Ich empfinde den Buddhismus als trost- und hoffnungslos

  • Der Buddhismus ist eine Lehre des Realismus, er sieht die Dinge wie sie sind.

    Der Buddhismus ist in erster Linie eine Praxis. Dafür sind die ganzen Lehrreden, die helfen sollen, diese Praxis auszuüben und zu verstehen.


    Dabei beginnt man mit der Satipatthana-Praxis.

    https://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m010z.htm


    Das ist aber kein Selbstzweck, sondern Sati - Achtsamkeit - steht in einem Zusammenhang. Achtsamkeit ist Grundlage und muss zur Einsicht oder Wirklichkeitsergründung führen, dann zur Willenskraft, Verzückung, Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut.

    bojjhanga

    :zen:

  • Der Buddhismus wirkt so lange düster und beinahe depressiv, bis der erste wirkliche Schritt in die Stille erfolgt ist. Ohne diesen Schritt ist die buddhistische Lehre ein Konstrukt.

    "Der Buddhismus" wirkt gar nicht düster und depressiv. Ich bin mit diesem Vortrag beim Buddhismus gelandet. Der ist super nice und lebensbejahend. Man braucht nur kurz in den Anfang reinhören, dann merkt man es eh schon.

    💎 Über den Aufstieg und seine Voraussetzungen - Dalai Lama (youtube.com)

    Aber je mehr ich mich mit dem Buddhismus beschäftige (vor allem Theravada/Pali-Kanon) desto mehr habe ich den Eindruck, dass es dem Buddha eigentlich nicht darum ging, was da der Dalai Lama erzählt. Auch im Zen hatte ich nicht den Eindruck.


  • Nein das ist es nicht (!) Es ist die ‚Identifikation‘ mit Bewusstsein, Gefühl, Willensregungen. Diese unbewusste Identifikation bzw diese unbewusst ablaufenden Identifikationsprozesse werden durch die Worte ‚man erkennt im Bewusstsein, Gefühl etc. ein selbst oder, das ist mein‘‘ deutlich gemacht. Genau genommen ist der Begriff ‚Identifikation‘ also unzureichend, denn mit ihm ist ein bewusster gedanklicher Vorgang impliziert. Die ‚Identifikationsprozesse‘ laufen aber konditioniert, das heisst: eher unbewusst ab.


    Es ist der Durst nach Bewusstsein und Gefühl, der schließlich in gefestigten Vorstellungen von einer Seele mündet.


  • Und wenn man darin ein wenig besser ist beginnt man auch zu verstehen dass ‚der Buddhismus‘ nur ein Name ist.

  • Der Buddhismus wirkt so lange düster und beinahe depressiv, bis der erste wirkliche Schritt in die Stille erfolgt ist. Ohne diesen Schritt ist die buddhistische Lehre ein Konstrukt.


    Etwas viel Buddhaland heute aber ok es ist interessant.


    Welche von den x verschiedenen buddhistischen Lehren wirkt auf dich depressiv? Warum schreibst du nicht dass es auf dich so wirkt, sondern allgemein ‚er wirkt‘? Gibt es einen Buddhismus mit eindeutiger Natur - so dass er immer gleich wirken könnte, so dass man angemessenerweise sagen kann ‚er wirkt so‘?


    Was ist der ‚Schritt in die Stille?‘ Und warum ist ohne diesen Schritt Buddhismus ‚ein Konstrukt‘? Was ist für dich ein Konstrukt? Ist ein Haus für dich ein Konstrukt (zB)? Worin begründet sich das ‚nur‘ eines Konstruktes?


    Worin besteht der Unterschied zwischen einem Schritt und einem ‚wirklichen Schritt‘?


    Gibt es hier noch jemanden dem klar ist dass ‚der Buddhismus‘ nichts weiter als ein Name mit anhängigen Vorstellungen ist, die je nachdem ausfallen?


    Und was ist düster, bzw. was kann düstere Stimmung erzeugen: Die Realität die man in manchen buddhistischen Texten beschrieben sehen kann, oder die Texte selber?



    Ein nächtlicher Gruß an die Menschen ✌️ mit einem Wunsch nach Stille solcher Worte (ok ich muss es ja nicht lesen und hätte auch selber still sein können)



    ET 👽

  • "Der Buddhismus" wirkt gar nicht düster und depressiv. Ich bin mit diesem Vortrag beim Buddhismus gelandet. Der ist super nice und lebensbejahend.


    Klar, denn Töten ist nicht mit Buddhismus. Das ist ja extrem lebensbejahend im Gegensatz zum Dummismus.

  • ich glaube auch das es eher die Vorstellung von leerheit und dem erlöschen ist, was dich betrübt. Vielleicht solltest du nur soviel glauben und das glauben was dir auch gut tut/gesund ist. Weil Man sollte nicht vergessen das Gesundheit ein wichtiges Kampfes Glied ist.

  • ich glaube auch das es eher die Vorstellung von leerheit und dem erlöschen ist, was dich betrübt. Vielleicht solltest du nur soviel glauben und das glauben was dir auch gut tut/gesund ist.

    Mein Zugang zum Buddhismus ist eigentlich über Metta-Meditation oder Tonglen. Reine Achtsamkeitsmeditation hilft mir irgendwie nicht. Ich arbeite in der Pflege. Das kultivieren von Mitgefühl ist da super wichtig. Gott sei Dank gibt es immer mehr Bücher die zum Thema Achtsamkeit auch das Thema Mitgefühl dabei haben.

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

  • ich glaube auch das es eher die Vorstellung von leerheit und dem erlöschen ist, was dich betrübt.


    Das Konzept ‚Leerheit‘ ist womöglich eines der größten Missverständnisse die es in dem Raum ‚Buddhismus‘ gibt.


    Ich wäre insgesamt sehr vorsichtig was man unter der Rubrik ‚Buddhismus‘ lesen kann. Mir ist kein einführender Text begegnet, in welchem die einfache und wichtige Wahrheit ausgesagt wird, dass es nur ein Name ist, der auf ein europäisches Missverständnis und die entsprechende Geistesgeschichte zurückgeht. Das sagt schon sehr viel über das ‚Wissen‘ was hier verkauft wird.

  • Gibt es hier noch jemanden dem klar ist dass ‚der Buddhismus‘ nichts weiter als ein Name mit anhängigen Vorstellungen ist, die je nachdem ausfallen?

    Natürlich. Sicher einige. Das ist für jemanden, der schon länger den Weg gteht, eine schlichte Binsenweisheit. Und die gilt nicht nur für den Buddhismus.

    Für jemanden, der noch am Beginn des Weges steht und Orientierung sucht (Erinnerung: wir sind hier im Anfängerbereich) allerdings kaum hilfreich.


    Was die "anhängigen Vorstellungen" (das Zitat oben ist ja auch eine) angeht, so gibt es auch da für das Erwachen hilfreiche, weniger hilfreiche und kontraproduktive Vorstellungen, "je nachdem". Das macht aus manchen Vorstellungen 'richtige' und aus anderen 'falsche'.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Gibt es hier noch jemanden dem klar ist dass ‚der Buddhismus‘ nichts weiter als ein Name mit anhängigen Vorstellungen ist, die je nachdem ausfallen?

    Nein, das sehe ich nicht so. Es gibt einige Konstanten bei allen buddhistischen Schulen, die auch "die vier Siegel" genannt werden. Fehlt eine von diesen Konstanten, mag es ein interessantes und wertvolles Lehrgebäude sein, buddhistisch ist es dann nicht mehr. Die vier Siegel sind folgende:


    Alles Bedingte ist unbeständig. Vergänglichkeit

    Alles Bedingte ist leidvoll. Leidhaftigkeit

    Alles ist ohne eigenständiges Selbst. Nicht-Ich und Leerheit

    Nirvana ist Frieden. Befreiung


    Die ersten beiden Siegel sind ausreichend, zumindest alle herkömmlichen Zielvorstellungen von Beruf, Glück, Sinn, etc. gründlich infrage zu stellen.


    Zudem sind Leiden auch die Ursachen des Leidens klar definiert in den vier edlen Wahrheiten. Ich kenne keine buddhistische Richtung, die sich darauf nicht beziehen würde.


    Es ist also nicht alles automatisch irgendwie richtig, was Leute an Vorstellungen mit der buddhistischen Lehre verbinden.

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.

  • Mal eine Frage an diejenigen, die hier so vehement Trost und Hoffnung als Beschwichtigung abtun, und über das Bedürfnis nach einer solchen Beschwichtigung anscheinend erhaben sind. Und die den Standpunkt vertreten, dass der Buddhadharma in dieser Hinsicht auch nichts zu bieten habe. Was ist es dann was euch motiviert euch mit dem Buddhadharma zu beschäftigen und ihm zu folgen, wenn es nicht Trost und Hoffnung sind?

    Hoffnung ist ja nichts andres als eine Form der Erwartung - und Trost verlangt einer, wenn er tief enttäuscht ist und über einen Verlust trauert.

    Das passt doch überhaupt nicht zum Buddhismus.


    Wo soll denn im Daseinskreislauf Trost und Hoffnung liegen? Die Daseinsmerkmale sind Leiden, Vergänglichkeit und Nicht-Ich - und Mitgefühl erstreckt sich doch auf diejenigen, die im Daseinskreislauf irgendwie mehr oder weniger verstrickt sind - das ist aber ein tätiges Mitsein, weil es ersichtlich ist, wo da einer verstrickt ist - da will ein Ich Trost und Hoffnung haben. Das ist aber eine Illusion.

    Im Palikanon ist immer wieder die Rede davon, dass Menschen "Trost" beim Buddha suchten (und natürlich auch - sicherlich in anderer Form als erwartet - fanden!).

    Dieser Trost erwies sich allerdings stets als ein Hinweis auf die wahren Gegebenheiten, die Dinge, wie sie wirklich sind und kein schulterklopfendes "Das wird schon wieder..." oder In-Aussicht-Stellen irgendwelcher "Wunder"...


    Der Buddha ermöglichte, die Konfrontation mit der Wirklichkeit zu erfahren und dadurch Einsicht und Heilung zu bekommen.

    (Ein Beispiel ist Kisagotami, die ihr Kind verlor und anschaulich erfuhr, dass der Tod allgegenwärtig ist...)


    Der Buddha bezeichnete sich aber auch selbst als Tröster:


    "......"Ich bringe, o Sīha, den höchsten Trost; zur Tröstung verkünde ich meine Lehre, und in diesem Sinne erziehe ich meine Jünger. In dieser Hinsicht, Sīha, kann man von mir mit Recht sagen: 'Ein Tröster ist der Asket Gotama; zur Tröstung verkündet er seine Lehre, und in diesem Sinne erzieht er seine Jünger.'"........"

    https://www.palikanon.com/angutt/a08_011-020.html


    Ja, liebe Leonie , Hoffnung "ist nichts anderes als eine Form der Erwartung", aber wohl niemand, der sich dem Buddha anschloss ist frei davon gewesen...


    "......"So nun aber, Ānando, ein Mönch, der allein, von Gemeinsamkeit abgeschieden verweilt, ein solcher Mönch es erhoffen mag, er werde eine zeitlich ersehnte Geisteserlösung erringen oder ewige Stille: das ist möglich." ...."

    https://www.palikanon.com/majjhima/m122n.htm



    Mablis konkreter Frage nach - in diesem Falle - deiner Motivation, dich mit dem Buddhadharma zu beschäftigen und ihm zu folgen, bist du m.E. ausgewichen... ;)


    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart:

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Mablis konkreter Frage nach - in diesem Falle - deiner Motivation, dich mit dem Buddhadharma zu beschäftigen und ihm zu folgen, bist du m.E. ausgewichen...

    Die Frage war an "euch" gerichtet - da fühle ich mich nicht gemeint. Insofern war das dann auch eine Antwort.


    Aber ich will deine Frage nach meiner Motivation dann doch beantworten. Und auch die nach der Erwartung, die ich hatte, als ich zum Zen kam.


    Ich hatte damals alles erreicht, was ich mir so vorgestellt hatte - beruflich und privat. Dann kam die Frage auf: und jetzt? Soll ich alles verdoppeln und wenn das dann erfolgt, was dann?

    In dieser Situation suchte ich einfach nur einen Platz auf dem ich klären konnte, wie es nun weiter geht.

    Ich kam dann auf Meditation und dann gab es im TV mal eine Sendung über Zen und dann fand ich ein kleines Buch und ich wusste unmittelbar, Das ist es. Es hatte einen Namen: Zen. Das ganze drumherum hat mit auch gefallen, so ohne irgendwas dazu und man kann Zen ja überall ausüben ohne dass das einer merkt.

    Nachdem das klar war - ging es um das Wie. Wie geht das? Und da gibt es ja auch ein paar Anleitungen, aber mir war dann doch auch klar, dass ich mir das zeigen lassen muss, von jemand der weiß wie das genau geht.

    Dann suchte ich also nach Möglichkeiten und hatte eine Bedingung, es musste in meiner Nähe sein. Und dann bekam ich eine Adresse - mit dem Auto so 40km, ein Katzensprung - und dann hatte ich mein erstes Wochenende mit Zen.

    Das war eine beeindruckende Erfahrung. So etwas kann niemand "erwarten". Da muss man sich naiv drauf einlassen und sich überraschen lassen, von dem was da dann geschieht.

    Ein Jahr später dann habe ich das wiederholt und da hörte ich hinter mir eine Tür ins Schloss fallen und ich wusste, das ist jetzt kein "mal so gucken", sondern das ist für immer.

    Buddhismus, Erleuchtung und das ganze Brimborium spielte da überhaupt keine Rolle. ich hatte da auch Null Interesse und Null Ahnung. Auch der Lehrer oder Kursleiter interessierte mich nicht. Ich brauche keinen extra Lehrer - ich bin Schülerin von allem was mir so begegnet.

    Da ich keine Erwartungen hatte, bin ich auch nicht enttäuscht worden, was das Rahmenprogramm zum Zazen anbetrifft. Auch irgendwelche Hoffnung auf Erlösung, Erleuchtung etc. ist mir fremd. Wenn ich auf einem Weg bin, gehe ich davon aus, dass der irgendwohin führt - und falls es ein Holzweg ist, dann gehe ich eben wieder zurück.

    Bin ich in irgendeiner Situation gefangen, dann werde ich tätig und suche den Ausweg. Den gibt es immer - so meine Erfahrung.

    Hoffnung und Trost sind Einstellungen, die man hat, wenn man keine Erfahrung selbst machen will, sondern auf andere sich stützen will. Bei mir gab es diese Stützen nicht. Ich musste immer selbst gehen.

    :zen:

  • So nun aber, Ānando, ein Mönch, der allein, von Gemeinsamkeit abgeschieden verweilt, ein solcher Mönch es erhoffen mag, er werde eine zeitlich ersehnte Geisteserlösung erringen oder ewige Stille: das ist möglich."

    Noch etwas zu MN 122 - in der Fassung von Zumwinkel

    https://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m122z.html ist von Geselligkeit die Rede und nicht von Gemeinsamkeit. Aber es findet sich auch nichts darin von "erhoffen" - es kommt also auf die Übersetzung an, die man wählt. Bei Zumwinkel ist dafür der Ausdruck "erwarten" gewählt.

    Nun will ich keine Wortklauberei machen, aber für mich hat der Ausdruck Hoffnung einen religiösen Touch und ist ja auch eine der drei christlichen Tugenden.


    Deshalb finde ich den Spruch von Dante so richtig Zen-like:

    Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

    :zen:

  • Herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort, liebe Leonie ! _()_


    Dein "buddhistischer Werdegang" unterscheidet sich komplett von meinem (der erst 2017 begann), was mich sehr interessiert und fasziniert.


    (Mindestens) eine Übereinstimmung gibt es dennoch:


    ich bin Schülerin von allem was mir so begegnet.

    Ja, und natürlich erlebt man auch sehr herausfordernde Begegnungen...

    Da ich keine Erwartungen hatte, bin ich auch nicht enttäuscht worden, was das Rahmenprogramm zum Zazen anbetrifft

    Stimmt, wenn man nichts erwartet, kann man nicht enttäuscht werden...

    Auch irgendwelche Hoffnung auf Erlösung, Erleuchtung etc. ist mir fremd. Wenn ich auf einem Weg bin, gehe ich davon aus, dass der irgendwohin führt - und falls es ein Holzweg ist, dann gehe ich eben wieder zurück.

    Du wirkst auf mich sehr stark und völlig angstfrei :like: , in diese Richtung würde ich mich gerne auch entwickeln, aber die Voraussetzungen sind nicht soo günstig. Muss kleine Brötchen backen... :erleichtert:

    Hoffnung und Trost sind Einstellungen, die man hat, wenn man keine Erfahrung selbst machen will, sondern auf andere sich stützen will.

    Aus der Position der Kraft und Stärke heraus, lässt sich leicht sagen, dass Betreffende das so "wollen", jedoch verfügt nicht jeder über diese Ressourcen und benötigt daher einen gewissen Zuspruch, eine Perspektive, um die ersten Schritte zu wagen.

    Irgendwann wird diese Unterstützung aber sekundär und nicht mehr gebraucht, wenn man sich auf dem "richtigen" Weg weiß, sie sollte sowieso eher als Hilfe zur Selbsthilfe fungieren.


    Bei mir gab es diese Stützen nicht. Ich musste immer selbst gehen.

    Und du warst dazu auch offensichtlich immer in der Lage. :)


    Danke für deine erhellenden Beiträge, ich betrachte mich, hier im Forum, - u.a. - auch als deine Schülerin... ;)


    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Nun will ich keine Wortklauberei machen, aber für mich hat der Ausdruck Hoffnung einen religiösen Touch und ist ja auch eine der drei christlichen Tugenden.


    Deshalb finde ich den Spruch von Dante so richtig Zen-like:

    Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

    Worte wie Hoffnung haben ihre Bedeutung nicht aus sich selbst heraus. Ihre Bedeutung ergibt sich nur aus dem Kontext in dem sie gebraucht werden. Im christlichen Kontext hat der Begriff Hoffnung sicherlich einen religiösen Touch. Aber in einem anderem, einem rein weltlichen Kontext, ist dies eben nicht zwangsläufig genauso der Fall, sondern er kann eine andere Bedeutung haben, die nicht mit der Bedeutung im christlichen Kontext übereinstimmt.


    In welchem Zusammenhang hat denn Dante gesagt: "Lasst, die ihr eintrete, alle Hoffnung fahren." Aus diesem Satz allein ergibt sich ja nicht was Dante mit dem Begriff Hoffnung gemeint hat.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • In welchem Zusammenhang hat denn Dante gesagt: "Lasst, die ihr eintrete, alle Hoffnung fahren." Aus diesem Satz allein ergibt sich ja nicht was Dante mit dem Begriff Hoffnung gemeint hat.

    Das steht am Eingang der Hölle. Und Dante versteht Hoffnung als christlich, als Hoffnung auf Erlösung.


    Dante und die "Göttliche Komödie" - Vom Inferno zum Paradies
    Dante Alighieri schrieb seine "Divina commedia“ Anfang des 14. Jahrhunderts in der damaligen, "volgare" genannten Volkssprache und machte diese damit…
    www.deutschlandfunkkultur.de

    :zen:

  • Hoffnung und Trost sind Einstellungen, die man hat, wenn man keine Erfahrung selbst machen will, sondern auf andere sich stützen will. Bei mir gab es diese Stützen nicht. Ich musste immer selbst gehen.

    Ich habe z. B. die Ausbildung zum Lebens-,Sterbe- und Trauerbegleiter gemacht. Sagen wir ein Menschen erzählt dir aufgelöst, dass seine Mutter oder sein Vater sterben wird oder Krebs hat. Wie gibst du ihm fußend auf den Lehren Buddhas Trost?

    Hier ist mir eigentlich aufgefallen, dass der Buddhismus Trostlos oder Hoffnungslos ist oder sein könnte.


    Ich weiß gar nicht was ich dem Menschen sagen soll. Ich höre ihm halt achtsam zu und zeige ihm, dass ich seinen Schmerz wahrnehme.

    Aber würde ich ihm in dem Moment wirklich irgendwas zum Thema anicca, anatta, dukkha sagen, wäre das wohl eher schrecklich für ihn.


    Ich hab da ein Interview gelesen, wo ein (europäischer) Zen-Schüler erzählt, dass seine Mutter verstorben ist und er sich auf den Weg zur Beerdigung machte und er seinen Lehrer fragte, ob er ihm irgendwas in puncto Rat (wahrscheinlich tröstende Worte) mit auf den Weg geben könnte. Der Lehrer sagte: "Vergiss nicht Milch zu kaufen, wenn du zurück kommst".

  • In welchem Zusammenhang hat denn Dante gesagt: "Lasst, die ihr eintrete, alle Hoffnung fahren."

    Es steht über dem Eingang zur Hölle. Ähnlich wie das "Arbeit macht frei" über einem anderen Höllentor. Der von mir geschätzte Arno Schmidt hat Dantes 'göttliche Komödie' dann auch ein "Handbuch für KZ-Gestaltung" genannt.


    Das erinnert mich an eine Frage, die ich einmal Roshi Bernie Glassman gestellt habe: warum er eigentlich Sesshin in Auschwitz veranstaltet. "Bearing witness", Zeugnis ablegen. Zazen ist "bearing witness" - gleich an welchem Ort. Und Auschwitz ist hier und jetzt, es ändern sich nur die Namen.. Warum da zum Zazen nach Polen fahren? Seine Antwort hat bei mir jedenfalls keine Erleuchtung getriggert ...


    Die "Hoffnung" bei Dante bezieht sich darauf, der Hölle zu entkommen - und sie ist vergeblich. So wie die Hoffnung, Saṃsāra zu entkommen. Saṃsāra lässt sich zwar auslöschen - doch nur um den Preis, das in Saṃsāra wandernde 'Ich', das untrennbar mit ihm verbunden ist, auszulöschen. Hoffnung und Trost sind dabei nur Ballast.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Lieber Rolf, ich bewundere Menschen, die Sterbenden beistehen. Und natürlich ist da "Missionierung" völlig fehl am Platze, denn als nichts anderes empfinde ich Dein Beispiel.


    Wenn ein geliebter Mensch stirbt, tut das weh. Wir vermissen ihn.


    Der Zen-Lehrer wirkt hart. Seine Aufgabe sah er vermutlich darin, den Schüler an die Gefahr der Anhaftung zu erinnern, indem er ihn aus den Trauergedanken in die Gegenwärtigkeit bringt und an etwas Alltägliches erinnert.

    Schließlich hat der Schüler ihn ja gefragt.


    Ich vermisse meinen Mann, aber nur, wenn ich an ihn denke und die Vergangenheit "pflege".

    Wenn ich daran denke, wie friedlich und liebevoll er gestorben ist, dann freue ich mich für ihn, dass er nicht leiden musste.


    Auch der Buddha fragt die Mutter, die ihr Kind verlor, ob sie jemanden kennt, der nicht gestorben ist.

    Ich sehe darin keinen Trost, keine Hoffnung auf "was weiß ich" ...


    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Sagen wir ein Menschen erzählt dir aufgelöst, dass seine Mutter oder sein Vater sterben wird oder Krebs hat. Wie gibst du ihm fußend auf den Lehren Buddhas Trost?

    Hier ist mir eigentlich aufgefallen, dass der Buddhismus Trostlos oder Hoffnungslos ist oder sein könnte.


    Ich weiß gar nicht was ich dem Menschen sagen soll. Ich höre ihm halt achtsam zu und zeige ihm, dass ich seinen Schmerz wahrnehme.

    Aber würde ich ihm in dem Moment wirklich irgendwas zum Thema anicca, anatta, dukkha sagen, wäre das wohl eher schrecklich für ihn.

    Meiner Frau habe ich heute morgen ein 3-Tage-Fentanyl-Pflaster geklebt, 75µg / Std. Ist effektiver als Trost zuzusprechen. Aber das ist wichtig: "Ich höre ihm halt achtsam zu und zeige ihm, dass ich seinen Schmerz wahrnehme". Das Teilen hilft in solchen Situationen - mehr als jede Belehrung.

    Es wurde hier in diesem Thread schon auf Kisa Gotami verwiesen. Nach dem Tod ihres Kindes tröstete Buddha sie nicht und sprach ihr auch keine Hoffnung zu. Er hielt ihr auch keinen Lehrvortrag sondern gab ihr eine Aufgabe, durch die sie Einsicht in die Natur von duḥkha erhielt.

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Lieber Rolf, ich bewundere Menschen, die Sterbenden beistehen. Und natürlich ist da "Missionierung" völlig fehl am Platze, denn als nichts anderes empfinde ich Dein Beispiel.

    Danke, ich mach da eh nicht so viel, ich hab halt die Ausbildung gemacht.

    Wobei ich letztens in einer Trauergruppe war und da war ein Herr, der seine Mutter so schrecklich vermisst, die verstorben ist ...

    Ich kenne die Geschichte mit der Frau, die dann jedes Haus abklappert und dann nicht mehr zum Buddha zurück kommt, weil sie kein Haus findet in dem noch nie jemand gestorben ist - aber auch die Geschichte würde ich niemanden erzählen der gerade einen Menschen verloren hat, weil es so wirkt als will man damit vielleicht seinen Verlust bagatellisieren.

  • Rolf82


    Danke, dass du den Hintergrund deiner Frage hier mitteilst.


    Als Begleiter hat man die Aufgabe zu begleiten - da muss man nicht den anderen mit passenden Worten unterhalten. Zuhören ist da sehr bedeutsam.

    Einfach da sein - mit sein. Das genügt und tröstet ganz von selbst.


    Ich würde auch nicht mit buddhistischen Erklärungen daher kommen - sondern genau darauf achten, was der andere (zum Leben) braucht - und das könnte auch Milch sein.


    Ich hatte mal eine Geschichte gelesen, von einer Autorin, die über den Tod ihres Vaters schrieb und erzählte, wie sie davon ihrer Mutter das mitteilte. Als die Tochter wieder gehen wollte, sagte ihre Mutter zu ihr: "Denk daran mir Bananen mit zu bringen".

    Das Leben erscheint im Angesicht des Todes offenbar als banal - aber es ist es gerade nicht.

    :zen:

  • Als mein Mann im Sterben lag, was mir leider nicht klar war, und ich in seinem Zimmer ein bisschen für Ordnung sorgte, sagte er völlig unüblich "das machst Du alles immer sehr schön".


    Ich war wie unter einer Glocke, und verstand überhaupt, warum er sowas jetzt sagte, hab mich aber mich gefreut, denn das war das erste Mal, dass er meine Hausarbeit lobte.

    Kurz danach ist er gestorben.


    Ich war im Nachhinein sehr traurig, weil ich die Situation nicht realisierte. Dass ich so unbewusst war, konnte ich lange nicht begreifen.


    Heute weiß ich, dass ich keine Wahl hatte.

    _()_ _()_ _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Ich war im Nachhinein sehr traurig, weil ich die Situation nicht realisierte. Dass ich so unbewusst war, konnte ich lange nicht begreifen.


    Heute weiß ich, dass ich keine Wahl hatte.

    _()_ _()_ _()_

    Als meine Mutter wieder einmal ins Krankenhaus musste hat mich der Arzt ziemlich böse angeschaut. Ich wusste gar nicht warum, ich hatte ihm gar nichts getan. Sie ist dann aus dem Krankenhaus nicht mehr zurückgekommen. Ich hatte es aber überhaupt nicht gewusst, dass es jetzt so ernst steht.


    Sie musste immer öfter und in immer kürzeren Abständen ins Krankenhaus. Im Nachhinein habe ich mir gesagt, dass ich das hätte sehen müssen. Aber ein Teenager hat nicht die Übersicht wie ein Erwachsener um sowas zu sehen. Ich bin sie nach der Schule immer im Krankenhaus besuchen gegangen. Das war das was ich als Teenager machen konnte und das habe ich auch gemacht. Damit war es gut.


    Das Schuldgefühl ist auch durch den Schock und weil es nun nicht mehr wegen Unumkehrbarkeit des Todes korrigiert werden kann. Manchmal muss man sich selbst gegenüber auch nachsichtig sein, wenn ein "fehlerfreies" Verhalten einen Perfektionismus erfordert hätte, den ein sehr wohl gewissenhafter Mensch nicht schaffen kann. Das menschliche Gehirn kann einfach nicht derart fehlerfrei arbeiten.

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn