Unmündigkeit, die Bereitschaft, seine Autonomie aufzugeben und sich einem vorgeblichen 'Übermenschen' kritiklos zu unterwerfen, sehe ich als die eigentliche Wurzel des Problems. Und natürlich stehen hinter solch einer irrationalen Unterwerfung Motive, die kritikwürdig sind und ich für meinen Teil sehe die Rolle eines spirituellen Begleiters nicht zuletzt darin, solche Motive aufzudecken und bewusst zu machen. Dass verschiedene 'buddhistische' Traditionen hingegen eine kritiklose Unterwerfung geradezu fordern, zu einer Voraussetzung machen, führt zwar nicht notwendig immer zum Missbrauch des Vertrauens, aber offensichtlich immer wieder. Und da sind wir dann auch bei der Verantwortung der Institutionen, die die Missbraucher legitimieren.


    Die sicher sehr ehrenwerten Leute von der Karma-Kagyü-Initiative haben offensichtlich nicht verstanden, wo das Problem liegt - die 'Krankheit'. Eine solche 'Sangha' lässt sich nicht heilen. Worum es da wirklich geht, kann man eigentlich schon seit 2011 wissen. Mein Rat wäre: sucht euch eine Übungsgemeinschaft, in der ihr nicht eine Schafherde seid, die sich willig scheren lässt. Was wollt ihr da noch?

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Kann man das nicht über dem Eingang eines Dojo usw. hängen?

    Wer hier eintritt sollte nicht erwarten, dass er erleuchtet wird,

    ausnutzen seiner Gutgläubigkeit ist aber möglich.


    Obwohl ich es noch nie gesehen habe, sehe ich das Schild immer.

    Selbst über dem Eingang einer Bank.

  • Die sicher sehr ehrenwerten Leute von der Karma-Kagyü-Initiative haben offensichtlich nicht verstanden, wo das Problem liegt - die 'Krankheit'. Eine solche 'Sangha' lässt sich nicht heilen. Worum es da wirklich geht, kann man eigentlich schon seit 2011 wissen. Mein Rat wäre: sucht euch eine Übungsgemeinschaft, in der ihr nicht eine Schafherde seid, die sich willig scheren lässt. Was wollt ihr da noch?

    Hiermit diskreditierst Du mal eben eine ganze Traditionslinie, Marpa, Mahamudra, Milarepa... Und das offenbar noch zu Zufriedenheit vieler hier. Kein Wunder, dass so viele, die sich dem tibetischen Buddhismus zurechneten, dieses Forum verließen. Anfangs fand ich diese Reaktion übertrieben. Nun merke ich am veränderten Klima, dass dem wohl nicht so war. In diesem Thread ist gut nachvollziehbar, wie Missbrauchsskandale dazu verwendet werden, religiöse Strukturen insgesamt infrage zu stellen. Respekt vor buddhistischen Linien, die der eigenen Weltsicht fremd sind, sieht anders aus.


    Das veränderte Klima hier zeigt sich für mich vor allem daran, dass weniger aus der buddhistischen Lehre heraus und viel mehr über traditionelle Formen des Buddhismus geschrieben wird – und zwar vor allem aus einer säkularen Perspektive, die sich generell an religiösen Strukturen abarbeitet.

    Die Praxis ist das Zentrum der buddhistischen Lehre, eine Praxis, die im achtfachen Pfad ihre Verwirklichung findet. Die verschiedenen buddhistischen Linien haben diverse Strategien hervorgebracht, das Erwachen zu ermöglichen. Zum Teil stammen diese Strategien aus anderen Zeiten und anderen kulturellen Kontexten. Bei aller berechtigter Kritik verdienen diese Schulen dennoch Respekt und auch die Mühe, sich mit den Inhalten dieser Schulen auseinanderzusetzen, bevor man sie anhand von Skandalen und Missständen herabwürdigt.


    Das vajrayāna kann ein ungeheuer effizientes Mittel sein, aber es ist eben auch ein gefährliches Fahrzeug, das nicht ohne Grund bis vor wenigen Jahrzehnten nur im Geheimen weitergegeben wurde. Wenn nun die Werkzeuge dieses Fahrzeugs von unvorbereiteten, schlecht informierten, spirituell kaum gefestigten, psychisch instabilen, in den Sila nicht gefestigten Personen ausgeübt wird, ist vollkommen klar, dass das zu Leid, Verwirrung und Elend führen muss. Aber damit ist dieses Fahrzeug nicht weniger wirksam oder respektabel. Der tibetische Buddhismus ist uns sehr fremd. Seine kulturellen Ausprägungen sind befremdlich, teils gefährlich und entsprechen in vieler Hinsicht nicht den exotisch-bunten Hippie-Fantasien, die viele zu spirituellem Hyperkonsum und Eskapismus einladen, bei dem man Initiationen sammelt wie Abziehbildchen.


    Respekt bedeutet aber, sich diesen kulturellen Ausprägungen nicht ausschließlich mit eurozentrisch-wokem Wertekanon des dekadenten Spätkapitalismus zu nähern, sondern das Fremde auch unvoreingenommen als fremd zu betrachten, mit aller gebührender Vorsicht. Immerhin hat der tibetische Buddhismus über Jahrhunderte höchst wirksame psychologische Mechanismen hervorgebracht, die man ebenso wenig mal eben konsumieren kann, wie man ein Krebsmedikament zum Vergnügen verspeisen würde. Die tantrischen Initiationen, Guruyoga, Mahamudra und Dzogchen sind solche Werkzeuge. Werkzeuge – kein Schmuck, den man sich umhängt, kein exotischer Adrenalinkick, den man sich im buddhistischen Zentrum um die Ecke mal eben zu Gemüte führt.


    Die tantrischen Traditionen, Techniken und historischen Gestalten (wie auch die Lehrer, die in ihrer Tradition ausgebildet sind) sind in ihrer Radikalität, Abgründigkeit und Paradoxie tatsächlich zum Teil mit unserem westlichen Werteverständnis überhaupt nicht vereinbar. Das macht sie aber nicht wertlos, disfunktional (im Sinne des Erwachens) oder "böse". Man sollte nur sehr genau beachten und wissen, auf was man sich einlässt, wenn man denn unbedingt diesen Weg zum Erwachen gehen möchte. Es ist aber unter Buddhisten und solchen, die Buddhismus konsumieren, oft wenig angesagt, sich intensiv mit einer kulturellen Technik und ihren philosophischen, psychologischen und sozialen Hintergründen auseinanderzusetzen. DAS hingegen könnten die Dharmazentren tatsächlich ändern. Es müsste einen umfangreichen Dharma-Führerschein für die Anwendung buddhistischer Techniken geben, bevor sich die Menschen in Abhängigkeiten und psychologische Abenteuer stürzen. Aber dann würde die Attraktivität dieser Techniken und Kulturen sicher bald gegen Null gehen.


    Beides keine guten Ideen: Kinder spielen mit Waffen, Wellness-Buddhisten spielen mit Tantra- und Vajrayāna.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Ich kann wirklich nur aus meinem Leben erkennen, das enthält eben diese Arten des Missbrauchs nur noch als ungutes Bauchgefühl, Hendrik mein Problem hier in Essen in diese Gemeinschaft zu gehen ;) .


    Ich habe viele unangenehme Erfahrungen sammeln können mit einigen Gruppen, hauptsächlich aus dem Esoterik-Bereich. Natürlich auch mit meiner „christlichen“ Kirche und bedeutungsvoll mit Scientology, aus der ist wirklich große Mühe hatte rauszukommen, die hätten mich beinahe gebrochen. Chapeau, die sind wirklich gut! Auch heute noch nach 20 Jahren taucht da so was wie Sehnsucht nach der Geborgenheit auf.


    Es geht hier ja um sexuellen Missbrauch, aber ich kann mit denen so Missbrauchten wirklich Mit-leiden, auch wenn ich diese Art des Missbrauchs nicht erlebt habe. Aber wo sollte eine Grenze gezogen werden? Wenn ein Trauma geschieht, ist es letzten Endes egal wodurch.

    Ich kenne diese Hilflosigkeit eines Opfers, dieses „man glaubt mir nicht“ erwartet Beweise und ich schon weiß, dass es eine Qual ist nicht beweisen zu können. Wie soll ich eine Verletzung meiner Seele beweisen?

    Das habe ich tatsächlich schon durchgemacht, mit 7 Jahren durch die Boshaftigkeit meines Bruders und keine Hilfe zu bekommen, weil Mutter Beweise wollte, aber ihre Liebe zu meinem Bruder nicht in Zweifel ziehen wollte. Keine Chance. Also hab ich gelernt mich von Gruppen zu trennen, wenn sie das machen, mich missbrauchen wollen. Ich bin gegangen und habe meine Wunden geleckt und verhindert, dass sich Narben bilden, denn das wollte ich nie wieder erleben. Die Zeit mag Wunden heilen, aber wenn ich mich nicht genau erinnere, wird die Wunde von anderen wieder aufgerissen.


    Man ist wirklich nur so in der Lage, die Opferrolle zu verarbeiten und verschwinden zu lassen. Binde dich nie an deine Sinneslust oder an dein Sinnesleid. Diejenigen, die du glaubtest, dass sie eine Gemeinschaft sind, werden dich in ihrer Polarisierung zerreißen.


    Wie Jesus zu Lazarus gesagt hat: Steh auf, lass alles hier und gehe weit weg in ein anderes Dorf, hier wirst du sterben.

    Jesus hat Lazarus aus der tiefsten Depression zum Leben erweckt.

    „Freunde“ eine Sangha wird nie helfen, denn die Sangha ist IMMER wichtiger als der Einzelne.

    Depressiv, nein ihr Lieben, das ist gelebte Erfahrung, depressiv werde ich, nur wenn ich mich unachtsam an etwas sinnloses gebunden habe.

    Einmal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Sudhana,


    danke für deine (weitgehend) sachliche Analyse zum Thema!

    Dass du eine psychotherapeutische Konstellation mit der Situation einer Lehrer-Schüler-Beziehung im spirituellen Umfeld vergleichst, kann ich absolut nachvollziehen, denn es ist offensichtlich, dass Religion auch psychotherapeutisch wirksam ist und u.a. deshalb Hilfesuchende/"Leidende" mit Religionen in Kontakt kommen. Während die Psychotherapie allerdings dem Patienten helfen soll, mit seinen spezifischen Emotionen, Problemen und dem Leben allgemein, besser umzugehen, bietet die Religion darüber hinaus noch "Sinn" an.

    Das Grundproblem ist in aller Regel selbstverschuldete Unmündigkeit. "Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen."

    Diese Definition übersieht, dass Menschen, gerade, wenn sie psychische Probleme haben (bei durchaus vorhandenen kognitiven Fähigkeiten!), nicht immer in der Lage (!) sind, verstandesbetont zu handeln, sprich, sie folgen eher Gefühlen, als der Vernunft. Sind sie deshalb "schuldig"? Für einen "Entschluss" braucht es Kraft, die oft nicht vorhanden ist, ebenso wie Mut bei "Mutlosen" nicht vorausgesetzt werden kann.

    Die freiwillige / selbstverschuldete Unmündigkeit, die Bereitschaft, seine Autonomie aufzugeben und sich einem vorgeblichen 'Übermenschen' kritiklos zu unterwerfen, sehe ich als die eigentliche Wurzel des Problems.

    Ich denke, es ist EINE Wurzel.....Aber ich bestreite (in vielen Fällen!) die "Freiwilligkeit" und damit "Schuld" der Menschen, die in unheilsame Abhängigkeitsverhältnisse im Rahmen ihrer religiösen Praxis geraten.

    Und natürlich stehen hinter solch einer irrationalen Unterwerfung Motive, die kritikwürdig sind und ich für meinen Teil sehe die Rolle eines spirituellen Begleiters nicht zuletzt darin, solche Motive aufzudecken und bewusst zu machen.

    Das hört sich m.E. jetzt wieder eher psychotherapeutisch an, dafür fehlt spirituellen Begleitern jedoch i.d.R. die nötige Ausbildung...

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Hiermit diskreditierst Du mal eben eine ganze Traditionslinie


    Diese Traditionslinie wird von ganz anderen Leuten diskreditiert. Nämlich von denen, die sie heute maßgeblich repräsentieren.

    In diesem Thread ist gut nachvollziehbar, wie Missbrauchsskandale dazu verwendet werden, religiöse Strukturen insgesamt infrage zu stellen.

    Wenn diese institutionellen Strukturen zu "Missbrauchsskandalen" - aber auch zu Dingen wie Geldwäsche oder dubiosen Immobiliengeschäften - führen, ist es mehr als gerechtfertigt, sie in Frage zu stellen.

    Respekt vor buddhistischen Linien

    Sorry, aber Respekt kann man nur vor Menschen und ihrem Verhalten haben. Oder auch nicht, wenn sie ihn nicht verdienen. Egal auf welche "Linie" sie sich berufen.

    Respekt bedeutet aber, sich diesen kulturellen Ausprägungen nicht ausschließlich mit eurozentrisch-wokem Wertekanon des dekadenten Spätkapitalismus zu nähern

    Danke. Ich kann Dir versichern, dass ich diese "kulturellen Ausprägungen", wie Du die hier diskutierten Vorkommnisse so schön verharmlosend nennst, nicht unter der Perspektive eines "eurozentrisch-wokem Wertekanon des dekadenten Spätkapitalismus" betrachte. Śīla reicht da völlig aus. Basics sind da z.B. nicht nehmen, was nicht aus eigenem Antrieb gegeben wird oder kein sexuelles Fehlverhalten. Das ist entscheidend - und daran muss sich eine "kulturelle Technik" samt "ihren philosophischen, psychologischen und sozialen Hintergründen" messen lassen. Der buddhistische Weg hat die drei Aspekte Śīla, Samādhi und Prajńā - ohne Śīla kann man nicht mehr von Buddhadharma sprechen; "der Edle Achtfache Pfad ist in den drei Übungsfeldern enthalten" (MN 44). Ob die "kulturelle Technik" dann "wertlos" und "dysfunktional" ist oder nicht, ist allenfalls eine sekundäre Frage. Irgendeinen Wert wird sie schon haben, fragt sich nur für wen und auf wessen Kosten.

    Das vajrayāna kann ein ungeheuer effizientes Mittel sein, aber es ist eben auch ein gefährliches Fahrzeug, das nicht ohne Grund bis vor wenigen Jahrzehnten nur im Geheimen weitergegeben wurde. Wenn nun die Werkzeuge dieses Fahrzeugs von unvorbereiteten, schlecht informierten, spirituell kaum gefestigten, psychisch instabilen, in den Sila nicht gefestigten Personen ausgeübt wird, ist vollkommen klar, dass das zu Leid, Verwirrung und Elend führen muss. Aber damit ist dieses Fahrzeug nicht weniger wirksam oder respektabel. Der tibetische Buddhismus ist uns sehr fremd. Seine kulturellen Ausprägungen sind befremdlich, teils gefährlich und entsprechen in vieler Hinsicht nicht den exotisch-bunten Hippie-Fantasien, die viele zu spirituellem Hyperkonsum und Eskapismus einladen, bei dem man Initiationen sammelt wie Abziehbildchen.

    Lies Dir bitte diesen Abschnitt noch einmal sorgfältig durch und überdenke ihn. Meines Erachtens ist das Reduktion auf klassisches Victim blaming. Das mag ja alles richtig sein, aber das Problem ist ja nicht die psychologische Vulnerabilität alleine. Erst wenn Menschen und Institutionen diese Vulnerabilität ausnutzen, wird es zum Problem.

    Thorsten Hallscheidt:

    Es müsste einen umfangreichen Dharma-Führerschein für die Anwendung buddhistischer Techniken geben, bevor sich die Menschen in Abhängigkeiten und psychologische Abenteuer stürzen.

    Ob es ein "Führerschein" sein muss, kann man bezweifeln. Aber eine gründliche Unterweisung in Sutrayana und Mahayana sollte schon Voraussetzung sein. Womit wir dann beim Defizit der Institutionen wären. Aber das würde natürlich das Werbeversprechen der Ruckzug-Erleuchtung (der höchste und vor allem schnellste Weg) konterkarieren.

    Thorsten Hallscheidt:

    Aber dann würde die Attraktivität dieser Techniken und Kulturen sicher bald gegen Null gehen.

    Eben. Wir können uns natürlich auf den Standpunkt "wo gehobelt wird, fallen Späne" zurückziehen. Und uns Diskussionen wie diese hier komplett sparen.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Buddha behauptet doch tatsächlich, dass es weder Täter noch Opfer gibt.

    Diese „Unverschämtheit“ sollte doch zum Nachdenken anregen.

    Wenn es nicht um die Tat oder dem, der die Tat trifft, geht, was meint der denn damit?

    Was sind denn Täter und Opfer in der Sicht des Buddha?

    Menschen! Menschen sollte geholfen werden und nicht klassifiziert, sodass sie zu der eigenen Meinung passen.

    Die Reden des Buddha mit Menschen ist befreiend, weil sie immer darauf abzielen, den Glauben zu vernichten, den der Hörende hat.

    Buddha war also ein „psychotherapeutisch“ ausgebildeter.

    Nur wer hört schon Buddha zu? Die Lamas, Meister, Lehrer wissen es viel besser und huldigen die Glückseligkeit, die die Lehre des Buddha hervorbringt, natürlich nur bei Unterwerfung. Buddha spricht nur von Befreiung von Leiden, auch dem der Unterwerfung, ob das glückselig ist, kann ein Nebeneffekt sein, ist aber nicht von ihm beabsichtigt oder vorherbestimmt.


    Er hat nicht sinnlos Eine dreigeteilt Zuflucht bestimmt. Aber auch das ist zum Ritual verkommen.

  • Bei aller berechtigter Kritik verdienen diese Schulen dennoch Respekt und auch die Mühe, sich mit den Inhalten dieser Schulen auseinanderzusetzen, bevor man sie anhand von Skandalen und Missständen herabwürdigt.

    Respekt vor anderen Menschen - als Grundhaltung - sollte man bei Buddhisten eigentlich erwarten dürfen, dies impliziert auch den Respekt vor den Dingen, die anderen Menschen "heilig" sind.

    Genau an diesem Punkt wird es aber schwierig, weil bestimmte Religionen/Schulen -ihrerseits - bestimmte Werte nicht (zu) respektieren (scheinen), z.B. Gleichheit, (Meinungs-)Freiheit, sex. Selbstbestimmung etc. ...

    Auch das hohe Ziel "Erwachen" heiligt nicht alle Mittel/Methoden, vor allem, wenn es auch noch andere Wege zum Ziel gibt, die weniger Animositäten bei Außenstehenden erzeugen.

    Wenn nun die Werkzeuge dieses Fahrzeugs von unvorbereiteten, schlecht informierten, spirituell kaum gefestigten, psychisch instabilen, in den Sila nicht gefestigten Personen ausgeübt wird, ist vollkommen klar, dass das zu Leid, Verwirrung und Elend führen muss. Aber damit ist dieses Fahrzeug nicht weniger wirksam oder respektabel.

    Leider scheinen aber viele Personen, eine oder mehrere der aufgelisteten Eigenschaften aufzuweisen....Ein Hauptmotiv, überhaupt zu praktizieren, ist schließlich "Dukkha".

    "Fahrzeuge" gehören immer mal auf den Prüfstand, gerade auch die "Alt-Ehrwürdigen", sie zu hinterfragen ist nicht automatisch respektlos.

    Respekt bedeutet aber, sich diesen kulturellen Ausprägungen nicht ausschließlich mit eurozentrisch-wokem Wertekanon des dekadenten Spätkapitalismus zu nähern, sondern das Fremde auch unvoreingenommen als fremd zu betrachten, mit aller gebührender Vorsicht.

    "eurozentrisch-woker Wertekanon des dekadenten Spätkapitalismus" - WOW ! Diese Abwertung empfinde ich jetzt aber auch nicht gerade respektvoll... ;)

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Na, na ... !


    Jede(r) hat hier eine Chance, seine Meinung kundzutun.

    Und wenn man alles, was ein Teilnehmer so von sich gibt, langsam und gründlich durchgeht und wie eine Kuh wiederkaut, dann versteht man besser, was die/derjenige meint. Man muss sich nur ein bisschen Mühe geben.


    So gilt auch hier: es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.


    Jedenfalls, als Hexenjagd habe ich das hier noch nicht empfunden.

    Und abgesehen davon: das andere, abgespaltene Forum ist im Grunde überflüssig. Das sollte ein spezifisches Forum des Tibetischen Buddhismus werden, ist es aber nicht. Spezifischer ist dieses hier. Denn Katzenbilder usw. kann ich mir auch von woanders 'reinziehen.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Noch ein Nachtrag hierzu:


    Worum es da wirklich geht, kann man eigentlich schon seit 2011 wissen.


    Was den Devisenschmuggel angeht, so wurde die Anklage gegen Ogyen Trinley zwar fallen gelassen* , weil er angeblich keine Kontrolle über seinen eigenen Spendentrust hatte. Sein Finanzdirektor Thupten Sherab musste dafür den Kopf hinhalten. Die im Wohnsitz des Karmapa, dem Gyuto-Kloster in Dharamsala, bei einer Razzia beschlagnahmten Devisen im Wert von damals $ 995.000 wurden endgültig konfisziert. Mal $ 690.000 für eine geschwängerte (angehende) Nonne, mal $ 995.000 für Devisenvergehen - mit der Zeit kommt da richtig Geld zusammen ... Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.


    *zwei Mal, die erste Aufhebung wurde vom High Court von Himachal Pradesh wieder gekippt

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Nachdem ich in diesen Thread ein wenig hineingelesen habe möchte ich mich nur kurz und allgemein zu der Problematik äußern. Ich hoffe es ist nicht völlig offtopic, denn ich hatte nur wenige Begegnungen mit dem tibetischen Buddhismus. Man mag mir nachsehen dass ich trotzdem zu gewissen allgemeinen Grundsätzen was sagen möchte, weil ich früher nach einer Richtung des Vedanta praktiziert habe wo es ebenfalls eine enge Guru-Bindung gibt. Da ist es auch zu Missbrauch gekommen und mein Eindruck ist, dass der Grundsatz einen Lehrer als vollkommen zu betrachten, dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Selber war ich nicht betroffen aber die Berichte und Begegnungen mit Opfern haben bewirkt dass ich seitdem um Traditionen jedweder Art, in der völlige Hingabe an einen Meister gefordert wird, einen weiten Bogen mache.


    Unmündigkeit, ich nenne es lieber Verführbarkeit, ist eine menschliche Eigenschaft. Bis auf wenige Ausnahmen sind wir doch alle von Gier, Hass und Verblendung verführt. Menschen die ihre Position ausnutzen um andere zu verführen sind demnach selber Opfer der Geistestrübungen.

    Ich weiß nicht wie weit Immanuel Kant seine Geistestrübungen auflösen konnte, aber dass der Wahlspruch der Aufklärung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, wenig gefruchtet hat ist eine traurige Tatsache die sich unter anderem in zwei Weltkriegen gezeigt hat. Wie kann das geschehen, wieso lassen sich die Massen von Autokraten zu den widerwärtigsten Handlungen hinreißen? Das geschieht weil der Mensch unvollkommen und verblendet ist und daher der Führung bedarf. Ein Buddha, der "Führer der Götter und Menschen" kommt nur selten in diese Welt, in der gewöhnlich der Blinde den Blinden führt.


    Grundsätze der Vernunft und Moral werden in der Welt tagtäglich millionenfach mit Füßen getreten und Schuld daran sind die Triebe, die Macht der Verblendung, Mara oder Maya. Das sagt mir der Verstand aber nach vielen Jahren steigt immer noch Groll in mir auf wenn ich an den Missbrauch in der spirituellen Gemeinschaft denke, der ich mich vor 35 Jahren zugehörig fühlte. Immer wenn ich von solchen Verirrungen höre bedarf es einer Besinnung und Anstrengung um das nüchtern zu sehen, so wie es in Wirklichkeit ist, um keinen Hass aufkommen zu lassen. Neben der Aufforderung sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, ist ja "Mitgefühl mit allen Wesen" ein Wahlspruch des Buddhismus.

    Selbständig zu denken, "bei sich selber Zuflucht finden mit der Lehre als Zuflucht" bedeutet mithin aus den Erfahrungen zu lernen. Es gibt viel zu lernen um die Trübungen oder Kilesa in sich selber zu beseitigen, es gibt viele Fallen auf diesem Weg und nur wenige Menschen können ihn zu Ende gehen. Ich weiß nicht sicher wie ich selber handeln würde wenn ich in der Position einer Autorität wäre.

    Jedenfalls bin ich bei Autoritäten aller Art sehr vorsichtig geworden und bin nie wieder eine zu enge Bindung eingegangen. Etwa einer Aufforderung dem Lehrer wie dem Buddha selber zu begegnen komme ich nicht nach. Auch in der hiesigen Geschichte hat es zu viel Unheil geführt, einen Priester oder Papst als Stellvertreter von Jesus oder Gott zu betrachten. So etwas würde ich niemandem empfehlen. Vielleicht ist das für einige ein heilsamer Weg aber falls es ein kürzerer Weg ist, dann ist es doch ein gefährlicher.

  • Ich erlaube mir mal, kurz daran zu erinnern, was ich hier vor einer Woche schrieb:

    Zitat

    Wobei pauschales Tibet-bashing eigentlich nur von einem Informationsdefizit zeugt. Da gibt es schon noch ein bißchen mehr als nur Vajrayana und Guruyoga. Und selbst das wird nicht immer missbraucht - auch wenn es sicherlich das mit Abstand größte Potential dazu hat.

    Was nun wiederum die Frage aufwirft, warum hier manche Leute so tun, als ginge es hier um Kritik am 'Tibetischen Buddhismus'. Eine solche Undifferenziertheit, wie sie die selbsternannten 'Verteidiger' hier auszeichnet, hat natürlich eine Funktion - die des Deckmantels. Man versucht damit, die Kritik z.B. an der KK-Fraktion mit Ogyen Trinley an der Spitze zu einer Kritik des tibetischen Buddhismus insgesamt umzudeklarieren und damit zu entwerten; sie als Diffamierung zu denunzieren.


    Das ist nichts als ein altbekannter und ziemlich billiger rhetorischer Taschenspielertrick; die sog. Erweiterung oder Verabsolutierung (die 'Kunstgriffe' 1 und 3 in Schopenhauers 'Eristischer Dialektik'). Damit es auch der Letzte kapiert: eine Kritik an der KK-Führungsriege mit der Gallionsfigur Ogyen Trinley ist nicht automatisch Kritik z.B. an den Gelugpa oder am Dalai Lama; nicht einmal am konkurrierenden Karmapa und dessen Fraktion. Und schon gar nicht eine des 'Tibetischen Buddhismus' insgesamt und auch keine von Marpa oder Milarepa. So wenig, wie es eine Kritik des Buddhismus generell ist - was dann die nächste Steigerung von Erweiterung und Verabsolutierung wäre. Es geht um die schwarzen Schafe, nicht die ganze Schafherde.


    Es ist im Gegenteil so, dass mit solch einer Argumentation der Buddhismus (oder spezifischer der 'Tibetische Buddhismus' oder auch Zen) in Geiselhaft genommen wird, um berechtigte Kritik an Mißständen abzuwehren. Nicht die Kritiker (soweit sie nicht selbst mit solch unsauberen Mitteln arbeiten) diffamieren den Buddhismus, vielmehr die Kritisierten bzw. deren Verteidiger tun dies. Sie missbrauchen ihn als Deckung und schaden damit seinem Ansehen mehr, als es nichtbuddhistische Kritiker könnten. Um so mehr ist dies Grund, dass sich Buddhisten gegen eine solche Vereinnahmung wehren.


    Ansonsten - Löschung von Beiträgen ohne Begründung, das geht gar nicht. Das ist Zensur. Die Angaben in dem Beitrag waren übrigens sorgfältig und zeitaufwendig u.a. auf Phayul, The Indian Express, Times of India und Tibetan Review recherchiert. Wenn der Beitrag nicht wiederhergestellt wird - wobei ich bereit bin, bei nachvollziehbarer Begründung den Beitrag in Details zu redigieren - bin ich hier raus. Nicht nur aus dem Thread, aus Buddhaland generell. Ich mache das hier nicht zum Spass.


    Als kleines Abschiedsgeschenk ein gekürztes Zitat aus dem Pātimokkha, Abschnitt Pārājikā Dhammā (Regeln über Vergehen, die jegliches Erlösungsstreben vereiteln und den Ausschluss aus dem Sangha zur Folge haben):

    Zitat

    Mönche, aus diesem Anlaß verkünde ich hiermit einen Übungspfad für Mönche aus zehn Gründen:


    1. um der Vortrefflichkeit des Ordens willen,

    2. um des Wohlbefindens des Ordens willen,

    3. um übelgesonnene Menschen im Zaum zu halten,

    4. damit es gutgesonnene Mönche gut haben,

    5. zur Zügelung diesseitiger Triebe (āsavā),

    6. zur Abwehr jenseitiger Triebe,

    7. um denen befriedende Zuversicht (pasāda) zu bringen, die sie noch nicht gefunden haben,

    8. zur Vergrößerung der Zahl derer, die sie gefunden haben,

    9. zur Befestigung der Wahrheitslehre und

    10. zur Befolgung der Heilszurechtführung.


    Ein Mönch, der Geschlechtsverkehr ausübt, ist ausgeschlossen, steht außerhalb der Gemeinschaft.

    [...]

    So gelte denn folgender Übungspfad: Ein Mönch, der in diebischer Weise Nichtgegebenes in einem Wert an sich nimmt, bei dem der König einen Dieb, der ertappt worden ist, auspeitschen oder einsperren oder verbannen ließe, ist ausgeschlossen, steht außerhalb der Gemeinschaft.

    [...]

    Fünf große Räuber sind in der Welt zu finden, Mönche, wel­che fünf?


    Da denkt der eine Räuber: Selbstverständlich will ich, von einem Hundert oder Tausend umringt, durch Dörfer und Städte und Königreiche ziehen und töten und töten lassen, zer­stören und zerstören lassen, foltern und foltern lassen. Ebenso, Mönche, denkt da ein schlechter Mönch: Selbstverständlich will ich, von Hundert oder Tausend umringt, durch Dörfer und Städte und Königreiche auf Almosentour ziehen und, geschätzt, geachtet, anerkannt, gerühmt, verehrt, unterstützt von Haus­leuten und Hauslosen, den Bedarf an Gewändern, Speis und Trank, Lagerstatt und Arznei solcher erhalten, die in die Hauslosigkeit gezogen sind. Das, Mönche, ist der erste große Räuber, der in der Welt zu finden ist.


    Weiter, Mönche: Da hat ein schlechter Mönch die Lehre und die Ordensregel, wie sie vom Erhabenen dargelegt worden ist, auswendig gelernt und macht damit Geschäfte, wie wenn sie sein eigen wäre. Das, Mönche, ist der zweite große Räuber, der in der Welt zu finden ist.


    Weiter, Mönche: Da bezichtigt ein schlechter Mönch einen Nachfolger des reinen höchsten Wandels, einen, der den höchsten Wandel absolut rein führt, grundlos eines Verstoßes gegen den höchsten Wandel. Das, Mönche, ist der dritte große Räuber, der in der Welt zu finden ist.


    Weiter, Mönche: Da umschmeichelt und beschwatzt ein schlechter Mönch einen Hausvater wegen Dingen, die für den Orden von Wert und von Nutzen sind wie ein Kloster, ein Klostergelände, eine Behausung, ein Grundstück für eine Behausung, eine Lagerstatt, einen Stuhl, ein Polster, einen Kupferkessel, einen Kupfertopf; eine Kupferschüssel, einen Kupferbecher, ein Rasiermesser, eine Axt, ein Beil, eine Hacke, einen Spaten, eine Liane, Bambusstäbe, Muñjagras, Babbajagras, Tinagras, Ton, hölzerne oder irdene Gegenstände. Das, Mönche, ist der vierte große Räuber, der in der Welt zu finden ist.


    Ihr Mönche: In der Welt mit ihren guten und bösen Geistern, mit ihren Asketen und Geistlichen, Göttern und Menschen ist aber das der größte Räuber, der sich übermenschliche Eigenschaften anmaßt, die er nicht besitzt. Und warum?


    Ihr habt euch durch Diebstahl vom Almosen des Landes ernährt, Mönche.


    Wer sich für etwas anderes

    ausgibt, als was er wirklich ist:

    durch Lug und Trug hat er gespeist,

    durch Diebstahl nahm er es zu sich.

    Die gelbe Robe tragen auch,

    die ungezügelt, übel sind.


    Die Üblen durch ihr übles Tun

    erscheinen in der Höllenwelt.


    Den Eisenball schluckt besser man,

    der flammend schmilzt in Feuersglut,

    als daß man sittenlos verzehrt

    des Landes Spende, zügellos.

    [...]

    Ein Mönch, der, ohne das entsprechende Erleben sich selber eine übermenschliche Eigenschaft, ausreichende heilende Kenntnis anmaßt: 'Das erlebe ich, das kenne ich' – auch wenn er hinterher, auf Drängen oder ohne Drängen zugibt, daß er gefallen ist und in dem Wunsch, gereinigt zu werden, spricht: "Brüder, ohne es zu kennen, habe ich gesagt 'ich kenne es', ohne es zu sehen: 'ich kenne es'; ich habe eitel und leer und hohl dahergeredet', auch dann ist er ausgeschlossen, steht außerhalb der Gemeinschaft."

    _()_

    OM MONEY PAYME HUNG