Zen-Priester unter Missbrauchsverdacht

  • Sudhana:

    Ich frage mich eher, wie die Staatsanwaltschaft dazu kommt, hier die Auskunft zu verweigern. Ich wüsste nicht, was an einer Auskunft "der Beschuldigte hat ein volles / ein Teilgeständnis abgelegt" oder "der Beschuldigte äußert sich nicht zu den Vorwürfen" oder "der Beschuldigte bestreitet die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe" rechtswidrig sein soll.


    Die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten und der Datenschutz?

  • Aktuelles zu dem Fall:


    http://www.augsburger-allgemei…rauchs-an-id41106891.html


    Hier auch meine Meinung dazu (auch unter http://buddhismus-aktuell.de/m…-fluechtlingskindern.html zu lesen):


    Die Flut der Mißbrauchsfälle im Zen-Buddhismus dauert leider an. Nach der Reihe von Fällen, in denen verschiedene Zen-Meister ihre Schülerinnen systematisch mißbraucht haben (siehe BA 3/2013), wurde im Herbst letzten Jahres ein deutscher Zen-Lehrer wegen sexueller Straftaten verhaftet.


    Eine solche Serie von traurigen Ereignissen dürfte für die restliche buddhistische Gemeinschaft Anlass bieten, einige unangenehme Fragen über unsere Praxis zu stellen. Vor allem müssen wir langsam zugeben, dass ein Großteil dessen, was man Zen-Meister an Tugenden und Einsicht gemeinhin zuschreibt, angesichts der Tatsachen einfach nicht stimmt. Ich möchte hierzu drei konkrete Beispiele nennen.


    Zen-Meister verhalten sich moralisch besser
    Nach den Fällen Shimano, Maezumi, Zernickow, Baker, Sasaki, Merzel, usw. ist es kaum noch erwähnenswert, dass Zen-Meister auch zu egoistischem und verwerflichem Handeln fähig sind. Sie sind in der Lage, nicht nur ihren einzelnen Schülerinnen zu verletzen, sondern oft ihre gesamte Sangha dabei zu zerstören. Und ihnen wird trotzdem immer noch eine gewisse moralische Überlegenheit beigemessen. Absurderweise gibt es von dem gerade inhaftierten Lehrer eine DVD zu kaufen, die ausgerechnet das Thema « Ethik im Zen » behandelt. Man ist im Zen zwar immer schon skeptisch gegenüber leeren Worten gewesen, aber die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ist in diesem Fall besonders krass.


    Zen-Meister lassen sich nicht täuschen
    Besonders im Rinzai-Zen wird betont, dass das persönliche Gespräch zwischen Meister und Schüler die tiefstmögliche Begegnung zweier Menschen darstelle, welche die reine Kommunikation « von Geist zu Geist » möglich mache. Während solchen Gesprächen helfe der Meister dem Schüler, seine « ursprüngliche Natur » jenseits von dualistischen Gedanken oder Begierden zu erleben. Dabei seien Versuche des Schülers, vorgetäuschte Antworten zu geben oder sich unecht zu benehmen, stets vergeblich, weil sie vom Meister blitzschnell erkannt und bloßgestellt werden. Nun erscheinen solche Behauptungen aber ziemlich hochgeschraubt, wenn einige Menschen offenbar das gesamte Koan-Curriculum durchlaufen können, ohne dass ihr Meister dabei merkt, dass sie zu sexueller Deviation, Narzissismus, oder gar Soziopathie neigen.


    Zen-Meister sind weniger angehaftet
    Es ist inzwischen so selbstverständlich, dass Zen-Meister den ganz normalen menschlichen Trieben nachgehen, dass man leicht vergisst, dass der Buddha damals eigentlich was anders gepredigt hatte. Und die Erfahrung der letzten Jahren zeigt, dass solche Menschen nicht nur an sexuelle Befriedigung, sondern auch an Ruhm, Geld oder Macht haften können. Auch der aktuelle deutsche Fall macht dies deutlich: bislang haben sich nämlich weder der Verdächtigter noch sein Tempel öffentlich zu seiner Verhaftung geäußert. Auf der einen Seite ist es bei einem solch sensiblen Thema natürlich nachvollziehbar, dafür erst die rechtskräftige Verurteilung abzuwarten. Auf der anderen Seite ist der Mann aber angeblich Zen-Meister. Und nach dem dazugehörigen Dogma schweben solche Wesen ja quasi oberhalb der weltlichen Gesellschaft: sie haften an nichts, fürchten weder Alter noch Tod, haben nichts zu erreichen weil es nichts zu erreichen gibt, usw. Was also hindert diesen Mann daran, die Wahrheit über seinen Tat einfach sofort preiszugeben? Jeder noch so unbedeutende Politiker ist heute in der Lage, ethische Verfehlungen zuzugeben, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen und die Verantwortung dafür auf sich zu nehmen. Warum kann also ein angeblich erfahrener spiritueller Lehrer dies nicht auch tun? Wo bleibt denn hier « Wäsche waschen nach der Ekstase »?


    Zusammenfassend ist es für mich also klar, dass viele der überlieferten Versprechungen über Zen-Meister heutzutage schlicht nicht eingehalten werden. Ob sie jemals eingehalten wurden, oder ob die zugeschriebene Qualitäten immer schon übertrieben waren, sei erstmal dahingestellt. So oder so bleibt festzuhalten, dass die Zeiten der Mytholisierung des Zen-Meisters nun endgültig vorbei sind. Man kann aber hoffen, dass wenn solch unhaltbare Erwartungen einmal wegfallen, dass das Verhalten der kommenden Generation der Zen-Lehrer sich auch normalisieren wird. Luft nach oben wäre auf jeden Fall da.


    - Christopher Hamacher

  • Christopher:


    Danke. Traurig.
    Ich hatte mal Kontakt zu ihm und reichere hier meine Erfahrung insofern an, als ich eben darin eine Bestätigung sehe, dass niemand einen anderen wirklich kennt und man selbst auch nicht weiß, wie man sich in unbekannten Situationen verhalten wird.
    Aber - das hätte ich nicht gedacht. Nicht im Traum.


    Deine Schlussfolgerungen halte ich für etwas einseitig:

    Christopher:

    Vor allem müssen wir langsam zugeben, dass ein Großteil dessen, was man Zen-Meister an Tugenden und Einsicht gemeinhin zuschreibt, angesichts der Tatsachen einfach nicht stimmt.


    Ich sehe es so, dass Autoritäten wie Zen-Meister durch uns mit wertvollen Eigenschaften ausgestattet werden, die eigentlich nur Leuten zugeschrieben werden, die schon lange tot sind. Wir wollen und vielleicht brauchen wir auch (noch) Menschen, denen wir unser Leben anvertrauen und von denen wir uns anleiten lassen wollen - das ist dann oftmals ein vorführen und eine Übertragung von Verantwortung und auch eine Verführung. Es verführt ja auch den, der vor uns her läuft, sich was darauf einzubilden, dass er "die Zweifelnden anleitet".
    Neben diesen Einzelfällen - gibt es sicherlich auch noch jede Menge Dunkelziffern, aber auch sehr viele, denen man sich tatsächlich anvertrauen kann. Von denen erscheint ja nichts plakativ öffentlich.


    So sehe ich den Spiess umgedreht:


    Nicht Zen-Meister verhalten sich moralisch besser - sondern wir wollen dass es so sei.
    Ebenso wünschen wir uns, dass Zen-Meister sich nicht täuschen.


    Zitat

    Besonders im Rinzai-Zen wird betont, dass das persönliche Gespräch zwischen Meister und Schüler die tiefstmögliche Begegnung zweier Menschen darstelle, welche die reine Kommunikation « von Geist zu Geist » möglich mache. Während solchen Gesprächen helfe der Meister dem Schüler, seine « ursprüngliche Natur » jenseits von dualistischen Gedanken oder Begierden zu erleben. Dabei seien Versuche des Schülers, vorgetäuschte Antworten zu geben oder sich unecht zu benehmen, stets vergeblich, weil sie vom Meister blitzschnell erkannt und bloßgestellt werden. Nun erscheinen solche Behauptungen aber ziemlich hochgeschraubt, wenn einige Menschen offenbar das gesamte Koan-Curriculum durchlaufen können, ohne dass ihr Meister dabei merkt, dass sie zu sexueller Deviation, Narzissismus, oder gar Soziopathie neigen.


    Ich vermute mal, dieses Gerücht stammt von D.T.Suzuki - und in einer autoritätsfixierten Gesellschaft wie Japan, sind derartige Idealisierungen üblich. Man muss schon die Innensicht einnehmen können, also das Curriculum durchlaufen haben, damit man weiß, dass dem natürlich nicht so ist. Das sind alles hohle Worte. Aber man wünscht es sich, weil man ja selbst so sein möchte. Und da spielen eben viele das böse Spiel mit.


    Zitat


    Zusammenfassend ist es für mich also klar, dass viele der überlieferten Versprechungen über Zen-Meister heutzutage schlicht nicht eingehalten werden. Ob sie jemals eingehalten wurden, oder ob die zugeschriebene Qualitäten immer schon übertrieben waren, sei erstmal dahingestellt. So oder so bleibt festzuhalten, dass die Zeiten der Mytholisierung des Zen-Meisters nun endgültig vorbei sind. Man kann aber hoffen, dass wenn solch unhaltbare Erwartungen einmal wegfallen, dass das Verhalten der kommenden Generation der Zen-Lehrer sich auch normalisieren wird. Luft nach oben wäre auf jeden Fall da.


    - Christopher Hamacher


    Ich teile deine Hoffnung nicht, denn der Wunsch nach Idealen wird immer bleiben und solche Ausgeburten erzeugen.

  • Zen-Meister sind auch nur Menschen.
    Mein erster Lehrer hat einmal zu mir gesagt, "Warte bis du auf meinem Kissen sitzt. Du wirst dich wundern, was alles an dich herangetragen wird. Damit umzugehen wird zu deiner Lebensaufgabe werden."


    Lehrer werden gerne auf einen Sockel gestellt. Dann hat man was zum Umschmeißen. (:


    Aber es gibt auch Lehrer, die lassen sich gerne auf einen Sockel stellen. Da muss man dann genau hinschauen.


    Und alles hinschauen bewahrt einen nicht davor, etwas zu übersehen. Und das gilt für beide Seiten; für den Schüler, wie für den Lehrer. Denn auch der Lehrer kann bei sich etwas übersehen oder auch nicht sehen wollen.


    Also, was bleibt?
    Es gibt keine Zen-Meister, es gibt nur Zen.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

  • Wenn die Berichte stimmen, dann hat dieser Mann ein KIND missbraucht, ggfs. sogar mehrere, und als Abgrund verseuchten Tuns auch noch Kinder aus Familien, die sowieso zu den geschädigsten und geschändesten gehören, nämlich Flüchtlinge. Ob der Täter Zen-Meister oder Atheist oder Klo-Mann oder sonst was ist, das ist völlig egal. Was er tat, ist (WENN es es tat!) ein Verbrechen. Punkt.


    Als der Missbrauchsskandal die katholische Kirche erfasste, hiess es auch nicht "Pater XYZ ist auch nur ein Mensch". Das hätte mal damals jemand sagen sollen, dann wäre aber was los gewesen...! Und zwar zu Recht.

  • Lucy,


    längst nicht jeder Missbrauchstäter hat psychische Probleme. Das klingt wieder ein wenig Richtung "Entschuldigung", "er ist ja krank, der Arme..."


    Ich habe jahrelang mit den OPFERN solcher Männer (und durchaus auch einiger Frauen) gearbeitet, SIE sind die Opfer, nicht diejenigen, die ihnen das antaten... MICH interessiert, ehrlich gesagt, die therapeutische Hilfe für die Opfer (die kaum stattfindet!!!) viel mehr als die für die Täter, sofern diese nicht einfach nur unfähig sind, ihre Triebe in Zaum zu halten.

  • Dass Menschen mächtigen und tief verwurzelten Trieben erliegen führt ja überall und zu jeder Zeit in der Welt zu vielen Leiden. Das macht auch nicht Halt vor spirituellen Institutionen, wo man extra bemüht ist, Triebe zu beseitigen - Kirchen, Klöstern, Tempeln, Ashrams, Meditationszentren. Da kommt noch die Verfehlung einer besonderen Heuchelei hinzu, ein Priester, spiritueller Lehrer oder Meister betrügt seine Schüler und solche die ein Vorbild in ihm sehen, gerade wegen seine Ethik, Weisheit und des vermeintlichen Fortschritts in Triebbeseitigung achten, ehren oder bewundern. Immer wieder erstaunlich, wie weit dieses doppelte Spiel oft getrieben wird, sogar Priester oder Lehrer die weithin Ansehen und Unterstützung genießen, verstecken eine üble Leiche im Keller. Zum Kindes- auch noch der Vertrauensmissbrauch in großem Stil.


    Vorbilder und Lehrer sind nötig, aber je größer die Abhängigkeit des Schülers ist, desto größer ist die Enttäuschung und der Jammer bei solchen Enthüllungen. Leider kann man kaum jemandem vertrauen. Ich habe selber vor längerer Zeit in einer Yogaschule so eine Enttäuschung erlebt. Es war und ist schwierig, die Empfindung von Ärger und Ablehnung in uneingeschränktes Mitgefühl umzuwandeln, und zwar für Opfer und Täter. Aber ich bin überzeugt dass es der beste Weg ist, sich darin zu üben.

  • mukti:

    Es war und ist schwierig, die Empfindung von Ärger und Ablehnung in uneingeschränktes Mitgefühl umzuwandeln, und zwar für Opfer und Täter. Aber ich bin überzeugt dass es der beste Weg ist, sich darin zu üben.


    Ohne Frage wäre das ideal, mukti. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass meist mit den Tätern mehr Verständnis/Mitgefühl gehabt wird als mit den Opfern, bzw. dass die Opfer einfach unter den Tisch fallen. Täter kriegen Psychotherapie, Opfer müssen um jede Stunde kämpfen, und ich weiss, wovon ich rede, ich habe in diesem Bereich lange gearbeitet.

  • Waldler:
    mukti:

    Es war und ist schwierig, die Empfindung von Ärger und Ablehnung in uneingeschränktes Mitgefühl umzuwandeln, und zwar für Opfer und Täter. Aber ich bin überzeugt dass es der beste Weg ist, sich darin zu üben.


    Ohne Frage wäre das ideal, mukti. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass meist mit den Tätern mehr Verständnis/Mitgefühl gehabt wird als mit den Opfern, bzw. dass die Opfer einfach unter den Tisch fallen. Täter kriegen Psychotherapie, Opfer müssen um jede Stunde kämpfen, und ich weiss, wovon ich rede, ich habe in diesem Bereich lange gearbeitet.

    Es ist doch wichtig die Motivation der Täter zu ergründen, den hat man ja das Opfer ist doch nur Opfer, da gibt es nichts zu ergründen also auch keine Hilfe. Die Sensation Täter ist eine Schlagzeile wert, das Opfer nur ein Schulterzucken. Aus der Berichterstattung aus dem Sinn, was soll man auch von Opfer berichten is doch nur ein Opfer, Statistik. Aber der Täter der beleibt greifbar, untersuchbar, kann hofiert werden.

  • Waldler:
    mukti:

    Es war und ist schwierig, die Empfindung von Ärger und Ablehnung in uneingeschränktes Mitgefühl umzuwandeln, und zwar für Opfer und Täter. Aber ich bin überzeugt dass es der beste Weg ist, sich darin zu üben.


    Ohne Frage wäre das ideal, mukti. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass meist mit den Tätern mehr Verständnis/Mitgefühl gehabt wird als mit den Opfern, bzw. dass die Opfer einfach unter den Tisch fallen. Täter kriegen Psychotherapie, Opfer müssen um jede Stunde kämpfen, und ich weiss, wovon ich rede, ich habe in diesem Bereich lange gearbeitet.


    So, das ist natürlich nicht gut. Ich habe einmal erlebt wie ein wegen Missbrauch entwicklungsgestörter Junge im Winter aus einem Ashram hinausgeworfen wurde, weil er nicht in der Lage war sich in die Abläufe dort zu integrieren. Er war alleine, desorientiert und mittellos, und hat unter der Eingangsstiege im Freien übernachtet. Ich habe ihn dann in meine Wohnung mitgenommen.
    Suspendierte Lehrer-Täter gründen dann manchmal eine eigene Sekte mit treu gebliebenen Anhängern. Da kann man schon mal einen Zorn kriegen - damit ist aber auch niemand geholfen.

  • Waldler:

    Wenn die Berichte stimmen, dann hat dieser Mann ein KIND missbraucht, ggfs. sogar mehrere, und als Abgrund verseuchten Tuns auch noch Kinder aus Familien, die sowieso zu den geschädigsten und geschändesten gehören, nämlich Flüchtlinge. Ob der Täter Zen-Meister oder Atheist oder Klo-Mann oder sonst was ist, das ist völlig egal. Was er tat, ist (WENN es es tat!) ein Verbrechen. Punkt.


    Als der Missbrauchsskandal die katholische Kirche erfasste, hiess es auch nicht "Pater XYZ ist auch nur ein Mensch". Das hätte mal damals jemand sagen sollen, dann wäre aber was los gewesen...! Und zwar zu Recht.


    Mag ja sein, Waldler, aber darum ging es bei meinem Posting auch nicht. Es ging darum, was mit dem Begriff Zen Meister so alles verbunden wird.
    Ansonsten finden ich Hilfe für Opfer und für Täter sinnvoll und wichtig.
    Und auch ich habe durchaus meine persönlichen Erfahrungen mit dieser Thematik.
    Also, kein Stress.

    Ohne eine lange Zeit grimmiger Kälte,
    die Dir in die Knochen fährt –

    wie könnten die Pflaumenblüten

    dich erfüllen mit ihrem durchdringenden Duft?
    (Obaku)

    • Offizieller Beitrag

    Wenn der Beschuldigte einer jener arroganten, selbsterklärten Meister wäre - einer jener charismatischen Guru-Gestalten, die sich mit falschen Titeln und phantastischen Roben schmücken und einen auf "crazy wisdom" machen, dann würde die Kritik von Christopher viel mehr Sinn machen. Dann wäre die Idee des "Zen-Meisters als Übermensch" das Problem und man könnte zukünftige Missbrauchsfälle verhindern, indem man dieses Konzept fallen lässt.


    Aber ist es nicht so, dass diese Logik gerade auf diesen Fall nicht passt, weil der Beschuldigte eher als bescheider Zen-Priester auftrat - also gerade für einen seriösen Ansatz stand. Was die Sache in gewisser Weise noch viel schlimmer macht.

  • void:

    Wenn der Beschuldigte einer jener arroganten, selbsterklärten Meister wäre - einer jener charismatischen Guru-Gestalten, die sich mit falschen Titeln und phantastischen Roben schmücken und einen auf "crazy wisdom" machen, dann würde die Kritik von Christopher viel mehr Sinn machen. Dann wäre die Idee des "Zen-Meisters als Übermensch" das Problem und man könnte zukünftige Missbrauchsfälle verhindern, indem man dieses Konzept fallen lässt.


    Aber ist es nicht so, dass diese Logik gerade auf diesen Fall nicht passt, weil der Beschuldigte eher als bescheider Zen-Priester auftrat - also gerade für einen seriösen Ansatz stand. Was die Sache in gewisser Weise noch viel schlimmer macht.


    1. Es ist - was den Zen-Meister anbelangt, ein institutionelles Problem. Da werden Leute zu etwas gemacht, was sie nie sein können. Dieser Zirkus sollte beendet werden. Sie haben ja überhaupt keine Qualifikation, um Menschen anzuleiten. Koan-Schulung kann's ja nun nicht bringen. Aber da werden dann andere, die an solchen Popanz glauben, bewusst von der Institution in die Irre geführt.


    2. Man kann in andere Menschen nicht hinein sehen. Selbst die Ehefrau hat da offenbar nichts gemerkt, bzw. kam nicht auf die Idee, bestimmte Zeichen in eine bestimmte Richtung zu deuten. So funktioniert aber Wahrnehmung: ich muss schon wissen, was ich wahrnehmen soll, damit ich etwas wahrnehmen kann.


    http://www.huffingtonpost.com/…eally-know_b_5996942.html


    3. Ich kann nicht erkennen, dass Dorin Genpo als bescheidener Mensch aufgetreten ist. Das sit eine Projektion. Vielleicht gibt es noch die videos auf mystika - da finde ich, er ist durchaus eitel und von sich eingenommen. Außerdem muss er auch Werbung für den Tempel machen, da braucht man dann eine persona. Er hat lediglich die Uniform gewechselt - vom Polizisten zum Zen-Priester.
    https://www.youtube.com/watch?v=EN6YmO5cniY

  • Zitat

    Ansonsten finden ich Hilfe für Opfer und für Täter sinnvoll und wichtig.


    Eben, Festus. Ich habe mal das wichtigste Wort fettkursiv hervorgehoben. Nur ist es leider so, dass die Täter immer Hilfen bekommen (Therapie im Knast oder als Bedingung für eine Bewährungsstrafe), was ja als Prävention im Prinzip auch sinnvoll ist. Aber die Opfer kriegen so gut wie nie Hilfen oder müssen in unwürdigster Weise darum kämpfen.


    Und mir ist es wirklich egal, was der Täter von Beruf oder von Berufung ist. Das spielte in meiner zugegebenermassen etwas heftigen Reaktion keine Rolle. Ich hätte genauso reagiert, wenn er einen anderen Beruf hätte, denn in der Tat kann auch ein spiritueller Lehrer, Meister, Guru oder was weiss ich, ein Täter sein. Das Idealbild, das wir von solchen Lehrern haben, muss keineswegs der Realität entsprechen und tut es meistens auch nicht (auch davon kann ich ein trauriges Lied singen...).


    Du hast Recht, mukti, es ist niemandem geholfen, wenn man Zorn kriegt. Aber ich muss einfach drauf hinweisen. Immer wieder. Sonst wird das Mitgefühl mit dem Täter irgendwann grösser als das mit den Opfern. Und das darf nicht sein.


    Void, in unserer Gegend lebte in den 60er Jahren einer der brutalsten Mörder der Kriminalgeschichte Deutschlands. Er war ein ganz leiser Typ, hatte eine sanfte Stimme, war eher schüchtern, sehr bescheiden. NIEMAND hätte damals gedacht, dass er fähig wäre, mehrere Jungen bestialisch zu ermorden. Aber er tat es. Man kann einem Menschen seine Taten und Tatbereitschaft leider nicht ansehen.


    LG


    W.


    P.S. Ich fände es gut, hier keinen Namen zu nennen...

  • Da hatte ich wohl doch Recht mit meinen Behauptungen. Leider kann ich mich nicht darüber freuen, da andere Menschen sehr viel Leid erfahren haben.


    Jungen missbraucht: Zen-Priester gibt Vorwürfe zum Teil zu

    Zitat

    Die Anklage, die dem 61-Jährigen und seinem Verteidiger Prof. Hermann Kühn jetzt zugestellt wurde, geht noch weiter: Dem früheren spirituellen Leiter einer buddhistischen Gemeinschaft in der Region wird sexueller Missbrauch in insgesamt 22 Fällen vorgeworfen. Er ist dringend verdächtig, zwischen den Jahren 2005 und 2015 an Buben sexuelle Handlungen vorgenommen und Bild- und Filmaufnahmen von ihnen gemacht zu haben. Die Buben waren zur Tatzeit zwischen vier und 13 Jahre alt.
    Außerdem soll der 61-Jährige kinder- und jugendpornografische Schriften besessen haben: Bei ihm wurden knapp 2000 Bild- und Videodateien mit pornografischen Darstellungen von Kindern und über 800 Dateien von Jugendlichen sichergestellt.


    http://www.augsburger-allgemei…m-Teil-zu-id41120306.html


    http://www.stadtzeitung.de/aug…reis-augsburg-d24299.html


    https://www.merkur.de/bayern/m…nch-schuldig-8104202.html


  • Danke, verrückter Narr, das ist ja alles noch schrecklicher als ich dachte. Das ist kein "Ausrutscher", weil der Trieb einen Menschen "überfallen" hat, das ist systematischer widerlicher Missbrauch. Schrecklich. Seine Familie tut mir unendlich Leid.

  • Hallo, Lucy,


    es tut mir leid, dass ich heute morgen so heftig reagiert habe. Aber ich bin da sehr (zu?) empfindlich, weil so unendlich viel Leid gesehen habe. Übrigens hatten wir in unserer Beratungsstelle nie Probleme, Gelder für die Therapie der Täter zu bekommen (in Gefängnissen ist das sowieso "inklusive"!), wohl aber IMMER beim Beschaffen von Finanzierungemitteln für die Opfer. Wirklich IMMER. Meine Erfahrung ist da wohl eine andere als bei/von Dir.


    Lieben Gruss und nochmal: Bitte verzeih...


    Waldler

  • Danke für die vielen vernünftigen Kommentare. Auch sie geben Hoffnung.


    Tychiades:

    So sehe ich den Spiess umgedreht:


    Nicht Zen-Meister verhalten sich moralisch besser - sondern wir wollen dass es so sei.
    Ebenso wünschen wir uns, dass Zen-Meister sich nicht täuschen.


    Diese Ansicht wurde auf der BA-Seite auch vertreten, so dass meine Antwort von dort hier zitieren würde:


    Ich bin auch Deiner Meinung, dass es unrealistisch ist, sich Ideal-Bilder von Zen-Meistern zu machen. Wie Du sagst, ist da aber jeder für sich selbst verantwortlich. Mein Anliegen ist es eher zu zeigen, wie der Zen-Buddhismus selbst solche idealisierte Bilder schafft und fördert. Es ist ja kein Zufall, dass wir alle genau die gleichen unrealistischen Vorstellungen haben. Und da sind unsere Lehrer mitverantwortlich, dass sie solche leeren Versprechungen wiederholen.


    Aus diesem Grund ist es auch zu einfach zu sagen, dass „der Meister erst zum Meister durch den Schüler“ wird. Im Gegenteil, im Zen wird der Lehrer zum Meister ausdrücklich nur durch die Institution der sogenannten Dharma-Übertragung, mit der ganzen dazugehörigen Hagiographie und Pipapo (siehe z.B. https://www.benediktushof-h... ). Und da sind wir Schüler nicht bloß „selber schuld“ wenn wir uns einbilden, da müsste was ganz besonderes dran sein. Vor allem wenn unsere Lehrer sich dieser Mythologie bewusst bedienen – oder zumindest stillschweigend in Kauf nehmen – weil sie ja davon profitieren.


    Meines Erachtens sind Zen-Lehrer schon ganz gut im Aufzeigen, dass wir Schüler für unsere eigene Einbildungen verantwortlich sind. Aber im Zugeben, dass sie selbst Teil des Problems sind, hapert es noch gewaltig.


    Tychiades:


    1. Es ist - was den Zen-Meister anbelangt, ein institutionelles Problem. Da werden Leute zu etwas gemacht, was sie nie sein können. Dieser Zirkus sollte beendet werden. Sie haben ja überhaupt keine Qualifikation, um Menschen anzuleiten. Koan-Schulung kann's ja nun nicht bringen. Aber da werden dann andere, die an solchen Popanz glauben, bewusst von der Institution in die Irre geführt.


    Da stimme ich Dir voll zu.


    void:

    Wenn der Beschuldigte einer jener arroganten, selbsterklärten Meister wäre - einer jener charismatischen Guru-Gestalten, die sich mit falschen Titeln und phantastischen Roben schmücken und einen auf "crazy wisdom" machen, dann würde die Kritik von Christopher viel mehr Sinn machen. Dann wäre die Idee des "Zen-Meisters als Übermensch" das Problem und man könnte zukünftige Missbrauchsfälle verhindern, indem man dieses Konzept fallen lässt.


    Aber ist es nicht so, dass diese Logik gerade auf diesen Fall nicht passt, weil der Beschuldigte eher als bescheider Zen-Priester auftrat - also gerade für einen seriösen Ansatz stand. Was die Sache in gewisser Weise noch viel schlimmer macht.


    Meine Kritik richtet sich hier nicht gegen selbsternannten Gurus - das wäre zu einfach. Sondern ich möchte zeigen, dass auch "seriöses" Zen leere Versprechungen macht, zum Beispiel die drei Punkte, die ich erwähnt habe. Und das betrifft in diesem Fall teilweise nicht nur Herrn D. selbst, sondern seinen ganz seriösen, Hanazono-Universitäts-leitenden, offiziell von Myoshinji entsandten Zen-Meister, der offensichtlich jahrelang hinters Licht geführt worden ist.


    Wie Du sagst, macht das die Sache viel schlimmer. Ich bin übrigens gespannt, ob wir eine Stellungnahme zu dem Fall von Myoshinji bekommen werde. Da habe ich aber keine große Hoffnung - wir in Westen müssen diese Probleme leider alleine angehen.

  • Waldler:


    Du hast Recht, mukti, es ist niemandem geholfen, wenn man Zorn kriegt. Aber ich muss einfach drauf hinweisen. Immer wieder. Sonst wird das Mitgefühl mit dem Täter irgendwann grösser als das mit den Opfern. Und das darf nicht sein.


    Klar, das ist verständlich, besonders wenn man damit direkt konfrontiert ist. Als Außenstehender hat man ja leicht reden.
    Das Prinzip Metta finde ich aber dennoch unbedingt erwähnenswert, bei jeder Art von Verbrechen. Spontan entsteht Entrüstung und dann Ärger, Wut, alles was in Pali unter dem Überbegriff "lobha" zusammengefasst und oft mit "Hass" übersetzt ist. Das nützt kaum, man schadet sich auch noch selber damit. Jedenfalls kenne ich das nur zu gut von mir selber. Die nächste Steigerung ist dann Rache in Gedanke oder Tat, und so setzt sich das einmal begonnene Unheil immer weiter fort. Diese unheilsame Kette von kamma-vipaka lässt sich durch das Besinnen auf Mitgefühl unterbrechen.

    Aber selbstverständlich sollte sich das Mitgefühl als Erstes und besonders auf die Opfer richten. Dem wollte ich keinesfalls widersprechen. Nur da entsteht es eher von selber, während man beim Täter oft viel daran arbeiten muss.
    Es ist schon unverständlich, wenn das vernachlässigt wird. Sogar ein Massenmörder erhält oft viel Aufmerksamkeit und Zuwendung und wird zu einem Medienstar, während seine Opfer nur am Rande erwähnt werden und bald vergessen sind.

  • Hallo, mukti.


    Ohne Frage hindert mich mein Zorn daran, für die Täter Mettâ zu entwickeln. Aber ich bin auf dem Weg des Buddha noch nicht weit genug firtgeschritten, um DAS schon hinzukriegen. Verständnis dafür, was hinter solchen Taten stecken könnte, ja, sofern es keine Rechtfertigung wird. Aber Mettâ?


    LG


    W.

  • Das bedingte Entstehen, hier gewollt durch den Täter, ist das zulassen von Vorstellungen die ihn sexuell befriedigen. Das in Handlung bringen durch seine Macht, die er erlangt hat durch vertrauen zu seiner Person. Er wusste das es falsch ist doch gerade das nicht Bekanntmachen seiner Taten macht ihn immer sicherer in seiner Macht zu Menschen die sich ihm als Lehrer hingeben. Er wurde sich sicher das es normal ist das auch diese Hingabe zu seinem Lehrer-sein gehörte. Er konnte Menschen verletzen mit ihrer von ihm erkannten Liebe. Er wusste das das eine Liebe ist die nicht die Liebe ist die er lehren musste doch Sex ist auch ein Mittel um zu zahlen, es wurde für ihn neben der Geldspende zu einer Naturalisierten Spende.
    Vielleicht ein Verstehen, kein Verständnis.
    Aber sicher ist das!
    Er benutzte die Liebe der Opfer gegen sie.


  • Weit fortgeschritten bin ich auch nicht, habe nur etwas über das Wesen von Metta - allumfassendes Mitgefühl - nachgedacht und übe mich ein wenig (viel zu wenig) darin. Z.B. über das Gleichnis von der Säge aus M.21. Eine solche grundsätzliche Gesinnung uneingeschränkter Güte zu entwickeln erscheint mir weise. Man wünscht allen Wesen die unter der Verblendung leiden Befreiung, auch wenn diese sie zu den scheußlichsten Taten getrieben hat. Wären sie nicht verblendet, hätten sie es nicht getan. Eine befreiende Erkenntnis, man lässt sich nicht von dem Übel anstecken und lässt auch dem Täter Raum zur Einsicht.
    Übrigens Hass ist nicht lobha (Gier), sondern dosa. Hab' mich geirrt.

  • mukti:

    Wären sie nicht verblendet, hätten sie es nicht getan. Eine befreiende Erkenntnis, man lässt sich nicht von dem Übel anstecken und lässt auch dem Täter Raum zur Einsicht.


    Das Problem ist, dass damit den Opfern nicht geholfen ist. Die meisten Opfer wollen ja gar keine Rache (jedenfalls habe ich die Erfahrung gemacht), aber sie wollen Zustimmung und Verständnis, dass ihnen ein Verbrechen passiert ist, keine Verblendung, keine Nicht-Einsicht, sondern schlicht und ergreifend ein Verbrechen widerlichster Art, unter dem die meisten Opfer ihr Leben lang zu leiden haben. Es ist nicht bös von mir gemeint, wenn ich das sage, aber auch in diesem Thread wird fast nur über den/die Täter geschrieben.................

  • Waldler:


    Das Problem ist, dass damit den Opfern nicht geholfen ist. Die meisten Opfer wollen ja gar keine Rache (jedenfalls habe ich die Erfahrung gemacht), aber sie wollen Zustimmung und Verständnis, dass ihnen ein Verbrechen passiert ist, keine Verblendung, keine Nicht-Einsicht, sondern schlicht und ergreifend ein Verbrechen widerlichster Art, unter dem die meisten Opfer ihr Leben lang zu leiden haben. Es ist nicht bös von mir gemeint, wenn ich das sage, aber auch in diesem Thread wird fast nur über den/die Täter geschrieben.................


    Damit habe ich keine einschlägigen Erfahrungen, da hast du sicher recht. Da reden wir nicht von hauslosen Mönchen und einem Buddha der ihnen zu liebendem Mitgefühl rät selbst wenn sie mit einer Säge zerstückelt werden. Es kommt halt auch immer auf die Umstände an. Man hört schon öfter was von psychologischer Betreuung der Opfer, anscheinend wird da zuwenig getan wie du sagst.