Die Gelassenheit und die Ignoranz des Buddhismus

  • Danke dir für den guten Beitrag. Deine Inhalte sind sehr lösungsorientiert und richtig. Auch wenn ich nicht im optimistischen Bereich bin, ich weiß, dass es falsch ist, weil glücklich sein ist auch eine Entscheidung, wie du richtig sagst, bewege ich mich immer im Leid, was alles unglücklich läuft oder durchbricht man dieses Muster. Weil so wirklich den Sinn sehe ich nicht, das so zu sehen wie du beschrieben hast, also die negativen Gefühle.

    Den letzen Satz musst du mir bitte nochmal erläutern. Siehst du keinen Sinn darin negative Gefühle loszulassen? Oder verstehe ich dich da falsch?

    Wobei wie auch schon geschrieben früher hatte man zwei Meinungen und eine gewisse gegenseitige Wertschätzung und Respekt. Heute meiden sich Menschen, wenn sie unterschiedliche Sichtweisen haben, manchmal geht das sogar in Richtung Hass (buddhistisch gesehen).

    Ich glaube das stimmt so nicht (also der früher vs. heute vergleich), damals wie heute gibt es viele Meinungen, damals wie heute gibt es viel Unverständnis. Aber eigentlich ist es auch egal ob das eine historische Realität war, oder ein im Rückblick konstruiertes Wunschbild. Da es dieses Paradies in dem sich alle gegenseitig wohlwollend akzeptieren und konfliktfrei aufeinandertreffen nicht gibt, muss man eben irgendwie versuchen im hier und jetzt klar zu kommen, Stress und Leid zu reduzieren. Vergeben, Verzeihen, nicht zu herzen nehmen, die positiven Emotionen hegen, pflegen und einüben, den negativen Gedankenspiralen das Wasser abgraben. Das lernen wir aus den edlen Wahrheiten, deswegen der edle achtfache Pfad.

  • pano

    Ich meinte, wo du über du über die destruktive Verhaltensweisen von einem geschrieben hast, dass das wenig sinnvoll ist, also war gut gemeint.


    Also fast jeder wo ich lebe sieht den Platz, wo wir leben als etwas seltsam glaub ich, auch die optimistischeren Menschen. Fahre ich 30 km in den Westen ist es schon deutlich anders, so regional kann toxisches Geschehen sein.


    Ich habe ja geschrieben, dass ich keinen Kontakt mit meinem Bruder habe, das stimmt auch so, aber er war grad vor 10 min. hier und hat mir eine Box mit Erinnerungen an meine Mutter gebracht, also ganz ehrlich, der hat keine Ahnung, was er mir da antut, für ihn mag es eine Box gewesen sein, weil er keinen Platz hat, aber für mich ist das ein Stück meiner Mutter und ich hab sie auch nach vielen Jahren noch immer sehr lieb, ich vermisse sie so sehr und da kommt dann wieder alles hoch.


    Monika

    Ich kann mich so gut in dich reinversetzen, weil bei dir ist es nicht lange her, bei mir schon, aber es ist wie gestern - ich verbinde einfach eine Zeit damit, wo ich noch gelebt habe. Ich will deine Wehmut nicht verstärken, aber ich glaube, wenn man jemand sehr geliebt hat, diese Intensität vergeht nie, außer man erlebt etwas sehr jung. Ich weine nicht oft, aber als ich in die Box reingeschaut habe und Reisepass gesehen habe, Schmuck, Postkarten usw. bin ich irgendwie etwas umgekippt.


    Dazu stehe ich, egal was wer denkt. Ich finde man soll die guten Dinge nie vergessen und vielleicht sind sie es auch, die uns Kraft geben.


  • Es ist schon erstaunlich, was du hier alles inhaltlich durcheinander würfelst und in meinen kurzen Beitrag hinein interpretierst. Es ging doch in der Frage von Tim gar nicht um Depressionen oder den Umgang mit "dauernden Angriffen" von außen. Es ging um Schuldgefühle und den Umgang damit, dass er sich viele Dinge, die er selbst gemacht hat, einfach nicht verzeihen kann.


    In diesem Kontext taucht in meinem Beitrag der Begriff "Fehler" bzw. "eigene Fehler einsehen" auf. Wenn man sich eigene Taten gar nicht verzeihen kann, geht man i.d.R. davon aus, etwas massiv falsch gemacht zu haben und kommt einfach nicht raus aus den Schuldgefühlen; man ertrinkt geradezu darin. Aus eigenen Fehlern zu lernen, gewinnt dem Dilemma dagegen einen richtungsweisenden Impuls ab und ist bereits der erste Schritt hin zu dem so lebensnotwendigen Loslassen. Ich lerne ja aus meinen Fehlern, um es beim nächsten mal besser machen zu können und schon das kann der Beginn einer kleinen Befreiung aus der Schuldspirale sein.


    Selbst wenn Depression hier das Thema gewesen wäre, wäre dein Rat nach meinem Verständnis kein guter gewesen. Sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, bedeutet doch keinesfalls, seine "Selbstachtung aufzugeben"; im Falle von Depression ist i.d.R. leider meist das Gegenteil der Fall. Egozentrische Gedanken, in denen man permanent um sich selbst und die eigene Weltsicht kreist, sind ja bekannter Maßen zentraler Bestandteil einer depressiven Erkrankung. Diese Gedanken, die bei depressiven Menschen fast immer negativ und selbstzerstörerisch sind, vernichten permanent den "letzten Rest Selbstachtung" statt ihn zu erhalten. Sie nehmen den Betroffenen jede Lebenskraft und Lebensfreude und auch die Fähigkeit, sich selbst mal zurück zu nehmen, um sich auf andere einzulassen (was wiederum sehr befreiend sein könnte).


    Deiner Logik, dass man, wo es "andauernde Angriffe" gäbe, keine eigenen Fehler einzusehen habe, kann ich nicht folgen. Das deutet für mich auf eine Weltsicht hin (also deine! nicht Tim's), in der jeweils die anderen an allem Schuld sind und man selbst keinerlei Anteil am Misslingen von Situationen hat. Dazu passt auch der von dir in #511 verwendete Begriff "menschliche Schädlinge", den ich ehrlich gesagt schon ein wenig bedenklich finde. Ich verstehe auch nicht, wie du darauf kommst, Tim wäre hier "von einem hergelaufenen Guru" nahegelegt worden, "Gier, Hass, Glaube von anderen ertragen und wehrlos hinnehmen zu müssen bis zur Selbstverletzung, Selbstzerstörung". Soetwas hat doch hier niemand auch nur im Ansatz empfohlen.


    Man muss nur entsprechend ungenau mit Begriffen umgehen und schon wird gegenseitiges Verständnis in einer Diskussion zum "Sechser im Lotto".

  • Was bei meinen Eltern schief gelaufen ist, daraus kann ich nichts lernen, sie sind tot und man hat nur einen Vater und eine Mutter, heißt solche Situationen wiederholen sich eher nicht.


    Ich suche Schuld nicht bei Anderen sondern reflektiere mein Verhalten, aber wenn ich deine Worte lese, werde ich dahin gehend schon nachdenklich, weil ich sehr oft über das Fehlverhalten anderer geschrieben habe, also da hältst du mir einen Spiegel vor, weil das was ich da geschrieben habe mit dem was ich eigentlich will genau gar nicht zusammenpasst.


    Weißt du, es gibt da unterschiedliche Ansätze, den buddhistischen kenne ich, aber es gibt auch Ansätze, dass man sich ins Zentrum stellen soll und nicht die Anderen, das kann mit Depression eher nichts zu tun haben, weil das kenne ich von jemand der Menschen lehrt, wie man ein glückliches Leben führt.


    Aber Danke für deinen Beitrag, er war gut und ich habe ihn richtig verstanden denke ich.

  • Ich suche Schuld nicht bei Anderen sondern reflektiere mein Verhalten

    Genau das war auch mein Eindruck von dir und dein selbstkritisches Nachdenken im letzten Beitrag bestätigt es erneut.

  • Was ist für mich verzeihen? Schwierige Frage - Frieden schließen vielleicht?

    Schöner Punkt. Dazu muss man die Dinge weder gut noch richtig finden, nur akzeptieren, dass es jetzt im Moment genau so ist.


    Was dein Bruder gesagt hatte, er könne Dinge aus der Kindheit nicht verzeihen: wie viel man verzeihen kann, liegt in der Person begründet, nicht im Gewesenen. Aber grade Kinder bauen viel Blödsinn ohne die Folgen erahnen zu können. Dafür wächst man ja noch über seine jüngeren Versionen hinaus.

  • GKH

    Ganz ehrlich meine Strategie ist lange Zeit eher die gewesen nicht über diese Themen versuchen nachzudenken.


    Mein Bruder das ist ein anderes Thema. Ihn würde ich nie Verzeihung bitten, also nicht für das was in seinem Kopfkino vorgeht was 40-50 Jahre zurück liegt. Das ist für mich pathologisch, so eine Sicht zu haben, noch dazu bei einem Menschen, der eigentlich "Hirn" haben sollte, aber gut.


    Weißt du mein Bruder und ich sind wie Himmel und Erde, das hat mal wer gesagt, der uns Beide kennt, wobei ich bei allen Vergleichen besser abschnitt, was jetzt zwar keine Bedeutung hat, aber wenn mir ein Arzt sagt, der ihn und mich behandelt hat, dass er es klug gefunden hätte, wenn mein Bruder ein wenig mehr auf mich hören würde, dann fasse ich das Mal als Kompliment auf. Wobei da gab es mehrere Personen, die ähnlich urteilten, aber heißt ja nicht, dass es deshalb richtig ist.


    Was ich schade finde ist, dass ich nicht das Gefühl habe, dass mein Bruder die Fähigkeit hat sein Handeln zu hinterfragen, weil ich bin ja nicht der Einzige, wo ich sein Verhalten nicht verstand.


    Und wenn ich das zusammenrechne was ich in den letzten 40 Jahren mit ihm erlebt bzw. nicht erlebt habe, dann denke ich mir, da habe ich aber ordentlich was gut.


    Fakt ist aber, dass das alles egal ist, er hat kein Interesse an mir, nie gehabt, auch an meiner Mutter nicht und ich gehe ehrlich gesagt davon aus, dass sich unsere Wege in unserem Leben egal wie lange wir leben nicht mehr oft sich kreuzen werden.


    Ich habe ja auch zwei Neffen, beide an die 30 Jahre heute oder mehr und alles zusammen habe ich die Beiden in meinem Leben keine 5 Stunden gesehen. Heißt auch der Zugang zu Ihnen wurde mir verwehrt. Die 5 Stunden habe ich dazu verwendet sie Beide einmal über meine Sicht zu informieren, warum sich ihr Onkel ihr Leben lang um sie nicht gekümmert hat, wobei das hat nichts verändert, sie wollen auch keinen Kontakt mehr, weil das ist schon einige Jahre zurück.


    Seltsam beide meiner Eltern waren sehr empathische und gute Menschen und mein Bruder bzw. seine Kinder, also die sind anders. Buddhistisch gesehen natürlich nicht, jeder Mensch ist gleich - nur das Verhalten der Menschen ist unterschiedlich.


    Ich bin zwar enttäuscht, teilweise auch gekränkt, weil ich da eine Absicht unterstelle, weil die wissen ja wie es mir geht und trotzdem haben sie mich komplett hängen lassen.


    Ich akzeptiere das, und wie gesagt, für mich ist das Thema abgeschlossen, von meiner Seite wird es nie mehr einen Kontakt geben, also nicht mal sollte sich einmal jemand zu mir verirren, ich habe keinen Bezug zu diesen Menschen, sie sind heute für mich ohne Bedeutung, auch wenn ich vorher schrieb, dass es mir wehgetan hat, aber da habe ich für mich eine Entscheidung getroffen.


    Wobei ich keine Angst haben brauche, dass da was kommen würde, also die denken ohnedies ähnlich. Gut, leider ist das in vielen Familien so, meine Eltern wären sehr traurig glaube ich, aber ja sie sind halt tot.

  • Zitat

    Unterwürfigkeit oder Wünsche erfüllen, schon liebende Güte oder Wohlwollen ist.

    Das Spenden und Mitleid, eine Organisation betreiben, schon Mitgefühl ist.

    Das Jubeln, Fanatismus, Ausgelassenheit, schon Mitfreude, anteilnehmende Freude ist.

    Das gleichgültige Gelassenheit, abweisendes Verharren, nicht berührt werden, schon Gleichmut, Neutralität, GleichWertigkeit ist.

    Qualia

    Danke für dieses Zitat. Ich finde es richtig gut. Kannst Du mir sagen, woher es stammt?

    Das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verständlichen Worten flüstert.


  • Du hast recht, ist mir so noch nicht aufgefallen:

    Zitat

    Zitat Qualia


    So sollte ich Zitatbox ohne Header kennzeichnen. Das sind Zitate aus meiner Leere, die ich im Nachhinein für wichtiger halte als den sie umgebenden Text.

  • Das sind Zitate aus meiner Leere

    Schön, dieser "Rechtschreibfehler". :grinsen:

    Wo ist der? Es gibt vielleicht einen Denkfehler bei dir, aber kein Schreibfehler bei mir.

    Die Zitate sind von Qualia und ich weiß nicht genau, wer oder was Qualia ist.

    Qualia
    Qualia [Einzahl Quale; von latein. qualis = wie beschaffen], subjektiv und unabhängig von dem zugehörigen Objekt wahrgenommene Eigenschaften; ph
    www.spektrum.de

  • Weißt du mein Bruder und ich sind wie Himmel und Erde, das hat mal wer gesagt, der uns Beide kennt, wobei ich bei allen Vergleichen besser abschnitt, was jetzt zwar keine Bedeutung hat, aber

    Mein Bruder und ich hatten wohl ähnlich keine Gemeinsamkeiten. Himmel und Erde klingt ja noch mild bei uns wars eher Himmel und Hölle, wobei ich einen Aufenthalt in diesen Regionen ja nicht kenne :grinsen:

    Vielleicht war es der gegenseitige, untergründig, kaum wahrnehmbare Neid, der uns pikste. Neid insofern, dass ich genau nach den Vorstellungen meiner Eltern mein Leben, insbesondere mein Arbeitsleben gestaltete und er total Revolutionär ein unabhängiges Leben außerhalb jeglicher Systeme führte, sogar sehr gut lebte, viel Freizeit und Natur hatte und ich völlig anders im Lebenslauf. Für meine Eltern eine Freude, für mich würde ich sagen so lala, würde heute einiges anders machen, aber so war es eben.


    Als ich meinen Bruder dann in der Coronazeit verlor, war das Gefühl auf einmal ganz anders. Obwohl er mich wiederum in der Zeit sehr desillusionierte, er auf einmal sein revolutionäres Wesen an den Nagel hing und bei mir auf einmal etwas davon durchkam. . . Ich würde sagen, ja wir haben uns trotz allem, auch wenn wir uns so ziemlich aus dem Wege gegangen sind, lieb gehabt. Da bin ich mir sicher. Leider erst zuspät bemerkt, heute würde ich ihn so gerne vieles fragen.


    Ich komme irgendwie nicht umhin Dir das zu schreiben, Tim. Du brauchst deswegen nichts tun, nicht antworten, nicht rechtfertigen garnichts. War "mir" wohl nur so ein Bedürfnis.

    Liebe Grüße Schneelöwin


    "All is always now"




    Einmal editiert, zuletzt von Schneelöwin ()

  • Schneelöwin

    Erstmal tut mir leid, dass du deinen Bruder verloren hast, das ist immer schlimm.


    Weißt du, du hast in vielen Recht, wobei in unserer Familie mein Bruder sehr erfolgreich war im Vergleich zu meinem Lebensweg. Er ist schon sehr normal, vielleicht ist dass das Problem. Wobei ihm war und ist immer wichtig gewesen, eben wichtig zu sein, Recht zu haben, also mir fällt nichts ein, wo er einmal nicht sagte, dass er das schon wüsste, was ich zu sagen hätte.


    Er lebt in der Welt der Prominenten, also er ist nicht reich, hat aber Kontakte zu vielen dieser Menschen und das scheint ihm wichtig zu sein, mir gibt das gar nichts, weil für mich gibt es keine Menschen, vor denen ich in Ehrfurcht erstarre aufgrund dessen was sie für Funktion auf der Welt haben.


    Ich habe von Kind an versucht ein gutes Verhältnis zu ihm zu haben, aber er hatte ja nicht mal als Kind Interesse an mir, da relativiert sich die Aussage von ihm, er könnte mir nicht verzeihen, weil ich mich frage, wann soll denn das statt gefunden haben?


    Er hat mich gar nicht wahrgenommen, nie, nicht mal in Extremsituationen. Ich bin ihm egal, das sagen auch andere, die ihn kennen und mich.


    Ich meine, das er auch unser Leben lang bewiesen, wobei da reiht er sich in die Regel ein, die ich so im Laufe meines Lebens erlebte, weil bis auf wenige Ausnahmen war das auch bei anderen Menschen so, also sehr populär war ich weder als Kind noch später, da haben sich wenige Menschen aufgedrängt.


    Ich verstand es nicht, aber ehrlich gesagt heute bin ich müde darüber nachzudenken, warum das war und ist. Vielleicht habe ich mir ja so ein Leben ausgesucht, als Buddhist könnte man sich das ja denken, wenn man an eine Wiedergeburt glaubt.


    Aber um auf deine Hauptbotschaft zu kommen, es ist ja nicht so, dass ich ihn nicht lieben würde, das wird immer bleiben und ja falls er vor mir gehen würde, würde das sehr wehtun, umgekehrt glaube ich nicht, auch das hat er mehrfach bewiesen, weil da waren ja ordentliche Krisen in meinem Leben und er war nie da, auch für meine Mutter nicht, die überhaupt erst ermöglicht hat, dass er das wurde, was er heute ist.


    Wobei ich kann nicht vorstellen, dass ich mir irgendwann Vorwürfe machen würde, weil mehr als ich versucht habe, fällt mir nicht ein. Es ist ja paradox, dass er mir nicht egal ist so wie er sich mir gegenüber verhalten hat.


    Weißt du ich denke mittlerweile man muss nicht alles verstehen im Leben, man muss einen Umgang damit finden und ich werde immer da sein, wenn ich gebraucht werde, aber die Wahrscheinlichkeit, dass das passieren wird ist nicht wirklich hoch, er hat eine große Familie, viele Freunde, also ich wüsste nicht in welcher Situation er meine Hilfe brauchen würde.


    Zusammenfassung: Ich bin da - er ist nicht da und das muss ich akzeptieren.


    Die Frage, die sich für mich stellen würde, wenn er mal ganz weg wäre, wo wäre denn der Unterschied zu jetzt?

  • Hallo Tim,


    zu deinen zwei letzten Sätzen (des Beitrags # 539) würde ich gerne etwas sagen.

    Zusammenfassung: Ich bin da - er ist nicht da und das muss ich akzeptieren.

    Es war und ist ja momentan anscheinend so, dass dein Bruder

    schon DA ist, aber - leider - nicht für DICH.

    Und dies zu akzeptieren, fällt dir - verständlicherweise - schwer....

    Die Frage, die sich für mich stellen würde, wenn er mal ganz weg wäre, wo wäre denn der Unterschied zu jetzt?

    Wäre er "ganz weg", stürbe auch der letzte Rest Hoffnung auf eine Annäherung, ein besseres Verhältnis, mit ihm - das macht schon einen gewaltigen Unterschied.


    Die Trauer um nicht gelebte "Geschwisterlichkeit" würde sich wahrscheinlich mit der "Verlust-Trauer" mischen und diese entsprechend verstärken/verlängern...



    Ich kann dich insofern gut verstehen, als auch ich einen (zwei Jahre jüngeren) Bruder habe, der mich, weitgehend, ignoriert.

    Kontaktaufnahmen gehen nahezu immer von mir aus, seinen 60. Geburtstag feierte er kürzlich auch nur mit Freunden - ohne Familie -, wobei er mit unseren Eltern (84J./89J.) regelmäßigen Kontakt pflegt - er nennt es ironisch "Elternsprechtag" - (dabei redet meist nur ER... :erleichtert:).

    Ich erfahre dann wiederum über unsere Eltern, wie es ihm geht und was er so treibt.... (:  :shrug:


    Natürlich habe ich versucht, mit "klärenden Gesprächen", die manchmal sachlich(er), manchmal auch emotionaler (aber ohne Vorwürfe) verliefen, ihm wieder näherzukommen, aber er schob, als Grund für sein "Nicht-Melden" , stets seine "hohe Arbeitsbelastung" vor, die zwar faktisch gegeben, aber definitiv nicht der wahre Grund für seine "Zurückhaltung" ist. (Diesen kann ich nur ahnen...)


    Unsere Eltern (!) sagten mir mal ganz nüchtern/emotionslos, ich sei meinem Bruder (schlicht) gleichgültig - das war hart, zu hören und ich bin auch nicht 100% sicher, ob es stimmt, denn ab und zu gibt es auch erfreuliche Telefonate, wo wir wieder, wie früher, vertraut und scherzend, miteinander umgehen.


    Letztes Jahr wäre er beinahe bei einem Fahrrad-Verkehrsunfall ums Leben gekommen - da spürte ich, wie intensiv meine Gefühle der Zuneigung noch sind (und wie ich an ihm "hänge"....).


    Nicht-anhaftende Liebe ist wohl die Lösung, das Aufgeben jeglicher "Ansprüche", einfach sein - lassen, los-lassen.


    Das klappt natürlich umso leichter, je besser es einem selbst geht - also bleibt die vordringliche Aufgabe, dafür Sorge zu tragen (buddhistische Praxis mit Selbst-Fürsorge und Selbst-Mitgefühl).


    Alles Gute für dich! :sunny: :heart:



    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart: :taube:

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Meine Erfahrung: nach dem Tod eines nahen Menschen verblassen die negativen Gefühle.


    Das ist m.E. auch der Grund dafür, dass "Religionsstifter" erst nach ihrem Ableben "heilig sind".


    Wir haben keine Angst mehr "vor ihnen".


    Angst ist aus meiner Sicht ein Hauptgrund, sich nicht zu versöhnen. Wenn ich mich kraftvoll und vertrauensvoll z.B. durch einen Glauben etc. fühle, fällt es leicht, dem "anderen" die Hand zu reichen.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Monika

    Ich bin wie ich bin, das ist ein seltsamer Beginn, ich weiß, aber ich habe nachgedacht, ich erinnere mich mein Leben lang nicht an eine einzige Geste das ich ihm etwas bedeute hätte. Ich war monatelang als Kind im Krankenhaus, er kam nicht ein einziges Mal, auch später nicht.


    Das ist eine andere Liga, ich weiß nicht, was ich vermissen würde, vielleicht meine Liebe?


    Nochmals ich erinnere mich nicht an eine einzige Szene von Respekt, Höflichkeit, Beachtung, Sorge.


    Das ist keine Geschichte, die entstanden ist sondern, die immer da war.


    Und mir wurden sogar seine Kinder vorenthalten, ich kenne sie nicht und sie haben auch keinen Bezug zu mir trotz Versuche im Erwachsenenalter von mir. Beide haben geheiratet, ich habe es nicht einmal erfahren.


    Er hat mich betrogen, belogen, nach dem Tod meiner Mutter und hat in seiner Gier mir das genommen was meine Mama mir zukommen wollte, das ist schon ziemlich heftig.


    Ich wüsste nicht was ich entschuldigen sollte oder verzeihen.


    Ich bin ihm einfach egal, und das war immer so, aber ich war stolz auf seinen Erfolg und nicht Missgünstig.


    Aber unser Leben kann jeden Tag enden und da wird es kein Happy End mehr geben.


    Ihr habt allerdings recht, ich würde ihn sehr vermissen trotz allem, Na ja, ich habe sehr viele Menschen in meinem Leben einseitig geliebt.

  • Da kann ich dir nur noch intellektuell folgen. Danke! Keine Gefühle mehr!

    Mein im April verstorbener Bruder ist selbst in der Familie, die er angeblich so geliebt hat, fast vergessen, und sie leben so glücklich, so zufrieden, dass man es nicht glauben kann. Mein vielleicht noch lebender Bruder, den werde ich nicht mehr sehen.

    Mein schmerzhaftester Schritt vor 20 Jahren, mich vollkommen von den sogenannten Verwandten zu trennen, hat sich als die Befreiung herausgestellt, die ich am Anfang empfunden habe. Ich wusste aus meinem tiefsten Inneren, dass genau das richtig ist. Bin ich froh, dass ich diese "Familie" los gelassen und so viele Freunde und Menschen gefunden habe.

    Die hilfreichen Freunde findet man nur, wenn die schlechten aus dem Denken ausgemerzt sind, die verstellen die klare Sicht.

  • Qualia

    Ich denke, über das was ich geschrieben habe, nämlich meinen Bruder, das könnte ich auf viele Menschen umlegen. Es war nur ein Beispiel, weil die Gesellschaft sich doch sehr in eine nicht gerade empathische Richtung spätestens ab Corona entwickelt hat.


    Das sehen doch Viele so, vielleicht Buddhisten nicht oder ich kenne auch andere, die in ihrer eigenen Welt leben.


    Du schreibst "keine Gefühle mehr" - was soll ich Gefühle hegen für Menschen, denen ich komplett egal bin und das objektiv? Klar, gibt es Menschen, wo das auch so ist, trotzdem fühle ich was.


    Solange es all denen gut geht, sehe ich keinen Grund mich mit ihnen auseinander zu setzen, wenn es mal anders wäre, hätte ich freilich Mitgefühl und es würde mich beschäftigen, aber sicher nicht damit, dass ich ein schlechtes Gewissen hätte, weil mehr als Jahrzehnte die Hand ausstrecken und das wird nicht angenommen geht nicht.


    Meine Mutter kannte hunderte von Menschen, war ein richtiger Gutmensch und als sie tot war, hörte ich kein Wort mehr von irgendjemand. Jetzt kann man sagen jeder trauert auf seine Art, aber selbst die engsten Freunde und ihre Verwandten inklusive mein Bruder, da hatte ich nicht das Gefühl, dass da was abging. Den häufigsten Satz denn ich hört, ja was soll man machen, aber dass sie als Person einmal in einem Gespräch oder ihr Leben zur Sprache kam daran kann ich mich nicht erinnern.


    Es scheint so zu sein, dass wenn man tot ist, eben tot ist und das Leben eben rasch wieder weitergeht, Ausnahmen gibt es natürlich, die wirklich ihr Leben lang so eine Mischung aus Wehmut und positiver Erinnerung in sich behalten.


    Ich habe noch Verwandte, sie sind alle sehr alt, auch mit ihnen habe ich den Kontakt lange abgebrochen, weil er sehr einseitig war. Da würde mich wenig erschüttern, weil wirklich gar kein Bezug, bei meinem Bruder wäre das trotz allem anders, detto seinen Kindern, auch wenn ich sie kaum kenne.


    Das Thema ist wohl mehr als ausführlich erläutert worden, daher will ich es auch beenden. Was ich schon gelernt habe im Laufe meines Lebens, dass ich sehr empathisch bin bei Menschen, die mir etwas bedeuten, aber sonst das Leid nicht mit teile, heißt alles Leid dieser Welt reißt mich nicht mit.


    Das gilt mittlerweile auch in Richtung, der vielen, vielen Problemen, die wir tagtäglich durch die Medien präsentiert bekommen, ich habe da endgültig die Notbremse gezogen und fokussiere mich auf mein Leben, ich kann und will darüber gar nicht mehr reden, weil es auch jeglicher Sinnhaftigkeit entbehrt. Wie gesagt, schon schwierig genug sein eigenes Leben auf einen guten Weg zu bringen.


    Und nachdem ich so oft Negativ schreibe doch zumindest das Bemühen und der Wunsch dem Positiven zu folgen, das es auch gibt. Ein bekannter Mann hat einmal gesagt, ich freue mich, wenn es regnet, weil wenn ich es nicht tue, regnet es trotzdem.

  • Du liebst, ohne es zu erkennen. Du liebst deinen Bruder. Da ist eine
    Liebesverbindung, die in der Kindheit geschaffen wurde, da reicht schon allein, dass ihr Familie seid. Die grundlegende Liebe.

    Buddha sagt: „Von allem Lieben und Angenehmen werde ich mich trennen müssen.“

    Qualia sagt: „Von allem Gehassten und Unangenehmen werde ich mich trennen müssen.“



    Da ist auch noch der Spruch des Königs, mit dem ein Buddhist nichts zu tun haben will, in Anwesenheit seiner geliebten Frau. Auf die Frage des Buddha: Wen liebst du wirklich? Erkannte der König, dass er sein Leben über alles andere liebt. Seine Frau erkannte Gleiches. Sie umarmten sich und waren noch enger verbunden.


    Heißt, ich fordere dich auf, zu ergründen, was du in Wahrheit über alles, wirklich über alles liebst.

    Und DANN, dass du das Leben fest umarmst, das dir in Liebe verbunden ist. Falls ein Mensch fehlt, nimm ein Tier, alle Tiere sind sich einig in ihrer Liebe zu ihrem Leben.

  • Und nachdem ich so oft Negativ schreibe doch zumindest das Bemühen und der Wunsch

    dem Positiven zu folgen, das es auch gibt. Ein bekannter Mann hat einmal gesagt, ich freue mich, wenn es regnet, weil wenn ich es nicht tue, regnet es trotzdem.

    Habe mich bisher ja nicht so sehr eingemischt. Aber stolpere gerade über diesen schönen Spruch in meiner Dateiliste. Paßt vielleicht?

    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

  • Ist aber eine ziemlich normale Reaktion von Tim. Die Therapiebereitschaft nimmt mit der Anzahl der erfolglosen Therapieversuche stark ab.

    Genau.


    Völlig unabhängig von Tims Situation:


    Dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Ein paar Beispiele:


    (1) Die Störung ist nicht therapierbar. Ist recht selten, kommt aber vor. ("Ist recht selten" im Sinne von: Unter Menschen, die in einem Forum sinnvolle Beiträge schreiben können).


    (1a) Alle Therapeuten bis jetzt waren nicht die richtigen. Kann vorkommen.


    (2) Man möchte keine Unterstützung. Ein guter Freund von mir ist so ein Beispiel. Er sucht sich gezielt unerfahrene TherapeutInnen und führt sie ziemlich systematisch hinters Licht (nach eigenen Aussagen und nach meinen Beobachtungen). Das ist ein großes Erfolgsmodell. Man muss nichts verändern, die Therapeuten sind unfähig, und man sieht sich als cleverer als sie an.


    Für ein solches Verhalten gibt es natürlich gute Gründe, nützt aber nichts. Schade um die Zeit und das viele Geld.


    (3) Die vermeintlichen Vorteile der eigenen Misere sind so groß, dass man nicht bereit ist, sie aufzugeben. Beispielsweise kann man sich als Opfer inszenieren, und jede Verantwortung von sich weisen. Es sind ja immer alle anderen schuld. Man wünscht sich zwar Linderung, aber auf keinen Fall Heilung.


    (4) Man gönnt es den Leuten nicht, von denen man denkt, sie haben die derzeitige Situation zu verantworten (Eltern, Lehrer, ...). Die Gewissheit, dass siese Menschen Schuld haben, ist stärker, als das eigene Wohlergehen.



    So lange man leidensfähig genug ist, kann man 2, 3 und 4 sein ganzes Leben lang durchhalten.


    Di Mello hat mal sinngemäß geschrieben: Eigentlich sollte ich meine psychotherapeutische Praxis komplett aufgeben. [Im Gegensatz zu seiner buddhistischen Lehrtätigkeit] Die meisten Menschen möchten Linderung, keine Lösung. Durch die Linderung, die ich ihnen biete, verlängere ich ihre Leiden nur unnötig.


    Liebe Grüße,

    Aravind.

  • Aravind

    Wie drücke es am diplomatischsten aus. Es ist die unwissendste Aussage, die ich in meinem ganzen Leben gehört habe und das in einer Weise, die sich schwer an der Grenze versucht hat, die Rechte Rede nicht zu berühren, was dir nicht gelungen ist, aber egal.


    Nochmals ich habe 1.000te Stellungnahmen bekommen von diversesten Menschengruppen, deine Zeilen haben alles gedopt, was ich je an Unwissenheit zu hören bekam.


    Da bin sogar ich fassungslos, wie man so etwas noch dazu öffentlich schreiben kann, Gratulation. Ich hoffe, ich habe mich auch an der Grenze bewegt und sie nicht überschritten, bemüht habe ich mich.

  • Hallo Tim,

    danke für Deine klare Rückmeldung.


    Ich hoffe, Du hattest meinen Hinweis gelesen?


    Völlig unabhängig von Tims Situation:

    Der Post bezog sich nicht auf Dich, sondern ist psychotherapeutisches Grundwissen. In Antwort auf Hottes wichtigen Hinweis.


    Deine Situation kenne ich überhaupt nicht. ich käme nie auf die Idee, eine "Fernanalyse" zu machen.


    Liebe Grüße, Aravind.